Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 09.01.1997

VG Frankfurt: fahrzeug, käufer, eigentümer, halter, verhaltensstörer, eigentum, kennzeichen, adresse, kopie, auskunft

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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 2395/95
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Leitsatz
Eine Heranziehung des früheren Fahrzeughalters zu den Kosten einer
Abschleppmaßnahme des verkauften (und zwischenzeitlich im offenen Straßenraum
abgestellten und teilweise zerlegten) Kfz ist rechtswidrig, wenn die Veräußerung der Kfz-
Zulassungsstelle unter Vorlage einer Kopie des Kaufvertrages angezeigt worden ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.1992 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 01.08.1995 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der
Kostenfestsetzung abwenden, falls der Kläger nicht vorher Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Kostenbescheid vom 11.12.1992 machte die Beklagte bei dem Kläger
Abschleppkosten in Höhe von 282,72 DM geltend, da das Fahrzeug Marke M,
Farbe grün, Fahrzeug/Identität/Nr. ... am 23.11.1992 durch Bedienstete des
Ordnungsamtes der Stadt F auf dem P + R-Parkplatz H er Landstraße unter der
Autobahnbrücke aufgefunden worden sei. Das Fahrzeug habe keine amtlichen
Kennzeichen gehabt, es sei unverschlossen und total zerlegt gewesen. Deshalb
habe das Fahrzeug abgeschleppt werden müssen. Der Kläger müsse für die
Kosten aufkommen, da er der letzte zu ermittelnde Halter des Fahrzeuges sei.
Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 16.12.1992 zugestellt.
Mit am 05.01.1993 bei der Beklagte eingegangenen Schreiben legte der Kläger
gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, daß er das
Fahrzeug am 30.11.1991 auf dem Gebrauchtwagenmarkt ... verkauft habe.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01. August
1995 zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die
Inanspruchnahme des Klägers als Verantwortlicher im Sinne von § 7 HSOG sei
nicht zu beanstanden, da er der letzte zu ermittelnde Halter gewesen sei. Es sei
deshalb davon auszugehen, daß er immer noch Eigentümer des fraglichen
Fahrzeuges gewesen sei. Es sei fraglich, ob das Eigentum am Fahrzeug auf den
angeblichen Käufer übergegangen sei. Ein Zustellungsnachweis ist nicht
vorhanden.
Am 21.08.1995 hat der Kläger vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat er
im wesentlichen angeführt, er habe das Fahrzeug am 30.11.1991 verkauft und sei
zum Zeitpunkt, als das Fahrzeug abgeschleppt worden sei, nicht mehr Eigentümer
gewesen.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 11.12.1992 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 01.08.1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie noch aus, daß die Inanspruchnahme des Klägers auch
dann rechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn er das Fahrzeug tatsächlich am
30.11.1991 auf dem Gebrauchtwagenmarkt ... verkauft und dem Käufer
übergeben habe, da die von dem Käufer in dem Kaufvertrag angegebene Adresse
... in F nicht existiere. Der Kläger habe sich beim Verkauf nicht ordnungsgemäß
über die Identität des Käufers vergewissert, so habe er sich – unbestritten – einen
Personalausweis oder einen gleichwertiges Papier von dem Käufer nicht vorlegen
lassen. Im Ergebnis könne deshalb der Käufer des Fahrzeuges nicht ermittelt
werden, dies sei auf diese Sorgfaltspflichtsverletzung des Klägers zurückzuführen.
Er sei deshalb nach wie vor als Störer im Sinne des Polizeirechtes anzusehen.
Das Gericht hat eine Auskunft der zuständigen Kfz-Zulassungsstelle eingeholt, ob
und wann der Kläger den Verkauf seines Fahrzeuges dort angezeigt habe. Wegen
des Ergebnisses dieser Auskunft wird auf Blatt 67 der Akten verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.1992 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.1995 erweist sich als
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die kostenrechtliche
Inanspruchnahme des Klägers für das Abschleppen des Kraftfahrzeuges mit der
Fahrzeug/Identitäts/Nr. ... am 23.11.1992 scheitert daran, daß der Kläger nicht
mehr als verantwortlicher Störer im Sinne von § 6 bzw. § 7 HSO angesehen werden
kann.
Zunächst ist der Kläger nicht als Zustandsstörer im Sinne von § 7 Abs. 1 oder Abs.
2 HSOG anzusehen.
Nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des
Gerichtes fest, daß der Kläger tatsächlich sein Kraftfahrzeug am 30.11.1991 auf
dem Gebrauchtwagenmarkt ... verkauft und nach vollständiger Zahlung des
Kaufpreises dem Käufer ordnungsgemäß übergeben hat. Der Kläger hat
diesbezüglich klare- und widerspruchsfreie Angaben gemacht, er hat geschildert,
unter welchen Umständen die Übergabe des Fahrzeuges und die Zahlung des
Kaufpreises erfolgt ist. Der Kläger hat hierbei einen insgesamt sehr glaubwürdigen
Eindruck hinterlassen, Zweifel an seinen Angaben bestehen für das Gericht nicht.
Aufgrund dieses Umstandes steht fest, daß der Kläger seit dem 30.11.1991 – der
Übergabe des Fahrzeuges – keine tatsächliche Gewalt mehr über das dann im
November 19... abgeschleppte Fahrzeug gehabt hat – somit die Voraussetzung
des § 7 Abs. 1 HSO nicht vorliegen – und auch nicht mehr als Eigentümer oder
Halter des Kraftfahrzeuges angesehen werden kann, so daß auch die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 HSOG nicht vorliegen. Der Kläger hat auch die
zuständige Kfz-Zulassungsstelle in ... mit bei dieser am 04.12.1991
eingegangenen Schreiben über den Verkauf seines Fahrzeuges informiert.
Auch die Voraussetzung des § 7 Abs. 3 HSOG liegen nicht vor. Nach dieser
Vorschrift können dann, wenn die Gefahr von einer herrenlosen Sache ausgeht,
Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache
aufgegeben hat. Vorliegend hat jedoch nicht der Kläger das Eigentum an der
Sache aufgegeben, sondern entweder der Käufer – und damit der rechtmäßige
Eigentümer – des Fahrzeuges oder ein Dritter, dem der Käufer dann
möglicherweise das Fahrzeug weiterüberlassen hat. Eine Aufgabe des Eigentums
durch den Kläger im Sinne von § 7 Abs. 3 HSOG liegt jedenfalls nicht vor.
Der Kläger kann auch nicht als Verhaltensstörer im Sinne von § 6 HSOG
angesehen werden. Verhaltensstörer im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, der
die eingetretene Störung unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die
polizeiliche Gefahrensgrenze überschritten hat. Zutreffend hat der
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19. Januar
1996 (Az.: 5 S 2104/95) darauf hingewiesen, daß nicht generell, sondern nur
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1996 (Az.: 5 S 2104/95) darauf hingewiesen, daß nicht generell, sondern nur
anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände jedes Einzelfalles bestimmt
werden kann, wer die eigentliche wesentliche Ursache für den polizeiwidrigen Erfolg
gesetzt hat und somit als Verhaltensstörer im Sinne von § 6 HSOG anzusehen ist.
So hat der VGH-Baden-Württemberg in dem oben genannten Urteil die
Verhaltensstörereigenschaft eines Kraftfahrzeugbesitzers für den Fall bejahrt, daß
dieser sein Fahrzeug verkauft, jedoch die gemäß § 27 Abs. 3 StVZO
vorgeschriebene Meldung der Veräußerung des Kraftfahrzeuges an die
Zulassungsstelle versäumt. Der VGH-Baden-Württemberg hat dies damit
begründet, daß angesichts dieses Umstandes die Ermittlung des unmittelbaren
Handlungsstörers vereitelt worden ist.
Im vorliegenden Falle ist der Kläger jedoch dieser Verpflichtung aus § 27 Abs. 3
StVZO nachgekommen. Er hat – wie die zuständige Kfz-Zulassungsstelle dem
Gericht mitgeteilt hat – mit bei der Zulassungsstelle am 04.12.19...
eingegangenem Schreiben den Verkauf seines Kraftfahrzeuges mitgeteilt und
auch der Kfz-Zulassungsstelle eine Kopie des Kaufvertrages mitübersandt. Damit
hat der Kläger seiner Pflicht nach § 27 StVZO genügt. Daß der Erwerber seinen aus
§ 27 Abs. 3 StVZO ergebenden Verpflichtungen, sich bei einem
zulassungspflichtigen Fahrzeug die Ausfertigung eines neuen Fahrzeugscheines
und, wenn dem Fahrzeug bisher ein Kennzeichen von einer anderen
Zulassungsstelle zugeteilt war, auch die Zuteilung eines neuen Kennzeichen zu
beantragen, nicht nachgekommen ist, hat der Kläger nicht zu verantworten. Nach
§ 27 Abs. 3 S. 3 StVZO wäre es in diesem Fall Sache der Zulassungsstelle
gewesen, eventuell erforderliche Maßnahmen zu treffen. Nach dieser Vorschrift
kann die Zulassungsstelle in dem Fall, daß der Erwerber des Kraftfahrzeuges
dieser Pflicht nicht nachkommt, bis zur Erfüllung der Pflichten den Betrieb des
Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr untersagen. Daß die Zulassungsstelle hier
möglicherweise erforderliche Schritte unterlassen hat, kann dem Kläger nicht
angelastet werden. Er hat jedenfalls nach dem Verkauf des Fahrzeuges die im
gesetzlich auferlegten Verpflichtungen erfüllt. Das Gericht vermag auch nicht der
Auffassung der Beklagten zu folgen, daß der Umstand, daß der Kläger sich beim
Verkauf seines Fahrzeuges von dem Erwerber sich keinen Personalausweis oder
ähnliches hat vorlegen lassen, die Verhaltensstörereigenschaft gemäß § 6 HSOG
begründen kann. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers hat ihn der Erwerber
seines Kraftfahrzeuges etwas vorgelegt, was er selbst als eine Meldebescheinigung
angesehen hat. Es mag sein, daß dieses Verhalten des Klägers als etwas
leichtfertig angesehen werden kann. Auf der anderen Seite ist aber zu bedecken,
daß weder durch die Vorlage eines möglicherweise gefälschten ausländischen
Passes – vorliegend soll es sich bei dem Erwerber um einen polnischen
Staatsangehörigen gehandelt haben – noch durch die Vorlage sonstiger Papiere,
deren Echtheit von einem in solchen Dingen durchschnittlich bewanderten Bürgers
nicht überprüft werden kann, zu verhindern ist, daß der Erwerber eines
Kraftfahrzeuges dieses unter falschem Namen oder unter Angabe einer falschen
Adresse erwirbt. Darüber hinaus ist zu bedecken, daß das Gesetz selbst ein
derartiges Verhalten nicht vorschreibt. Vielmehr sind – wie oben dargelegt die
Verpflichtungen des Verkäufers und des Erwerbers in § 27 StVZO geregelt und ist
der Kläger diesen Verpflichtungen nachgekommen.
Da auch keinerlei Gesichtspunkte dafür sprechen, daß hier der Kläger in
Zusammenwirken mit dem Erwerber sozusagen sein Fahrzeug im öffentlichen
Verkehrsraum "entsorgen" wollte, ist somit die Störereigenschaft des Klägers im
polizeirechtlichen Sinne zu verneinen. Daher erweist sich der Bescheid der
Beklagten vom 11.12.19... in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
05.08.19... als rechtswidrig und ist daher aufzuheben. Die Kostenentscheidung
beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Ziff. 11, 711
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.