Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 25.01.2008

VG Frankfurt: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, rechtsform, hausrecht, verfügung, arbeitsgemeinschaft, interessenabwägung, vollziehung, beleihung, anhörung, stadt

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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 103/08.F
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 GVG, § 17a Abs 2 S 3
GVG, § 80 Abs 5 VwGO, § 35 S
1 VwVfG
Hausrecht einer in privater Rechtsform organisierten
Arbeitsgemeinschaft, Rechtsweg
Leitsatz
Im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann offenbleiben, ob eine in privater
Rechtsform organisierte Arbeitsgemeinschaft zur Erbringung von Leistungen nach dem
SGB II ihr Hausrecht - auch durch Verwaltungsakt und damit hoheitlich ausüben kann,
wenn eine Interessenabwägung jedenfalls zu ihren Gunsten ausfällt.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten
Buch des Sozialgesetzbuches und wendet sich gegen ein von der Antragsgegnerin
mit Modifikationen verhängtes Hausverbot. Die Antragsgegnerin ist eine in privater
Rechtsform organisierte Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und
der Stadt F.
Am 6. und 19. November 2007 kam es anlässlich von Vorsprachen des
Antragstellers zu Auseinandersetzungen, die die Antragsgegnerin zum Anlass
nahm, durch Verfügung vom 26. November 2007 (Blatt 3 f. d.A.) gegen den
Antragsteller ein bis zum 29. Februar 2008 befristetes Hausverbot zu erlassen,
dessen sofortige Vollziehung zugleich angeordnet wurde. Noch am selben Tag
wurde diese Verfügung zur Post gegeben. Mit am 3. Dezember 2007 bei der
Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben vom 30. November 2007 nahm der
Antragsteller zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung.
Am 7. Dezember 2007 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt
am Main vorläufigen Rechtsschutz. Das Sozialgericht Frankfurt am Main erklärte
sich nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 7. Januar 2008 - S 29 AS
1747/07 ER - „für sachlich unzuständig“ und verwies den Rechtsstreit an das
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main; zur Begründung wurden die Bestimmungen
von § 51 des Sozialgerichtsgesetzes sowie von § 40 der
Verwaltungsgerichtsordnung wiedergegeben und darauf hingewiesen, dass der
Streit über die Ausübung des Hausrechts entweder im ordentlichen Rechtsweg
oder im Verwaltungsrechtsweg, nicht aber im Sozialrechtsweg, auszutragen sei.
Der Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 14. Januar 2008 ist das Verfahren beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
eingegangen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen
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auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen
Behördenakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, der Gegenstand der
Beratung gewesen ist.
II.
Der Antrag ist abzulehnen (1.), wobei die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller
zur Last fallen (2.) und der Streitwert auf die Hälfte des gesetzlichen
Auffangstreitwerts festzusetzen ist (3.).
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung des als Widerspruch auslegbaren Schreibens des
Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 30. November 2007 gegen deren
Verfügung vom 26. November 2007 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unbegründet, denn jedenfalls
fällt eine Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus:2. Der
Verwaltungsrechtsweg ist nach § 17a Abs. 2 Satz 3 des
Gerichtsverfassungsgesetzes in Verbindung mit § 173 Satz 1 VwGO eröffnet, da
das verweisende Sozialgericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zuvor
rechtskräftig für unzulässig erklärt hat.
In formeller Hinsicht hat die Antragsgegnerin auf Seite 2 ihrer Verfügung vom 26.
November 2007 die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit dem Hinweis darauf,
dass ein wirksamer Schutz anderer Besucher des Jobcenters und der Bediensteten
nur durch das unmittelbare Inkrafttreten des Hausverbotes zu erreichen sei, im
Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gehörig begründet.
In materieller Hinsicht kann im vorliegenden Aussetzungsverfahren dahingestellt
bleiben, ob die Annahme der Antragsgegnerin, sie sei zur Ausübung des
Hausrechts kraft Verwaltungsakts - mithin einer typisch hoheitlichen
Handlungsform - befugt, angesichts ihrer Rechtsform als einer juristischen Person
des Privatrechts zutreffend ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob
man die Beleihung der Antragsgegnerin mit hoheitlichen Aufgaben nach dem
Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches auch auf das Hausrecht als Annex erstreckt
oder nicht und muss der Entscheidung in einem Klageverfahren vorbehalten
bleiben. Jedenfalls ist die konkludente Annahme der Antragsgegnerin, ihre
Beleihung erfasse auch das Hausrecht, nicht offensichtlich rechtswidrig. Bei der
danach vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15.
Aufl. - 2007, § 80 Rdnr. 152 ff.) überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin an
einem geordneten Ablauf der Dienstgeschäfte Interessen des Antragstellers. Der
Antragsteller tritt der für das Hausverbot angeführten Begründung nicht
substantiiert entgegen, sondern erschöpft sich sowohl in seinem Schreiben vom
30. November 2007 wie seiner Antragsschrift im Wesentlichen im wertenden
Vorwurf unmenschlicher, diskriminierender Behandlung. Die Antragsgegnerin hat
dem Antragsteller mit der Regelung, dass das Hausverbot nicht gelte, wenn sie
den Antragsteller auffordere, seiner Meldepflicht nachzukommen sowie dem
Angebot der Möglichkeit, in Angelegenheiten, die eine persönliche Vorsprache
erforderten, telefonisch einen Termin mit zwei namentlich benannten
Mitarbeiterinnen zu vereinbaren, sowie der Befristung des Hausverbots bis Ende
Februar 2008 genügende Möglichkeiten zur Wahrnehmung seiner Interessen
eingeräumt und damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedenfalls
entsprochen. Empörungen oder Bestrebungen des Antragstellers, durch
spektakuläres Auftreten vor Ort aus seiner Sicht begründeten Forderungen
Nachdruck zu verleihen, müssen demgegenüber zurückstehen. Die
Ausnahmeregelung, dass dem Antragsteller das Betreten des Gebäudes gestattet
werde, wenn er hierzu aufgefordert worden sei oder zuvor Termine vereinbart
habe, ermöglicht es der Antragsgegnerin, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit ihres Dienstbetriebes
vorzubereiten und ist von daher gerechtfertigt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO zu
tragen, weil er unterlegen ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1, 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei geht das Gericht vom Auffangstreitwert des
§ 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,- Euro aus, ermäßigte diesen aber im Hinblick
darauf, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, auf
die Hälfte (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
in der Fassung der am 7./8. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen,
abrufbar unter anderem über www.bundesverwaltungsgericht.de).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.