Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 11.11.2003

VG Frankfurt: wohnung, eltern, haushalt, behörde, verfügung, einkünfte, vollstreckung, zusage, belastung, klinik

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Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 836/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 3 S 3 WoGG, § 18 Nr 3
WoGG
Feststellung der "Loslösung" vom Elternhaus bei
Entscheidung über Wohngeldbewilligung
Leitsatz
Wohngeld für Zimmer im Studentenheim
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1974 geborene Kläger bewohnte im Studentenheim Kronberger Straße ... in
Frankfurt am Main ein ca. 17 m² großes unmöbliertes Zimmer, für das er eine
monatliche Miete von 400,-- DM zu entrichten hatte. Dafür beantragte er im Mai
2001 Wohngeld. In den Antragsunterlagen gab er an, dass er Einkünfte aus einer
studentischen Nebentätigkeit beziehe sowie monatlich 450,-- DM von seinen Eltern
erhalte. Der Kläger hat seinen Hauptwohnsitz in Frankfurt am Main und ist mit
Nebenwohnsitz für die elterliche Wohnung in Lörrach gemeldet (acht Zimmer mit
Gesamtwohnfläche von 278 m²). Ferner erklärte der Kläger gegenüber der
Behörde, dass er noch keinerlei berufliche Dispositionen im Hinblick auf eine
künftige Arbeitsstelle getroffen habe, er werde mindestens noch zwei bis drei Jahre
in Frankfurt am Main studieren.
Die Behörde lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.11.2001 ab und wies zur
Begründung darauf hin, dass der Kläger nur vorübergehend vom Familienhaushalt
abwesend sei und berief sich dabei auf § 18 Nr. 3 des Wohngeldgesetzes.
Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers, den er wie folgt begründete:
Er halte sich nur fünf bis zehn Tage im Jahr im elterlichen Haushalt auf und plane
Frankfurt als Hauptwohnsitz beizubehalten, um anschließend hier tätig zu werden.
Sein bisheriges Zimmer in der elterlichen Wohnung werde inzwischen anderweitig
genutzt.
Den Widerspruch wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2002 als
unbegründet zurück. Im einzelnen ist dort ausgeführt:
"Gem. § 18 Nr. 3 des WoGG wird Wohngeld nicht gewährt für Wohnraum, der von
Personen während der Zeit benutzt wird, in der sie vom Familienhaushalt
vorübergehend abwesend sind (§ 4 Abs. 3).
§ 4 Abs. 3 des WoGG bestimmt, dass eine vorübergehende Abwesenheit von
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§ 4 Abs. 3 des WoGG bestimmt, dass eine vorübergehende Abwesenheit von
Familienmitgliedern vermutet wird, solang sie noch für ihre Lebenshaltung
überwiegend von anderen zum Haushalt rechnenden Familienmitgliedern
unterstützt werden.
Der Widerspruchsführer hat im Rahmen seiner Antragstellung angegeben, dass
sich die monatliche Unterstützung seiner Eltern auf 450,-- DM beläuft. Seine
eigenen Einkünfte gab er mit rd. 490,-- DM an, wobei sich aus der nachgereichten
Verdienstbescheinigung ergab, dass er aus seiner Pförtnertätigkeit während des
Zeitraums von Juli 2000 bis Juni 2001 monatliche durchschnittliche
Bruttoeinnahmen in Höhe von 875,-- DM bezog.
Damit ist die Finanzierung des Lebensunterhaltes zwar nicht überwiegend von
Mitgliedern des Familienhaushaltes getragen, jedoch steht fest, dass er seinen
Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht bestreiten kann und daher von seinen
Familienangehörigen unterstützt werden muss.
Soweit der Widerspruchsführer vorträgt, dass er seine Eltern nur an wenigen Tagen
im Jahr besuche, vermag dies für die Prognose, dass er in das Elternhaus nicht
mehr zurückkehren werde, nichts herzugeben. Eine starke Einschränkung des
persönlichen Verkehrs mit den Eltern oder gar das Fehlen jeglicher Besuche bei
ihnen, kann im Einzelfall wohl zu der Feststellung führen, mit einer Rückkehr des
Studenten in das Elternhaus sei nicht mehr zu rechnen. Dies setzt aber voraus,
dass die Einschränkung oder das Fehlen persönlicher Kontakte zwischen dem
Studenten und den Eltern auf eine tiefgehende Entfremdung zurückgeht, die dazu
geführt hat, dass man aus gegenseitiger Gleichgültigkeit oder Abneigung nicht
mehr in einer Wohnung zusammen leben möchte. Dass sich dies im vorliegenden
Fall so verhält, ist nicht erkennbar. Im übrigen sprechen wohl die finanzielle
Unterstützung sowie die weiter erfolgenden Besuche gegen diese Annahme.
Auch die räumlichen Verhältnisse in der elterlichen Wohnung - es handelt sich um
eine 8-Zimmer-Wohnung mit 278 qm Wohnfläche - sind nicht geeignet, eine
Rückkehr von vornherein auszuschließen. Dies gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Wohnung lediglich von drei Personen bewohnt wird und es
keine Schwierigkeiten darstellt, dem Widerspruchsführer sein bisher bewohntes
oder ein anderes Zimmer zur Verfügung zu stellen, da offensichtlich ein
ausreichendes Platzangebot vorhanden ist.
Der Widerspruchsführer hat im übrigen lediglich eine Absichtserklärung
abgegeben, in Frankfurt am Main nach Abschluss seiner Ausbildung verbleiben zu
wollen. eine verbindliche Zusage eines Arbeitgebers für die Zeit nach Abschluss
seines Studiums liegt nach Angaben des Widerspruchsführers nicht vor, ganz
abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, wie lange dieses Studium noch
andauern wird. Die subjektiven Wünsche eines Antragstellers sind bei der
Beurteilung der Frage von vorübergehenden Abwesenheit vom Familienhaushalt
nicht maßgeblich, so dass es nicht darauf ankommt, dass der Widerspruchsführer
im Hinblick auf gute Berufsaussichten im Raum Frankfurt hier tätig zu werden
gedenkt.
Schließlich sind weder das Lebensalter noch die lange Studienzeit ausreichende
Beweisanzeichen für eine bereits erfolgte Loslösung vom Familienhaushalt (vgl.
Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.04.1986 - Az.: 9 OE 23/83).
Der Hess. VGH hat in dem seinerzeit entschiedenen Fall eines Studenten, der
bereits 29 Jahre alt war und noch einige Jahre des Studiums vor sich hatte, zu dem
ausgeführt, dass die Schwierigkeit, nach der Hochschulausbildung einen
Arbeitsplatz zu finden, um die Notwendigkeit, die Belastung der Eltern durch
Unterhaltszahlungen so gering wie möglich zu halten, einen Hochschulabsolventen
auch gegen seine Neigung nach dem Studium vorübergehend in das Elternhaus
zurückführen können.
Vorliegend stehen dem - wie dargestellt - weder die räumlichen Voraussetzungen
im elterlichen Haushalt entgegen noch hat der Widerspruchsführer eine
verbindliche Zusage, dass er nach Abschluss seines Studiums von einem
bestimmten Arbeitgeber übernommen werden wird, worauf ebenfalls bereits
hingewiesen wurde."
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 13.02.2002 zugestellt
(Postzustellungsurkunde). Mit Schriftsatz vom 05.03.2002, bei Gericht am
07.03.2002 eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und verfolgt sein Begehren
auf Wohngeldgewährung und Heizkostenzuschuss weiter. Zur Begründung ist
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auf Wohngeldgewährung und Heizkostenzuschuss weiter. Zur Begründung ist
ausgeführt, die Behörde könne sich nicht auf § 4 Abs. 3 Satz 3 WoGG berufen,
wonach eine vorübergehende Abwesenheit des Klägers vermutet werde, so lange
er "noch für seine Lebensunterhaltung überwiegend von anderen zum Haushalt
rechnenden Familienmitgliedern unterstützt" werde. Der Kläger finanziere seinen
Lebensunterhalt überwiegend selbst, er sei daher nicht dem Haushalt seiner Eltern
zuzurechnen. Der Kläger habe sich auch von seinem Elternhaus gelöst, da er eine
andere "familiäre Bindung "eingegangen sei, er habe seit 1996 eine
Lebenspartnerin, die als Assistenzärztin in einer Klinik in Bad Salzschlirf beschäftigt
sei. Nur deshalb wohnten beide Partner getrennt. Während des Studiums hätten
sie in Frankfurt am Main gewohnt.
Der Kläger führt weiter aus, dass es inzwischen aber so sei, dass er von seinen
Eltern seit November 2002, dem Monat, in dem er 28 Jahre alt geworden sei,
keinerlei Zuwendungen mehr erhalte. Seine Lebenspartnerin halte sich inzwischen
in Heilbronn auf; der auf seinen Namen zugelassene Pkw werde für Fahrten nach
Heilbronn regelmäßig genutzt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide vom 15.11.2001 und vom
11.02.2002 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Wohngeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf den angegriffenen Bescheid
und den Widerspruchsbescheid. Im übrigen handele es sich bei der Unterkunft des
Klägers keineswegs um eine abgeschlossene Wohnung sondern um ein Zimmer in
einem Studentenwohnheim, das für einen Einjahreszeitraum gemietet worden sei.
Die Räumlichkeiten seien funktionsgebunden und dienten dazu, innerhalb kurzer
Zeit möglichst vielen Studenten einen Wohnheimplatz zur Verfügung zu stellen, so
dass durch die kurzzeitige Vermietung dem angestrebten Rotationsprinzip
Rechnung getragen werde.
Darüber hinaus bestünden Zweifel, dass der Kläger für seinen Lebensunterhalt und
auch für den auf ihn zugelassenen Pkw selbst aufkommen könne. Die Angaben
dazu seien nicht ohne Widerspruch. Im übrigen verweist die Behörde auf Nr. 4.31
Abs. 5 der Wohngeldverwaltungsvorschrift hinsichtlich der endgültigen Loslösung
vom Familienhaushalt und hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen bei Fehlen
der finanziellen Unterstützung eines Familienmitgliedes auf die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Münster (18.08.1982 - 6 K 1971/81). Auch die Verlobung
stellte keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die endgültige Loslösung vom
Familienhaushalt dar. Wegen der Einzelheiten insbesondere wegen weiterer
zitierter Fundstellen wird auf die Ausführungen in dem Klageerwiderungsschriftsatz
vom 20.03.2002 verwiesen (Blatt 16 bis 18 der Gerichtsakten).
Ferner weist die Beklagte auf den Beschluss des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 23.10.2003 - 10 TP 1548/03 - hin; dort sei
ausgeführt:
"Für eine nur vorübergehende Abwesenheit im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 WoGG
spricht letzten Endes ganz entscheidend, dass der Antragsteller - worauf die
Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 09.12.2002 zutreffend hingewiesen hat - ein
Zimmer in einer Größenordnung von 14 qm in einer Gemeinschaftsunterkunft in
einer Studentenwohnanlage in Frankfurt bewohnt, in der der mittlerweile 27 Jahre
alte Antragsteller wohl kaum alle seine Habseligkeiten untergebracht haben kann.
Abgesehen davon sind nach § 1 Abs. 4 des in der Gerichtsakte in Kopie
befindlichen Mietvertrages nur an der Frankfurter Hochschule immatrikulierte
Studenten wohnberechtigt, wobei diese Wohngeldberechtigung im Falle der
Ablegung einer berufsqualifizierenden Prüfung oder im Falle der Exmatrikulation
am Ende des jeweiligen Monats ohne Weiteres endet. Diese Wohnverhältnisse des
Antragstellers sind auch nicht ansatzweise zu vergleichen mit dem rechtlich gut
abgesicherten Wohnverhältnis im Falle des Bezuges einer eigenen Wohnung und
bestätigt daher die Annahme einer nur vorübergehenden Abwesenheit im Sinne
des § 4 Abs. 3 Satz 1 WoGG (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 27.
August 1992, a.a.O., S. 501 a.E.)."
Aus dem zwischen dem Studentenwerk Frankfurt am Main und dem Kläger
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Aus dem zwischen dem Studentenwerk Frankfurt am Main und dem Kläger
geschlossenen Mietvertrag ergebe sich, dass es sich bei dem Zimmer im
Studentenwohnheim um eine lediglich befristete Wohnmöglichkeit handele. Eine
Verlängerung des Mietverhältnisses über die vierjährige Wohnzeit sei grundsätzlich
ausgeschlossen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.12.2002 dem
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Die Verwaltungsvorgänge (Blatt 1 bis 47) sind beigezogen worden und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die die Wohngeldgewährung ablehnenden
Bescheide nicht rechtswidrig sind und der Kläger dadurch in seinen Rechten nicht
verletzt ist.
Hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsvorschriften des Wohngeldgesetzes wird auf
die Angaben in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten verwiesen (§ 117 Abs. 5
VwGO). Den Zweifeln hinsichtlich der Qualität als durch das Wohngeldgesetz
geschützter Wohnung bei einem Zimmer im Studentenheim braucht nicht weiter
nachgegangen zu werden, weil die Klage bereits aus den Erwägungen des in der
mündlichen Verhandlung erörterten und dem Kläger "im Original" (gemeint ist der
volle Text der Entscheidung) zugänglich gemachten Beschusses des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 23.10.2003 - 10 TP 1548/03 - abzuweisen ist.
Auch dass der Kläger (weiterhin) finanziell abhängig ist, steht fest. Dabei kommt
es nicht entscheidend darauf an, dass er sich vom Elternhaus "gelöst" hat, weil die
"Abhängigkeit" nunmehr von seiner berufstätigen Lebensgefährtin besteht.
Da der Kläger unterlegen ist, hat er die Verfahrenskosten zu tragen (§ 154 Abs. 1
VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und die
Vollstreckungsabwehrbefugnis sind nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und §
711 ZPO geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.