Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 07.12.2004

VG Frankfurt: auszug, gemeinde, beweismittel, witwenrente, kopie, auskunft, wörterbuch, eintrag, urkunde, nachlassgericht

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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 3212/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 98 VwGO, § 448 ZPO
Leitsatz
Der für die Bewilligung von Witwenrente der Hessischen Zahnärzteversorgung
erforderliche Fortbestand der Ehe im Todeszeitpunkt kann auch durch andere
Beweismittel als der Sterbeurkunde nachgewiesen werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2004 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2004 verpflichtet, der Klägerin
Witwenrente zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, ihr Witwenrente zu bewilligen.
Am 07.05.1976 schloss sie mit dem späteren Zahnarzt Dr. ... die Ehe. Dr. ... war
Mitglied bei der Beklagten, die ihm Berufsunfähigkeitsrente gewährte. Am
21.09.2003 verstarb Dr. ... in B/Spanien, wohin er sich am 25.11.2002 gemeinsam
mit der Klägerin abgemeldet hatte.
Mit Telefax vom 13.10.2003 übermittelte die Klägerin der Beklagten den gemäß
dem Übereinkommen von Wien vom 08.09.1976 ausgestellten Auszug aus dem
Sterbeeintrag des Standesamtes B, Band 22, S. 264, in dem sich in der Rubrik
"Namen des letzten Ehegatten" kein Eintrag findet. Nach dem die Beklagte
daraufhin unter dem 27.10.2003 der Klägerin geschrieben hatte, aus dem per Fax
übersandten Auszug aus dem Sterbeeintrag ergebe sich, dass Dr. ... zum
Zeitpunkt seines Todes nicht verheiratet gewesen sei, antwortete die Klägerin mit
Schreiben vom 27.10.2003, sie sei im Zeitpunkt des Todes von Herrn Dr. ... mit
diesem nach wie vor verheiratet gewesen und übersandte noch eine beglaubigte
Kopie der Sterbeurkunde in spanischer Sprache, in der es unter anderem heißt:
"estado casado".
Unter dem 02.02.2004 beantragt die Klägerin auf dem ihr übersandten Formblatt
der Beklagten Hinterbliebenenversorgung gemäß § 34 und § 36 des Statuts der
HZV, als Witwe des verstorbenen Mitgliedes Dr. .... Mit Bescheid vom 15.04.2004
lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen
aus, es sei nicht gesichert, dass die Klägerin am Todestag noch mit Herrn Dr. ...
verheiratet gewesen sei, weil in der übersandten Sterbeurkunde sie nicht als
Ehefrau eingetragen sei und nach der Auskunft der Gemeinde A vom 17.03.2004
der spanische Standesbeamte nicht verpflichtet sei, die deutschen Behörden über
eine eventuelle Scheidung zu unterrichten, es fehle an einem amtlichen Nachweis
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eine eventuelle Scheidung zu unterrichten, es fehle an einem amtlichen Nachweis
des Fortbestandes der Ehe am 21.09.2003. Den hiergegen mit Schreiben ihres
Bevollmächtigten vom 12.05.2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit
Bescheid vom 04.06.2004, zugestellt am 16.06.2004, aus den Gründen des
Ausgangsbescheides zurück.
Am 08.07.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung führt sie
aus, die Ehe mit Dr. ... sei zu keinem Zeitpunkt geschieden worden. Zweifel hieran
hege weder der Standesbeamte in A noch das Nachlassgericht, bei dem ein
gemeinschaftlicher Erbschein für sie und die beiden Abkömmlinge des
Verstorbenen beantragt worden sei. Im Familienbuch habe der Standesbeamte
am 16.03.2004 eingetragen, dass der Ehemann Dr. ... am 21.09.2003 gestorben
sei. Daraus ergebe sich, dass die Ehe am Todestag noch bestanden habe. Als
Urkunde habe das Familienbuch die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit
für sich. Die spanische Standesbehörde könne dagegen nicht verbindlich
feststellen, ob der Verstorbene noch verheiratet gewesen sei, da das
Familienstammbuch in Deutschland geführt werde.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2004 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2004 zu verpflichten, ihr Witwenrente zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin müsse den Nachweis führen, dass die Ehe
noch am Todestag bestanden habe. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Nachweis sei
durch die Sterbeurkunde zu führen. In dieser sei jedoch im Hinblick auf den
Familienstand des Verstorbenen nichts eingetragen. Das weitere eingereichte in
spanischer Sprache gehaltene Dokument könne nicht anerkannt werden, weil
unklar sei, von wem es überhaupt herrühre. Eine etwaige dortige Eintragung, Dr. ...
sei verheiratet gewesen, beruhe bereits nach dem Vortrag der Klägerin lediglich
auf ihren eigenen Angaben und könne deshalb nicht als Nachweis genügen. Die
Klägerin müsse sich darauf verweisen lassen, eine internationale Todesurkunde
des spanischen Standesamtes vorzulegen, in dem auch eine Angabe über den
Familienstand des Verstorbenen enthalten sei. Das deutsche Familienbuch könne
keinen Nachweis erbringen, weil nach der Auskunft des Standesbeamten der
Gemeinde A spanische Gerichte nicht verpflichtet seien, den deutschen Behörden
über eine etwaige Ehescheidung Nachricht zu geben.
Das Gericht hat durch Vernehmung der Klägerin als Partei Beweis erhoben über
die Frage, ob die Ehe der Klägerin mit Dr. ... am 21.09.2003 noch bestanden hat.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 07.12.2004 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die bei gezogene Akte der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten
beanspruchen, ihr Witwengeld ab dem 01.10.2003 gemäß § 34 des Statutes der
Hessischen Zahnärzteversorgung zu bewilligen. Nach § 34 Abs. 1 des Statutes hat
der überlebende Teil eines Mitgliedes Anspruch auf Witwengeld, wenn die Ehe bis
zum Tode des Mitgliedes fortbestanden hat, wobei gemäß § 34 Abs. 2 des
Statutes der Anspruch mit dem ersten Tag des auf den Todestag folgenden
Monates beginnt, wenn das Mitglied Ruhegeld bezog, und die Ehe vor Eintritt einer
Berufsunfähigkeit oder vor Inanspruchnahme des Altersruhegeldes, jedoch
spätestens vor Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen wurde. Diese
Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist der überlebende Eheteil des
Mitgliedes Dr. .... Unter Würdigung der vorgelegten Urkunden, der Aussage der
Klägerin und dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Gericht davon
überzeugt, dass diese Ehe bis zum Tode des Dr. ... am 21.09.2003 fortbestand.
Die als Partei vernommene Klägerin hat glaubhaft bekundet, dass ihre Ehe mit Dr.
... nicht geschieden wurde, und dies durch ihren in religiöser Form geleisteten Eid
bekräftigt. Dies genügt zum Nachweis des Fortbestandes der Ehe, da es keine
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bekräftigt. Dies genügt zum Nachweis des Fortbestandes der Ehe, da es keine
Rechtsnorm gibt, die vorsieht, dass diese Tatsache nur durch die Vorlage einer
Sterbeurkunde - wie es die Beklagte fordert - nachgewiesen werden kann, und
keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung sprechen, so dass die
denkbare Scheidung der Ehe der Klägerin mit dem verstorbenen Dr. ... sich
lediglich als eine abstrakte Möglichkeit, die die durch die beeidete Angabe der
Klägerin begründete Überzeugung des Gerichtes nicht in Frage stellen kann,
darstellt.
Die von der Beklagten vertretene Beschränkung des Nachweises des
Fortbestandes der Ehe findet weder in der VwGO für das gerichtliche Verfahren
noch im Verwaltungsverfahrensgesetz für das Verwaltungsverfahren der Beklagten
eine Stütze. Als Beweismittel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommen alle
Erkenntnismittel in Betracht, die nach den Grundsätzen der Logik, nach
allgemeiner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind oder sein
können, die Überzeugung des Gerichtes vom Vorhandensein
entscheidungserheblicher Tatsachen und der Richtigkeit einer Beurteilung oder
Wertung von Tatsachen zu begründen (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 98
Rn. 3). Hierzu zählt insbesondere auch die Vernehmung von Beteiligten gemäß §
98 VwGO i.V.m. §§ 445 ff. ZPO. Die Vernehmung der Klägerin als Partei war hier
gemäß § 448 ZPO zulässig, da die gebotene Klärung der Frage des Fortbestandes
der Ehe sich mit Hilfe der übrigen zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht als
hinreichend für die Überzeugungsbildung des Gerichtes erwiesen hat. In dem
Auszug aus dem Sterbeeintrag des Standesamtes von B, ausgestellt gemäß dem
Übereinkommen von Wien vom 08.09.1976 fehlen Angaben zum Familienstand
des Verstorbenen. Die Eintragung in dem von dem Standesamt der Gemeinde A
fortgeführten Familienbuch vom 16.03.2004, dass der Ehemann der Klägerin
gestorben ist, kann den Fortbestand der Ehe nicht hinreichend nachweisen, da
eine möglicherweise in Spanien erfolgte Scheidung, wo die Klägerin und der
Verstorbene in den letzten Jahren lebten, vom spanischen Standesbeamten nach
der Auskunft des Standesamtes der Gemeinde A vom 17.03.2004 nicht an
deutsche Behörden gemeldet werden muss. Der beglaubigte Auszug der S. 264,
Band 22 des beim Standesamt in B geführten Sterbebuches, in dem als
Familienstand des Verstorbenen "casado" angegeben ist, was in der Übersetzung
in die deutsche Sprache nach dem Wörterbuch von Langenscheidt "verheiratet"
heißt, beruht nach der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am
07.12. auf ihren eigenen Angaben, weshalb das Gericht eine nochmalige
unmittelbare eigene Erklärung der Klägerin, deren Glaubhaftigkeit nur in der
unmittelbaren Aussagesituation sicher beurteilt werden kann, für nötig befunden
hat.
Der Beklagten war diese Art der Beweiserhebung zwar verwehrt, da sie gemäß §
26 Abs. 1 Nr. 2 HessVwVfG zwar Beteiligte anhören kann, diese aber gemäß § 26
Abs. 2 S. 2 HessVwVfG nicht verpflichtet sind, persönlich zu erscheinen. Die
Abnahme einer Versicherung an Eides Statt gemäß § 27 HessVwVfG schied für die
Beklagte aus, da dies durch eine besondere Rechtsvorschrift - ein förmliches
Gesetz oder eine Rechtsverordnung - ausdrücklich vorgesehen sein muss, was für
das Verfahren auf Bewilligung von Hinterbliebenenrente nicht der Fall ist. Eine
Beschränkung auf das Beweismittel des Auszuges aus dem bei dem Standesamt
in B geführten Sterbebuch in seiner Form nach den Wiener Übereinkommen vom
08.09.1976 lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Spätestens nach der
gerichtlichen Einvernahme der Klägerin, bei der der Vertreter der Beklagten
zugegen war, hat die Beklagte über eine ausreichende Erkenntnisgrundlage
verfügt, um dem klägerischen Begehren statt zu geben.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage der Klägerin zum Fortbestand
der Ehe nicht zutrifft. Dem Standesamt der Gemeinde A, welches das
Familienbuch ... fortführt, ist eine Scheidung der Ehe nicht bekannt geworden.
Dementsprechend findet sich kein Eintrag in dem Familienbuch, das sich als
beglaubigte Ablichtung vom 17.03.2004 in der bei gezogenen Akte der Beklagten
befindet. So geht auch der Standesbeamte des Standesamtes A davon aus, dass
die Ehe am Todestag noch bestanden hat, was er am 17.03.2004 der Beklagten
mitteilte. Den spanischen Standesbeamten des Standesamtes B, die den Eintrag
des Sterbefalles in das Sterbebuch vornahmen, war eine Scheidung der Ehe
ebenfalls nicht bekannt. Wie sich aus der beglaubigten Kopie des Eintrags in das
Sterbebuch des Standesamtes B, die von der Klägerin mit Schreiben vom
20.11.2003 zu den Akten der Beklagten gereicht wurde, ergibt, wird dort als
Familienstand des Verstorbenen "casado" angegeben. Dies bedeutet in der
Übersetzung in die deutsche Sprache nach dem Wörterbuch von Langenscheidt
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Übersetzung in die deutsche Sprache nach dem Wörterbuch von Langenscheidt
"verheiratet". Dass es sich bei dieser Urkunde um die Kopie der Eintragung des
Todesfalles von Dr. ... in das Sterbebuch des Standesamtes B handelt, ergibt sich
aus Folgendem: Die Urkunde ist mit "Registro Civil de B" überschrieben. "Registro
Civil" bedeutet nach dem Wörterbuch von Langenscheidt in der Übersetzung in die
deutsche Sprache "Standesamt". Dem Beglaubigungsvermerk auf der Rückseite
ist zu entnehmen, dass es sich um die Eintragung auf S. 264, Band 22 handelt, die
auch in dem Auszug aus dem Sterbeeintrag nach dem Wiener Übereinkommen
genannt wird. Anhaltspunkte für Zweifel an der Echtheit sind weder dargelegt
worden noch erkennbar.
Unerheblich ist, dass in dem nach dem Übereinkommen von Wien vom 08.09.1976
ausgestellten Auszug aus dem Sterbeeintrag des Standesamtes B keine Angaben
zum Familienstand des Verstorbenen entnommen werden können. Diese
internationale Sterbeurkunde schweigt hierzu schlicht, trifft also keinerlei Aussage
zum Familienstand. Der Sterbeeintrag des Standesamtes B in Band 22, S. 264 ist
aber bereits durch Vorlage einer beglaubigten Kopie - wie bereits dargelegt -
hinsichtlich der Angabe zum Familienstand des Verstorbenen bekannt. Die
internationale Sterbeurkunde gibt diesen Sterbeeintrag nur für den internationalen
Rechtsverkehr wieder. Abweichende Feststellung können darin nicht enthalten
sein, weshalb in einem vollständigen Auszug aus dem Sterbeeintrag dann noch die
Angabe enthalten wäre, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes
verheiratet war. Angaben zum Namen seiner Ehefrau, wie es die Ziffer 9 des
Formulares gemäß dem Übereinkommen von Wien vom 08.09.1976 vorsieht,
findet sich in dem Sterbeeintrag Band 22, S. 64 des Standesamtes von B nicht,
weshalb in das Formular wohl nichts eingetragen worden ist. Der von der Beklagten
gefordert erneute Auszug könnte solche Angaben deshalb auch nicht enthalten.
Das Nachlassgericht, bei dem die Klägerin einen gemeinsamen Erbschein
beantragt hat, hat sich nach der glaubhaften Angabe des Bevollmächtigten der
Klägerin bislang mit deren Erklärung, die Ehe habe zum Zeitpunkt des Todes
bestanden, begnügt. Das Nachlassgericht hat deshalb ebenso wenig wie die
aufgrund des Todes von Dr. ... tätig gewordenen Standesbeamten Zweifel am
Fortbestand der Ehe.
Der Anspruch auf Witwengeld der Klägerin beginnt gemäß § 34 Abs. 2 mit dem
ersten Tag des auf den Todestag folgenden Monates, also mit dem 01.10.2003,
weil das verstorbene Mitglied bereits Ruhegeld bezog und, wie § 34 Abs. 2 des
Statutes weiter vorsieht, die Ehe schon vor Eintritt der Berufsunfähigkeit des
Mitgliedes, die zur Bewilligung des Ruhegeldes an das Mitglied führte, geschlossen
wurde, so dass für die Klägerin keine Wartezeit besteht.
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Beklagte zu tragen,
da sie unterliegt.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.