Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 18.07.2005

VG Frankfurt: gaststätte, verfügung, betriebsleiter, aufschiebende wirkung, angemessene frist, öffentliche sicherheit, vollziehung, zweigstelle, gesellschafter, vollzug

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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 G 2120/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 21 GastG
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 01.07.2005 wird
abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Eurofestgesetzt.
Gründe
I.
Die am 07.08.1917 geborene Antragstellerin zu 1. beantragte am 05.04.2004 die
Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte in Königstein, X Straße und gleichzeitig die
Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis nach § 11 Gaststättengesetz (GastG). Der
Antragsteller zu 2. ist ihr Sohn. Die vorläufige Erlaubnis wurde der Antragstellerin
zu 1. wiederholt erteilt, zuletzt gültig bis zum 09.01.2005. Im Juli 2004 beantragte
sie gleichzeitig eine vorläufige Stellvertretererlaubnis, die auch gültig bis zum
25.10.2004 verlängert wurde.
Der Mietvertrag für die Räume, in denen die Gaststätte betrieben wird, wurde am
09.04.2004 vom Sohn der Klägerin, dem Antragsteller zu 2. unterzeichnet. Unter
dem 28. Juni 2004 bevollmächtigte die Antragstellerin zu 1. den Antragsteller zu 2.,
ihn gegenüber dem Gewerbeamt der Stadt Königstein und für den Erhalt für die
Erlaubnis nach §§ 2 und 11 GastG aufzutreten, Erklärungen hierzu abzugeben und
die entsprechenden Dokumente zu erhalten. Der Antragsteller zu 2. ist der
alleinige Gesellschafter der "A Limited" mit Sitz in Birmingham/Großbritannien.
Unter dem 28. Juni 2005 erteilte der Antragsteller zu 2. als Alleingesellschafter der
Gesellschaft der Antragstellerin zu 1. die Erlaubnis, als ständige Vertreterin der
Niederlassung in Königstein tätig zu sein.
Unter dem 18. März 2005 hörte die Antragsgegnerin beide Antragsteller zu dem
beabsichtigten Beschäftigungsverbot an.
Mit Verfügung vom 20.06.2005 wurde der Antragstellerin zu 1. untersagt, ihren
Sohn in ihrer Gaststätte zu beschäftigen, ihr eine Frist bis zum 15.07.2005 zur
Erfüllung des Beschäftigungsverbotes gesetzt, der Sofortvollzug angeordnet und
ihr Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro für jeden Tag der Weiterbeschäftigung
ihres Sohnes angedroht. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass ihr
Sohn faktisch die Aufgaben eines Betriebsleiters wahrnehme. Ihm sei jedoch 2002
die Ausübung eines Gewerbes nach § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO)
untersagt worden, was sich auch auf diese Tätigkeit beziehe. Bei verschiedensten
Kontrollen in der Gaststätte sei stets nur der Sohn, nicht aber sie selbst
angetroffen worden. Der Sohn wickle auch im Wesentlichen die Geschäfte für die
Gaststätte ab und trete nach außen als Betriebsleiter auf. Unter anderem habe er
Schriftstücke als "managing director" unterschrieben. Der Sofortvollzug sei
erforderlich, da durch die ungehinderte Einflussnahme eines unzuverlässigen
Dritten für die Gäste des Betriebes und für die öffentliche Sicherheit
unkalkulierbare Risiken aufträten.
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Der Antragsteller zu 2. wurde mit gesondertem Schreiben darauf hingewiesen,
dass er selbst die gegen seine Mutter gerichtete Verfügung anfechten könne.
Beide Antragsteller erhoben unter dem 01.07.2005 gegen die Verfügung
Widerspruch.
Gleichzeitig haben sie bei dem Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz
begehrt.
Sie tragen vor, der Sofortvollzug sei schon deshalb rechtswidrig, weil er nicht
ausreichend begründet worden sei. Darüber hinaus seien sie vor dessen
Anordnung nicht angehört worden. Zudem fehle es an der Eilbedürftigkeit. Die
Anhörung der beiden Antragsteller sei Mitte März 2005 erfolgt und jetzt erst 3
Monate später die entsprechende Verfügung. Darüber hinaus sei das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber den privaten Interessen der
Antragsteller nachrangig, denn das Beschäftigungsverbot sei offensichtlich
rechtswidrig. Der Antragsteller zu 2. sei nicht als Betriebsleiter tätig, sondern er sei
Küchenchef. Die Antragstellerin zu 1. müsse nicht ständig anwesend sein, so dass
sie auch bei den Kontrollen nicht habe angetroffen werden können. Den
Schriftverkehr im Zusammenhang mit der Konzession habe nicht der Antragsteller
zu 2. im Wesentlichen geführt, die entscheidenden Schriftstücke habe die
Antragstellerin zu 1. unterzeichnet. Allerdings habe sie dem Antragsteller zu 2.
eine Vollmacht erteilt, die aber jetzt widerrufen worden sei. Soweit der
Antragsteller zu 2. Briefe als "managing director" unterschrieben habe, die ohne
Bezug zum Konzessionsantrag seien, gehe dies darauf zurück, dass er noch
Geschäftsführer der A Limited, Birmingham, sei. Darüber hinaus habe die
Antragstellerin zu 1. mit dem Antragsteller zu 2. einen Arbeitsvertrag geschlossen,
der dessen Beschäftigung als Küchenchef vorsehe und dementsprechend
weitergehende Befugnisse ausschließe. Im Rahmen dieses Aufgabenbereiches
dürfe er auch tätig sein. Darüber hinaus sei der Antragsteller zu 2. auch nicht als
Betriebsleiter unzuverlässig. Die Gewerbeuntersagung beziehe sich auf alle
Gewerbe nach § 35 Abs. 1 GewO. Sie erstrecke sich gerade nicht auf eine Tätigkeit
als mit der Leitung eines Gewerbetriebes beauftragter Person nach § 35 Abs. 1
Satz 2 2.Alternative GewO. Darüber hinaus sei die Verfügung unverhältnismäßig,
das Beschäftigungsverbot sei nämlich zu weitgehend. Es hätte genügt, dem
Antragsteller zu 2. die Tätigkeit als Betriebsleiter zu untersagen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 01. Juli 2005 gegen die
Verfügung vom 20. Juni 2005 (...) wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt der angegriffenen Verfügung. Der Antragsteller zu 2. sei
zweifelsfrei als Betriebsleiter tätig. Schließlich sei die Form des
Beschäftigungsverbotes gewählt worden, weil sie sich als milderes Mittel
gegenüber der Versagung der Gaststättenkonzession für die Antragstellerin zu 1.
darstelle.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte, den der bei gezogenen Behördenakte und den der bei
gezogenen Unterlagen zum Untersagungsverfahren des Regierungspräsidiums
Darmstadt gegen den Antragsteller zu 2..
II.
Der nach §§ 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen
Verfügung überwiegt das private Interesse der Antragsteller, vorläufig von ihrem
Vollzug verschont zu bleiben. Die angegriffene Verfügung ist hinreichend nach § 80
Abs. 3 VwGO begründet. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, aus welchen Gründen
sie der Auffassung ist, dass die Verfügung sofort vollzogen werden muss.
Nach dem im Eilverfahren notwendigerweise summarischen Sachstand ist das
Beschäftigungsverbot im Bescheid vom 20. Juni 2005 nicht zu beanstanden und
seine Vollziehung eilbedürftig.
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Nach § 21 Abs. 1 GastG kann die Beschäftigung einer Person in einem
Gaststättenbetrieb untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
dass die Person die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Die
Antragsgegnerin ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragssteller zu 2. in
der Gaststätte "A" in Königstein wie ein Betriebsleiter agiert, dem aber seine
Unzuverlässigkeit entgegensteht.
Nach dem Eindruck, den die Kammer aus den Akten und dem Vortrag der Parteien
gewonnen hat, übt der Antragsteller zu 2. eine Tätigkeit aus, die der eines
Betriebsleiters gleichkommt. Der Antragsteller zu 2. tritt nach außen derart in
Erscheinung, dass er von Dritten als Betriebsleiter angesehen wird und nach der
Art, wie die Gaststätte geführt wird, auch angesehen werden muss. Zwar hat die
Antragstellerin zu 1. formell den Konzessionsantrag unterzeichnet und auch einige
Schriftstücke. Es bestehen aber nachhaltige Zweifel daran, dass sie selbst die
Gaststätte führt, das heißt die wichtigen Entscheidungen für die Gaststätte selbst
erledigt und insbesondere vor Ort den Betrieb selbst führt. Dies ergibt sich aus
folgenden Anhaltspunkten:
Die Antragsgegnerin hat verschiedentlich Kontrollen durchgeführt bzw.
durchführen lassen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen
Tagen. Bei keiner der Kontrollen war die Antragstellerin zu 1. anwesend. Sie kann
auch nicht damit gehört werden, dass ihre ständige Anwesenheit nicht erforderlich
ist. Zwar trifft dies zu. Jedoch hat sie keinen Stellvertreter bestellt, so dass sie
laufend den Betrieb selbst überwachen und kontrollieren muss. Die
Behördenvertreter konnten sie stets nicht antreffen und ihr Sohn, der Antragsteller
zu 2., hat stets die Auskunft gegeben, dass die Antragstellerin zu 1. an einem
anderen Tag anwesend sei. Es kann nicht mehr Zufall sein, dass die Antragstellerin
zu 1. stets nicht anwesend gewesen ist. In ihrem Schreiben vom 03. Februar 2005
gibt die Antragstellerin zu 1. an, täglich im Restaurant anwesend sein zu wollen,
was aber ganz offensichtlich nicht der Fall war. Für Freitag, den 04. Februar 2005,
kann sich die Antragstellerin zu 1. nicht darauf berufen, sie habe sich an diesem
Tag einer Augenoperation unterziehen müssen. In demselben Schreiben vom 03.
Februar 2005 hat sie nämlich angegeben, die Augenoperation am 08. Februar
2005 vornehmen lassen zu wollen. Sie war insgesamt bei den Kontrollen am 04.
Februar, 02. März, 03. März, 05. März und 29. April (telefonisch) nicht anwesend.
Das Personal hat gegenüber den Bediensteten der Antragsgegnerin, nach dem
Verantwortlichen der Gaststätte gefragt, stets auf den Antragsteller zu 2.
verwiesen. Auf einer Internetseite www.restaurant-kritik.de wird in einer
Restaurantkritik von einem Gast der Antragsteller zu 2. als Inhaber bezeichnet.
Das bedeutet, dass dieser Gast den Eindruck hatte, als ob der Antragsteller zu 2.
Inhaber sei. Schließlich erweckt der Antragsteller zu 2. selbst den Eindruck, als ob
er Entscheidungsbefugnisse in weit reichender Hinsicht hätte. Die Schreiben an die
Behörde hat er stets mit seinem Namen und dem Zusatz "managing director"
unterzeichnet. Schließlich hat der Antragsteller zu 2. auch den Mietvertrag für die
Gaststätte unterschrieben. Die Erläuterung, weshalb dies geschehen sein soll -
Überlassung an die britische Hauptstelle und von dort aus Überlassung an die
deutsche Zweigstelle - ist unglaubwürdig. Es finden sich hierzu keinerlei Belege.
Hinzu kommt, dass der Antragsteller zu 2. nach einem in der Akte der Behörde
befindlichen Gesellschafterbeschluss der A Limited alleiniger Gesellschafter ist. Als
alleiniger Gesellschafter hat er die Antragstellerin zu 1. zur Leitung der Zweigstelle
in Königstein bevollmächtigt. Das bedeutet, dass letztlich die Entscheidung über
die Zweigstelle in Königstein ausschließlich in der Hand des Antragstellers zu 2.
liegt. Der Antragsteller zu 2. ist auch weiterhin alleiniger Geschäftsführer der
Gesellschaft, wie sich aus der Antragsschrift ergibt. Nimmt man alle diese
Gesichtspunkte zusammen und berücksichtigt man weiterhin, dass die
Antragstellerin zu 1. fast 88 Jahre alt ist, so ist das Gericht davon überzeugt, dass
die Antragstellerin zu 1. nur formelle Geschäftsinhaberin sein soll. Zwar spricht das
Alter an sich nicht allein dagegen, dass sie eine Gaststätteninhaberin sein kann.
Dies lässt sich etwa sehr gut vorstellen bei einem seit vielen Jahren geführten
Betrieb, bei dem die Seniorchefin noch "alle Fäden in der Hand hat". So stellt sich
die Sachlage hier jedoch nicht dar. Zwar hat die Antragstellerin zu 1. nach ihren
eigenen Angaben früher Gaststätten geführt, vor allen Dingen mit ihrem
verstorbenen Mann zusammen. In den letzten Jahren scheint dies aber nicht mehr
der Fall gewesen zu sein. Insbesondere die vorliegende Gaststätte ist von ihr
früher nicht geführt worden. Bei einer neu geführten Gaststätte ist es aber
unabdingbar, dass die verantwortliche Person sich überwiegend in der Gaststätte
selbst aufhält, um ihr Personal zu kontrollieren und den Betrieb zu steuern. Das ist
nach Überzeugung des Gerichts hier aber nicht der Fall.
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Entgegen der Auffassung der Antragsteller wirkt sich die gewerberechtliche
Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu 2. auch auf die Tätigkeit eines
Betriebsleiters aus, weil insofern eine Unzuverlässigkeit ebenfalls festgestellt
wurde. Die Gewerbeuntersagung im Bescheid vom 14. Mai 2002 an den
Antragsteller zu 2. umfasst ausdrücklich jede selbständige gewerbliche Tätigkeit
nach § 35 Abs. 1 GewO und, wie sich aus Bl. 4 ergibt, auch die Tätigkeit nach § 35
Abs. 1 Satz 2 GewO.
Schließlich ist das Verbot der Beschäftigung des Antragstellers zu 2. auch
verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin hat zutreffend berücksichtigt, dass als
weitergehende Maßnahme die Versagung der Konzession in Betracht gekommen
wäre und deshalb das Beschäftigungsverbot das mildere Mittel darstellt. Das
Verbot, den Antragsteller zu 2. als Betriebsleiter zu beschäftigen, würde insoweit
nicht weiterhelfen, weil die Antragstellerin zu 1. tatsächlich ihre Leitungsaufgaben
nicht wahrnimmt. Dies stellt sich auch nicht anders dadurch dar, dass die
Antragstellerin zu 1. jetzt einen Arbeitsvertrag mit ihrem Sohn vorlegt. Der Sohn
ist schon seit einem Jahr in der Gaststätte beschäftigt und der Arbeitsvertrag der
vom 01.06.2005 datiert, wurde ganz offensichtlich unter dem Eindruck des
schwebenden Verfahrens getroffen wie auch unter dem Eindruck des Verfahrens
die Vollmacht für den Antragsteller zu 2. entzogen wurde. Darüber hinausgehende
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Die Zwangsgeldandrohung, die auf § 76 Hessisches
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HVwVG) beruht, ist ebenfalls nicht zu
beanstanden. Der Antragstellerin zu 1. wurde eine angemessene Frist gesetzt, das
Beschäftigungsverbot umzusetzen. Das Zwangsgeld ist seiner Höhe nach
ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Regeln des Gaststättengesetzes
überwiegt das Interesse der Antragsteller, vom Vollzug der angefochtenen
Verfügung verschont zu bleiben. Der Antragsteller zu 2. hat in der Vergangenheit
gezeigt, dass er nicht bereit ist, Regeln zu beachten. Auch bei dem bisherigen
Betrieb der Gaststätte selbst sind öffentliche Vorschriften nicht beachtet worden.
So wurde nicht rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der vorläufigen
Gaststättenkonzession gestellt. Auch wurde nicht mitgeteilt, dass dem
Stellvertreter zum 30. November 2005 gekündigt wurde.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen, weil sie unterlegen
sind (§ 154 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i. V. m. § 100 ZPO).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 GKG, wobei im Hinblick auf die
nur vorläufige Regelung der Wert der Hauptsache, der sich an die Empfehlungen
des Streitwertkataloges anlehnt, halbiert wurde.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.