Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 06.07.2004

VG Frankfurt: wichtiger grund, ausbildung, wechsel, erkenntnis, betriebswirtschaftslehre, klausur, unverzüglich, vollstreckung, praktikum, bwl

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Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 6827/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 7 Abs 3 BAföG
Anforderungen an die Erkenntnis des Neigungsmangels
innerhalb der Orientierungsphase
Leitsatz
Innerhalb der ersten zwei Semester sind geringere Anforderungen an die Erkenntnis
eines Neigungswandels zu stellen, der als "wichtiger Grund" für einen
Fachrichtungswechsel anerkannt werden kann (sog. Orientierungsphase).
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.06.2003 in der Gestalt
seines Widerspruchsbescheids vom 28.10.03 verpflichtet, der Klägerin
Ausbildungsförderung gemäß ihrem Antrag vom 10.03.2003 dem Grunde nach zu
bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden
nicht erhoben.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte durch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die 1982 geborene Klägerin bestand im Juni 2001 ihr Abitur und nahm zum
Wintersemester 01/02 das Studium im Studiengang Wirtschaftwissenschaften an
der Gesamthochschule Wuppertal mit dem Ziel des Bachelor-Abschlusses auf. In
der vorlesungsfreien Zeit am Ende des 1. Fachsemesters schrieb sie am 22.03.02
im Fach Mathematik eine Klausur, die mit der Note 1,7 bewertet wurde. Am
12.03.02 schrieb sie eine Klausur im Fach "Statistik", die mit der Note "5" bewertet
und damit nicht als Leistungsnachweis anerkannt wurde.
Für das. 2. Fachsemester meldete sie sich zurück, die Rückmeldefrist der
Gesamthochschule Wuppertal endete am 01.02.2002.
Semesterbeginn für das Sommersemester war der 01.04.02, Semesterende der
30.09.02.
Im Frühjahr 2002 nahm sie am Aufnahmeverfahren für ein Studium an der
European Business-School (ebs) auf Schloss Reichartshausen in Oestrich-Winkel
teil. Von den beiden Terminen für die schriftliche Aufnahmeprüfung, dem
13.04.2002 (Anmeldeschluss: 28.03.02) und 25.05.02 (Anmeldeschluss: 10.05.02)
nahm sie den am 25.05.02 wahr, den sie auch erfolgreich absolvierte.
Daraufhin wurde sie zum mündlichen persönlichkeitsorientierten
Aufnahmeverfahren zugelassen, das sie am 06. Juli 2002 erfolgreich abschloss.
Nach den zwingenden Zulassungsbedingungen der ebs sind vor Aufnahme des
Studiums ferner ein mindestens 4-wöchentliches Praktikum oder eine einschlägige
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Studiums ferner ein mindestens 4-wöchentliches Praktikum oder eine einschlägige
berufspraktische Tätigkeit vor Studienbeginn erforderlich. Das 4-wöchentliche
Praktikum absolvierte die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen
Verhandlung im August 2002. Vorlesungsbeginn in Wintersemester 2002/03 an der
ebs war der 16.09.2002.
Mit Wirkung zum 01.09.2002 exmatrikulierte sich die Klägerin von der
Gesamthochschule Wuppertal und nahm im September 02 das Studium an der
ebs in der Fachrichtung Betriebswirtschaftslehre/2-sprachige Studienrichtung
(Diplom) - BWL - auf. Anerkannt wurde ihr von der ebs der Leistungsnachweis im
Fach Mathematik mit der Note 1,7.
Mit am 10.03.2003 beim Beklagten eingegangenem Antrag begehrte sie
Ausbildungsförderung für das Studium in der Fachrichtung BWL/2. Semester an
der ebs.
Sie begründete zunächst den Wechsel der Universität mit den schlechten
Studienbedingungen an der Gesamthochschule Wuppertal (hoffnungslose
Überfüllung, schlechte Vorlesungen, schlecht vorbereitete Professoren,
Studentenstreiks). Ergänzend trug sie mit Schreiben vom 26.04.03 vor, der
Studiengang "Wirtschaftswissenschaften" sei zu theoretisch gewesen. Die
Fachrichtung "Betriebswirtschaftslehre" an der ebs sei wesentlich praxisorientierter
und behandele mehr praktischen Stoff. Die Betriebswirtschaftslehre stelle auch nur
einen kleinen Ausschnitt des Gebiets der Wirtschaftswissenschaften dar und liege
ihr mit dem Praxisbezug besser. Sie habe aber erst im 2. Semester in Wuppertal
erkannt, dass die reine Theorie nicht ihre Sache sei und habe Alternativen
gesucht. In Wuppertal habe sie auch keine Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz in Anspruch genommen. Da sich die
finanzielle Lage ihrer Eltern nicht wie geplant entwickelt habe, sei sie nunmehr
dringend auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
angewiesen.
Mit Bescheid vom 13.06.03 entschied die Beklagte, dass ihr auf ihren Antrag vom
10.03.2003 für das Studium in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften an der
European Business-School in Oestrich-Winkel als einer anderen Ausbildung nach
Abbruch oder Wechsel der Fachrichtung dem Grunde nach Ausbildungsförderung
gemäß § 7 Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nicht bewilligt
werde.
Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die
Einführungskurse des 1. Semesters in Wuppertal ohne Praxisbezug gewesen seien.
Sie habe gehofft, dass sich dies im 2. Semester ändern werde. Bald habe sie
erkannt, dass dies nicht der Fall war und habe sich in der ersten Maiwoche zum
Aufnahmetest bei der ebs angemeldet. Sie habe dann unverzüglich alle Schritte
unternommen, um den Wechsel zu vollziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, der Wechsel vom Studiengang
"Wirtschaftswissenschaften" zum Studiengang "Betriebswirtschaftslehre/2-
sprachige Studienrichtung" mit anderem berufsqualifizierendem Abschluss stelle
einen Fachrichtungswechsel dar. Zwar könnten die geschilderten schlechten
Studienbedingungen, der fehlende Praxisbezug, schlecht vorbereitete Professoren,
die Annahme eines Neigungswechsels begründen und damit als wichtiger Grund
für den Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG anerkannt werden.
Der Wechsel sei vorliegend jedoch als verspätet anzusehen, denn der
Neigungswandel sei der Klägerin bereits im ersten Fachsemester erkennbar und
bewusst geworden. Unerheblich für die Entscheidung sei, dass zuvor noch keine
Ausbildungsförderung geleistet worden sei.
Auf den am 30.10.03 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am
21.11.03 die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, die Rückmeldefrist sei zum 01.02.2003 abgelaufen,
bevor sie sich einer Leistungskontrolle für das erste Semester habe unterziehen
können. Das Ergebnis der Mathematik-Klausur habe ihr am 12.04.02, das der
Statistik-Klausur am 30.04.02 vorgelegen. Das Ergebnis sei mit dem einen
Leistungsnachweis sowie dem anderen "Fehlschlag" für sie auch nicht klar
gewesen. Anfang Mai habe sie dann von dem Anmeldeschluss des 10.05.02 für
den schriftlichen Aufnahmetest an der ebs über das Internet Kenntnis erlangt.
Erst nach weiterem Studium in Wuppertal habe sie Mitte August erkannt, dass
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Erst nach weiterem Studium in Wuppertal habe sie Mitte August erkannt, dass
dieses Studium nicht ihren Neigungen entsprach. Daraufhin habe sie sich
unverzüglich exmatrikuliert.
Im übrigen sei an den ablehnenden Entscheidungen des Beklagten entgegen § 43
BAföG der Förderungsausschuss nicht beteiligt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
ihr unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 30.06.03 in der Gestalt
seines Widerspruchsbescheids vom 28.10.03 Ausbildungsförderung gemäß ihrem
Antrag vom 10.03.03 dem Grunde nach zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie begründet den Abweisungsantrag unter Bezugnahme auf die Gründe des
Widerspruchsbescheids.
Ein Band das Verfahren betreffende Unterlagen des Beklagten hat vorgelegen und
ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf den Inhalt
dieser Unterlagen wird, ebenso wie auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte,
zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 42 VwGO zulässige Verpflichtungsklage ist auch begründet. Die
Ablehnung der von der Klägerin mit Antrag vom 10.03.2003 begehrten
Ausbildungsförderung dem Grunde nach durch den Bescheid vom 13.06.2003 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2003 ist rechtswidrig und
verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten. Es liegen die Voraussetzungen des § 7
Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vor, unter welchen ihr
Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung zu leisten ist, da die Klägerin im
zweiten Semester die Fachrichtung aus einem wichtigen Grund gewechselt hat (§§
113 Abs. 5 VwGO, 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG).
Nach § 7 Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz wird Ausbildungsförderung
für eine andere Ausbildung nur geleistet, wenn der Auszubildende die Fachrichtung
aus wichtigem Grund gewechselt hat. Gemäß Satz 3 der vorzitierten Vorschrift
wechselt ein Auszubildender die Fachrichtung, wenn er einen anderen
berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel
eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte
derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Dies ist vorliegend der Fall, wie der
Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt hat und bedarf
keiner weiteren Ausführungen.
Der Fachrichtungswechsel erfolgte auch aus wichtigem Grunde. Wichtiger Grund im
Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG ist jeder Grund, der einen auch auf wirtschaftlichen
Erfolg seiner Berufstätigkeit zielenden Auszubildenden bei verständiger Würdigung
der Bedeutung des Berufs zu einem Ausbildungswechsel veranlasst. Davon
ausgehend nimmt das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen wichtigen Grund dann an,
wenn dem Auszubildenden unter Berücksichtigung aller im Rahmen der
Ausbildungsförderung erheblichen Umstände, die sowohl durch die an Ziel und
Zweck der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen als auch
durch die Interessen des Auszubildenden bestimmt werden, die Fortsetzung der
bisherigen Ausbildung nicht mehr zumutbar ist. Orientiert an dem Grundsatz des §
1 BAföG, dem Auszubildenden eine seiner Neigung, Eignung und Leistung
entsprechende Ausbildung zu gewährleisten, sind hierbei im Bereich der
Interessen des Auszubildenden Umstände zu berücksichtigen, die an seine
Neigung, Eignung und Leistung anknüpfen. In Betracht kommt deshalb im Rahmen
des zu prüfenden wichtigen Grundes etwa ein ernst zu nehmender
Neigungswandel oder aber auch die Erkenntnis eines Eignungsmangels (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 1995, NVwZ 95, 1109 m. w. N.;
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.04.2004, Az.: 10 E
1847/03[V]). Die Berücksichtigung eines Neigungswandels setzt allerdings voraus,
dass der Auszubildende vor der Aufnahme der Ausbildung davon ausgegangen ist,
das zunächst gewählte Fach entspreche seiner Neigung (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.1990 - BVerwGE 95, 194 ff.)
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Vorliegend sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin bei
Aufnahme ihres Studiums an der Gesamthochschule Wuppertal nicht davon
ausgegangen sein könnte, das zunächst gewählte Fach
"Wirtschaftswissenschaften" entspreche nicht ihrer Neigung. Dies folgt bereits
daraus, dass sie sich in der vorlesungsfreien Zeit des ersten Fachsemesters zwei
Klausuren zwecks Erlangung von Leistungsnachweisen unterzogen hat und auch
den Leistungsnachweis im Fach Mathematik mit der Note 1,7 erlangte. Die
Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Klägerin
bereits vor Aufnahme des Studiums sowohl den Umstand, dass der
Vorlesungsstoff in den im ersten Semester zu besuchenden Fachvorlesungen
unzulänglich vermittelt würde und darüber hinaus der Lehrstoff in einem solchen
Umfang praxisfern sei, dass dies ihren Neigungen nicht entspreche, vermag das
Gericht in diesem Zusammenhang nicht nachzuvollziehen.
Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung erläutert, sie habe erwartet,
dass der Lehrstoff in weit größerem Umfange anhand von Fallbeispielen vermittelt
werde, was im ersten Fachsemester nicht der Fall gewesen sei. Sie habe zwar ihre
Neigung zur praxisorientierten Ausbildung im Verlaufe des ersten Fachsemesters
erkannt, jedoch gehofft, im zweiten Semester, nach Ablauf der Eingangsphase,
werde sich dies ändern. Daher habe sich auch die Klausuren geschrieben, um
sozusagen ihre Eignung für das Studium der Wirtschaftswissenschaften zu testen.
Sie habe sich zurückmelden müssen für das zweite Fachsemester, bevor sie die
Klausuren geschrieben habe, da sie andernfalls die Rückmeldefrist versäumt hätte.
Sie habe dann nach Beginn des zweiten Semesters im Verlaufe des Monats April
die üblichen Vorlesungen, die gemäß dem Lehrplan angestanden hätten, besucht
und festgestellt, dass sich weder der Lehrstoffsinhalt noch seine Vermittlung
verändert hätten. Nach Erkenntnis dieses Neigungswandels hat die Klägerin
sodann unverzüglich nach anderen Ausbildungsmöglichkeiten gesucht und sich
Anfang Mai um die Aufnahme im Studienfach Betriebswirtschaftslehre an der ebs
beworben.
Zwar kann ein wichtiger Grund nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, welcher das erkennende Gericht in ständiger
Rechtsprechung folgt, nur anerkannt werden, wenn der Auszubildende, sobald er
Gewissheit über den Grund für den Fachrichtungswechsel erlangt hat,
unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, die erforderlichen Konsequenzen
zieht. Es wird dem Auszubildenden dabei entsprechend seinem Ausbildungsstand
und Erkenntnisvermögen zugemutet, den Gründen, die einer Fortsetzung der
bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen. Sobald der
Auszubildende sich demnach Gewissheit über seine fehlende Neigung oder
Eignung für das bisher gewählte Fach verschafft hat oder verschaffen konnte,
muss er deshalb ohne schuldhaftes Zögern die erforderlichen Konsequenzen
ziehen und die bisherige Ausbildung beenden. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich
nicht allein nach objektiven Umständen, es ist vielmehr auch in subjektiver
Hinsicht zu prüfen, ob ein etwaiges Unterlassen notwendiger Maßnahmen dem
Auszubildenden vorwerfbar ist und ihn damit ein Verschulden trifft oder ob ein
solches Unterlassen durch ausbildungsbezogene Umstände gerechtfertigt ist (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 1990 a .a. O.).
Diese Voraussetzungen hat die Klägerin im vorliegenden Fall erfüllt. Unter
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist nämlich dem
Auszubildenden innerhalb des ersten Studienjahres eine "Orientierungsphase"
zuzugestehen, innerhalb derer die individuellen Anforderungen an einen zügigen
Wechsel bei Erkenntnis des Eignungs- bzw. Neigungswandels zum Wunschstudium
geringer anzusetzen sind als nach Ablauf des ersten Studienjahres.
Vor dem Hintergrund, dass bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3
BAföG durch zeitliche Verzögerungen auch nur geringen Umfangs bei der
Unterlassung notwendiger Maßnahmen zum Vollzug des Studienplatzwechsels
dem Auszubildenden überhaupt keine Ausbildungsförderung mehr zugestanden
wird ("Alles - oder - Nichts" - Prinzip) hat das Bundesverfassungsgericht mit
Beschluss vom 03. Juli 1985 (BVerfGE 70, 231 ff.) entschieden, es verstoße gegen
den Gleichheitssatz des Artikels 3 GG, die Fälle gleichzustellen, in denen
Studierende bei einem Neigungswandel ihr Studium nach dem ersten Semester
nicht sofort abbrechen, sondern diesen Abbruch um einige Monate verzögern, um
abzuwarten, ob sie eine Zulassung zu dem gewünschten Studium erhalten, mit
solchen, die ihr Studium unmittelbar nach Erkennen des Neigungswandels
aufgeben, um die Fachrichtung zu wechseln. Unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei dieser Unterschied jedenfalls in den
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Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei dieser Unterschied jedenfalls in den
Eingangssemestern nicht von solcher Art und von solchem Gewicht, dass er eine
Ungleichbehandlung von derartigem Ausmaße zu rechtfertigen vermöge.
Angesichts dieses unverhältnismäßigen Ergebnisses, das auf dem Fehlen einer
gesetzlichen Zwischenlösung beruhe, sei der Richter gehalten, den Anforderungen
des allgemeinen Gleichheitssatzes durch eine weitergehende Differenzierung in
der Auslegung des "wichtigen Grundes" in § 7 Abs. 3 BAföG zu genügen. Davon
ausgehend hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom
07.11.2002 (Az.: 5 TG 2552/02) dargelegt, dass es angemessen und erforderlich
sei im Rahmen der Orientierungsphase des Studiums, welche bis zum Ablauf des
zweiten Semesters anzusetzen sei, die Anforderungen an die Unverzüglichkeit des
Fachrichtungswechsels sowie an das Erkennen müssen des Eignungsmangels
geringer anzusetzen als in höheren Studiensemestern.
Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an. Es wäre im
vorliegenden Fall unverhältnismäßig, der Klägerin, welche noch vor dem Ende des
zweiten Fachsemesters und damit innerhalb der sogenannten Orientierungsphase
den Studiengangwechsel vorgenommen hat, Ausbildungsförderung vollständig zu
versagen, weil sie noch bis zum Erfüllen der Zulassungsvoraussetzungen für die
Aufnahme des gewünschten Studiums an der European Business-School im
Studiengang Wirtschaftswissenschaften an der Gesamthochschule Wuppertal
eingeschrieben war, obwohl sie sich bereits im Mai 2002 zum Studienfachwechsel
entschlossen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.