Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 26.03.2010

VG Frankfurt: stadt, einstellung des verfahrens, ermittlungsverfahren, faires verfahren, zugang, holding, akteneinsichtsrecht, firma, daten, ausnahme

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 243/09.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Nr 1 Buchst g IFG, § 9 Abs
3 IFG, § 3 Nr 1 Buchst d IFG, §
4 Abs 1 IFG
(Informationszugang; Auswirkungen auf staatsanwaltliches
Ermittlungsverfahren)
Leitsatz
Der Informationszugang ist ausgeschlossen, wenn aufgrund eines anhängigen
Ermittlungsverfahren der Informationszugang nachhaltig Auswirkungen auf die
Durchführung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren haben könnte, § 3 vr. 1
Buchst. g IFG
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten übereinstimmend die Klage
für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der jeweilige
Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung und die Revision werden zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Akteneinsicht nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs für
Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz-IFG) vom 09.09.2005
(Bundesgesetzblatt Teil I, S. 2722 ff.) bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 21.01.2008 beantragte der Klägerbevollmächtigte, damals
Rechtsanwalt Dr. A, die Bekanntgabe des Aktenzeichens zu einem bezüglich der
Firma C. (im ff. Holding AG) eingeleiteten Aufsichtsverfahren und beantragte
Akteneinsicht bei der Beklagten.
Mit Bescheid vom 05.03.2008 teilte die Beklagte mit, dass ein Aufsichtsverfahren
mit dem Az.: WA 22-WP 5215 wegen möglicher Verstöße gegen die Pflicht zur
unverzüglichen Veröffentlichung zu Insiderinformationen nach § 15
Wertpapierhandelsgesetz gegen den Vorstand der Holding AG geführt werde. Der
weitergehende Antrag auf Akteneinsicht wurde abgelehnt.
Mit einem weiteren Schreiben vom 06.03.2008 beantragte der
Klägerbevollmächtigte erneut Akteneinsicht und zwar in die Akte unter dem von
der Beklagten mitgeteilten Aktenzeichen.
Mit Bescheid vom 20.03.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Akteneinsicht
der unter diesem Aktenzeichen geführten Akte ab und führte zur Begründung aus,
dass der Antrag gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG abzulehnen sei. Das
Aufsichtsverfahren sei noch nicht abgeschlossen und eine Entscheidung noch nicht
ergangen. Die in der Akte befindlichen Informationen dienten aber der
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ergangen. Die in der Akte befindlichen Informationen dienten aber der
Vorbereitung einer solchen abschließenden Entscheidung. Es werde außerdem
jetzt schon darauf hingewiesen, dass der überwiegende Inhalt des
Aufsichtsverfahrens der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht der Beklagten nach
§ 8 Wertpapierhandelsgesetz unterfalle.
Hiergegen hat der Kläger am 24.04.2008 Widerspruch eingelegt und zugleich
beantragt, ihm zu diesem Aktenvorgang umfassend Akteneinsicht zu gewähren.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Akteneinsicht bereits in
einem laufenden Verfahren zu gewähren sei und vorliegend von § 29 Abs. 1 Satz 2
VwVfG und § 4 Abs. 1 IFG gedeckt sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb
Geheimhaltungsaspekte dem Akteneinsichtsrecht vorgehen könnten. Zudem leite
sich das Akteneinsichtsrecht auch aus dem Kapitalanlegerschutz und den §§ 37 b,
c i. V. m. 15 Wertpapierhandelsgesetz und § 400 Abs. 1 Aktiengesetz her, deren
richtlinienkonforme Auslegung nach den betreffenden Europäischen Richtlinien
zum Anlegerschutz und zur Markttransparenz einen Anspruch auf Akteneinsicht
vermitteln würden.
Mit Schreiben vom 23.05.2008 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit,
dass sie einer Akteneinsicht durch den Kläger in den Aktenvorgang, der
Gegenstand des aufsichtsrechtlichen Verfahrens sei, nicht zustimmen würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück und führte zur Begründung aus, dass weder §§ 87 b, c i. V. m. 15
Wertpapierhandelsgesetz nach § 400 Abs. 1 Aktiengesetz einen
Akteneinsichtsanspruch gegen die Beklagte, die als Aufsichtsbehörde das
Verfahren durchführe und somit Dritte im Sinne des Gesetzes sei, vermittle. Auch
ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 29 VwVfG sei wegen mangelnder
Beteiligtenstellung nach § 13 VwVfG nicht gegeben. Ferner sei ein Anspruch auf
Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu verneinen. Der Anspruch
auf Informationszugang bestehe derzeit nicht, da das Bekanntwerden der
begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- oder
Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden habe, § 3 Nr. 1 d IFG. Zusätzlich stehe
dem Informationszugang im beantragten Umfang § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 8
Wertpapierhandelsgesetz entgegen, da die Verschwiegenheitspflicht der Behörde
berührt sei. Schließlich sei der Kläger durch die öffentliche Berichterstattung
hinreichend informiert und er könne sich aus allgemein zugänglichen Quellen
informieren, weshalb dem Informationszugang § 9 Abs. 3 IFG entgegenstehe. Die
umfassende Gewährung von Akteneinsicht in den Aktenvorgang würde zudem
einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, was den
Informationszugang nach § 7 Abs. 2 IFG ausschließe.
Hiergegen hat der Kläger am 05.02.2009 Klage erhoben und zur Begründung
ausgeführt, dass mit der Klage ein Akteneinsichtsrecht und darüber hinaus ein
Informationszugang durch den Kläger als geschädigten Erwerber von Aktien der
Beklagten geltend gemacht werde. Der Kläger habe einen Anspruch gemäß § 1
IFG, nachdem der Zugang zu amtlichen Informationen grundsätzlich
voraussetzungslos zu gewähren sei. Dieser Anspruch sei vorliegend nicht zum
Schutz besonderer öffentlicher Belange gemäß §§ 3 bis 6 IFG ausgeschlossen.
Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf § 3 Nr. 1 d IFG berufen, da der
Gesetzgeber bewusst keine allumfassende Bereichsausnahme für die Beklagte in
das Gesetz eingeführt habe. Weiterhin sei der und zum Informationszugang
gemäß § 3 Nr. 1 d IFG nicht ausgeschlossen, da diese Schranke vornehmlich dem
Ausschluss nachteiliger Wirkungen auf die Durchführung eines laufenden
Gerichtsverfahrens und der grundrechtlich verbürgten Gerichtsverfassungsrechte
der betroffenen Person diene. Außerdem überspanne die Beklagte den
Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 8 Wertpapierhandelsgesetz. In
diesem Bereich bestehe insbesondere ein schutzwürdiges
Geheimhaltungsinteresse für jene Tatsachen nicht, die ihrerseits den Vorwurf der
Unlauterkeit oder Strafbarkeit herausfordern würden. Sofern die Beklagte auf § 7
Abs. 2 IFG Bezug nehme, sei vorliegend nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte mit
einem zum Informationsinteresse des Klägers ins Verhältnis zu setzende Trennung
geheimnisbedürftiger Aktenteile und dem Akteneinsichtsrecht bei der
Aussonderung zugänglicher Teile unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand
betreiben müsse. Ferner könne der Kläger nicht auf einen Informationszugang aus
öffentlichen Quellen verwiesen werden, da davon auszugehen sei, dass der
betreffende Aktenvorgang weitere Informationen enthalte.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2010 hat die Beklagte dem Kläger
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In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2010 hat die Beklagte dem Kläger
durch Überreichen der Blätter 194 bis 197 und Blatt 741 sowie Blatt 893 (6 Blätter)
Informationszugang zu diesen Teilen der streitgegenständlichen Akte verschafft. In
Bezug auf diese Informationen haben die Beteiligten übereinstimmend die Klage
für erledigt erklärt.
Im Übrigen stellt der Kläger den Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 22.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009
Zugang zu den amtlichen Informationen zum Vorgang GZ: WA 22-WP 5215-
90001533-2008/0001-C. (Holding AG) – zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Gründe in ihrem ablehnenden Bescheid und führt
im Übrigen aus, dass die streitgegenständliche Akte aus 3 Aktenteilen bestehe,
die bei der Beklagten vorhanden seien. Hieraus seien Aktenbestandteile an die
Staatsanwaltschaft A-Stadt I zwecks Durchführung eines Ermittlungsverfahrens
gegen den Vorstand der Firma C. übermittelt worden, die dort zu zwei neuen Akten
zusammengesetzt worden und bei der Staatsanwaltschaft ebenfalls vorhanden
seien. Somit stehe dem Informationszugangsbegehren § 3 Nr. 1 g IFG entgegen,
da diese Aktenbestandteile zur Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens
benötigt würden. Im Übrigen würden die Aktenbestandteile, die nicht an die
Staatsanwaltschaft A-Stadt I übermittelt worden seien, für ein aufsichtsrechtliches
Verfahren der Beklagten gegen den Vorstand der Firma C. verwendet. Insoweit
stehe dem Informationszugang der Schutz des behördlichen
Entscheidungsprozesses nach § 4 IFG entgegen. Der Fortgang dieses
aufsichtsrechtlichen Verfahrens bei der Beklagten hänge von den Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft A-Stadt I ab.
Im Übrigen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.03.2010 den Umfang der
streitgegenständlichen Akten mit 896 Blatt quantifiziert und eine Aufstellung der
Aktenseiten mit jeweils korrespondierendem Inhalt und einschlägigen
Versagungsgründen in das Verfahren eingeführt.
Die Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Versagungsgründe der Beklagten und
macht sie sich zu Eigen. Ergänzend führt sie aus, dass dem Informationszugang
des Klägers der Schutz personenbezogener Daten gemäß § 5 IFG und der Schutz
von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gemäß § 6 IFG entgegenstehe.
Auf ein Auskunftsersuchen des Gerichts vom 17.12.2009 teilte die
Staatsanwaltschaft A-Stadt I mit Schreiben vom 07.01.2010 mit, dass die durch
die Beklagte übersandten und in dem gerichtlichen Schreiben genannten beiden
Aktenbände sich weiterhin bei dem Bayerischen Landeskriminalamt, das die
Aktenführung bis zum Abschluss der polizeilichen Ermittlungen übernommen
habe, befänden. Diese Aktenbände würden im Rahmen der Ermittlungen in einem
Wirtschaftsgroßverfahren gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden B und
andere Vorstandsmitglieder der Holding AG für polizeiliche Ermittlungen benötigt
und es sei absehbar, dass diese Ermittlungen noch mehrere Monate in Anspruch
nehmen würden. Nach dem Dafürhalten der Staatsanwaltschaft würde das
Bekanntwerden der in den Bänden enthaltenen Informationen nachteilige
Auswirkungen auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren haben und somit einem
Ausschlussgrund gemäß § 3 Nr. 1 g IFG unterfallen. Die Auswertungen der
umfangreichen Asservate und die noch durchzuführenden Vernehmungen würden
andauern. Akteneinsicht an die Beschuldigten sei – mit Ausnahme einzelner
Dokumente – bislang nicht gewährt worden. Die fortlaufend eingehenden
Akteneinsichtsgesuche ehemaliger Aktionäre der Firma C. würden ablehnend
beschieden.
Mit Beschluss vom 26.03.2010 hat die Kammer das Verfahren des Klägers gegen
die Beklagte vom vorliegenden Verfahren abgetrennt, soweit er Zugang zu den
amtlichen Informationen zum Vorgang WA 22-WP 5215-90001533-2008/0001 –
Holding AG – begehrt, die nicht an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht A-
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Holding AG – begehrt, die nicht an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht A-
Stadt I zu dem die Beigeladene betreffenden Ermittlungsverfahren abgegeben
worden sind, und unter dem neuen Aktenzeichen zum Klageverfahren 7 K
741/10.F(3) weitergeführt.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte
zum Klageverfahren 7 K 741/10.F(3) sowie die beigezogene Behördenakte der
Beklagten zum Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich des tatsächlich durchgeführten
Informationszugangs zu der streitgegenständlichen Akte (6 Seiten) für erledigt
erklärt haben, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO analog einzustellen.
Im Übrigen ist die zulässige Klage als unbegründet abzuweisen.
Hinsichtlich des Informationszugangs zu Aktenbestandteilen, die nicht Gegenstand
des fortzuführenden Verfahrens 7 K 741/10.F(3) sind und zu denen der Kläger –
dies klarstellend – sich Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen
verschaffen kann, erweist sich der Bescheid vom 20.03.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.01.2009 als rechtmäßig. Die Bescheide erweisen
sich auch insofern für rechtmäßig, sofern dem Informationszugang § 3 Nr. 1 g IFG
entgegensteht. Der Kläger wird hierdurch in seinen Rechten nicht verletzt, § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht konnte insoweit die Beklagte nicht verpflichten,
dem Kläger Informationszugang im begehrten Umfang zu gewähren, § 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO.
Zunächst ist klarstellend auszuführen, dass der Kläger keinen Informationszugang
zu Aktenbestandteilen verlangen kann, zu denen er sich Informationszugang auf
andere Weise verschaffen kann. Gemäß § 9 Abs. 3 IFG kann ein entsprechender
Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits
über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus
allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Hierbei legt die Kammer die in
der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aufstellung der Beklagten zum Inhalt der
streitgegenständlichen Akte zugrunde. Diese Akte enthält Informationen, die
hinsichtlich ihres Inhalts eindeutig als in allgemein zugänglichen Quellen
enthaltend qualifiziert werden können. Hierzu gehören Pressearchive und auch die
Quelle des Internets. Der Kläger kann sich diese Informationen auch in zumutbarer
Weise beschaffen, da in der Aufstellung der Beklagten weitgehend ein datierter
Quellennachweis angegeben ist. Die entsprechenden Informationen können daher
durch eine einfache Recherche in den vorgenannten Medien beschafft werden oder
durch Entrichtung eines in der Regel geringen Entgelts für den Zugang zu
Pressearchiven. Insoweit kann der Kläger sich diese Informationen auch in
zumutbarer Weise beschaffen.
Dies betrifft insbesondere die Aktenseiten 1 bis 8, 9, 10 bis 12, 13 bis 21, 77 bis
85, 534 bis 569, 839 bis 847 und 891 bis 892 der streitgegenständlichen Akte.
Insoweit hat die Beklagte ihr Ermessen zur Überzeugung der Kammer rechtmäßig
ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Im Umfang der vorgenannten
Aktenblätter kann der Kläger daher keinen Informationszugang begehren.
Im Übrigen ist festzustellen, dass dem Anspruch des Klägers auf die begehrte
Akteneinsicht § 1 Abs. 1 Satz 1IFG nicht entgegensteht. Entgegen der Auffassung
der Beklagten ist der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG nicht bereits deshalb
ausgeschlossen, weil der Kläger mutmaßlich mit den gewonnenen Informationen
seine Chancen in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber der
Beklagten oder dem Beigeladenen erhöhen will. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG
hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes
einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser Anspruch ist
voraussetzungslos (vgl. HessVGH, Beschluss vom 02.03.2010 .- 6 A 1684/09 und
Beschl. v. 24.03.2010 – 6 A 1832/09; vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur
Regelung des Zugangs für Informationen des Bundes der Fraktion SPD und
Bündnis 90/Die Grünen, Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4493 vom
14.12.2004, Seite 7 zu § 1 Abs. 1; Anwendungshinweis des Bundesministerium des
Innern zur Informationsfreiheitsgesetz vom 21.12.2005 – V 5 a-130250-GMBl.
2005, Seite 1346; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (Kommentar), A-Stadt
2009, § 1 Rdnr. 15 ff.). Nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist der Anspruch
zwar voraussetzungslos, jedoch nicht grenzenlos und findet seine konkrete
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zwar voraussetzungslos, jedoch nicht grenzenlos und findet seine konkrete
Ausgestaltung in den Einschränkungen des Informationsfreiheitsgesetzes selbst.
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 d IFG nicht vor. Danach besteht ein Anspruch auf
Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige
Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und
Regulierungsbehörden haben kann. Wie die Kammer bereits in ihrem Urteil vom
23.01.2008 (Az.: 7 E 3280/06(V), NVwZ 2008, Seite 1384) ausgeführt hat, wurde
bei dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes in Kenntnis der unter
anderem der Beklagten übertragenen und für das Gemeinwesen wichtigen
Aufgabe der Finanzaufsicht insoweit keine umfassende oder partielle
Bereichsausnahme vorgesehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die im
Informationsfreiheitsgesetz insbesondere in den §§ 4 bis 6 IFG vorgesehenen
weiteren Vorkehrungen zum Schutz öffentlicher und privater Interessen als
ausreichend erachtet, um die Funktionsfähigkeit der Beklagten zu erhalten. Von
der Beklagten ist nicht in überzeugender Weise dargetan, inwieweit im zu
entscheidenden konkreten Fall eine vollständige oder partielle Freigabe der vom
Kläger begehrten Informationen geeignet wäre, sich nachteilig auf die
Funktionsfähigkeit der Beklagten auszuwirken. Insofern hätte nach Maßgabe der
bisherigen Darlegungen die Beklagte substantiiert darlegen müssen, inwieweit
durch den Zugang zu den betreffenden Akteninhalten nachteilige Auswirkungen
auf ihre Kontroll- und Aufsichtsaufgaben zu gewärtigen sind. Ein Verweis auf nicht
von vornherein auszuschließende abstrakt gegebene nachteilige Auswirkung auf
die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Beklagten reicht demgegenüber nicht aus,
um dem Kläger den begehrten Informationszugang zu verwehren (vgl. dazu auch:
VGH Kassel, Beschluss vom 02.03.2010 – 6 A 1832/09 sowie Urteil des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2009 7 K 2282/08.F(3)).
Allerdings steht dem Informationszugang des Klägers vorliegend § 3 Nr. 1 g IFG
entgegen. Danach besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das
Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf die
Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf
ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher,
ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen. Aufgrund der
Stellungnahme der Staatsanwaltschaft A-Stadt I vom 07.01.2010 geht die
Kammer davon aus, dass die Freigabe der Blätter 22 bis 68, 167 bis 174, 176 bis
183, 184 bis 188, 209, 210 bis 212, 213 bis 214, 215, 216 bis 354, 355 bis 533,
570 bis 617, 618 bis 706, 731 bis 734, 735 bis 737, 742 bis 835, 848 bis 850, 851
bis 866, und 894 bis 896 der streitgegenständlichen Akte auf die Durchführung
eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nachteilige Auswirkungen haben
kann.
Dies ist zur Überzeugung der Kammer vorliegend gegeben. Dabei ist klarstellend
darauf hinzuweisen, dass der Kläger Informationszugang nicht zu Akten bei der
Staatsanwaltschaft begehrt, sondern diejenigen Akten einsehen will, welche bei der
Beklagten vorhanden sind und deren Inhalt teilweise der Staatsanwaltschaft A-
Stadt I übermittelt worden sind.
Aufgrund der Auskunft der Staatsanwaltschaft A-Stadt I vom 07.01.2010 ist derzeit
ein Verfahren zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen im Gange und mithin
gemäß § 160 StPO eingeleitet. Nach dieser Vorschrift beginnt ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren mit Aufnahme der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen,
was vorliegend der Fall ist. Mithin kommt während der Durchführung dieses
Verfahrens bis zum Ende, d. h., bis zur Erhebung der öffentlichen Klage gemäß §
170 StPO oder der Einstellung des Verfahrens, der Ausschluss vom
Informationszugang nach § 3 Nr. 1 g IFG grundsätzlich in Betracht. Schutzgut
dieser Vorschrift ist die Funktionsfähigkeit der Justiz (vgl. Roth, in:
Berger/Roth/Scheel, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, A-Stadt 2006, §
3, Rdnr. 77), der Rechtspflege und insbesondere Schutz des Gesetzesvollzugs (vgl.
Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, A-Stadt 2009, § 3, Rdnr. 82 f.).
Erforderlich ist, dass das Bekanntwerden der Informationen nachteilige
Auswirkungen auf die Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat. Dies ist immer
dann der Fall, wenn im Fall des Zugänglichmachens einzelner Informationen das
Ermittlungsverfahren gestört und hierdurch die Ermittlungsergebnisse
beeinträchtigt und das objektive Ergebnis verfälscht werden könnte. Geschützt
sind alle Daten, die der Ermittlungsbehörde im Zusammenhang mit dem
zugrunde liegenden behördlichen Vorgang übermittelt werden. Dies spricht dafür,
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zugrunde liegenden behördlichen Vorgang übermittelt werden. Dies spricht dafür,
neben den Daten, die für sich allein dem Schutzbereich des § 5 IFG unterfallen,
auch all jene Informationen diesem Schutzbereich zuzuordnen, aus denen
Rückschlüsse auf diese Daten und damit verbundene Lebenssachverhalte, die für
das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von Bedeutung sind, gezogen werden
können.
Zur Überzeugung der Kammer ist durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft A-
Stadt I vom 07.01.2010 ausreichend dargetan, dass das Bekanntwerden der
Vorgänge, welche die Beklagte an die Staatsanwaltschaft A-Stadt I übermittelt hat,
mit nachteiligen Auswirkungen auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren
verbunden wäre. Dies wird erhärtet durch die inhaltliche Beschreibung in der
Aufstellung der Beklagten vom 26.03.2010 zu den jeweiligen Blattkonvoluten, die
aus der streitgegenständlichen Akte an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden
sind. Sie enthalten – soweit erkennbar – umfangreiche Auskunftsersuchen der
Staatsanwaltschaft sowie Unterlagen, die generell geeignet sein dürften, den
Fortgang des Ermittlungsverfahrens zu fördern.
Hiergegen kann der Kläger nicht einwenden, dass die Staatsanwaltschaft A-Stadt I
den Beschuldigten Akteneinsicht gewährt habe, was zur Folge habe, dass die
Beklagte sich nun mehr nicht darauf berufen könne, dass die vom Kläger begehrte
Akteneinsicht nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens haben könne. Hierzu hat die
Staatsanwaltschaft in dem Bezugschreiben mitgeteilt, dass mit Ausnahme
einzelner Dokumente den Beschuldigten bislang keine Akteneinsicht gewährt
worden sei. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, auf welcher
Grundlage diese vereinzelte Akteneinsicht erfolgt ist. Jedenfalls kann hieraus nicht
geschlossen werden, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Ermittlungsverfahren
die Geheimhaltung der beigezogenen Blattkonvolute nicht weiter aufrechterhalten
will. Überdies hat das Gericht keinen Anhaltspunkt dafür, den Darlegungen der
Staatsanwaltschaft keinen Glauben zu schenken.
Mithin steht dem Informationszugang vorliegend § 3 Nr. 1 g IFG entgegen. In
diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte sich nicht mit
Erfolg auf den Ausschließungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 IFG berufen kann. Nach
dieser Vorschrift soll der Antrag auf Informationszugang für Entwürfe zu
Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren
Vorbereitung abgelehnt werden, soweit und solange durch die vorzeitige
Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender
behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Ohne dass es vorliegend auf die
Einschränkung des Schutzguts des behördlichen Entscheidungsprozesses gemäß
§ 4 Abs. 1 Satz 2 IFG ankommt, steht es vorliegend fest, dass die Beklagte sich
nicht auf diesen Ausschlussgrund berufen kann. Die Beklagte hat lediglich
behauptet, dass ein solcher Entscheidungsprozess der Behörde formal eingeleitet
worden ist, aber zugleich einschränkend angegeben, dass etwaige Fortschritte in
diesem Verfahren von dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft A-Stadt I
abhängen. Die thematische und nach Akteninhalt gegliederte Aufstellung zeigt
zudem auf, dass hinsichtlich der jeweils – nach Auffassung der Beklagten –
zugeordneten Ausschlussgründe nach dem Informationsfreiheitsgesetz § 4 IFG
keine Erwähnung findet. Dies ist ein Indiz dafür, dass entsprechende in den
Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG fallende Aktenbestandteile offenbar noch
nicht gefertigt sind und die Beklagte sich bei der Zuordnung des jeweiligen
Ausschlussgrundes auf § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG auch gar nicht beziehen will.
Aus den vorgenannten Gründen war daher die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Kostenentscheidung auf §
162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 134 VwGO i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr.
1 VwGO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Daher ist auch die
Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.