Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 04.12.2009

VG Frankfurt: beginn der frist, ordentliche kündigung, wichtiger grund, ergänzung, behinderung, stadt, ausnahme, bankgewerbe, behörde, mensch

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 4273/08.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 91 SGB 9
Kündigung eines schwerbehinderten Menschen
Tenor
Der Bescheid des Integrationsamtes vom 10.07.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 27.11.2008 wird aufgehoben. Der Beklagte wird
verpflichtet, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer
Auslauffrist zu erteilen.
Die Klägerin trägt 8/10 der Kosten des Verfahrens. Der Beklagte trägt 2/10 der
Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten
selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Universalbank in Form einer Aktiengesellschaft und begehrt
auf dem Klagewege die Verpflichtung des Beklagten zur Zustimmung zur
außerordentlichen Änderungskündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
nämlich des Beigeladenen.
Die Klägerin beantragte erstmals mit Schreiben vom 08.06.2006 bei dem des
Beklagten die Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung des Beigeladenen,
der seit dem Juli 2002 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der
Behinderung von 50 anerkannt ist. Seit dem 04.10.2005 sei der Beigeladene
Mitarbeiter der Klägerin und bei deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.01.1978 in
einem Arbeitsverhältnis. Bis zum Jahr 2000 sei der Beigeladene Leiter der Revision
gewesen und den anderen Mitarbeitern der Revisionsabteilung bei der
Rechtsvorgängerin der Klägerin vorgesetzt gewesen. Im Zeitraum vom 06.06.2002
bis zum Mai 2003 sei der Beigeladene arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Nach
einer Rehabilitationsmaßnahme und Urlaub habe er Ende Juli 2003 seine Arbeit
wieder aufgenommen. Er sei sodann mit der Leitung des Projekts
„Indeckungsnahme von Hypothekendarlehen“ befasst gewesen. Aufgrund der
organisatorischen Änderungen durch die Verschmelzung der Klägerin mit der
Rechtsvorgängerin, nämlich der A-Bank AG zum 01.01.2006, sei eine Zuordnung
der verschiedenen Abteilungen/Bereiche mit dem Betriebsrat verabredet worden
und hierzu ein umfangreicher, immer wieder aktualisierter Interessenausgleich
vorgenommen worden. Im Ergebnis sei die Revisionsabteilung der A-Bank
geschlossen worden und eine Weiterbeschäftigung des Beigeladenen dort sei nicht
mehr möglich gewesen. Eine Weiterbeschäftigung auf anderen freien Stellen
innerhalb der Bank sei wegen fehlender Qualifikation des Beigeladenen nicht
möglich.
Mit Bescheid vom 24.01.2007 versagte das der Beklagten die Zustimmung zur
vorgesehenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen
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vorgesehenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen
und führte zur Begründung aus, dass der mittlerweile 60-jährige Beigeladene in
einem Arbeitsverhältnis stehe, das aufgrund der von ihm anzuwendenden
tarifvertraglichen Bestimmungen nicht ordentlich kündbar sei. Zwischenzeitlich
seien auch arbeitsgerichtliche Urteile ergangen, welche das der Beklagten
zusätzlich in der Auffassung bestärke, dass eine antragsgemäße Entscheidung auf
Zustimmung zur vorgesehenen ordentlichen Kündigung des Beigeladenen nicht
erteilt werden könne.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt, welcher
mit Bescheid vom 19.11.2007 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen erhobene
Klage vom 05.12.2007 wurde mit Urteil vom 15.05.2008 des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main (Az.: 7 E 4158/07(3)) zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde
rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 27.06.2008 beantragte die Klägerin die Zustimmung des
Integrationsamtes der Beklagten zur fristlosen Änderungskündigung des
Beigeladenen aus wichtigem Grund und wegen Betriebsänderung auf die Position
Revisor im Bereich Revision/Credits, unter Beibehaltung der Vergütung abzüglich
der bislang gewährten geldwerten Leistungen für die Nichtnutzung des
Dienstwagens sowie hilfsweise die fristgemäße Änderungskündigung mit dem im
Übrigen gleichen Inhalt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Hinblick auf die
Vielzahl offener betriebsinterner Stellen lediglich für den Beigeladenen die freie
Stelle eines Revisors in A-Stadt im Bereich Revision/Credits in Frage komme, da er
aufgrund seines Wissens und seiner jahrelangen Tätigkeit als Revisor sowie seiner
Erfahrung als Leiter der Revision hierfür auch ohne längere Einarbeitungszeit
geeignet sei. Eine Veränderung des Gehalts sei mit der Änderungskündigung nicht
verbunden. Lediglich hinsichtlich der Dienstwagenberechtigung verändere sich
aufgrund der Änderungskündigung die jeweilige Anspruchsgrundlage, da dem
Beigeladenen aufgrund der derzeit geltenden Dienstwagenregelung auf der neuen
Stelle kein Anspruch auf einen Dienstwagen zustehe.
Der Beigeladene, der mittlerweile aufgrund des Bescheides des Hessischen Amtes
für Versorgung und Soziales A-Stadt vom 31.01.2005 als schwerbehinderter
Mensch mit einem Grad der Behinderung von 70 anerkannt ist, teilte mit
Schreiben vom 29.06.2008 und vom 05.07.2008 mit, dass er die ihm angebotene
neue Stelle am 01.07.2008 angetreten habe. Die Änderungskündigung sei jedoch
ohne rechtliche Grundlage. Aus seiner Sicht bestehe das alte Vertragsverhältnis
fort. Die mit der Änderungskündigung verbundene berufliche Position habe er
lediglich unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Prüfung angenommen.
Mit Schreiben vom 25.06.2008 widersprach der Betriebsrat der Klägerin der
Änderungskündigung mit der Begründung, dass die Änderungskündigung sozial
nicht gerechtfertigt sei und überdies der Beigeladene auf die für ihn angemessene
offene Stelle des Referenten Vertriebs-Controlling hätte umgesetzt werden
können. In der Stellungnahme der Vertretung für schwerbehinderte Menschen bei
der Klägerin vom 03.07.2008 wird sowohl der fristlosen als auch der ordentlichen
Änderungskündigung widersprochen.
Mit Bescheid vom 10.07.2008 versagte das des Beklagten die Zustimmung zur
beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 91 Abs. 4 SGB
IX im Falle einer außerordentlichen Kündigung, zu der auch die außerordentliche
Änderungskündigung gehöre, das regelmäßig seine Zustimmung erteilen solle.
Vorliegend habe jedoch die Klägerin einen wichtigen Grund für die außerordentliche
Änderungskündigung nicht dargelegt und dieser sei auch sonst nicht ersichtlich.
Die Klägerin habe keine ernsthaften Bemühungen unternommen, dem
Beigeladenen eine Weiterbeschäftigung anzubieten. Bereits in der Vergangenheit
habe es mehrere freigewordene und geeignete Stellen für den Beigeladenen
gegeben, auf welche die Klägerin den Beigeladenen jedoch nicht gesetzt habe. Da
ein wichtiger Grund, der den Ausspruch einer fristlosen Änderungskündigung
rechtfertige, offensichtlich nicht gegeben sei, greife vorliegend die Sollensvorschrift
des § 91 Abs. 4 SGB IX nicht. Daher könne es auch dahingestellt sein, inwieweit die
Klägerin die 2-Wochenfrist gemäß § 91 Abs. 2 SGB IX beachtet habe.
Mit weiterem Bescheid vom 12.08.2008 erteilte das der Beklagten die
Zustimmung zur ordentlichen fristlosen Änderungskündigung. Dieser Bescheid
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Zustimmung zur ordentlichen fristlosen Änderungskündigung. Dieser Bescheid
wurde bestandskräftig.
Gegen den Bescheid vom 10.07.2008 hat die Klägerin am 06.08.2008 Widerspruch
eingelegt und zur Begründung mit Schreiben vom 21.08.2008 im Wesentlichen
ausgeführt, dass die Einschätzung, es fehle an einem offensichtlich wichtigen
Grund für die außerordentliche Änderungskündigung nicht nachvollziehbar sei.
Unstreitig sei, dass der ursprüngliche Arbeitsbereich des Beigeladenen nach der
Verschmelzung der beiden Banken in Wegfall geraten sei, so dass der Beigeladene
nur auf eine andere neue Stelle im Wege der Änderungskündigung eingesetzt
werden könne. Es sei arbeitsrechtlich selbst bei ordentlich nicht kündbaren
Arbeitnehmern anerkannt, dass in Fallgestaltungen der vorliegenden Art eine
außerordentliche Kündigung möglich sei, weil dem Arbeitgeber die Fortsetzung
eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Auch
der Umstand, dass mit der dem Beigeladenen übertragenen neuen Position im
Wege der Änderungskündigung ein Verlust des Dienstwagens drohe, lasse die
beabsichtigte Kündigung nicht als evident unwirksam erscheinen.
Der Widerspruchsausschuss bei dem des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
entschied in seiner Sitzung am 05.11.2008 den Widerspruch zurückzuweisen.
Dieser Beschluss fand seinen Ausdruck im Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008,
der zur Begründung ausführte, dass vorliegend die Klägerin zwar die 2-Wochenfrist
gemäß § 91 Abs. 4 SGB IX für die beabsichtigte außerordentliche
Änderungskündigung gewahrt habe, jedoch vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis
für die Erlangung der Zustimmung für eine außerordentliche Änderungskündigung
nicht gegeben sei, weil der Beigeladene das neue Arbeitsverhältnis akzeptiert
habe. § 89 Abs. 2 SGB IX sehe vor, dass das die Zustimmung erteilen solle, wenn
dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer
Arbeitsplatz gesichert sei. Dies sei vorliegend schon erfolgt. Zudem scheide die
Erteilung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen
Änderungskündigung aus, weil die Klägerin nur betriebsbedingte
Kündigungsgründe geltend mache.
Gegen diesen am 28.11.2008 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am
22.12.2008 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte bei
der Prüfung der arbeitsrechtlichen Erfordernisse für die Rechtmäßigkeit einer
außerordentlichen Änderungskündigung seine Prüfungsbefugnis überspannt habe.
Dies ergebe sich schon daraus, dass die ordentliche Änderungskündigung, für
welche der einschlägige Manteltarifvertrag für das Bankgewerbe eine Ausnahme
für Arbeitnehmer vorsehe, welche das 61. Lebensjahr überschritten hätten und
Anspruch auf Versorgungsbezüge hätten, vorliegend wegen Altersdiskriminierung
unwirksam sein könnte. Gerade diese Frage müsse vor den Arbeitsgerichten
ausgetragen werden. Der Ausgang sei offen, so dass für die vorliegend begehrte
Zustimmung zur außerordentlichen Änderungskündigung jedenfalls ein
Rechtsschutzbedürfnis vorliege. Der Beigeladene habe im Übrigen die mit der
ordentlichen Änderungskündigung verbundene neue Stellenzuweisung nur unter
Vorbehalt ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit angenommen und lasse in einem
arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischenzeitlich überprüfen, ob diese neue Stelle
angemessen und zumutbar sei. Insoweit sei ihm erstinstanzlich Erfolg beschieden
gewesen, da das Urteil des Arbeitsgerichtes A-Stadt vom 18.06.2009 (Az.: 20 Ca
6389/08) festgestellt habe, dass die (ordentliche) Änderungskündigung sozial
ungerechtfertigt gewesen sei. Dieses Urteil sei noch nicht rechtskräftig, da die
Klägerin hiergegen Berufung eingelegt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Integrationsamtes vom 10.07.2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses bei dem vom 27.11.2008
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur
beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf die angegriffenen Bescheide Bezug und führt
ergänzend aus, dass vorliegend die 2-Wochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX nicht
gewahrt worden sei. Eine außerordentliche Änderungskündigung sei vorliegend
auch nur arbeitsrechtlich möglich, wenn sie mit einer sozialen Auslauffrist
verbunden wäre. Dieser Antrag sei von der Klägerin jedoch nicht gestellt worden.
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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene
Akte zum Verfahren 7 E 4158/07(3), die beigezogene Behördenakte (1 Hefter)
sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2009 und auch die
Niederschrift des Verkündungstermines vom 04.12.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Die angegriffenen Bescheide des Integrationsamtes der Beklagten vom
10.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 sind
rechtswidrig, soweit die Zustimmung zu einer außerordentlichen
Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist des Beigeladenen nicht erteilt wurde,
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sie waren daher entsprechend aufzuheben. Der
Beklagte war – in Ergänzung des schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung
gestellten Antrages der Klägerin – zu verpflichten, diese Zustimmung zu erteilen, §
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Zunächst ist klarzustellen, dass das Gericht den schriftsätzlich und in der
mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Klägerin ergänzt hat. Nach der
Auffassung des Gerichts ist der Verpflichtungsantrag der Klägerin nur insoweit
begründet. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenhang ihrer
rechtlichen Argumentation, zur Durchsetzung ihrer arbeitsvertraglichen
Gestaltungsmacht auf eine außerordentliche Änderungskündigung angewiesen zu
sein. Das Gericht folgt diesen Überlegungen der Klägerin, was noch auszuführen
sein wird. Gerade diese macht das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung und
bringt sie in der ergänzenden Tenorierung zum Ausdruck, obgleich der
Verpflichtungsantrag der Klägerin lediglich auf die Erteilung der Zustimmung zu
einer außerordentlichen Änderungskündigung mit sofortiger Wirkung hinaus ging.
Diese Ergänzung ist notwendig, weil ansonsten die Klage unbegründet wäre. Die
Überlegung, dass die Klägerin ohnehin nur die außerordentlich
Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist aussprechen könnte, weil nur diese
aufgrund der Sachlage arbeitsgerichtlich Bestand hätte, lässt unbeachtet, dass
dies nur für den Fall gilt, dass der Beigeladene arbeitsgerichtlich gegen diese
außerordentliche Änderungskündigung vorgehen würde. Dies kann jedoch nur als
wahrscheinlich, nicht jedoch als sicher angenommen werden. Auch das müsste zur
Wahrung der Interessen schwerbehinderter Menschen, zu der es berufen ist, einer
außerordentlichen Kündigung vorliegend nur mit sozialer Auslauffrist zustimmen.
Damit wäre nämlich die Befugnis der Klägerin zu einer rechtsgestaltenen
Willenserklärung in dieser Begrenzung erteilt, die auch rechtswirksam würde, wenn
der Beigeladene hiergegen nicht rechtlich vorgehen würde. Bei der Erteilung einer
Befugnis dieser Art kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der
Rechtsbetroffene, zu dessen Lasten die Zustimmung erteilt wird, diese auf dem
arbeitsgerichtlichen Weg korrigieren wird.
Das Gericht konnte auch gemäß § 88 VwGO diese Ergänzung aussprechen, da
nach dieser Bestimmung das Gericht zwar über das Klagebegehren nicht
hinausgehen darf, an die Fassung der Anträge jedoch nicht gebunden ist.
Aus der Tenorierung ist ersichtlich, dass das Gericht keinesfalls über das
Klagebegehren hinausgegangen ist, sondern den Antrag beschränkt hat. Dies
stellt ein Weniger und nicht ein Mehr dar. Es stellt zugleich keine rechtliche
Besserstellung im Vergleich zu dem gestellten Antrag dar, da aufgrund der
Ablehnung des Antrages durch die Behörde im Verwaltungsverfahren nunmehr
das des Beklagten verpflichtet wird, der außerordentlichen Kündigung nach
Maßgabe des bisher Ausgeführten zuzustimmen. Hierdurch wird die Klägerin nicht
zusätzlich belastet, sondern muss lediglich hinnehmen, ein Weniger zu erhalten.
Auch stellt die Verpflichtung des Integrationsamtes des Beklagten auch kein
„Aliud“ dar, weil sich die vorgenommene Ergänzung an dem Begehren der
Klägerin voll umfänglich orientiert und nicht etwas anderes gibt, als das, was
ohnehin beantragt worden ist.
Das Gericht hat schließlich diese Ergänzung auch deswegen vorgenommen, weil
die Streitsache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spruchreif ist und in den Bereich
einer noch ermessensgerechten Abwiegung der Behörde nicht eingegriffen wird.
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einer noch ermessensgerechten Abwiegung der Behörde nicht eingegriffen wird.
Bei der Zustimmung zur fristlosen Kündigung handelt es sich um eine
Behördenentscheidung, die in der Regel erfolgen soll, sofern nicht die gesetzlich
vorgesehene Ausnahme greift. Bei Wegfall dieser Ausnahme ist für eine
Ermessensbetätigung der Behörde kein Raum mehr.
Gemäß § 91 Abs. 4 SGB IX soll nämlich das die Zustimmung erteilen, wenn die
Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der
Behinderung steht. § 91 SGB IX gilt für außerordentliche Kündigungen, wovon die
außerordentliche Änderungskündigung nur ein Unterfall darstellt. Vorliegend ist
weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich, dass die außerordentliche
Kündigung aus einem Grunde folgen soll, der unmittelbar oder auch nur mittelbar
im Zusammenhang mit einer Behinderung des Beigeladenen steht.
Gemäß § 91 Abs. 2 SGB IX kann die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von
zwei Wochen beantragt werden, wobei für den Beginn der Frist der Eingang des
Antrages bei dem maßgeblich ist und die Frist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt,
in denen der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen
Kenntnis erlangt hat.
Zur Überzeugung des Gerichts hat auf den Beginn der Frist vorliegend maßgeblich
Einfluss, dass vorliegend der Arbeitsplatz des Beigeladenen weggefallen ist. Die
Weiterbeschäftigung des Beigeladenen hängt somit davon ab, inwieweit für ihn ein
zumutbarer und geeigneter Ersatzarbeitsplatz im Betriebsbereich der Klägerin
vorhanden ist. In diesen Fällen der betriebsbedingten Kündigung ist daher für den
Beginn der Frist maßgebend, ob ein entsprechender Ersatzarbeitsplatz zum
Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung vorliegt. Begrenzt wird die
außerordentliche Kündigung in diesen Fällen lediglich durch das Rechtsinstitut der
unzulässigen Rechtsausübung. Hierfür ist vorliegend aber kein Anhaltspunkt
ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin auf das Urteil des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 15.05.2008 (Az.: 7 E 4158/07(3)), mit dem ihr Begehren
auf Zustimmungserteilung zur ordentlichen Kündigung des Beigeladenen
abgewiesen wurde, nach Zustellung des Urteils am 27.06.2008 den vorliegenden
Antrag auf Zustimmungserteilung zur außerordentlichen Änderungskündigung
gestellt. Dieser zeitliche Ablauf schließt eine unzulässige Rechtsausübung aus.
Das Gericht kann auch nicht unbeachtet lassen, dass vorliegend eine ordentliche
Änderungskündigung – unabhängig von ihrer materiellen Begründung – aufgrund
des geltenden Manteltarifvertrages für das Bankgewerbe unwirksam sein könnte,
was allerdings in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären ist. Sollte sich die
entsprechende Klausel des Manteltarifvertrages als unwirksam erweisen, wäre eine
ordentliche Kündigung ausgeschlossen, was zur Folge hätte, dass der Klägerin zur
Durchsetzung der Änderungskündigung nur die außerordentliche
Änderungskündigung bliebe.
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, der Klägerin fehle es an einem
Rechtsschutzbedürfnis für die Zustimmungserteilung zur außerordentlichen
Änderungskündigung, weil bereits die Zustimmung zur ordentlichen
Änderungskündigung erteilt worden sei, geht er fehl. Der Klägerin muss im
gestuften System der arbeitsvertraglichen Konfliktbewältigung bei der Kündigung
eines schwerbehinderten Menschen die Möglichkeit erhalten bleiben, auf
arbeitsvertraglichem Wege die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen
Änderungskündigung überprüfen zu lassen, wenn sie mit der ordentlichen
Änderungskündigung scheitern würde. Eine Einschränkung der Interessen des
schwerbehinderten Menschen, zu deren Rechtswahrung auch das der Beklagten
berufen ist, ist damit nicht verbunden.
Soweit von dem Beklagten vorgebracht worden ist, die außerordentliche
Änderungskündigung sei offensichtlich unzulässig, kann ihm das Gericht nicht
folgen. Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für diese Entscheidung, die im
Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides, steht in Frage, ob eine
ordentliche Änderungskündigung nach dem Manteltarifvertrag für das
Bankgewerbe überhaupt wirksam ist.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass nach § 17 Nr. 3 Satz 1 des
Manteltarifvertrages Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und
dem Betrieb mindestens 10 Jahre ununterbrochen angehören, nur bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111
Betriebsverfassungsgesetz kündbar sind. Dagegen sieht Satz 2 vor, dass diese
Regelung nicht gelten soll, wenn ein Anspruch auf Altersruhegeld bzw.
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Regelung nicht gelten soll, wenn ein Anspruch auf Altersruhegeld bzw.
vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder
Renten wegen Erwerbsminderung geltend gemacht werden kann.
Hieraus folgt, dass der Beigeladene, der bereits das 50. Lebensjahr vollendet hat
und der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin mindestens 10 Jahre lang
ununterbrochen angehört hat, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes oder bei
Betriebsänderungen, mithin außerordentlich kündbar ist. Satz 2 dieser
Bestimmung lässt aber auch die ordentliche Kündigung zu, wenn ein Arbeitnehmer
Anspruch auf die dort genannten sozialen Transferleistungen hat. Grundsätzlich
trifft dies für den Beigeladenen zu, weil er als schwerbehinderter Mensch Anspruch
auf Altersruhegeld ab dem 60. Lebensjahr hat. Insoweit könnte die Klägerin dem
Beigeladenen unter Berufung auf diese Bestimmung des Manteltarifvertrages
auch ordentlich kündigen. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Bestimmung in
der kollektivvertraglichen Regelung des Manteltarifvertrages wegen Verstoßes
gegen das Verbot der Altersdiskriminierung Bestand haben wird.
In Rechtsprechung und Lehre ist dies noch ungeklärt.
Der Beigeladene unterfällt nämlich dem personellen Geltungsbereich der Richtlinie
2000/78/EG. Die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie ist hinsichtlich der
Altersdiskriminierung am 02.12.2006 abgelaufen, nachdem die Bundesrepublik
Deutschland zunächst eine Fristverlängerung über den 02.12.2003 hinaus in
Anspruch genommen hatte. Eine weitere Verlängerung der Umsetzungsfrist
kommt nach Art. 18 Richtlinie 2000/78/EG nicht in Betracht.
Diese Richtlinie zielt nach ihrem Art. 1 auf die Schaffung eines allgemeinen
Rahmens zur Bekämpfung von Diskriminierungen unter anderem wegen des Alters
in Beschäftigung und Beruf. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie umfasst insoweit alle
beruflich tätigen Personen, gleich ob sie im privaten oder im öffentlichen Bereich
tätig sind. Die betreffende Bestimmung im Manteltarifvertrag, die eine ordentliche
Kündigung unter den dort genannten Voraussetzungen des Erreichens der
vorgezogenen Altersruhegrenze abweichend von § 17 Nr. 3 Satz 1
Manteltarifvertrag vorsieht, könnte daher eine unmittelbare Diskriminierung der
von dieser Regelung betroffenen Arbeitnehmer darstellen, da sie die
Rechtmäßigkeit einer ordentlichen Kündigung an die kraft Gesetzes mögliche
vorzeitige Verrentung und damit unmittelbar an das jeweilige Lebensalter anknüpft
(vgl. dazu auch EUGH, Urteil vom 17.10.2007 – Rs. C-411/05 – NJW 2007, 3339,
3340 Rdnr. 46 f. und auch: BAG, Beschluss vom 18.06.2008 – 7 AZR 116/07 – NZA
2008, 1302, 1305 Rdnr. 28). Auf die entsprechende Bestimmung in § 3 Abs. 1 i. V.
m. § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14.8.2006 (BGBl. I S. 2006) wird
Bezug genommen.
Maßgeblich wegen dieser damit verbundenen offenen Rechtsfragen kann die
außerordentliche Änderungskündigung nicht als evident unzulässig angesehen
werden, zumal das bislang angerufene Arbeitsgericht in der
Rechtsauseinandersetzung, in der es um die Zulässigkeit und Begründetheit der
ordentlichen Änderungskündigung ging, noch keinen Anlass hatte, die Frage einer
Altersdiskriminierung rechtlich zu würdigen.
Freilich kann die Klägerin aus den bereits dargelegten Gründen eine
Zustimmungserteilung lediglich zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer
Auslauffrist, die sich an den Kündigungsfristen des Arbeitsvertrages mit dem
Beigeladenen zu orientieren hat, verlangen. Hierzu bezieht sich das Gericht auf die
arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, welche die außerordentliche Kündigung mit
sozialer Auslauffrist jeweils für jene Fälle annimmt, in denen ausnahmsweise eine
ordentliche Kündigung nicht möglich ist und sich zudem das synallagmatische
Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als sinnentleert
darstellen würde (vgl. BAG, Urteil vom 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – und BAG,
Urteil vom 12.01.2006 – 2 AZR 242/05 – jeweils zitiert nach Juris). Inwieweit diese
näheren Umstände im Arbeitsverhältnis der Beteiligten begründet sind, obliegt der
arbeitsgerichtlichen Überprüfung. Maßgeblich für die vorliegende Entscheidung ist
nur der Gesichtspunkt, dass die Klägerin äußerstenfalls die außerordentliche
Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist arbeitsgerichtlich auch durchsetzen
könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenteilung
beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin nicht von Anfang an die
Zustimmungserteilung zur außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer
Auslauffrist beantragt hat und das des Beklagten dies auch von Amts wegen nicht
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Auslauffrist beantragt hat und das des Beklagten dies auch von Amts wegen nicht
zu berücksichtigen hatte. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beigeladenen
beruht auf § 162 Abs. 3 VwGO, da der Beigeladene einerseits keinen Antrag
gestellt hat und andererseits keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, weshalb die
Kosten des Beigeladenen einem anderen Beteiligten oder der Staatskasse
aufzuerlegen sind.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 188 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.