Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 06.02.2007
VG Frankfurt: eigentumswohnung, eltern, lebensmittelpunkt, darlehen, grundstück, wohnfläche, eigentümer, behörde, verwertung, härtefall
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Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 3515/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 BAföG, § 29 Abs 3
BAföG, § 30 BAföG
Anrechnung einer Eigentumswohnung auf den monatlichen
Bedarf eines Auszubildenden
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.Gerichtskosten werden nicht
erhoben.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1977 geborene Kläger nahm zum Wintersemester 2001/2002 ein Studium der
Biologie (Diplom) auf, nachdem er einen Studienplatz an der Universität Frankfurt
am Main durch die ZVS erhalten hatte und beantragte am 9.9.2003
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Er
reichte einen notariellen Kaufvertrag vom 15.11.2002 ein, wonach er von seinen
Eltern eine Eigentumswohnung in B. (Wohnfläche 69,56 qm) zum Preis von 80.000
Euro kaufte (Kaufpreis zahlbar am 31.7.2003). Nach dem notariellen Vertrag
valutierte die auf dem Grundstück ruhende Briefgrundschuld von 172.500 DM
(88.197,85 Euro), die seine Eltern, die Voreigentümer, zu Gunsten der C S hatten
eintragen lassen, nicht mehr. Die Eintragung des Klägers als Eigentümer im
Grundbuch erfolgte am 19.12.2002. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte
durch verschiedene Guthaben bei der APO-Bank, der Volksbank K. und der S. H..
Weiter legte er einen Mietvertrag für eine Wohnung in Frankfurt am Main vor,
wonach er dort seit dem 1.8.2003 eine Zweizimmerwohnung gemietet hatte.
Mit Bescheid vom 30.11.2004 lehnte die Behörde den Antrag ab
(Bewilligungszeitraum September 2003 bis August 2004), weil der Betrag des
anzurechnenden Vermögens des Klägers seinen monatlichen Bedarf übersteige.
Dabei wurden die Eigentumswohnung und Guthaben auf Konten bei der S. H. bzw.
der Frankfurter S. berücksichtigt.
Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers, den die Behörde mit
Widerspruchsbescheid vom 02.07.2004 als unbegründet zurückwies. Zur
Begründung heißt es: Nach § 11 Abs.2 BAföG seien auf den Bedarf des
Auszubildenden sein Einkommen und Vermögen sowie Einkommen seines
Ehegatten und seiner Eltern (in dieser Reihenfolge) anzurechnen. Der Kläger sei
Eigentümer einer Eigentumswohnung. Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BAföG sei der
Wert dieses Grundstücks/Eigentumswohnung mit dem Zeitwert im Zeitpunkt der
Antragstellung zu bestimmen.
Als Anhaltspunkt für die Bestimmung des Verkehrswertes könne in seinem Fall der
Kaufpreis von 80.000 Euro dienen. Zwar bestünden Bedenken, weil das Grundstück
zuvor mit einer Briefgrundschuld von 172.500 DM belastet war (üblicherweise
gewährten Banken keine Darlehen, die den Wert eines Grundstückes überstiegen).
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gewährten Banken keine Darlehen, die den Wert eines Grundstückes überstiegen).
Auch der Einheitswert von 11.043 Euro rechtfertige die Annahme eines höheren
Verkehrswertes.
Eine Freistellung nach § 29 Abs. 3 BAföG scheide schon deshalb aus, weil die
Wohnung nicht selbstgenutzt werde. Nach der genannten Vorschrift könne zur
Vermeidung unbilliger Härten ein Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben
(insbes. Vermögenswerte, die die Freibeträge nach § 29 Abs. 1 BAföG
überstiegen). Die Regelung bezwecke Härten auszugleichen, die sich aus den der
Vermögensanrechnung zugrundeliegenden Pauschalierungen und Typisierungen
ergäben. Zu den Typisierungen gehöre, dass das Gesetz für den Regelfall davon
ausgehe, dass das nach den §§ 26 bis 29 Abs. 1 BAföG anrechenbare Vermögen
für den Ausbildungsbedarf auch wirklich einsetzbar sei. Treffe dies ausnahmsweise
nicht zu, so könne der Ausbildungsbedarf aus dem gleichwohl angerechneten
Vermögen nicht gedeckt werden. Die Vermögensanrechnung wäre dann eine
unbillige Härte, weil sie den Auszubildenden auf Vermögen verweist, das einem
Verwertungszugriff - über die in § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG vorgesehenen rechtlichen
Verwertungshindernisse hinaus - gar nicht zugänglich sei. Eine Härte liege
insbesondere dann vor, wenn die Vermögensverwertung zur Veräußerung oder
Belastung eines im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG angemessenen
Hausgrundstücks, besonders eines Familienheims oder einer Eigentumswohnung,
die selbst bewohnt ist, führen würde. Zwar liege die Wohnfläche der
Eigentumswohnung innerhalb der gesetzlichen Wohnflächenzahl für eine Person,
der Kläger wohne aber seit dem 1.8.2003 als Mieter einer Zweizimmerwohnung in
Frankfurt am Main. Auch zuvor hatte er bereits eine andere Wohnung in Frankfurt
am Main gemietet. Eine Durchführung des Studiums von der Wohnung in B. aus
sei angesichts der großen Entfernung zum Studienort nicht möglich. Im Übrigen
fehle ein Nachweis, dass die Wohnung von dem Kläger selbst genutzt werde und
nicht vermietet sei. Folglich sei die Wohnung als reine Kapitalanlage anzusehen
und zwar unabhängig davon, ob sie vermietet ist oder nicht.
Zusätzlich habe der Kläger bei der Antragstellung über Guthaben bei der S. H. und
bei der Frankfurter S. von 4.576,24 Euro verfügt.
Nach Abzug des Freibetrages nach § 29 Abs.1 Nr.1 BAföG von 5.200 Euro habe
sich ein anzurechnendes Vermögen von 79.376,24 Euro, d.h. von monatlich
6.614,68 Euro ergeben. Da bereits der Betrag des monatlich anzurechnenden
Vermögens des Klägers seinen Bedarf überstiegen habe, sei eine
Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum September 2003 bis
September 2004 nicht rechtens gewesen.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 06.07.2004 zugestellt (Zustellungsurkunde).
Mit Schriftsatz vom 26.07.2004, bei Gericht am 29.07.2004 eingegangen, hat der
Kläger Klage erhoben und verfolgt sein Anliegen weiter. Die Leistungsablehnung
des Beklagten beruhe maßgeblich darauf, dass man für ihn von einem
anzurechnenden Vermögen von 79.376,24 Euro ausgehe. Für seine
Eigentumswohnung werde ihm ein Betrag von 80.000 Euro als Vermögen
angerechnet. Diese Anrechnung erfolge jedoch nicht zu Recht. Die
Eigentumswohnung müsse unter Berücksichtigung ihres Wertes bei der
Vermögensberechnung außer Betracht bleiben, weil hier ein Härtefall nach § 29
Abs. 3 BAföG vorliege. Es handele sich um ein nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG
angemessenes Hausgrundstück bzw. eine angemessene Eigentumswohnung.
Die Anrechnungsfreiheit sei deshalb abgelehnt worden, weil der Kläger die
Wohnung nicht selbst nutze. Zwar habe der Kläger wegen der großen räumlichen
Entfernung eine Wohnung in Frankfurt am Main gemietet, diese sei jedoch lediglich
ca. 40 qm groß und habe zwei Zimmer. Heimstatt des Klägers sei seine
Eigentumswohnung in B.. Dort befänden sich die persönlichen Gegenstände und
das Mobiliar. Der Kläger sei auch weiterhin dort mit 1. Wohnsitz gemeldet und
verbringe nicht nur die Semesterferien dort, sondern während des Semesters
auch die studienfreie Zeit sowie verschiedene Wochenenden, soweit ihm das
möglich sei. Sowohl der Familien-, als auch der Bekanntenkreis des Klägers
befinde sich im näheren regionalen Umfeld seiner Büsinger Wohnung. Die
Wohnung sei nach wie vor sein Lebensmittelpunkt. Der Kläger werde nach
Abschluss seines Studiums in seine Wohnung zurückkehren. Das Studium sei
inzwischen soweit fortgeschritten, dass er voraussichtlich im Frühjahr oder
Sommer 2005 seinen Studienaufenthalt in Frankfurt beenden werde. Auch deshalb
sei es dem Kläger nicht zumutbar die Wohnung zu verwerten.
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Entscheidend sei jedoch, dass der Kläger die Eigentumswohnung wirtschaftlich gar
nicht verwerten könne. Es bestehe nach wie vor die Briefgrundschuld von 172.500
DM (88.197,85 Euro), was der Kläger durch einen Grundbuchauszug aus dem
Grundbuch von B. vom 25.11.2003 zu belegen versucht. Die Grundschuld stehe im
Zusammenhang mit einem Grundpfandkredit der C S an seine Eltern. Eine Kopie
des Vertrages, den Grundpfandkredit betreffend, legte er ebenfalls vor.
Der Lebensmittelpunkt des Klägers liege nach wie vor in seiner Wohnung in B..
Würde man der Auffassung des Beklagten folgen, so käme als Lebensmittelpunkt
nur eine Wohnung in Betracht, von der sich der Auszubildende an seinen
Studienort täglich begeben kann. Dies würde zu einer ungerechtfertigten
Benachteiligung all jener Studenten führen, die auswärts studieren müssen, weil
ein entsprechend gut gestaltetes Studienangebot in räumlicher Nähe zu ihrer
Wohnung nicht verfügbar sei. Der Lebensmittelpunkt sei vielmehr dort, wo der
Betroffene die stärksten persönlichen und sachlichen Bindungen habe. Dies könne
auch ein Ort sein, an dem er die Wochenenden und die Ferien verbringe, an den er
bei Erkrankungen zurückkehre und an dem er besondere persönliche Bindungen
(Eltern, Freundes- und Bekanntenkreis) habe.
In entsprechender Weise werde der Begriff des Lebensmittelpunktes auch
steuerrechtlich gesehen. Hier reiche sogar aus, dass der Betroffene
durchschnittlich nur zwei Mal im Monat den entsprechenden Ort aufsucht (BFHE
145, 386). Der Kläger halte sich sehr viel häufiger in seiner Wohnung in B. auf. Der
Umstand, dass er im Semester zu den Studienzeiten für eine weitere
Unterbringung in Frankfurt sorgen musste, ändere daran nichts. Inhalt und
Ausstattung der Wohnung in B. sowie die Bindungen und der Bekanntenkreis in B.
hätten sich nicht geändert.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 30.1.2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2.7.2004 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger
Ausbildungsförderung ohne Berücksichtigung seiner Eigentumswohnung in B. zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen in dem
Widerspruchsbescheid und weist nochmals daraufhin, dass eine Förderung des
Klägers (bei Antragstellung am 16.09.2003) auf Grund seines Barvermögens
ausgeschlossen gewesen wäre. Die „Umschichtung der Vermögenswerte des
Klägers von Barvermögen in Grundvermögen“ führe nicht zu einer Förderung. Der
Lebensmittelpunkt des Klägers befinde sich in Frankfurt, die Nutzung der
Eigentumswohnung an Wochenenden, den Semesterferien u.ä. führe nicht dazu,
die Wohnung als eigengenutzt im Rechtssinne anzusehen. Angesichts der
Stellensituation auf dem Arbeitsmarkt für Biologen erscheine eine Rückkehr des
Klägers in seine Wohnung nach Studienabschluss mehr als ungewiss. Soweit die
Grundschuld auf Grund vertraglicher Vereinbarung vom 15.03.2003 ein Darlehen
der Eltern bei der C S absichert, begründet diese Vereinbarung keine
Zahlungspflicht des Klägers, er könne auch nicht erfolgreich geltend machen, dass
ihn dieser Umstand an der Verwertung des Vermögens hindere. Es sei
förderungsrechtlich nicht vertretbar zwecks Inanspruchnahme staatlicher
Leistungen vorhandene Vermögenswerte zur Sicherung von Darlehen seiner Eltern
der Verwertung zu entziehen.
Die Behördenakten (Blatt 1 bis 95) haben vorgelegen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.07.2006 auf den
Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil die angegriffenen Bescheide nicht
rechtswidrig sind und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1
VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten auf die
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten auf die
zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid und der
Klageerwiderung im Schriftsatz vom 20.12.2004 (Blatt 33 und 34 der
Gerichtsakten) verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Klagevorbringen rechtfertigt
keine andere Betrachtungsweise.
Insbesondere liegt ein Härtefall gemäß § 29 Abs. 3 BAföG nicht vor. Vermögen des
Auszubildenden wird nach den §§ 27 bis 30 BAföG angerechnet. Nach § 27 Abs.1
S.1 BAföG gelten alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen und
sonstige Rechte als Vermögen; ausgenommen sind nach § 27 Abs.1 S.2 BAföG
Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht
verwerten kann. Nach § 30 BAföG ist auf den monatlichen Bedarf des
Auszubildenden der Betrag anzurechnen, der sich ergibt, wenn der Betrag des
anzurechnenden Vermögens durch die Zahl der Kalendermonate des
Bewilligungszeitraumes geteilt wird. Bei der Eigentumswohnung des Klägers
handelt es sich weder um sog. Schonvermögen nach § 88 Abs.2 Nr. 7 BSHG noch
ist dieses aus sonstigen nicht verwertbar. Wegen der Einzelheiten der rechtlichen
Argumente hierzu wird auf die Klageerwiderung verwiesen. Andere relevante
Umstände sind nicht ersichtlich.
Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen (§ 154
Abs. 1 VwGO); Gerichtskosten werden in Verfahren auf Ausbildungsförderung nicht
erhoben (§ 188 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.