Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 29.06.2007

VG Frankfurt: grundsatz der gleichbehandlung, dienstkleidung, kriminalpolizei, alter, diskriminierung, anknüpfung, eugh, rechtfertigung, leistungsanspruch, vollstreckung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 5341/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 AGG, § 7 Abs 1 AGG , § 8
Abs 1 AGG , § 7 Abs 2 BesG
HE, § 7 Abs 4 BesG HE
(Unzulässigkeit einer an das Lebensalter anknüpfenden
Beschränkung des Bekleidungsgeldes)
Leitsatz
Bei der Gewährung von Bekleidungsgeld als Aufwandsentschädigung darf nicht nach
dem Lebensalter der Beamtinnen und Beamten unterschieden werden.
Tenor
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides der Hessischen
Bezügestelle vom 31. Juli 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23.
Oktober 2006 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Januar 2006 bis zum Beginn seines
Ruhestands monatlich ein Kleidergeld in Höhe 15,25 € durch Gutschrift auf ein
Bekleidungskonto des Klägers oder durch Überweisung auf ein vom Kläger
anzugebendes Bankkonto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Berufung und Revision werden zugelassen, soweit der Klage stattgegeben wurde.
Tatbestand
Der 1947 geborene Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Amt eines Ersten
Kriminalhauptkommissars. Er begehrt die Zahlung eines monatlichen
Bekleidungsgeldes in Höhe von 15,34 € ab dem 1. Januar 2006.
Zu diesem Zeitpunkt hatte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport die
Bekleidungs- und Verfahrensvorschrift für die Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten, die Angehörigen der Wachpolizei und des Freiwilligen
Polizeidienstes sowie die Angestellten bei der Polizei in besonderen Tätigkeiten des
Landes Hessen neu gefasst (Bl. 36-43 d. A.). In der tabellarischen Anlage zu dieser
Verwaltungsvorschrift ist festgehalten, dass Beamtinnen und Beamte der Schutz-
und Kriminalpolizei ab dem 4. Jahr nach der Ausbildung bis zur Vollendung des 55.
Lebensjahres ein jährliches Bekleidungsgeld in Höhe von 183,- € erhalten, das
nach den ergänzenden Regelungen des Erlasses des Ministeriums vom 6. Januar
2006 in monatlichen Raten von 15,25 € zu zahlen ist. Beamtinnen und Beamte,
die das 55. Lebensjahr vollendet haben, sollen bis zur Vollendung des 58.
Lebensjahres ein jährliches Bekleidungsgeld von 89,- € erhalten, auszuzahlen in
monatlichen Raten von 7,42 €. Beamtinnen und Beamte, die das 58. Lebensjahr
vollendet haben, erhalten nach der Neuregelung kein Bekleidungsgeld mehr, es
sei denn, ihre Dienstzeit wird über das 59. Lebensjahr hinaus verlängert; in diesem
Fall erhalten sie ein jährliches Bekleidungsgeld von 89,- € bis zur Vollendung des
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Fall erhalten sie ein jährliches Bekleidungsgeld von 89,- € bis zur Vollendung des
59. Lebensjahres.
Der Kläger erhält seit dem Beginn des Jahres 2006 kein Bekleidungsgeld mehr.
Zuvor hatte er ein monatliches Bekleidungsgeld in Höhe von 15,34 € erhalten. Mit
Schreiben vom 6. Juli 2006, eingegangen bei der Bezügestelle am 11. Juli 2006,
erhob er Widerspruch gegen die Streichung seines monatlichen Bekleidungsgelde.
Die in der Anlage der Verwaltungsvorschrift enthaltene Tabelle sei fehlerhaft, da
sie von einer Verlängerung der Arbeitszeit über das 59. Lebensjahr ausgehe. Das
sei unzutreffend, weil Dienst bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu leisten
sei. Dieser Fehler führe zur Ungültigkeit der neuen Tabellenregelung in ihrer
Gesamtheit.
Die Hessische Bezügestelle legte den Widerspruch als Antrag auf Gewährung eines
monatlichen Kleidergeldes in Höhe von 15,25 € aus und lehnte dieses Begehren
des Klägers mit Bescheid vom 31. Juli 2006 ab (Bl. 10 f. d. A.). Die Differenzierung
des Kleidergeldzuschusses nach Lebensjahren berücksichtige, dass der betroffene
Personenkreis erfahrungsgemäß in diesem Zeitraum im Hinblick auf die noch
abzuleistenden Dienstjahre im geringeren Umfange Bekleidungsstücke zu
ersetzen habe als ein Beamter, eine Beamtin in den Dienstjahren vor der
Vollendung des 55. Lebensjahres. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege
nicht vor, da ausschließlich sachliche Gründe für diese Differenzierung sprächen.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung am 14. August 2006 Widerspruch, den
die Hessische Bezügestelle mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2006 (Bl.
13 f. d. A.) zurückwies.
Mit seiner am 14. November 2006 erhobenen Klage will der Kläger die Zahlung
eines monatlichen Bekleidungsgeldes in Höhe von 15,34 € ab Januar 2006
erreichen. Der Dienstherr sei aufgrund des § 7 HBesG zur Zahlung gesetzlich
verpflichtet. Durch eine Verwaltungsvorschrift könne diese Zahlungspflicht nicht
beseitigt werden. Es liege zudem eine Diskriminierung älterer Beamtinnen und
Beamten im Vergleich zu Jüngeren vor. Beide müssten in gleicher Weise ein
ordnungsgemäßes und sauberes Bild in der Öffentlichkeit bieten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Hessischen
Bezügestelle vom 31. Juli 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23.
Oktober 2006 zu verurteilen, dem Kläger ein monatliches Kleidergeld in Höhe von
15,34 € ab Januar 2006 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich auf die Gründe des Ausgangsbescheides. Zwar sei die Anknüpfung
an da 59. Lebensjahr in der Tabelle fehlerhaft. Die Verwaltungsvorschrift sei jedoch
dahin zu verstehen, dass bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres Kleidergeld
gezahlt werde, und erst für die daran anschließende Zeit kein Kleidergeld mehr
gewährt werde, es sei denn, die Dienstzeit werde über das 60. Lebensjahr hinaus
verlängert.
Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge liegt vor und ist Grundlage der
Entscheidung. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird darauf und die
Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Vorsitzende allein (§ 87 a
Abs. 2 VwGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Das Begehren ist ungeachtet der Fassung des Klageantrags als kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Eine Verurteilung zur Aufhebung der
ergangenen Bescheide kommt nicht in Betracht. Insoweit ist das Klagebegehren
entsprechend § 88 VwGO als Anfechtungsklage auszulegen. Das
Leistungsbegehren ist gemäß § 173 VwGO i. V. m. §§ 258, 259 ZPO zulässig, da
die vom Beklagten im Vorverfahren eingenommene Haltung die Annahme
rechtfertigt, der Dienstherr werde sich auch künftig der gebotenen Zahlung des
monatlichen Bekleidungsgeldes entziehen.
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Die Klage hat auch im Wesentlichen Erfolg, weil die Einstellung der Zahlung des
Bekleidungsgeldes rechtswidrig ist, und dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des
Bekleidungsgeldes ohne Kürzung im Hinblick auf sein fortgeschrittenes
Lebensalter zusteht. Die eine Leistung ablehnenden Bescheide des Beklagten sind
deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Grundlage des Leistungsanspruchs ist § 7 Abs. 2 HBesG. Danach erhalten
Beamte, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind, freie Dienstkleidung
oder einen Bekleidungszuschuss (§ 7 Abs. 2 S. 1 HBesG). Beamte der
Kriminalpolizei erhalten nach § 7 Abs. 2 S. 2 HBesG ein Kleidergeld. Sämtliche
Zahlungen werden zusätzlich zur monatlichen Besoldung gewährt. Es handelt, wie
die streitige Verwaltungsvorschrift richtig feststellt, um eine zulässige
Aufwandsentschädigung, die nach § 17 BBesG zusätzlich zur Besoldung gewährt
werden kann, sodass die bis zum August 2006 vorrangigen Regelungen des BBesG
i. V. m. Art. 74a GG a. F., Art. 31 GG die landesrechtliche Regelung zum
Bekleidungsgeld nicht ausschlossen. Dies ergibt sich auch aus § 70 Abs. 1 BBesG,
der für die Bundespolizeibeamten ausdrücklich die Zahlung eines
Bekleidungszuschusses vorsieht. Folglich konnte für Polizeibeamte im
Landesdienst eine vergleichbare Regelung getroffen werden. Entsprechendes gilt
für die Zeit nach der Beendigung des Vorrangs des Bundesbesoldungsrechts seit
September 2006.
Der Kläger ist zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet, soweit er
schutzpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt (§ 98 Abs. 2 HSOG), und erfüllt dann die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 1 HBesG. Als Angehöriger der Kriminalpolizei
erfüllt er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 2 HBesG. Damit sind in der Person
des Klägers die gesetzlichen Bedingungen für Zahlung eines Kleidergeldes dem
Grunde nach erfüllt.
§ 7 Abs. 2 HBesG erlaubt es nicht, bestimmten Beamtinnen und Beamten, die
zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind oder der Kriminalpolizei
angehören, kein Bekleidungsgeld zu gewähren, oder sie sonst von den dort
geregelten Leistungen auszunehmen. § 7 Abs. 4 HBesG ermächtigt lediglich zum
Erlass von Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der in § 7 Abs. 1-3 HBesG
enthaltenen Sonderbestimmungen. Zur Durchführung gehört es jedoch nicht,
einen dem Grunde nach bestehenden Leistungsanspruch ab einem bestimmten
Lebensalter vollständig entfallen zu lassen. Dies ist jedoch mit der Neuregelung
zum 1. Januar 2006 zulasten derjenigen Beamtinnen und Beamten geschehen, die
das 58. Lebensjahr oder nach Auslegung des Beklagten im Prozess das 59.
Lebensjahr vollendet haben. Für eine derartige Regelung fehlt es an einer
Ermächtigungsgrundlage. Von einer gesetzlichen Leistungsausgestaltung kann
ohne entsprechende Ermächtigung nicht zulasten der Anspruchsberechtigten
abgewichen werden (Art. 2 Abs. 2 HV).
Für die Höhe des Leistungsanspruchs kann es dagegen auf die nähere
Ausgestaltung durch die Verwaltungsvorschriften ankommen. Sie sehen einen
Jahresbetrag von 183,- € für Beamtinnen und Beamte bis zur Vollendung des 55.
Lebensjahres vor. Auf die geringeren Leistungen für dienstjunge Beamtinnen und
Beamte kommt es hier nicht an. Der Jahresbetrag von 183,- € ergibt einen
monatlichen Zahlbetrag von 15, 25 € und nicht, wie vom Kläger angenommen,
einen Betrag von 15,34 €. Insoweit findet sein Begehren in den
Verwaltungsvorschriften des Beklagten keine Grundlage. Der Kläger legt auch nicht
ansatzweise dar, wie er auf den im Klageantrag enthaltenen Betrag kommt, aus
welchen Gründen ein höherer monatlicher Zahlbetrag zustehen soll. Soweit er an
die vor dem 1. Januar 2006 bezogenen Leistungen anknüpft, kann dies die höhere
Klageforderung nicht begründen, da die Neuregelung die Höhe der Zahlbeträge
ändern konnte, ohne dass schon in der Änderung als solcher eine fehlerhafte
Durchführung des § 7 Abs. 2 HBesG zu sehen wäre. Daher ist die Klage
abzuweisen, soweit der Kläger ein Bekleidungsgeld von mehr als 15,25 € verlangt.
Der Kläger ist nicht auf ein Bekleidungsgeld von monatlich 7,42 €, d. h. jährlich 89,-
€, beschränkt. Zwar hat er das 55. Lebensjahr bereits vollendet. Darin liegt jedoch
kein rechtmäßiger Differenzierungsgrund, um Leistungen für lebensältere
Beamtinnen und Beamte auf weniger als die Hälfte der jüngeren Beamtinnen und
Beamten gewährten Leistungen zu kürzen. Eine solche Vorgehensweise stellt ab
dem 18. August 2006 eine Diskriminierung des Klägers aufgrund seines Alters dar,
die nach § 7 Abs. 1 AGG verboten ist und weder durch § 8 AGG noch durch § 10
AGG gerechtfertigt ist. Diese Bestimmungen finden nach § 24 Nr. 1 AGG auf den
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AGG gerechtfertigt ist. Diese Bestimmungen finden nach § 24 Nr. 1 AGG auf den
Kläger entsprechende Anwendung.
Die Verwaltungsvorschrift bestimmt die Höhe des Bekleidungsgeldes in
unmittelbarer Anknüpfung an das Lebensalter der Leistungsempfänger, die sich im
Übrigen in einer vergleichbaren Lage befinden, weil sie entweder zum Tragen von
Dienstkleidung verpflichtet sind oder der Kriminalpolizei angehören. Damit
benachteiligt die tabellarische Leistungsausgestaltung den Kläger aufgrund seines
Lebensalters. Es handelt sich um eine unmittelbare Diskriminierung i. S. d. § 3
Abs. 1 AGG i. V. m. § 1 AGG.
Eine Rechtfertigung für diese Benachteiligung besteht nicht. § 8 Abs. 1 AGG kann
die Unterscheidung nicht rechtfertigen, weil weder der Art der dienstlichen Tätigkeit
des Klägers oder ihm vergleichbarer Personen im vollzugspolizeilichen Dienst noch
die Bedingungen der Ausübung dieses Dienstes eine Differenzierung nach dem
Lebensalter rechtfertigten. Die nach § 7 Abs. 2 HBesG zu gewährenden Leistungen
werden in ihrer Ausgestaltung durch die Verwaltungsvorschrift wie auch schon
zuvor als Pauschalleistung zum Ausgleich für einen dienstlich veranlassten
Aufwand besonderer Art gewährt. Die Höhe der Pauschale richtet sich in keiner
Weise nach den individuellen Bedürfnissen der begünstigten Beamtinnen und
Beamten. Insbesondere variiert die Leistung nicht danach, ob zu einem
bestimmten Zeitpunkt Anschaffungen, Ersatzbeschaffungen, Reparaturen etc.
konkret erforderlich sind oder welcher Betrag insoweit im Einzelfall nötig ist. Die
Leistung ist vom Beklagten ohne Rücksicht auf derartige Besonderheiten in ihrer
Höhe festgelegt worden. Damit kann ein individuell höherer oder geringerer Bedarf
kein Grund sein, die Leistung höher oder geringer ausfallen zu lassen. Der jeweilige
Bekleidungsaufwand wird stattdessen pauschal durch das Bekleidungsgeld oder
einen Kleidergeldzuschuss abgegolten. Ein solches Konzept ist einer Bemessung
nach individuellen Besonderheiten nicht zugänglich, da gerade kein individuell zu
beurteilender Aufwand abgegolten werden soll.
Folglich kommt es weder auf die Art des vollzugspolizeilichen Dienstes noch auf
seine möglicherweise differierenden Bedingungen an, um die die Höhe der
Aufwandsentschädigung zu bemessen. § 7 Abs. 2 HBesG lässt sich dafür ebenfalls
kein Anhalt entnehmen, da auf die individuellen Bedürfnisse zur Beschaffung etc.
keine Rücksicht genommen wird, im Unterschied zur Beihilfegewährung nach
Maßgabe der HBeihVO i. V. m. § 92 Abs. 2 HBG.
Es besteht auch kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Beamtinnen und Beamten
schon ab dem Erreichen des 56. Lebensjahres nur ein Dienstkleidungsaufwand
entsteht, der weniger als die Hälfte jüngerer Personen ausmacht. Bekleidung kann
jederzeit in einer Weise verschmutzen oder beschädigt werden, die einen Ersatz,
eine Neuanschaffung oder eine Reparatur erforderlich machen kann. Mit den noch
zu leistenden restlichen Dienstjahren hat dieses Risiko nichts zu tun. Der Kläger
weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die Erwartungen der Öffentlichkeit an die
Dienstkleidung von Polizeibeamtinnen und -beamten nicht nach deren Lebensalter
unterscheiden, sondern ein durchgängig ordentliches, gepflegtes und sauberes
Auftreten erwarten. So kann es durchaus vorkommen, dass noch im letzten
Dienstjahr oder auch in den letzten Monaten des aktiven Dienstes erhebliche
Aufwendungen für die Dienstkleidung nötig werden, wenn die bisherige
Dienstkleidung - aus welchen Gründen im Einzelnen auch immer - nicht mehr
getragen werden kann.
Aus § 10 AGG ergibt sich ebenfalls keine Rechtfertigung. Es fehlt schon an einem
legitimen Ziel im Sinne dieser Vorschrift. Als ein solches Ziel kann nur in Betracht
kommen, dass sich die Anknüpfung an das Lebensalter deshalb als nötig erweist,
weil ohne diese Anknüpfung ein anderweitig bestimmtes objektives und
angemessenes Ziel nicht erreichbar wäre. Das ist hier nicht erkennbar. Soweit der
Dienstherr eine Zweckentfremdung des Bekleidungsgeldes vermeiden will, kann er
das Geld auf ein Bekleidungskonto einzahlen, über das nur für Zwecke der
Anschaffung von Dienstkleidung verfügt werden kann. Eine derartige Regelung hat
z. B. das Justizministerium in seiner Bekleidungsordnung getroffen (JMBl. 2004,
273; 2007, 109). Das wäre jedenfalls der angemessenere Weg i. S .d. § 10 S. 2
AGG gewesen. Die Kürzung des Bekleidungsgeldes und seine vollständige
Streichung ab der Vollendung des 58. Lebensjahres werden durch § 10 S. 1, 2 AGG
nicht gedeckt, schon weil ein Bekleidungsbedarf bis zum Eintritt des Ruhestandes
entstehen kann und dann entsprechend § 7 Abs. 2 HBesG grundsätzlich auch zu
decken ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Dienstkleidung von
Polizeibeamtinnen und -beamten nur im Dienst getragen werden kann, also nach
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Polizeibeamtinnen und -beamten nur im Dienst getragen werden kann, also nach
dem Wechsel in den Ruhestand keiner entsprechenden Verwendung durch den
Einzelnen mehr zugänglich ist.
Damit steht dem Kläger der ungekürzte Betrag des Bekleidungsgeldes in Höhe
von 183,- € jährlich zu, was einen monatlichen Zahlbetrag von 15,25 € ergibt. Die
gegenteilige Regelung in der Verwaltungsvorschrift bleibt in entsprechender
Anwendung des § 7 Abs. 2 AGG außer Anwendung.
Für den Zeitraum bis zum 18. August 2006 kann für den Leistungsanspruch des
Klägers das AGG jedoch nicht herangezogen werden, da es erst an diesem Tag in
Kraft getreten ist (BGBl. I S. 1897).
Das Verbot der Altersdiskriminierung ergibt sich für den Zeitraum bis zum
Inkrafttreten des AGG unmittelbar aus der RL 2000/78/EG. Für sie hat die
Bundesrepublik Deutschland zwar im Jahr 2003 eine Verlängerung der
Umsetzungsfrist hinsichtlich des Merkmals Alter bis zum 2. Dezember 2006 in
Anspruch genommen (Art. 18 Abs. 2 RL 2000/78/EG). Daraus hat der EuGH in
seinem Urteil v. 21.11.2005 (Rs. C-144/04 - NZA 2005, 1345 = NJW 2005, 3695 =
AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 1) in Rn. 66 nicht den Schluss gezogen,
die RL und das in ihr enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung sei auf
Deutschland und seine Einwohner in den Jahren 2004 oder 2005 noch nicht
anwendbar gewesen. Dies hat er damit begründet, dass es auch bei noch nicht
abgelaufener Umsetzungsfrist unzulässig ist, während ihres Laufs Vorschriften zu
erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des der in der RL vorgeschriebenen
Ziels in Frage zu stellen (Rn. 68). Ferner müssten während einer verlängerten
Umsetzungsfrist zumindest Schritte in Richtung auf eine Einhaltung des Ziels der
RL erkennbar werden, was gegenläufige Maßnahmen ausschließe (Rn. 71). Des
Weiteren ist nach Meinung des EuGH zu beachten, dass der Grundsatz der
Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung auch hinsichtlich des Merkmals Alter
im Primärrecht der Gemeinschaft seine Wurzeln hat und nicht nur aufgrund der RL
Beachtung verlangt (Rn. 74 f.). Es handelt sich um einen allgemeinen Grundsatz
des Gemeinschaftsrechts. Fälle eine nationale Regelung oder Maßnahme in seinen
Geltungsbereich, muss er ohne Rücksicht auf Umsetzungsfristen in einer RL
beachtet und durchgesetzt werden (Rn. 75 f.).
An diese Ausführungen ist das Gericht nach Art. 234 Abs. 1 lit. b EG gebunden, da
allein der EuGH das Gemeinschaftsrecht verbindlich auslegt und damit auch den
für die Mitgliedstaaten maßgebenden Inhalt der einzelnen Bestimmungen und
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts feststellt. Für den vorliegenden Fall ist
deshalb von der Beachtlichkeit des in der RL 2000/78/EG konkretisierten Verbots
jeder Altersdiskriminierung auch für den Zeitraum vor dem 2. Dezember 2006
auszugehen. Insoweit folgt die Kammer im Anschluss an ihr Urteil vom 23.05.2007
(9 E 937/06<V>) auch den überzeugenden Ausführungen des BAG in seinem
Urteil vom 26.4.2006 (7 AZR 500/04 - NZA 2006, 1162) zur Nichtanwendbarkeit
einer gegen diesen Grundsatz verstoßenden gesetzlichen Regelung in Gestalt des
§ 14 Abs. 3 TzBfG a. F. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts verpflichtet die
Kammer dazu, das Verbot der Altersdiskriminierung durchzusetzen, zumal es sich
hier um eine öffentliche Körperschaft und nicht um eine Person des Privatrechts
handelt.
Der Besserstellung jüngerer Polizisten und Polizistinnen bei der Gewährung von
Bekleidungsgeld bzw. der Zahlung eines Kleidergeldzuschusses enthält eine
unmittelbare Diskriminierung älterer Beamtinnen und Beamten wegen ihres -
höheren - Alters (Art. 2 Abs. 2 lit. a RL 2000/78/EG). Das Merkmal Alter meint jedes
Alter und erfasst nicht nur jüngere oder ältere Menschen, sondern alle Alterslagen,
wie sich nicht zuletzt aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a RL 2000/78/EG ergibt. Dort
werden neben Jugendlichen auch ältere Menschen nebeneinander erwähnt, was
deutlich macht, dass jedes Alter einen Grund für die Benachteiligung darstellen
kann, wenn mit Bezug darauf benachteiligt wird.
Die Bevorzugung jüngerer Beamtinnen und Beamten kann nicht über Art. 4 Abs. 1
RL 2000/78/EG gerechtfertigt werden. Danach können unmittelbare
Diskriminierungen zulässig sein, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art
einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine
wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt (1), sofern es sich
um einen rechtmäßigen Zweck (2) und eine angemessene Anforderung (3)
handelt. Diese Voraussetzungen liegen, wie bereits ausgeführt, nicht vor. Gleiches
gilt im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG. Dieser Bestimmung entspricht §
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gilt im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG. Dieser Bestimmung entspricht §
10 AGG. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21.11.2005 (a. a. O.) zu Recht darauf
abgestellt, dass die früher im TzBfG zur Anwendung gebrachte Altersregelung zu
pauschal war und zu wenig den Besonderheiten der zu bewältigenden Probleme
auch im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse älterer Menschen Rechnung
getragen hatte (Rn. 64 ff.). Ebenso verhält es sich hier, da - wie bereits dargelegt -
das höhere Lebensalter allein nichts über den wesentlich verringerten oder
wegfallenden Bedarf an neuer, erneuter Dienstkleidung aussagt. Nur darauf kann
es jedoch im Rahmen einer durch Art. 6 Abs. 1 RL 200/78/EG zugelassenen
Rechtfertigung ankommen.
Bei der Fassung des Tenors ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsvorschrift
es in zulässiger Weise ermöglicht, das Bekleidungsgeld entweder auf ein
Bekleidungskonto oder auf ein persönliches Konto des Klägers zu zahlen. Folglich
ist dem Beklagten die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten offen zu halten,
da der Kläger nichts vorgetragen hat, was auf eine Einschränkung dieses
Ermessens hindeutet. Bei der Bestimmung des Zahlungsweges darf der
Dienstherr jedoch nicht diskriminieren, muss also für die nötige Gleichbehandlung
unter den Empfängern der Leistung Sorge tragen.
Da die Beklagte im Wesentlichen unterliegt, hat sie nach § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO
die Verfahrenskosten zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Berufung und Revision sind wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil
Fragen einer Altersdiskriminierung weder obergerichtlich noch höchstrichterlich
geklärt sind (§§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die
Zulassungsentscheidung beschränkt sich deshalb jedoch auf den Ausspruch der
Zahlungspflicht des Beklagten einschließlich der dafür nötigen Aufhebung der
ergangenen Bescheide. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung
der Berufung nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.