Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 16.03.2011

VG Frankfurt: zuwendung, ermessensfehler, vertrauensschutz, bundeshaushalt, verfügung, naturschutz, gleichheit, rechtskontrolle, gleichbehandlungsgebot, bundesbehörde

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 4420/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 3 GG
Förderung von Mini-KWK-Anlagen
Leitsatz
Die Erschöpfung der Haushaltsmittel rechtfertigt die Ablehnung von Anträgen auf die
Förderung von Mini-KWK-Anlagen nach Maßgabe eines Haushaltstitels und behördlicher
Richtlinien auch dann, wenn der Antragsteller nach Antragstellung, aber vor Erhalt eines
Bescheides die Investition im Vertrauen darauf tätigt, dass er die Zuwendung erhalten
werde.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger stellte mit Formantrag vom 07.09.2009, bei der Beklagten eingegangen
am 16.09.2009 einen Antrag auf Basisförderung einer Mini-KWK-Anlage nach den
Richtlinien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen vom 05.12.2008 unter Beifügung
eines entsprechenden Angebots. Die Beklagte bestätigte den Eingang. Am
06.12.2009 übersandte der Kläger der Beklagten das Protokoll über die
Inbetriebnahme der Anlage am 30.11.2009. Mit Bescheid vom 12.05.2010 lehnte
die Beklagte den Förderantrag mit der Begründung ab, dass die Mittel erschöpft
seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 15.10.2010 zurück. Am 16.11.2010 hat der Kläger
Klage erhoben.
Er beruft sich darauf, dass der wegen der Mittelerschöpfung verhängte
Programmstopp erst am 03.05.2010 beschlossen worden sei, während er den
Förderantrag bereits im September 2009 gestellt habe. Der rückwirkende
Programmstopp verletze das Rückwirkungsverbot. Er genieße Vertrauensschutz,
da er die Anlage im Vertrauen darauf, die Förderung zu erhalten, habe errichten
lassen. Die Beklagte habe es versäumt, ihn alsbald nach Antragseingang darüber
zu unterrichten, dass die Mittel erschöpft waren. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. vom 05.08.2010 (1 K 1093/10.F) sei in seinem
Fall nicht einschlägig, es gehe nämlich weder um eine Untätigkeitsklage noch um
eine Presseerklärung, sondern darum, dass der Beklagten bereits zum Zeitpunkt
der Antragstellung die Ausschöpfung der Haushaltsmittel bekannt war und sie ihn
nicht davon unterrichtet habe. Stattdessen sei in den Medien noch immer für das
Förderprogramm geworben worden. Hilfsweise stehe ihm wegen des enttäuschten
Vertrauens ein Schadensersatzanspruch zu. Hätte er gewusst, dass er keine
Förderung erhalten könne, hätte er die Mini-KWK-Anlage nicht angeschafft.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2010 und den Widerspruchsbescheid
vom 15.10.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den
Fördermittelantrag des Klägers vom 07.09.2009 gemäß der Richtlinie des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Förderung
von Mini-KWK-Anlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und auf das
Urteil des VG Frankfurt a.M. vom 05.08.2010 (1 K 1093/10.F).
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 09.02.2011 auf den
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben
übereinstimmend einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Das
Gericht hat einen Hefter Behördenakten beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig. Die Beklagte durfte die beantragte Förderung einer Mini-KWK-Anlage
ablehnen. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte bewilligt die Zuwendungen allein aufgrund eines entsprechenden
Haushaltstitels im Bundeshaushalt. Das Ob und Wie der Bewilligung steht in ihrem
Ermessen, wobei sie sich regelmäßig an den Richtlinien orientiert und an
Weisungen der vorgesetzten obersten Bundesbehörde gebunden ist. Ein
gesetzlicher Anspruch auf die Zuwendung besteht deshalb nicht, was die
Richtlinien in Nr. 1.3 auch ausdrücklich klarstellen. Bei den Richtlinien handelt es
sich um interne Verwaltungsvorschriften, die keine rechtliche Außenwirkung
entfalten. Sie haben also keine Auswirkungen auf die rechtliche Position der
Antragsteller. Das einzige Recht, auf das sich die Antragsteller berufen können, ist
das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG). Das Gericht ist deshalb
darauf beschränkt die angefochtenen Bescheide unter zwei Aspekten einer
Rechtskontrolle zu unterziehen: Zunächst ist zu prüfen, ob die Behörde bei der
Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen das Gleichbehandlungsgebot
beachtet hat, also in allen Fällen die gleichen Kriterien zugrundelegt und auch im
Einzelfall davon nicht abweicht (BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 – 3 C 6/95 –, BVerwGE
104, 220). Zweitens ist zu prüfen, ob die maßgeblichen Kriterien mit dem ebenfalls
aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot vereinbar sind. Eine Verletzung des
Willkürverbotes liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem
denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt,
dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BVerfG Urt. v. 08.07.1997 – 1 BvR
1934/93 –, BVerfGE 96, 198 TZ 49).
Der Ablehnung des Förderantrages liegt hier folgender Sachverhalt zugrunde, der
den Beteiligten durch das von beiden in Bezug genommene Urteil vom 05.08.2010
bekannt ist und nicht bestritten wird: Das BMU hat von den ihm nach Titel 686 24-
629 des Einzelplans 16 des Bundeshaushaltsplans 2009 (Anlage nach § 1
Haushaltsgesetz 2009 v. 21.12.2008 – BGBl I 2008, 2899) für die Förderung von
Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien zugewiesenen 465.533.000
EUR u.a. dahingehend Gebrauch gemacht hat, dass 49 Mio. EUR für die Förderung
von Mini-KWK-Anlagen nach den Förderrichtlinien vom 05.12.2008 vorgesehen
wurden. Dazu war das BMU ermächtigt, weil nach den Erläuterungen zu dem
besagten Haushaltstitel aus diesem Titel auch Ausgaben für die Förderung von
klimaschützenden Maßnahmen zur Steigerung der Energie- und
Ressourceneffizienz geleistet werden durften, ohne dass der Haushaltsplan weitere
Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der dafür vorgesehenen Mittel macht. Es stand
deshalb im Ermessen des BMU, nach umweltpolitischen Gesichtspunkten die
insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel auf verschiedene Förderprogramme zu
verteilen. Rechtlich relevante Ermessensfehler sind insoweit weder vorgetragen
noch ersichtlich.
Am 31.07.2009 waren bereits Haushaltsmittel in Höhe von 48.689.834 EUR durch
Zuwendungsbescheide zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen gebunden. Den noch
verfügbaren 310.166 EUR standen 1.183 noch offene Förderanträge mit einem
zunächst geschätzten Gesamtvolumen von 8.872.500 EUR gegenüber. Daraufhin
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zunächst geschätzten Gesamtvolumen von 8.872.500 EUR gegenüber. Daraufhin
erteilte das BMU der Beklagten die Weisung, alle ab dem 01.08.2009 eingehenden
Anträge zunächst nicht mehr zu bescheiden. Die bereits anhängigen Anträge
wurden abgearbeitet, wobei sich ergab, dass sie überwiegend unbegründet waren,
so dass im Ergebnis insoweit nur 2.918.995 EUR aufgewendet werden mussten.
Die im Budget für die Förderung der Mini-KWK-Anlagen fehlenden 2.608.829 EUR
wurden durch Mittel gedeckt, die ursprünglich für die Förderung von Maßnahmen
an gewerblichen Kälteanlagen vorgesehen waren und aus demselben
Haushaltstitel finanziert wurden.
Nachdem im Haushaltsplan 2010 der Haushaltstitel zur Förderung von
Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien insgesamt auf 448.333.000
EUR gekürzt und davon noch 115 Mio. EUR mit einer Haushaltssperre belegt
worden waren, entschied sich das BMU am 03.05.2010, alle ab dem 01.08.2009
eingegangenen Anträge auf Förderung von Mini-KWK-Anlagen abzulehnen und
dieses Förderprogramm nicht weiter zu betreiben. Dabei blieb es auch, nachdem
die Haushaltssperre am 07.07.2010 aufgehoben worden ist. Infolge dieser
Entscheidungen musste der Förderantrag des Klägers abgelehnt werden.
Die vorstehend geschilderten Entscheidungen lassen Ermessensfehler nicht
erkennen. In dem Umstand, dass Anträge, die vor dem 01.07.2009 eingegangen
sind, noch bewilligt wurden, während dies bei Anträgen, die nach diesem Zeitpunkt
eingegangen sind, nicht der Fall ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dass
ein Programmstopp überhaupt notwendig war, ergibt sich schon daraus, dass die
zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgereicht hätten, alle weiteren Anträge
abzudecken. Dass der Zeitpunkt des Programmstopps gerade auf den 01.08.2009
festgelegt wurde und nicht auf einen späteren Zeitpunkt, ist schon deshalb
unbedenklich, weil schon die zur Deckung der bis dahin eingegangenen Anträge
erforderlichen Mittel nicht ausreichen konnten. Allenfalls könnte man darüber
nachdenken, ob der Programmstopp nicht schon früher hätte verfügt werden
müssen. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil sich daraus keine für
den Kläger günstigere Position ergäbe.
Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte trotz
erschöpfter Haushaltsmittel weitere Anträge angenommen und zunächst nicht
negativ beschieden hat. Das war im Hinblick auf die Möglichkeit gerechtfertigt,
dass im Haushalt 2010 weitere Mittel ausgewiesen werden, die die positive
Bescheidung noch hätten möglich machen können.
Die schließlich getroffene Entscheidung, das Förderprogramm für Mini-KWK-
Anlagen endgültig einzustellen und dafür keine Haushaltsmittel mehr zu
verwenden, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der entsprechende
Titel im Bundeshaushalt 2010 hätte zwar die Fortsetzung des Programms
zugelassen. Indessen stand es im Ermessen des BMU, ob und wie es davon
Gebrauch machen wollte.
Auf Gesichtspunkte der verbotenen Rückwirkung kann sich der Kläger nicht
berufen, weil dies grundsätzlich nur für gesetzliche Regelungen in Betracht kommt.
Der Kläger kann sich auch nicht auf allgemeine Gesichtspunkte des
Vertrauensschutzes berufen. Dem steht schon der Umstand entgegen, dass die
Richtlinien vom 05.12.2008 in Nr. 1.3 nicht nur ausdrücklich darauf hinweisen, dass
kein Rechtsanspruch auf die Zuwendung besteht, sondern die Gewährung der
Zuwendung auch unter den Vorbehalt der Verfügbarkeit der erforderlichen
Haushaltsmittel stellen. Medienberichte begründen keinen rechtlichen
Vertrauensschutz. Der Kläger konnte sich also nicht darauf verlassen, die
beantragte Förderung auch zu erhalten. Erst nach Erhalt eines
Zuwendungsbescheides hätte er rechtlich geschütztes Vertrauen genossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124
Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.