Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 12.03.2008

VG Frankfurt: gesetz im materiellen sinn, ermessensausübung, schutzwürdiges interesse, verwaltungsakt, behörde, anhörung, akte, erlass, anteil, allgemeininteresse

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 2575/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 106 Abs 2 Nr 4 GG, § 16
RennwLottG, § 48 VwVfG, § 49
VwVfG
Festsetzung des Ausschüttungsanteils bei der
Totalisatorsteuer
Leitsatz
Zur nachträglichen Änderung des einem (Pferde-)REnn-Klub verbleibenden Anteils am
Totalisatorerlös
Tenor
Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 02. Juni 2006 wird aufgehoben. Die
Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der unter der Nummer #### am 18.
März 1936 in das Vereinsregister Frankfurt eingetragen wurde. Er organisiert und
veranstaltet unter anderem Renntage auf der Rennbahn Frankfurt am
Main/Niederrad. Hierzu betreibt er einen Totalisator, d.h. einen behördlich
genehmigten Wettbetrieb, welcher jährlich einer Erlaubnis bedarf. Im Rahmen der
Totalisatorerlaubnis wurde unter anderem der Anteil des Klägers an der
Totalisatorsteuer festgesetzt, der in den letzten Jahren vor 2006 stets 96 von
Hundert des Aufkommens aus der Totalisatorsteuer betrug. Anfang 2006 wurde im
Landeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2006 im Einzelplan 17, Kapitel 17 01
Titel 685 09 eine Änderung der Erläuterung vorgenommen. Demnach beträgt die
landesgesetzlich festgelegte Ausschüttung des Aufkommens bei der
Totalisatorsteuer im Jahr 2006 nur noch 92 von Hundert des Aufkommens bei
Kapitel 17 01 055 09. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 06.02.2006 bei
dem Beklagten die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb eines Totalisators für das
Kalenderjahr 2006. Diese bewilligte der Beklagte mit Schreiben vom 22.03.2006.
Die Erlaubnis wurde erteilt unter dem Vorbehalt des Widerrufs und nach Maßgabe
nachfolgender Bedingungen, Auflagen und dem weiteren Vorbehalt der
nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Nebenbestimmungen.
Unter Ziffer 10 der Nebenbestimmungen heißt es unter anderem: „Der Anteil des
Renn-Klubs an der Totalisatorsteuer wird nach § 16 des Rennwett- und
Lotteriegesetztes auf 96 von Hundert des Aufkommens festgesetzt.“Nachdem der
Beklagte im Mai 2006 von dem Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen
Raum und Verbraucherschutz darüber informiert wurde, dass die Festsetzung im
Landeshaushaltsplan bezüglich des Anteils an der Totalisatorsteuer für das Jahr
2006 geändert wurde, teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom
02.06.2006 mit, dass er „die Totalisatorerlaubnis für das Jahr 2006 vom
22.03.2006 in Ziffer 10 der Bedingungen und Auflagen zu [...] Ungunsten [des
Klägers] verändern [muss]“. Dies habe zur Folge, dass dem Kläger wie auch den
anderen hessischen Rennvereinen ab sofort nur noch 92 % statt wie bisher 96 %
der Totalisatorsteuer verbleibe. Mit gleichem Datum erließ der Beklagte einen
Änderungsbescheid, der eine dem Anschreiben entsprechende Änderung des
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Änderungsbescheid, der eine dem Anschreiben entsprechende Änderung des
Wortlauts der Ziffer 10 vorsah. Das Schreiben wurde dem Kläger am 06.06.2006
zugestellt. Als Begründung führte der Beklagte an, dass die Rennvereine gemäß §
16 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RWLG) bis zu 96 % des Aufkommens der
Totalisatorsteuer erhalten. Der Prozentsatz könne aber geändert werden. Dies sei
nun für dieses Haushaltsjahr mit einer Änderung der Erläuterung im Einzelplan 17
des Landeshaushaltsplans vorgenommen worden. Der Bescheid enthält zudem
eine Kostenfestsetzung in Höhe von 60,00 €. Am 05.07.2006 fand in den
Diensträumen des Beklagten eine Unterredung statt, die unter anderem die
Änderung der Totalisatorerlaubnis zum Gegenstand hatte.
Der Kläger erhob am 05.07.2006 Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, es habe vor dem Erlass des Bescheides keine
ausreichende Anhörung stattgefunden. Zudem rechtfertige die verspätete
Mitteilung zwischen den Ministerien und dem Beklagten bezüglich der Änderungen
im Landeshaushaltsplan nicht, den rechtskräftigen Bescheid vom 22.03.2006 zu
ändern. Fehler der Behörde seien keine nachträgliche Änderung der Sach- und
Rechtslage, die einen Widerruf rechtfertigten. Der Landeshaushaltsplan entfalte
keinerlei Außenwirkung. Der Beklagte habe bei dem Änderungsbescheid keine
Ermessenserwägungen angestellt. Ein intendiertes Ermessen liege allenfalls im
Rahmen von § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG vor. Dieser sei hier jedoch nicht einschlägig.
Auf der Basis der gekürzten Rückerstattung sei die Durchführung des Rennbetriebs
nicht möglich. Die Planung des Jahres basiere auf der nicht unerheblichen Höhe
der Rückvergütung aus der Totalisatorsteuer, wie sie ursprünglich bewilligt wurde.
Die Ausschüttung sei fest verplant. Das Budget werde bereits zum Jahresende des
vorherigen Jahres aufgestellt. Auch bei der Absage geplanter Rennen entstünden
unvermeidliche Fixkosten wie die Pacht, die Kosten der Pflege der Bahn,
Personalkosten, Anliegergebühren, etc. Dies sei dem Beklagten aus der
vieljährigen Praxis bekannt. Eine Umbuchung oder Verlagerung von Kosten im
laufenden Jahr komme nicht in Betracht. Seit Jahrzehnten habe der Kläger eine
Ausschüttung in gleicher Höhe erhalten. In ganz Deutschland seien die Bescheide
gleich.
Der Kläger beantragt,
den Änderungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 02. Juni
2006 - III 32-73 c 24 - Ffm 06 -, dem Kläger zugestellt am 06. Juni 2006, zum
Betreff Vollzug des Rennwett- und Lotteriegesetzes, Totalisatorerlaubnis,
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, es fehle bereits am Rechtsschutzbedürfnis, da das
Finanzamt Frankfurt am Main III den Ausschüttungsanteil des Klägers für das Jahr
2006 mit 92 % festgesetzt habe. Ebenso sei ein etwaiger Anhörungsfehler geheilt
worden. Darüber hinaus handele es sich bei der Nebenbestimmung Ziffer 10 nur
um die Wiedergabe eines Steuersatzes, auf den der Beklagte keinen Einfluss habe.
Die Nebenbestimmung enthalte keine eigenständige Regelung. Selbst wenn,
beruhe die Teilrücknahme auf § 48 VwVfG, da die ursprüngliche
Totalisatorerlaubnis rechtswidrig gewesen sei. Es komme der Grundsatz der
gelenkten bzw. intendierten Ermessensausübung zur Anwendung. Da der Anteil
am Aufkommen der Totalisatorsteuer im Landeshaushaltsplan festgelegt sei,
bedürfe es außergewöhnlicher Umstände, um eine andere Entscheidung zu
treffen. Solche lägen nicht vor. Der Beklagte sei aufgrund des Gebots der
Belastungsgleichheit, der Einheit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie des
Gebots sparsamer Haushaltsführung in seiner Entscheidung gebunden gewesen.
Das Fehlen von Ermessenserwägungen mache den Bescheid vom 02.06.2006
nicht ermessensfehlerhaft. Das Ermessen sei zudem nach § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG
intendiert, da kein schutzwürdiges Interesse des Klägers entgegenstehe. Es sei
kein überwiegendes Vertrauensinteresse des Klägers ersichtlich. Insbesondere
könne er nicht auf die Festsetzung der Ausschüttung der Totalisatorsteuer
vertrauen, da die förmliche Festsetzung dem Finanzamt obliege. Schließlich
müsse ein Steuerpflichtiger während des Veranlagungszeitraums mit kurzfristigen
Änderungen zu seinen Ungunsten rechnen. Die Ausschüttung könne nicht fest
verplant werden, da sie vom Aufkommen der Totalisatorsteuer abhänge. Dies
stehe erst am Ende des Kalenderjahres fest. Ebenso sei die Änderung zeitig zu
Beginn des Rennjahres erfolgt. Der Kläger habe durch Umschichtungen Verluste
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Beginn des Rennjahres erfolgt. Der Kläger habe durch Umschichtungen Verluste
verhindern können. Schließlich sei das Ermessen durch das Sparsamkeits- und
Wirtschaftlichkeitsgebot intendiert. Die Begleichung der zu zahlenden Steuern und
ein ausgeglichener Landeshaushalt stünden im Allgemeininteresse. Die
Berichtigung der Angaben sei auch im Interesse des Klägers, da die
Steuerverwaltung auf den ihr gesetzlich zustehenden Steueranteil wohl nicht
verzichte.
Der Kläger und der Beklagte stimmten im Februar 2008 einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung zu. Für die Entscheidung wurde die Akte des
Verwaltungsverfahrens beigezogen. Auf den Inhalt der Akte sowie der Schriftsätze
der Beteiligten wird ausdrücklich verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig. Der Kläger kann
insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage geltend machen. Das
Rechtsschutzbedürfnis ist regelmäßig gegeben, wenn dem Kläger kein einfacherer
und schnellerer Weg zur Durchsetzung seiner Rechte zur Seite steht. Der Kläger
wendet sich gegen die mit Bescheid vom 02.06.2006 erlassene Änderung der
Totalisatorerlaubnis vom 22.03.2006. Bereits nach der äußeren Form des
Bescheides ist darin ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG zu sehen, da
eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist. Zudem enthält der Bescheid eine
Kostenfestsetzung in Höhe von 60 €. Selbst wenn die Änderung lediglich einen
Hinweis auf die im Haushaltsplan festgesetzte Zuweisung aus der
Totalisatorsteuer für Rennvereine (vgl. § 16 RWLG) darstellte, droht ohne weitere
verwaltungsgerichtliche Verfolgung des Begehrens Bestandskraft des
Verwaltungsaktes. Zudem besteht weiterhin die Kostenfrage. Ob der Beklagte für
die in dem Bescheid enthaltene Festsetzung letztlich zuständig ist, oder ob die
Festsetzung der Zuweisung des Steueraufkommens in die Zuständigkeit des
Finanzamtes fällt, ist eine Frage der Begründetheit. Sie lässt das
Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht entfallen.
Die Anfechtungsklage ist nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO auch begründet, da der
Verwaltungsakt zumindest materiell rechtswidrig ist und den Kläger in seinen
Rechten verletzt.
Der Änderungsbescheid vom 02.06.2006 bedarf als belastender Verwaltungsakt
einer Rechtsgrundlage. Als Rechtsgrundlage kommt § 48 Abs. 1, 2 HessVwVfG in
Betracht, da der Bescheid vom 22.03.2006 bezüglich der Ziffer 10 rechtswidrig ist.
Nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG steht das Aufkommen der Totalisatorsteuer dem
Land zu, da die Totalisatorsteuer im Sinne des Rennwett- und Lotteriegesetzes
eine Rennwettsteuer im Sinne der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und
Lotteriegesetz ist und die Rennwettsteuer grundsätzlich unter die Verkehrssteuer
fällt. Das Land kann über die Verwendung und damit auch Ausschüttung der
Steuer entscheiden. Das Land Hessen hat im Haushaltsplan für das Jahr 2006 im
Einzelplan 17, Kap. 17 01 Titel 685 09 die Festlegung getroffen, dass von dem
Aufkommen der Totalisatorsteuer nur noch 92 von Hundert an Rennvereine
zuzuweisen sind. Auch wenn der Haushaltsplan kein Gesetz im materiellen Sinn ist
und keine Außenwirkung entfaltet, so ist der Beklagte aufgrund der Festsetzung im
Landeshaushaltsplan im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz und dem
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch nach außen daran
gebunden. Indem der Beklagte im Bescheid vom 22.03.2006 eine Ausschüttung
von weiterhin 96 % der Totalisatorsteuer zugunsten des Klägers festsetzte,
verstößt er gegen die Festsetzung im Landeshaushaltsplan in Verbindung mit dem
Gleichheitssatz.
Der Änderungsbescheid vom 02.06.2006 ist nicht formell rechtswidrig, da der
Beklagte zum einen im Rahmen seiner Zuständigkeit handelte und zum anderen
das Fehlen einer Anhörung im Sinne des § 28 HessVwVfG geheilt wurde.
Das Regierungspräsidium war zuständig über die Festsetzung der
Zuweisungshöhe aus der Totalisatorsteuer nach § 16 RWLG und damit auch über
die Änderung der Festsetzung in Ziffer 10 des Bescheides vom 22.03.2006 zu
entscheiden (vgl. § 48 Abs. 4 S. 1 HessVwVfG). Nach § 5 Abs. 3 Nr. 11 der
Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten zur Ausführung von
Bundesrecht und Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft in den
Bereichen Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz (Zuständigkeitsverordnung
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, vom 02.06.1999, GVBl. I S. 319) ist das
Regierungspräsidium Darmstadt zuständige Behörde nach dem Rennwett- und
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Regierungspräsidium Darmstadt zuständige Behörde nach dem Rennwett- und
Lotteriegesetz sowie nach dem Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und
Lotteriegesetz in der jeweils geltenden Fassung. Die Zuständigkeitsbefugnis
umfasst dabei nicht nur die Totalisatorerlaubnis an sich, sondern auch die nach
außen verbindlich festzulegende Höhe des Ausschüttungsanteils an der
Totalisatorsteuer, da die Festsetzung im Landeshaushaltsplan selbst keine
Außenwirkung gegenüber dem jeweiligen Rennverein entfaltet. Die Festsetzung der
Höhe der Zuweisung an Rennvereine kommt auch nicht den Finanzämtern zu.
Nach § 14 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz fällt
in die Zuständigkeit der Finanzämter lediglich die Verwaltung der Rennwettsteuer.
Damit fällt es in den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Darmstadt,
als ausführende Landesbehörde nach außen hin wirksam die Höhe der
Zuweisungen aus der Totalisatorsteuer gegenüber den einzelnen Rennvereinen
festzusetzen. Wie sich aus dem Anschreiben der Beklagten vom 02.06.2006
ergibt, geht auch der Beklagte davon aus, dass er die Festsetzung trifft („... muss
ich die Totalisatorerlaubnis zu ihren Ungunsten verändern, dies hat zur Folge,
dass...“).
Das Fehlen der Anhörung nach § 28 HessVwVfG wurde nach § 45 HessVwVfG
geheilt. Nach § 28 HessVwVfG ist vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes
dem Adressaten die Gelegenheit der Stellungnahme zu dem geplanten
Verwaltungsakt einzuräumen. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass das
Regierungspräsidium Darmstadt, nachdem es vom Hessischen Ministerium für
Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz am 24.05.2006 auf die Änderung
im Haushaltsplan hingewiesen wurde, ohne weitere Ankündigung am 02.06.2006
den Änderungsbescheid erließ. Damit fand eine Anhörung nicht statt, obwohl der
Bescheid mit der Kürzung der Zuweisung aus der Totalisatorsteuer eine Belastung
für den Kläger enthält. Jedoch wurde der Verfahrensfehler nach § 45 Abs. 1 Nr. 3,
Abs. 2 HessVwVfG geheilt, da der Kläger im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens ausreichend die Gelegenheit hatte, zu der Maßnahme des Beklagten
Stellung zu nehmen. Von dieser Gelegenheit hat der Kläger in mehreren
Schriftsätzen auch Gebrauch gemacht. Der Änderungsbescheid vom 02.06.2006
ist jedoch materiell rechtswidrig, da der Beklagte beim Erlass des Bescheides nach
§ 48 Abs. 1, 2 HessVwVfG kein Ermessen ausübte.
Bereits aus dem Anschreiben zu dem Änderungsbescheid vom 02.06.2006 (Bl.
122 der Behördenakte) ergibt sich, dass der Beklagte nicht von einem Ermessen,
sondern einer gebundenen Entscheidung ausgeht. Dort heißt es:
„...bedauerlicherweise muss ich die Totalisatorerlaubnis für das Jahr 2006 vom
22.03.2006 in Ziffer 10 der Bedingungen und Auflagen zu Ihren Ungunsten
verändern.“ Darüber hinaus ist auch in der Begründung des Änderungsbescheides
keine Ermessensausübung zu erkennen. Eine Ermessensausübung ergibt sich
nicht aus dem Hinweis, dass nach § 16 RWLG die Zuweisung aus der
Totalisatorsteuer geändert werden kann. Der Beklagte macht deutlich, dass dieses
Ermessen vom Landesparlament mit Beschluss des Haushaltsplanes für das Jahr
2006 ausgeübt wurde. Dieses nicht von der Beklagten ausgeübte Ermessen
betrifft jedoch die grundsätzliche Entscheidung im Rahmen von § 16 RWLG und
nicht die im Rahmen des § 48 VwVfG geforderte Ermessensausübung. Mit der
Begründung verdeutlicht der Beklagte vielmehr, dass er sich an die die
Entscheidung des Landesparlaments gebunden sieht. Damit findet keine
Ermessensausübung statt.
Eine Ermessensausübung war auch nicht entbehrlich, da weder eine
Ermessensreduzierung auf Null vorliegt noch im Rahmen des § 48 Abs. 1, 2
HessVwVfG von einem intendierten Ermessen auszugehen ist. Nach der
Rechtsprechung des BVerwG ist von einem gelenkten oder intendierten Ermessen
auszugehen, wenn die ermessenseinräumende Vorschrift dahingehend
auszulegen ist, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem
bestimmten Sinne ausgeht, soweit nicht besondere Gründe vorliegen, die eine
gegenteilige Entscheidung rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 16.06.1997, 3 C 22/96,
Rn. 14, VG Ansbach, Urt. v. 25.04.2007, AN 15 K 07.00095, Rn. 27; OVG Lüneburg,
Beschl. v. 13.04.2007, 2 LB 14/07, Rn. 70 ff.). Ist ein vom Regelfall abweichender
Sachverhalt anzunehmen, versteht sich das Ergebnis von selbst. In diesem Fall soll
auch eine Begründung nach § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG entbehrlich sein. Für die
Annahme eines intendierten Ermessen gilt jedoch größte Zurückhaltung, da
anderenfalls die mit der Ermessensausübung verbundenen Abwägungspflichten
und Verfahrensbindungen und ihre gerichtliche Kontrolle unterlaufen zu werden
drohen (Sachs, in: Stelkens/Bonks/Sachs, VwVfG, 2001, § 40 Rn. 30 m.w.N.). Sind
der Behörde andere Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar, die
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der Behörde andere Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar, die
eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter
Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände nicht von der Behörde
erwogen werden (BVerwG, a.a.O.).
Der Haushaltsplan besitzt zwar eine das Verwaltungshandeln lenkende Wirkung,
indes macht er nicht die Ermessensausübung im Rahmen des § 48 VwVfG
entbehrlich. Vielmehr begründet die Änderung im Haushaltsplan lediglich eine
Änderung der Rechtslage, die wiederum erst die Möglichkeit einer Rücknahme bzw.
eines Widerrufs des ursprünglichen Verwaltungsaktes eröffnet. Ein rechtswidriger
Verwaltungsakt ist Tatbestandsvoraussetzung der Rücknahmeentscheidung. Die
Feststellung der Rechtswidrigkeit entbindet die Behörde grundsätzlich nicht davon,
auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen auszuüben. Auch wird das Ermessen des
Beklagten durch die Festlegung im Haushaltsplan vornehmlich hinsichtlich der
ursprünglichen Entscheidung im Rahmen des § 16 RWLG intendiert. Im Rahmen
der § 48 HessVwVfG hat der Beklage sein Ermessen neu auszuüben.
Die Abwägung der Abänderung der Ziffer 10 der ursprünglichen
Totalisatorerlaubnis versteht sich auch nicht von selbst. Weder der § 48 noch der §
49 HessVwVfG sehen, außer in den Fällen des § 48 Abs. 2 S. 3, im Regelfall die
Rücknahme oder den Widerruf vor. Ein Fall des § 48 Abs. 2 S. 3 HessVwVfG liegt
nicht vor. Die in § 49 Abs. 2 HessVwVfG genannten Fallgruppen zeigen nicht auf,
wann in der Regel ein rechtmäßiger Verwaltungsakt zu widerrufen ist, sondern
wann „nur“ ein solcher zu widerrufen ist. Soweit eine dieser Fallgruppen vorliegt, ist
die Behörde noch nicht in ihrem Ermessen gelenkt, vielmehr ist erst die
Möglichkeit eröffnet, überhaupt einen Verwaltungsakt zu erlassen.
Ebenso kommt es gerade nicht allein darauf an, ob grundsätzlich das
Allgemeininteresse an einem ausgeglichenen Landeshaushalt und der
Begleichung der zu zahlenden Steuern durch jedermann gegenüber dem
Einzelinteresse überwiegt. Auch musste der Kläger als Steuerpflichtiger nicht mit
kurzfristigen Änderungen im Veranlagungszeitraum rechnen, da es im konkreten
Fall nicht um die Höhe der Totalisatorsteuer an sich, sondern um die Höhe der
Ausschüttung aus dem Aufkommen an der Steuer geht. Letztere wurde dem
Kläger gegenüber verbindlich im Bescheid vom 22.03.2006 in Höhe von 96 %
durch den Beklagten festgesetzt. Dass die Nebenbestimmungen und damit auch
Ziffer 10 dieses Bescheides unter dem Vorbehalt der Änderung getroffen wurden,
lässt ebenso wenig die Notwendigkeit einer Ermessensausübung entfallen. Der
Vorbehalt eröffnet der Behörde die Möglichkeit, einen rechtmäßigen
Verwaltungsakt nach § 49 Abs. 1, 2 HessVwVfG zu widerrufen. Der Beklagte hätte
trotz allem berücksichtigen müssen, ob der Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen
am Fortbestand des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes geltend machen kann.
Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus der jahrelangen Praxis zwischen den
Beteiligten. Zum anderen geht aus einem Schreiben des Klägers an den
Beklagten vom 06.02.2006, welches sich in der Akte zum Verwaltungsverfahren
befindet, hervor, dass der Kläger bereits feststehende Verpflichtungen im Jahr
2006 hatte, die mit dem Steueraufkommen erfüllt werden sollten. Es hätte
zumindest eine Prüfung erfolgen müssen, ob bzw. inwieweit den Verpflichtungen
auch bei einer geringeren Zuweisung aus der Totalisatorsteuer nachgekommen
werden konnte. Zudem war zu berücksichtigen, dass bereits drei Renntage
durchgeführt worden waren. Da dem Änderungsbescheid keine Anhörung
vorangestellt wurde, konnte der Kläger hierzu keine Stellung nehmen. Inwieweit der
jetzige Vortrag des Klägers eine schutzwürdige Position begründet, kann
dahinstehen, da der Beklagte diese Erwägungen in seiner Entscheidung nicht
berücksichtigte. Da der Beklagte von seinem Ermessen keinen Gebrauch machte,
bedarf es an dieser Stelle keiner näheren Erörterung dieser Gründe. Da der
Beklagte damit kein Ermessen ausübte und eine Begründung auch nicht
entbehrlich war, kann der Beklage sein Ermessen nicht nach § 114 S. 2 VwGO im
Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergänzen. § 114 S. 2 VwGO
räumt grundsätzlich nur die Möglichkeit ein, ein bereits ausgeübtes Ermessen
durch weitere Erwägungen zu ergänzen, aber nicht das fehlende Ermessen
vollständig nachzuholen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O., Rn.73). Die in den
Schriftsätzen vorgetragenen ergänzenden Ermessenserwägungen waren damit
nicht auf weitere Ermessensfehler hin zu überprüfen.
Der Kläger ist durch die rechtswidrige Entscheidung zumindest in seiner
wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, so dass der
Bescheid vom 02.06.2006 aufzuheben ist.
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Nur ergänzend ist anzumerken, dass sich der Kläger jedoch nicht auf die
Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu Rennvereinen in
anderen Bundesländern berufen kann. Es fehlt insoweit an der Vergleichsgruppe.
Nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG steht das jeweilige Aufkommen aus der
Totalisatorsteuer dem jeweiligen Land zu. In welcher Höhe das Land dann
wiederum einen Teil der Steuer den Rennvereinen zuweist, steht im Ermessen des
Landes. Der Grundsatz der einheitlichen steuerlichen Behandlung gilt insoweit nur
innerhalb des Landes. Es ist nicht an Entscheidungen der anderen Länder
gebunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf §§ 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.