Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 28.11.2006

VG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, juristische person, behörde, vollstreckung, abmeldung, öffentliches interesse, besondere härte

Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 G 3052/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 VwVG HE, § 55 VwVG HE,
§ 2 Abs 1 VwVfG HE, § 41 Abs
2 VwVfG HE, § 3 S 1
RdFunkGebStVtr HE
(Vorläufiger Rechtsschutz - Geltendmachung rückständiger
Rundfunkgebühren durch die Landesrundfunkanstalt -
Vollstreckung - wiederholte Bekanntgabe eines
Bescheides)
Leitsatz
1. Wird die GEZ (Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
in der Bundesrepublik Deutschland), als ursprünglich bezeichneter Klage-
/Antragsgegner, während des gerichtlichen Verfahrens gegen die jeweilige örtliche
Landesrundfunkanstalt ausgewechselt, so handelt es sich nicht um eine
Klageänderung, da es sich bei der gesetzlich gebotenen Auslegung des ursprünglichen
Vorbringens im Hinblick auf das erkennbare Rechtsschutzziel lediglich um eine
Klarstellung handelt.
2. Im hessischen Landesrecht fehlt eine Bestimmung, wonach Klagen bzw. Anträge
gegen Behörden gerichtet werden dürfen, vielmehr ist nach dem Rechtsträgerprinzip
die hinter der Behörde stehende juristische Person passiv legitimiert und
prozessführungsbefugt.
3. Die Rundfunkgebührenschuld wird durch die Landesrundfunkanstalt, in deren Bereich
das Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird, festgesetzt. Auch
rückständige Rundfunkgebühren dürfen (anstelle der ursprünglich zuständigen
Landesrundfunkanstalt) von der Landesrundfunkanstalt im eigenen Namen erlassen
werden, in deren Anstaltsbereich der Rundfunkteilnehmer zur Zeit des Erlasses des
Bescheides wohnt, sich ständig aufhält oder ständig ein Rundfunkempfangsgerät zum
Empfang bereithält (z.B. nach Umzug).
4. Bei der Geltendmachung von Rundfunkgebühren handelt es sich um eine
Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, bei denen die aufschiebende
Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage kraft Gesetzes entfällt.
5. Bescheide über rückständige Rundfunkgebühren dürfen im
Verwaltungszwangsverfahren vollstreckt werden.
6. Wenn die Vollziehung von Gebührenbescheiden für den Abgabenpflichtigen eine
unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte, kann die Behörde die Vollziehung aussetzen.
7. Regelmäßig wird mit dem durch den zuständigen Behördenmitarbeiter
dokumentierten Zeitpunkt der Aufgabe zur Post ein typischer Geschehensablauf
dahingehend in Gang gesetzt, dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei
Tagen an den Bestimmungsort erwartet werden kann. Kommt die Sendung nicht als
unzustellbar zurück, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt nur dann
gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf schlüssig
vorträgt.
8. Auch eine nochmalige (wiederholte) Bekanntgabe von Bescheiden ändert an der
Wirksamkeit der früheren Bekanntgabe nichts, insbesondere wird dadurch regelmäßig
nicht eine erneute Rechtsbehelfs-Frist in Lauf gesetzt, weil es sonst die Behörde in der
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nicht eine erneute Rechtsbehelfs-Frist in Lauf gesetzt, weil es sonst die Behörde in der
Hand hätte, dem Betroffenen durch die nochmalige Zustellung des Bescheides
gleichsam (außerhalb der durch Gesetz geregelten Voraussetzungen und des
Verfahrens) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin befand sich im Datenbestand der GEZ
(Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der
Bundesrepublik Deutschland) für die Zeit vom November 1998 bis November 2003
(einschließlich) als mit einem Hörfunk- und einem Fernsehgerät gemeldet. Die
Anmeldungen als Rundfunkteilnehmerin erfolgte aufgrund des von der
Antragstellerin im November 1998 gestellten Antrags auf Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht. Sie war aufgrund ihrer Anträge vom Dezember 1998 bis
November 2001 von den Rundfunkgebühren befreit.
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR), als für den damaligen Wohnsitz der
Antragstellerin zuständige Landesrundfunkanstalt, setzte mit verschiedenen
Gebührenbescheiden die Gebühren für Rundfunk- und Fernsehgeräte fest, und
zwar für die Zeit von 12/2001 bis 8/2002 (Blatt 7, 10 und 13 Behördenakten). Als
Summe stellte der NDR einen Betrag von 160,68 € fest. Über die Tatsache der
Bekanntgabe der Bescheide besteht zwischen den Beteiligten Streit.
Der NDR betrieb die Beitreibung des Betrages über die GEZ ("Ankündigung der
Pfändung" vom 4.12.2002 an die Antragstellerin über einen Betrag von 162,18
Euro, Blatt 18 Behördenakten). In einem Widerspruchsschreiben vom 2.1.2004
(Blatt 51 Behördenakten, gerichtet gegen einen weiteren Gebührenbescheid vom
3.12.2003, Blatt 34 Behördenakten, für die Zeit 9/03 bis 11/03, der nicht
Gegenstand dieses Verfahrens ist), erklärte die Antragstellerin: Die Geräte seien
"abgemeldet worden". Sie berief sich auf die der GEZ am 06.11.2003
zugegangene Abmeldung. Ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg
haben die Beteiligten für erledigt erklärt. Während des Eilverfahrens sind der
Antragstellerin die angegriffenen Bescheide durch den NDR ("erneut") bekannt
gegeben worden.
Nach dem Umzug der Antragstellerin in das Sendegebiet (=Anstaltsbereich) des
Antragsgegners mahnte die GEZ für den Antragsgegner bereits mit Schreiben
vom 3.9.2005 (Blatt 9 Gerichtsakte) die Zahlung der Gebühren von 12/01 bis 8/02
und 9/02 bis 11/03 (mit einer Gesamtschuld von 429,98 €) an. Mit Schreiben vom
12.9.2005 (Blatt 104 Behördenakten) erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen
die im Verwaltungsstreitverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg
mitgeteilten Bescheide ("Schuld bis 08/02") mit der Begründung: Da die Bescheide
keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, gelte eine Widerspruchsfrist von einem
Jahr. Sie habe aus Anlass der Telefonabmeldung ihrer früheren Wohnung in Berlin
(vor dem 1.6.2001) der GEZ schriftlich mitgeteilt, dass „in ihrem Haushalt keine
Rundfunkgeräte mehr vorhanden sein werden“, erst nach über zwei Jahren habe
sie eine Vollstreckungsankündigung für Gebühren für den Zeitraum 12/01 bis 8/02
vom 20.10.2003 erhalten.
In den Behördenakten befindet sich eine Formular-Antwort auf die Aufforderung
der GEZ vom 11.8.2001 mit der Mitteilung: "Ich oder mein Ehepartner bin/ist
bereits bei der GEZ gemeldet. Die Teilnehmernummer lautet: ..." (Blatt 4
Behördenakten). Ferner befindet sich in den Behördenakten eine "Abmeldung" auf
einem GEZ-Formular vom "24.10.03" (Blatt 29 Behördenakten).
Mit Vollstreckungsersuchen vom 1.10.2005 (Blatt 78 Behördenakten) an das
Kassen- und Steueramt des Magistrats der Stadt Frankfurt am Main will der
Antragsgegner die Beitreibung des Betrages von 429,98 € erreichen (Betrag wie in
der Mahnung vom 3.9.2005, Blatt 9). Daraufhin pfändete die Vollstreckungsstelle
das Konto der Antragstellerin bei der Sparda-Bank Hessen.
Die Antragstellerin hat am 7.8.2006 zu Protokoll der Geschäftsstelle "einen
Eilantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO" gestellt. Die Vollstreckungsstelle betreibe mit
dem Pfändungsbeschluss die Vollstreckung von Rundfunkgebühren aus den Jahren
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dem Pfändungsbeschluss die Vollstreckung von Rundfunkgebühren aus den Jahren
2002 und 2003. Die Bescheide hierüber seien der Antragstellerin erst mit
Mitteilung vom 18.1.2005 übersandt worden, dagegen (Bescheide vom 4.12.2002,
5.3., 3.6., 3.9. und 3.12.2003) sei am 11.2.2005 Widerspruch eingelegt worden. Ein
Widerspruchsverfahren sei bislang nicht durchgeführt worden. Die
Gebührenforderungen bestünden nicht. Sie habe während des Zeitraums 2001 bis
2003 keine Empfangsgeräte bereitgehalten. Die Abmeldung der zuvor
bereitgehaltenen Geräte sei zum 1.6.2001 geschehen. Selbst wenn sich in ihrer
Wohnung Empfangsgeräte befunden hätten, hätten in ihrer Person die
Befreiungsvoraussetzungen vorgelegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 der
Befreiungsverordnung). Ihr Ehemann und sie seien zur Bestreitung ihres
Lebensunterhalts (als Hartz IV-Empfänger) auf die Verfügung über das Konto
angewiesen. Die Antragstellerin hält die Geltendmachung der
Gebührenforderungen, selbst wenn sie bestanden haben würden, für verwirkt.
Die Antragstellerin habe am 27.4.2006 bei der Vollstreckungsstelle und dem
Antragsgegner beantragt, die Vollstreckung der in der Mahnung vom 3.9.2005
aufgeführten Beträge auszusetzen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
12.9.2005 gegen die über das Verwaltungsgericht Hamburg mit Schreiben vom
18.1.2005 der Antragstellerin bekannt gegebenen Gebührenbescheide
anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Der zulässige Antrag sei unbegründet. Die ursprünglich angegangene GEZ sei
nicht passiv legitimiert, da ihr keine Rechtsfähigkeit zukomme. Die GEZ sei
lediglich eine nichtrechtsfähige Verwaltungseinrichtung der Rundfunkanstalten.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gebührenbescheides
bestünden nicht und eine unbillige Härte sei nicht erkennbar. Die Forderungen, die
dem Vollstreckungsersuchen vom 1.10.2005 zu Grunde liege, sei begründet. Der
Gebührenbescheid vom 3.12.2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom
8.8.2006 sei rechtmäßig und die Antragstellerin in ihren Rechten nicht verletzt. Die
Abmeldung des Teilnehmerkonto der Antragstellerin sei mit Wirkung zum
1.12.2003 auf deren Schreiben vom 24.10.2003, eingegangen am 7.11.2003,
vorgenommen worden, frühere Abmeldungen seien nicht zur GEZ gelangt. Nach
den gesetzlichen Bestimmungen sei eine rückwirkende Meldung nicht möglich.
Gemäß § 4 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 31.8.1991 (GVBl. 1991 I S.
192) ende die Rundfunkgebührenpflicht mit Ablauf des Monats, in dem das
Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräte ende, jedoch nicht vor Ablauf des
Monats, in dem dies der GEZ oder der Landesrundfunkanstalt schriftlich angezeigt
worden sei.
Die Antragstellerin berufe sich zu Unrecht unter anderem darauf, dass ihnen die
Gebührenbescheide nicht zugegangen seien. Bei dem Gebühreneinzugsverfahren
handele es sich um ein Massenverfahren; eine möglichst kostengünstige
Abwicklung liege im Interesse der Teilnehmer. Die Rundfunkanstalt brauche daher
den Zugang eines Gebührenbescheides als Voraussetzung der Wirksamkeit nur
nachzuweisen, wenn berechtigte Zweifel bestünden, dass der Bescheid dem
Adressaten ordnungsgemäß bekannt gegeben worden ist. Postrückläufe der an die
Antragstellerin gerichteten Sendungen seien nicht erfolgt. Das Schreiben der
Antragstellerin an die GEZ vom 27.4.2006 sei bei dieser nicht eingegangen.
Eine Befreiung von den Rundfunkgebühren könne nur auf Antrag erfolgen. Sollten
nach Ablauf einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht keine
Rundfunkgeräte (mehr) zum Empfang bereitgehalten werden, so sei eine
Abmeldungen vorzunehmen. Das Nicht -Bereithalten von Rundfunkgeräten sei der
GEZ oder der Landesrundfunkanstalt schriftlich mitzuteilen.
Im Erörterungstermin vom 24.10.2006 hat der Antragsgegner einen
Widerspruchsbescheid des Norddeutschen Rundfunks vom 28.8.2006 überreicht,
mit dem der Widerspruch der Antragstellerin vom 2.1.2004 gegen den
Gebührenbescheid vom 3.12.2003 als unbegründet zurückgewiesen wird. Zur
Begründung ist ausgeführt, dass die Gebührenpflicht fortbestehe, weil eine
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Begründung ist ausgeführt, dass die Gebührenpflicht fortbestehe, weil eine
Abmeldung unterlassenen worden sei. In einer Mitteilung vom 11.8.2001 habe die
Antragstellerin der GEZ auf Nachfrage mitgeteilt, dass sich ihre Teilnehmerdaten
auch nach ihrem Umzug nach Hamburg nicht geändert hätten. Die Antragstellerin
sei erst aufgrund ihrer Abmeldung vom 24.10.2003, die am 7.11.2003
eingegangen sei, abgemeldet worden. Eine Abmeldung zu einem früheren
Zeitpunkt liege weder bei der GEZ noch bei dem Norddeutschen Rundfunk vor. Die
Antragstellerin sei deshalb zur Zahlung der mit Gebührenbescheid vom 3.12.2003
festgesetzten Rundfunkgebühren verpflichtet. Der Säumniszuschlag sei gemäß § 6
der "Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der
Rundfunkgebühren" festgesetzt worden. In dem Termin hat der Antragsteller-
Bevollmächtigte ferner erklärt, dass die Vollstreckung für die Antragstellerin eine
besondere Härte darstelle, weil nach einer Vollstreckung (erneute Pfändung) der
bisher genutzte Überziehungskredit durch die Bank "zurückgefahren" werde.
Die Behördenakten des Antragsgegners (Blatt 1 bis 112) haben vorgelegen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.9.2006 auf den
Berichterstatter übertragen.
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Den ursprünglich gegen die GEZ (Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland) gerichteten
Antrag hat die Antragstellerin im Erörterungstermin (nach ihrem Umzug) als
nunmehr gegen die örtliche Landesrundfunkanstalt gerichtet bezeichnet. Das
begegnet keinen rechtlichen Bedenken, weil es sich nicht um eine
Klageänderung/Antragsänderung gem. § 91 Abs. 1 VwGO handelt, denn diese
Vorschrift kommt nur zur Anwendung, wenn es sich bei der nach § 88 VwGO
gebotenen Auslegung des ursprünglichen Vorbringens im Hinblick auf das
erkennbare Rechtsschutzziel nicht um eine Klarstellung handelt. Das ist hier aber
nicht der Fall. Die ursprünglich angegangene GEZ ist zwar u. U. eine Behörde des
Antragsgegners, jedoch fehlt eine Bestimmung im hessischen Landesrecht,
wonach Klagen bzw. Anträge gegen Behörden gerichtet werden dürfen, so dass
hier nach dem Rechtsträgerprinzip (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) die hinter der Behörde
stehende juristische Person passiv legitimiert und prozessführungsbefugt ist. Das
ist der Antragsgegner als Landesrundfunkanstalt.
Zweifel, dass der Antragsgegner der "richtige" Beklagte/Antragsgegner, d.h. dass
er formell und materiell berechtigt ist, die Bescheide zu seinen Gunsten
vollstrecken zu lassen, ergeben sich angesichts der Regelung in § 7 Abs. 5 des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages, der in Hessen Gesetz ist (Art. 4 d des
Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom
13.12.1991 [GVBl. I S. 367], RGebStV vom 31.08.1991 [GVBl. I S. 370], zuletzt
geändert durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 8. bis
15.10.2004 [GVBl. I S. 119]), nicht. Danach wird die Rundfunkgebührenschuld
durch die nach Absatz 1 zuständige Landesrundfunkanstalt (...
Landesrundfunkanstalt ... in deren Bereich das Rundfunkempfangsgerät zum
Empfang bereitgehalten wird.) festgesetzt. Bescheide über rückständige
Rundfunkgebühren können anstelle der nach Absatz 1 zuständigen
Landesrundfunkanstalt auch von der Landesrundfunkanstalt im eigenen Namen
erlassen werden, in deren Anstaltsbereich der Rundfunkteilnehmer zur Zeit des
Erlasses des Bescheides wohnt, sich ständig aufhält oder ständig ein
Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält, und demgemäß auch im
Verwaltungszwangsverfahren vollstreckt werden (§ 7 Abs. 6 Satz 1 RGebStV).
Die Antragstellerin will mit ihrem Antrag lediglich die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs gegen die ihr im Verlaufe des
Eilverfahrens bei dem Verwaltungsgericht Hamburg mit Schriftsatz vom 18.1.2005
bekannt gegebenen Gebührenbescheide (das sind die vom 2.5., 5.6. und
4.9.2002) erreichen, also lediglich die Gebührenforderungen von 12/01 bis 8/02 (=
Dezember 2001 bis August 2002). Insoweit geht die Argumentation des
Antragsgegners zum Bescheid vom 3.12.2003 ins Leere.
Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung einer beabsichtigten
Anfechtungsklage gegen die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten
jedoch nur anordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO), wenn die Antragstellerin glaubhaft
macht, dass ihre privaten Interessen, von der Vollziehung einstweilig verschont zu
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macht, dass ihre privaten Interessen, von der Vollziehung einstweilig verschont zu
bleiben, den öffentlichen Interessen (den besonderen Vollzugsinteressen)
vorgehen. Das ist einerseits dann der Fall, wenn die Antragstellerin in einem
nachfolgenden Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolgreich sein wird, weil sich
(bei der summarischen Überprüfung im Eilverfahren) ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ergeben, denn an der
Vollziehung eines rechtlich ernstlich zweifelhaften Verwaltungsakts kann niemals
ein öffentliches Interesse bestehen.
Das ist aber ferner auch dann der Fall, wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder
Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Der Anordnungsantrag ist bei Widersprüchen oder Anfechtungsklagen u. a. nur
dann zulässig, wenn er sich gegen die Anforderung von öffentlichen Abgaben oder
Kosten wendet. Bei der Anforderung von Rundfunkgebühren handelt es sich um die
Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die in
der Rechtslehre umstrittene rechtliche Einordnung im Einzelnen kann hier
dahinstehen, die Rundfunkgebühren zählen zu den "öffentlichen Abgaben und
Kosten", weil es sich entweder um Gebühren oder Beiträge handelt
(Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Auflage 2003, § 80 Rn. 57 bis 59). Dabei
ist es insbesondere gleichgültig, ob es sich bei den Rundfunkgebühren um
Gebühren im abgabenrechtlichen Sinne handelt. In der Literatur und
Rechtsprechung werden die verschiedensten Ansichten vertreten (vgl. die
Darstellung in Herrmann, Rundfunkrecht, Fernsehen und Hörfunk mit neuen
Medien, München 1994, § 31 Rn. 39 ff.). Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass
es sich um eine Steuer bzw. steuerähnliche Abgabe handelt und infolge dessen
eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder nicht bestehe und damit der
Übertragung des Erhebungsrechts auf die Landesrundfunkanstalten rechts- bzw.
verfassungswidrig sei. Diese Auffassung ist irrig, denn die in der
rechtswissenschaftlichen Literatur vertretene Klassifizierung der Abgaben in
Steuern, Gebühren und Beiträge (bzw. Sonderabgaben) ist von Verfassungs
wegen nicht geboten, vielmehr ist es so, dass der Gesetzgeber die Bezeichnungen
für einzelne Abgaben im Gesetz frei wählen kann und es sich erst bei objektiver
Betrachtung der materiellrechtlichen Abgabenvorschriften ergibt, zu welcher
Kategorie die einzelnen Abgabe gehört. Dem schließt sich das Gericht an (VG
Frankfurt 25.4.2006 - 10 E 3894/03 -Landesrechtsprechungsdatenbank Hessen
und 20.9.2005 - 10 G 2279/05 -, Landesrechtsprechungsdatenbank Hessen =
juris; VG Hamburg 20.04.1999 - 2 VG 1011/99 -, juris).
Der Anordnungsantrag ist ferner erst dann zulässig, wenn die Behörde einen
Aussetzungsantrag ganz oder teilweise abgelehnt hat. Das gilt nur dann nicht,
wenn eine Vollstreckung droht (§ 80 Abs. 6 Nr. 2 VwGO). Das ist hier der Fall, weil
die Behörde eine Aufhebung der Pfändung und ein Absehen von weiteren
Vollstreckungsmaßnahmen nur bis zu einer Entscheidung in dem vorliegenden
Eilverfahren zugesagt hat. Danach wäre der Antragsgegner an seine Zusage nicht
mehr gebunden.
Es kann hier dahinstehen, ob der Antrag nicht schon deshalb scheitert, weil der
Widerspruch durch seine Bescheidung (mit dem Widerspruchsbescheid des
Norddeutschen Rundfunks vom 28.8.2006) verbraucht ist, denn das Gericht der
Hauptsache kann die aufschiebende Wirkung auch nach Verbrauch des
Widerspruchs anordnen wie sich aus § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO ergibt, wonach der
Antrag auch schon „vor Erhebung der Anfechtungsklage“ zulässig ist. Es kann
auch dahinstehen, ob der Antrag nicht deshalb unzulässig ist, weil die
angegriffenen Bescheide - nunmehr in der Fassung des während des gerichtlichen
Verfahrens erlassenen Widerspruchsbescheides - unanfechtbar sind, denn es ist
nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin innerhalb der (mutmaßlichen) Klagefrist -
nach der Rechtsmittelbelehrung in dem Widerspruchsbescheid - Klage erhoben
hat. Zustellungsnachweise sind nicht vorgelegt worden; Erklärungen zum Zugang
hat die Antragstellerin nicht abgegeben.
Der Antrag muss jedoch bereits deshalb scheitern, weil die Gebührenbescheide
unanfechtbar sind. Dem Erfolg eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage
steht wegen der Rechtssicherheit die vor Erhebung des Widerspruchs eingetretene
Unanfechtbarkeit entgegen. Das ist hier der Fall, weil ein Rechtsbehelf nicht
innerhalb der Monatsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides erhoben worden ist (§
70 Abs. 1 VwGO), obwohl über die Frist ordnungsgemäß belehrt wurde (§ 58
VwGO).
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Die Bescheide sind der Antragstellerin auch bekannt gegeben worden. Die
Bescheide des Norddeutschen Rundfunks sind an die damalige Adresse der
Antragsstellerin in Hamburg zur Post gegeben worden. Ein schriftlicher
Verwaltungsakt, der durch Post im Inland übermittelt wird, gilt nach § 41 Abs. 2
VwVfG (die Vorschrift kann hier trotz § 2 Abs. 1 HVwVfG ergänzend herangezogen
werden, da sie lediglich ein allgemeines Verwaltungsrechtsprinzip enthält) mit dem
dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht
oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Regelmäßig wird mit dem
durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der
Aufgabe zur Post ein typischer Geschehensablauf dahingehend in Gang gesetzt,
dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei Tagen an den
Bestimmungsort erwartet werden kann. Kommt das Schreiben nicht als
unzustellbar zurück, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt - soll die
Zugangsfiktion nicht ihren Sinn verlieren - nur gerechtfertigt, wenn der Adressat
einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt. Da Postrückläufer nicht
erfolgt sind, durfte die Behörde deshalb beanstandungsfrei davon ausgehen, dass
die Bescheide zugegangen sind. Dies kann mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit angenommen werden, weil Bescheide im Vierteljahresabstand-
Abstand versandt worden sind. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es höchst
unwahrscheinlich, dass sich der Umstand eines Postversehens oder sonstiger
unerlaubter Handlungen auch im Machtbereich der Antragstellerin über fast ein
Jahr lang lediglich bei Gebührenbescheiden wiederholen. Die Antragstellerin hat im
übrigen nicht vorgetragen, dass derartige Umstände von ihr bemerkt worden sind,
dass sie andere Postsendungen betroffen haben oder dass sie auf eine Störung
der Postzustellung auch bei anderen Sendungen als Gebührenbescheiden
aufmerksam geworden ist.
Dass die Gebührenbescheide vom 2.5., 5.6. und 4.9.2002 nochmals der
Antragstellerin bekannt gegeben wurden, ändert an der Wirksamkeit der früheren
Bekanntgaben nichts. Die von dem NDR in die Wege geleitete nochmalige
Bekanntgabe, die lediglich dazu dienen sollte, die von der Behörde wegen des
Bestreitens des Zugangs der Bescheide durch den Bevollmächtigten offenbar als
unwirksam angesehene frühere Zustellung durch eine ordnungsgemäße
Zustellung zu ersetzen, stellt lediglich ein bloßes zusätzliches Handeln dar, das
rechtlich ohne Bedeutung ist und weder die Unanfechtbarkeit der
Gebührenbescheide beeinflussen noch etwa eine weitere Widerspruchsfrist in Gang
setzen kann. Andernfalls hätte es die Behörde in der Hand, dem Betroffenen durch
die nochmalige Zustellung des Bescheides gleichsam Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren. Ein solches Ergebnis wäre indessen weder mit dem
Gedanken der Rechtssicherheit noch mit den ausdrücklichen Vorschriften über die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu vereinbaren
(HessVGH 15.06.1998 - 13 TZ 4026/97 - zum Fall der nochmaligen Zustellung
eines Widerspruchsbescheides: BVerwG 11.05.1979 - 6 C 70.78 -, DVBl. 1979, 821,
822).
Wenn man aber all den Erwägungen zur Unanfechtbarkeit der Gebührenbescheide
nicht folgen will, gilt folgendes: Die Antragstellerin ist verpflichtet die
Rundfunkgebühren an den Antragsgegner als Landesrundfunkanstalt i. S. d.
Rundfunkgebührenstaatsvertrages zu entrichten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 RGebStV),
denn sie hat in dem in den Gebührenbescheiden bezeichneten Zeiträumen ein
Rundfunkempfangsgerät bereit gehalten (§ 4 Abs. 1 und 2 RGebStV). Das
Bereithalten löst die Abgabenpflicht aus. Gegen diese Pflicht kann die
Antragstellerin die von ihr erhobenen Rügen nicht erfolgreich ins Feld führen. Die
Antragstellerin hat an ihrem früheren Wohnsitz in Berlin ein Empfangsgerät bereit
gehalten, was durch ihre Anmeldung und die nachfolgende Gebührenbefreiung
belegt ist. Mit ihrem Umzug nach Hamburg will sie die Geräte abgemeldet haben.
Einen Nachweis darüber kann sie jedoch nicht führen. Weder bei der damals
zuständigen Landesrundfunkanstalt, dem NDR, noch der GEZ ist eine Abmeldung
aktenkundig geworden. Auf entsprechende Erinnerungen oder Mahnungen
meldete sich die Antragstellerin nicht, obwohl diese Postsendungen in größeren
zeitlichen Abständen versandt worden und Rückläufer nicht zu verzeichnen
gewesen sind. Der Vortrag, dass ihr keine der Postsendungen zugegangen ist, ist
nicht glaubhaft. Das wird auch dadurch erhärtet, dass die Antragstellerin keinerlei
Ausführungen über Störungen des Postzugangs zu ihr in dem vorliegenden
gerichtlichen Verfahren gemacht hat. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, ob ihr
auch andere Postsendungen - außer denen der GEZ oder des NDR - nicht oder
verzögert zugegangen sind. Deshalb steht auch im Hinblick auf die geringeren
Anforderung an die Glaubhaftmachung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren
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Anforderung an die Glaubhaftmachung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren
fest, dass die Darlegung der sie hinsichtlich des Bestehens ihrer Gebührenschuld
entlastenden Umstände nicht gelungen ist.
Die Landesrundfunkanstalt bzw. die GEZ konnte daher beanstandungsfrei vom
weiteren Bereithalten eines Empfangsgerätes ausgehen. Zwar ist es nicht
unwahrscheinlich, dass auf Grund der Sachlage, so wie sie in dem gerichtlichen
Verfahren geschildert worden ist, die Antragstellerin mit ihrem Ehemann in einem
gemeinsamen Haushalt gewohnt hat und sie deshalb u.U. wegen der
Haushaltsgemeinschaft von der Gebührenzahlung befreit werden konnte. Die
Aufklärung dieser Umstände, auch die evtl. Rückzahlungspflicht der Gebühren, ist
im Eilverfahren nicht abschließend zu klären und dem Hauptsacheverfahren zu
überlassen.
Deshalb durfte die jeweilige Landesrundfunkanstalt von Vorliegen der
Voraussetzungen einer Gebührenschuld ausgehen und die entsprechenden
Gebührenbescheide als Vollstreckungsvoraussetzung schaffen. Auch die Einleitung
der Vollstreckung ist nicht zu beanstanden.
Was das Argument des Angewiesenseins auf den Überziehungskredit bei der Bank
und die Gefahr seiner Kündigung bei einer Pfändung anbetrifft, so wird der
Antragsgegner nach näherer Darlegung und ggf. Vorlage entsprechender
Unterlagen zu prüfen haben, ob unter Beachtung der §§ 850 bis 852 ZPO, die hier
wegen § 55 HessVwVG gelten, und des Verhältnismäßigkeitsgebots eine Pfändung
vorgenommen werden kann. Im Rahmen des Vollstreckungsschutzes, der bei der
Behörde beantragt werden muss, hat diese die Vollstreckung einzustellen, zu
beschränken oder Vollstreckungsmaßnahmen ganz oder teilweise aufzuheben,
wenn und soweit die Vollstreckung oder die Vollstreckungsmaßnahme unter voller
Würdigung des öffentlichen Interesses an der Vollstreckung wegen ganz
besonderer Umstände eine unzumutbare Härte für den Pflichtigen bedeutet (§ 29
HessVwVG). Die Antragstellerin hat das Argument der Notwendigkeit des einzigen
Kontos erst im Erörterungstermin und ohne jede Substanziierung vorgebracht.
Eine Aufklärung dieser Umstände ist jedenfalls angesichts der Eiligkeit der
Entscheidung in diesem Verfahren nicht geboten, bevor die Behörde hierüber
entschieden hat.
Als unterliegende Beteiligte hat die Antragstellerin die Verfahrenkosten zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.