Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 21.07.2004

VG Frankfurt: illegale einreise, schengener durchführungsübereinkommen, spanien, ausreise, besitz, ausweisung, öffentliche ordnung, aufenthaltserlaubnis, ausländer, verfügung

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 2479/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 58 AuslG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe noch
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung. Der Kläger ist indischer
Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am 11.12.1996 in die Bundesrepublik
Deutschland ein und stellte einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 09.01.1997 als offensichtlich unbegründet
abgelehnt. Seit 11.03.1997 war der Kläger unbekannten Aufenthalts. Am
24.01.1997 versuchte der Kläger mit einem verfälschten italienischen Nationalpass
auszureisen. Am 01.01.2002 wurde der Antragsteller im Rahmen von polizeilichen
Ermittlungen festgenommen und aufgrund eines Haftbefehles des Amtsgerichts
Gelnhausen vom 02.01.2002 wegen des Verdachtes eines Vergehens gegen das
Ausländergesetz in Untersuchungshaft genommen. Gegenüber dem Haftrichter
gab der Antragsteller an, er sei am 27.12.2001 von Barcelona kommend über
Paris nach Frankfurt am Main gefahren, um hier mit Freunden Silvester zu feiern.
Bei der Einreise führte der Kläger eine bis zum 04.09.2002 befristete spanische
Aufenthaltserlaubnis sowie eine Bescheinigung des Indischen Generalkonsulats in
Spanien mit sich, demzufolge sich der Nationalpass des Klägers bei dem Indischen
Generalkonsulat befand. Durch Urteil des Amtsgerichts Gelnhausen wurde der
Kläger wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Freiheitsstrafe von 3
Monaten mit Bewährung verurteilt. Die Beschwerde des Klägers wurde durch
Beschluss des Landgerichts Hanau vom 22.02.2002 zurückgewiesen. Mit
Verfügung vom 11.04.2002 wies der Beklagte den Kläger gemäß § 45 AuslG i.V.m.
§ 46 Nr. 2 AuslG für unbefristete Dauer aus der Bundesrepublik Deutschland aus
und stellte fest, dass der Kläger nach § 42 Abs. 1 AuslG zur Ausreise aus der
Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sei und die Ausreiseverpflichtung gemäß
§ 42 Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar sei. Ferner ordnete der Beklagte gemäß § 49
Abs. 2 AuslG i.V.m. § 50 Abs. 5 AuslG die Abschiebung des Klägers aus der Haft
heraus nach Spanien an. Für den Fall der vorzeitigen Haftentlassung drohte der
Beklagte dem Kläger für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht
innerhalb von 3 Tagen nach Haftentlassung verlassen habe, die Abschiebung nach
Spanien an. Die Abschiebung solle auch in einen anderen Staat möglich sein, in
den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist. Zur
Begründung der Abschiebung ist ausgeführt, der Kläger sei unerlaubt in die
Bundesrepublik Deutschland eingereist. Der Kläger sei bei seiner Einreise weder im
Besitz eines gültigen Nationalpasses noch im Besitz einer erforderlichen
Aufenthaltsgenehmigung gewesen. Durch dieses Verhalten habe der Kläger die
strafrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2
strafrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2
AuslG erfüllt. Ein strafbares Verhalten stelle grundsätzlich keinen geringen Verstoß
gegen Rechtsvorschriften dar. Bei Abwägung der privaten Interessen des Klägers
und des öffentlichen Interesses der Bundesrepublik Deutschland überwiege das
öffentliche Interesse. Schutzwürdige private Interessen des Klägers an einem
weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht ersichtlich. Die
Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich, um anderen
Ausländern zu Bewusstsein zu bringen, dass Straffälligkeit im Bundesgebiet
entsprechende ausländerrechtliche Maßnahmen nach sich ziehe. Eine Rückkehr
nach Spanien sei dem Kläger zumutbar. Abschiebungshindernisse oder
Duldungsgründe seien nicht ersichtlich. Da sich der Kläger aufgrund einer
richterlichen Anordnung in Haft befinde, bedürfe die Ausreise der Überwachung.
Hinzu komme, dass der Kläger nicht im Besitz eines Nationalpasses sei, so dass
die Ausreise ebenfalls der Überwachung bedürfe. Eine freiwillige Ausreise, aufgrund
der Passlosigkeit nicht in Betracht, da der Kläger auf dem Landweg nicht nach
Spanien einreisen könne. Eine Durchreise durch Frankreich ohne gültigen
Nationalpass würde wieder zu einer unerlaubten Einreise in einen anderen
Schengenstaat führen. Der Kläger legte mit Schreiben vom 12.04.2002
Widerspruch ein. Der Kläger reiste nach seiner Entlassung aus der Abschiebehaft
offensichtlich nach Spanien aus. Der Widerspruch des Klägers wurde mit
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 05.02.2004
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei am 27.12.2001 von
Spanien kommend über Frankreich entweder nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG oder
nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 AuslG unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland
eingereist. Der Kläger habe es pflichtwidrig unterlassen, vor seiner Einreise ein
Visum einzuholen. Er sei auch nicht von der Visumspflicht befreit gewesen. Der
Kläger könne sich zur Begründung eines Kurzaufenthalts auch nicht auf Art. 21
Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung vom 14.06.1995 zwischen den
Regierungen der Staaten der Beneluxwirtschaftsunion, der Bundesrepublik
Deutschland und der Französischen Republik vom 19.06.1990 berufen
(Schengener Durchführungsübereinkommen, SDÜ). Da der Kläger ohne Pass,
dass heißt ohne Grenzübertrittspapieri.S.d. Art. 5 Abs. 1 ASDÜ eingereist sei,
könne er sich auf die Privilegien von sogenannten Drittausländern nicht berufen.
Zwar sei der Kläger zum Zeitpunkt seiner Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland in Besitz eines spanischen Aufenthaltstitels, nicht aber im Besitz
eines Passes gewesen. Im Übrigen wäre ein Aufenthaltsrecht nach dem SDÜ
inzwischen erloschen, da es lediglich zu einem höchstens dreimonatigen
Aufenthalt berechtige. Der Kläger habe daher die Straftatbestände des § 92 Abs. 1
Nr. 1 und 6 AuslG erfüllt. Rechtswidrige Handlungen, die mit Strafe bedroht seien,
seien hinsichtlich ihres Unrechtsgehalts beachtlich und nicht geringfügig. Im
Rahmen der Ermessenserwägungen sei zu beachten, dass die Ausweisung bereits
aus spezialpräventiven Gründen geboten sei, um weitere rechtswidrige
Handlungen des Klägers wirksam unterbinden zu können. Insbesondere das mit
Ausweisung verbundene Einreiseverbot vermöge insoweit effektive Maßnahmen zu
gewährleisten. Im Übrigen habe es sich bei der illegalen Einreise des Klägers nicht
um den ersten ausländerrechtlichen Verstoß gehandelt. Auch generalpräventive
Gründe erforderten eine Ausweisung des Klägers. Es müsse anderen
ausländischen Staatsangehörigen deutlich zu Bewusstsein gebracht werden, dass
Rechtsverstöße der vorliegenden Art die erforderlichen ausländerrechtlichen
Konsequenzen nach sich ziehen. Eine kontinuierliche Ausweisungspraxis der
Ausländerbehörde vermöge die Hemmschwelle anderer potentieller Delinquenten
zu erhöhen. Relevante Belange des Klägers seien nicht erkennbar. Der Kläger
könne insbesondere kein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland
beanspruchen. Er habe keinerlei persönliche Kontakte oder sonstige Bindungen im
Bundesgebiet. Auch das noch anhängige strafrechtliche Berufungsverfahren
begründet kein Aufenthaltsrecht. Das Verfahren sei nach § 154 b Abs. 2 StPO
vorläufig eingestellt. Es sei dem anwaltlich vertretenen Kläger zumutbar eventuelle
Haftentschädigungsansprüche über seine Anwältin geltend zu machen. Auch die
Abschiebungsandrohung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat am
23.02.2004 Klage erhoben, mit der er Aufhebung der Ausweisungsverfügung
begehrt. Er trägt vor, dass er bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
eine spanische Aufenthaltserlaubnis gültig bis zum 04.09.2002 sowie ein
Dokument des Indischen Generalkonsulats mit Lichtbild mit sich geführt habe. Aus
dem Dokument des Generalkonsulats habe sich ergeben, dass er de Reisepass
beim Konsulat abgegeben habe. Der spanische Aufenthaltstitel sei in der Folgezeit
verlängert worden. Da der Kläger den Reisepass nicht mit sich geführt habe, seien
zwar die Voraussetzungen des SDÜ bezüglich einer Passmitführungspflicht nicht
erfüllt. der Kläger habe sich jedoch nicht strafbar gemacht. Das Strafverfahren sei
noch nicht abgeschlossen. Das Bayerische Oberlandesgericht habe in einem
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noch nicht abgeschlossen. Das Bayerische Oberlandesgericht habe in einem
vergleichbaren Fall eine Strafbarkeit verneint. Das Verhalten des Klägers
rechtfertige nicht den Erlass einer Aufweisungsverfügung.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Beklagten vom 11.04.2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit seiner Ausreise nach Spanien nach der Ablehnung seines Asylantrages sei er
seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Nach § 42 Abs. 4 AuslG
genüge der Ausländer seiner Ausreiseverpflichtung durch Ausreise in einen
anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft nur, wenn ihm Einreise
und Aufenthalt dort erlaubt seien. Da der Kläger jedoch unerlaubt nach Spanien
eingereist sei, sei er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Die
illegale Einreise in einen anderen EG-Mitgliedsstaat führe zwar zu einer
tatsächlichen Ausreise i.S.d. § 62 AuslG, die Ausreisepflicht sei jedoch tatsächlich
nicht erfüllt. Reise der Ausländer erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein,
bestehe die Ausreisepflicht fort. Selbst wenn man davon ausgehe, dass durch die
Ausreise nach Spanien der Kläger der Ausreiseverpflichtung genüge getan habe,
so habe sich jedoch der Kläger nach Ablehnung des Asylverfahrens bis zu seiner
Ausreise nach Spanien ohne Aufenthaltsgenehmigung und Duldung im
Bundesgebiet aufgehalten und damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 92
AuslG erfüllt. Im Übrigen habe der Kläger schon im Jahre 1997 versucht, mit einem
verfälschten italienischen Nationalpass aus der Bundesrepublik Deutschland
auszureisen. Bei seiner erneuten Einreise im Dezember 2000 sei der Kläger zwar
im Besitz einer befristeten spanischen Aufenthaltserlaubnis gewesen, er habe
jedoch keinen gültigen Nationalpass mit sich geführt. Sein indischer Nationalpass
sei seinerzeit bei dem Indischen Generalkonsulat in Madrid hinterlegt gewesen. Ein
neuer indischer Nationalpass sei dem Kläger erst am 07.03.2003 durch das
Generalkonsulat Indiens in Madrid ausgestellt worden. Auch habe der Kläger seine
Passpflicht nach § 4 Abs. 1 AuslG nicht erfüllt. Der Nationalpass sei zu keinem
Zeitpunkt während des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet vorgelegt bzw.
nachgereicht worden. Da der Kläger einen gültigen Pass weder mit sich geführt
noch in angemessener Zeit nachgereicht habe, liege eine unerlaubte Einreise
nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 AuslG vor. Der Kläger erfülle deshalb nicht nur den
Straftatbestand des § 92 Abs. 1 Nr. 6 sondern auch die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 92 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG. Der Kläger sei
wiederholt im Bundesgebiet straffällig geworden, so dass weiterhin eine
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von ihm ausgehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, den Inhalt der vorgelegten Behördenvorgänge (3 Bände) sowie
den Inhalt der beigezogenen Akten der Verfahren 1 G 1371/02, 1 G 790/02 und 1 G
2454/02 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage kann im Einverständnis mit den Beteiligten im schriftlichen
Verfahren entschieden werden (§ 101 S. 2 VwGO). Die Klage des Klägers ist
zulässig, aber nicht begründet. Die Verfügung des Beklagten vom 11.04.2002 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt
vom 05.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Ausweisungsverfügung nicht formell
rechtswidrig. Entgegen den tatsächlichen Ausführungen des Klägers wurde dieser
vor Erlass der Ausweisungsverfügung entsprechend § 28 HessVwVfG angehört.
Dies ergibt sich aus dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Formular über die
ausländerrechtliche Anhörung des Klägers am 02.01.2002. Das der Kläger
tatsächlich entsprechend diesem Formular angehört wurde, ergibt sich daraus,
dass der Kläger selbst unterschrieben hat, dass ihm das Ergebnis der Anhörung
vorgelesen wurde und von ihm genehmigt wurde. Die Verfügung ist auch in
materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die
streitbefangene Ausweisungsverfügung ist § 45 Abs. 1 i.V.m. § 46 Nr. 2 AuslG.
Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die
öffentliche Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik
Deutschland beeinträchtigt. Nach § 45 Abs. 1 kann nach § 46 Nr. 2 AuslG
insbesondere ausgewiesen werden, wer eine nicht nur vereinzelten oder
insbesondere ausgewiesen werden, wer eine nicht nur vereinzelten oder
geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche
Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu
verstehen, dass ein Verstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt oder
geringfügig ist, also andererseits aber immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt,
aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Vorliegend ist der
Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1
und Nr. 6 verstoßen hat, in dem er ohne Visum bzw. ohne im Besitz eines Passes
zu sein in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. In tatsächlicher Hinsicht
ist unstreitig, dass der Kläger am 27.12.2001 von Spanien kommend über
Frankreich in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und bei der Einreise
eine befristete spanische Aufenthaltserlaubnis, nicht aber einen indischen Pass mit
sich geführt hat, sondern lediglich ein Dokument des indischen Konsulats aus dem
sich ergibt, dass sich der indische Pass des Klägers bei der indischen Botschaft in
Madrid hinterlegt ist. Der Kläger als indischer Staatsangehöriger bedurfte für seine
Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach § 3 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslG
eine Aufenthaltsgenehmigung in der Form des Visums. Auf Art. 21 Abs. 1 des
Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens vom 14.06.1995
zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux- Wirtschaftsunion, der
Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik betreffend den
schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener
Durchführungsübereinkommen-SDÜ) vom 19.06.1990 kann sich der Kläger zur
Begründung eines Kurzaufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland nicht
berufen. Er erfüllt die in Art. 5 Abs. 1 a SDÜ aufgeführten Einreisevoraussetzungen
nicht. Nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ können Drittausländer, die - wie der Kläger -
Inhaber eines gültigen von einer der Vertragsparteien ausgestellten
Aufenthaltstitel sind, sich aufgrund dieses Dokumentes und eines gültigen
Reisedokumentes höchstens bis zu 3 Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen
Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 a, c, und e aufgeführten
Einreisevoraussetzungen erfüllen. Diese Vorschrift ist, da sie vom
Berechtigungsinhalt und der Adressatenregelung her hinreichend bestimmt ist,
geeignet, unmittelbare Rechte für den Drittausländer zu erzeugen und geht den
Regelungen des nationalen Ausländerrechtes vor. Das Recht aus Art. 21 Abs. 1
SDÜ steht dem Drittausländer aber nur dann zu, wenn er die
Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 a erfüllt (Westphal, Art. 21 Schengen
Rn. 2 in Huber, Handbuch des AuslG und AsylR.). Vorliegend ist der Kläger zwar mit
einer befristeten spanischen Aufenthaltserlaubnis eingereist, er war jedoch nicht
im Besitz eines Reisepasses und damit eines in Art. 5 Abs. 1 a aufgeführten
Reisedokuments. Dieses befand sich unstreitig bei dem Indischen Generalkonsulat
in Madrid. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt für die Inanspruchnahme
des Rechtes aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ nicht der bloße Besitz eines Reisepasses. In
Art. 21 Abs. 1 SDÜ ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Inhaber eines
gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sich
aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokumentes höchstens bis
zu 3 Monaten freiem Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen
können, soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 a aufgeführten Einreisevoraussetzungen
erfüllen. Damit kann nur gemeint sein, dass der Drittausländer, der sein Recht auf
Kurzaufenthalt nach näherer Maßgabe von Art. 21 Abs. 1 SDÜ wahrnehmen will,
sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien frei bewegen kann, sofern er
dabei Art. 5 Abs. 1 a), c) und e) SDÜ erfüllt. Die nochmalige Aufführung dieser
Einreisevoraussetzungen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 kann nur bedeuten, dass
der Drittausländer, der Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien
ausgestellten Aufenthaltstitels ist, bei der Weiterreise in einen anderen
Vertragsstaat ebenso wie bei Überschreiten der Außengrenzen beim
Überschreiten der Binnengrenzen die im einzelnen aufgeführten
Einreisevoraussetzungen erfüllen muss. Hierzu gehöre nach Art. 5 Abs. 1 a SDÜ,
dass er Grenzübertrittspapiere mit sich führt, dass heißt die für die Einreise des
Drittausländers erforderlichen Reisedokumente, dass heißt, dass er Pass- oder
Passersatz mit sich führt. Daraus folgt zwar nicht, dass der Drittausländer der
Rechte aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ in Anspruch nimmt, seinen Pass ständig körperlich
mit sich führen muss, es genügt vielmehr, dass der Drittausländer in der Lage ist,
seinen Pass in angemessener Zeit vorzuweisen. Soweit der HessVGH in seinem
Beschluss vom 19.11.2003 InfAuslR 2004, S. 141 daraus, dass mit dem Wegfall der
Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Vertragsstaaten des Schengener
Übereinkommens auch die Passmitwirkungspflicht entfallen sei, weil im Normalfall
keine Personenkontrollen mehr stattfinden, schließt, dass auch die
Passmitführungspflicht entfallen sei, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.
Dieses Verständnis wiederspricht dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 SDÜ. Kann sich
der Kläger daher nicht auf Art. 21 Abs. 1 SDÜ berufen und hätte er daher in die
der Kläger daher nicht auf Art. 21 Abs. 1 SDÜ berufen und hätte er daher in die
Bundesrepublik Deutschland nur nach vorheriger Einholung einer
Aufenthaltsgenehmigung in der Form eines Visums einreisen dürfen, ist er nach §
58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung eingereist.
Da er bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus nicht den
erforderlichen Pass mit sich führte, ist seine Einreise auch nach § 58 Abs. 1 Nr. 2
AuslG unerlaubt. Reist ein Drittausländer, der zwar einen nationalen
Aufenthaltstitel eines anderen Schengenstaates besitzt, aber die weiteren
Einreisevoraussetzungen des Art. 21 SDÜ nicht erfüllt, in die Bundesrepublik
Deutschland ein, stellt sich diese Einreise auch wenn sich der Drittausländer
subjektiv im Schengenraum bewegen will, rechtlich als unerlaubte Einreise i.S.d. §
58 AuslG dar, weil er sich gerade nicht auf die Sondervorschriften des SDÜ berufen
kann und somit auf die Vorschriften des nationalen Rechtes zurückzugreifen ist
(vgl. hierzu Westphal a.a.O. Art. 21 Schengen, Rn. 8; Art. 23 Rn. 31). Durch die
unerlaubte Einreise hat der Kläger zugleich gegen die Straftatbestände des § 92
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 verstoßen. Der Verstoß gegen strafbewehrte
Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht als geringfügig
einzuordnen. Bei dem Verstoß gegen die Einreisebestimmungen der
Bundesrepublik Deutschland handelt es sich auch nicht um ein Bagatelldelikt.
Auch die Umstände der illegalen Einreise lassen die Überschreitung der
Einreisebestimmungen der Bundesrepublik Deutschland nicht als geringfügig
erscheinen. Durch die illegale Einreise des Klägers wurden auch die Interessen der
Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Auch die getroffene
Ermessensentscheidung über die Ausweisung des Klägers ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Eine derartige Entscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung
der öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Klägers mit dem Interesse an
einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist nicht zu
beanstanden, dass die Beklagte die Ausweisung des Klägers insbesondere auf
generalpräventive Gründe gestützt hat. Im Hinblick auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit muss eine derartige Ausweisung eine angemessene
generalpräventive Wirkung erwarten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn nach der
Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit
Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten.
Erforderlich ist, dass es Ausländer gibt, die sich in einer vergleichbaren Situation
wie der Betroffene befinden und durch dessen Ausweisung von gleichen oder
ähnlichen Handlungen abhalten lassen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass
sich ein konsequentes Vorgehen der Ausländerbehörden gegenüber Ausländern,
die unter Missachtung der ausländerrechtlichen Vorschriften in die Bundesrepublik
einreisen von der Begehung ähnlicher Einreiseverstöße nach dem gleichen Muster
abgehalten werden. Relevante Gesichtspunkte, die einen weiteren Aufenthalt des
Klägers in der Bundesrepublik Deutschland erfordern, sind nicht ersichtlich. Der
Kläger verfügt insbesondere über keine persönlichen Bindungen und ihm steht
überdies auch keinerlei Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu.
Auch der Hinweis des Klägers, ihm müsse die Möglichkeit gegeben werden, sich im
Strafverfahren zu verteidigen und gegebenenfalls die Möglichkeit eingeräumt
werden, Schadensersatzansprüche wegen unrechtmäßiger Haft geltend zu
machen, zwingt zu keiner anderen Entscheidung. Nach der Einstellung des
Strafverfahrens bedarf es einer weitern Anwesenheit des Klägers in der
Bundesrepublik Deutschland nicht mehr. Der Kläger kann eventuelle Rechte bzw.
Schadensersatzansprüche auch von seiner Heimat aus geltend machen.
Insbesondere kann er einen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung seiner
Interessen beauftragen. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger
bereits früher gegen Einreisebestimmungen der Bundesrepublik Deutschland
verstoßen hat, in dem er versuchte, mit einem verfälschten italienischen
Nationalpass auszureisen bzw. illegal einzureisen. Auch die
Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 50 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 AuslG. Der
Kläger ist gemäß § 42 Abs. 1 AuslG zur Ausreise verpflichtet, da er eine
erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist gemäß
§ 42 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG auch vollziehbar, da der Kläger unerlaubt eingereist
ist. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154
Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 S. 2 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.