Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 27.07.2005

VG Frankfurt: petition, abschiebung, erlass, sport, duldung, rückführung, geschäftsordnung, intervention, anwendungsbereich, verfügung

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 G 2302/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 60a Abs 1 AufenthG
Duldung; Petition
Tenor
Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste mit einem
Visum zum Zwecke des Studiums befristet bis zum 04.05.2002 in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 24.04.2002 die Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke des Studiums, die ihm am 05.06.2002
befristet bis zum 04.06.2003 erteilt wurde. Mit Verfügung vom 11.11.2004 wies die
Antragsgegnerin den Antragsteller für unbefristete Dauer aus der Bundesrepublik
Deutschland aus, lehnte den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung ab, stellte fest, dass der Antragsteller unverzüglich
spätestens jedoch einen Monat nach Zustellung der Verfügung die Bundesrepublik
Deutschland zu verlassen habe und drohte ihm die Abschiebung nach Marokko an.
Zur Begründung ist auf eine strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers durch
das Landgericht Hanau wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit
sexueller Nötigung angeführt. Der Antragsteller legte Widerspruch ein, über den
bisher - soweit ersichtlich - nicht entschieden wurde. Ein einstweiliger
Rechtsschutzantrag des Antragstellers wurde mit Beschluss des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 02.03.2005 abgelehnt (Az.: 1 G
6775/04 (V)). Die erhobene Beschwerde wies der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18.04.2005 zurück (Az.: 9 TG 801/05).
Einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am
Main mit Beschluss vom 07.06.2005 zurück (Az.: 1 G 1760/05 (V)).
Am 28.06.2005 reichte der Antragsteller eine Petition beim Hessischen Landtag
ein. Mit Schreiben vom 14.07.2005 teilte das Hessische Ministerium des Innern
und für Sport mit, dass der Hessische Landtag am 14.07.2005 im Rahmen einer
Eilentscheidung nach § 104 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages von
einer Intervention gegen die beabsichtigte Rückführung des Antragstellers - trotz
noch nicht abschließend behandelter Petition - abgesehen habe und die begleitete
Rückführung daher wie geplant erfolgen könne.
Mit Antrag vom 19.07.2005 begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz.
Er vertritt die Auffassung, aufgrund des Erlasses des Hessischen Ministerium des
Innern vom 09.05.2005 dürften während des laufenden Petitionsverfahrens
Abschiebemaßnahmen nicht durchgeführt werden. Die Abschiebung sei maximal
sechs Monate auszusetzen. Im Rahmen der Bindung der Behörden an bestehende
Rechtsnormen sei die Antragsgegnerin verpflichtet, den Erlass vom 09.05.2005
umzusetzen und innerhalb der dort genannten Grenzen von
Abschiebemaßnahmen abzusehen und dem Antragsteller für diesen Zeitraum
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Abschiebemaßnahmen abzusehen und dem Antragsteller für diesen Zeitraum
eine Duldung zu erteilen.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Antragsgegnerin
anzuweisen, bis zur Entscheidung über die am 28.06.2005 vom Hessischen
Landtag eingereichte Petition von Abschiebemaßnahmen gegen den Antragsteller
abzusehen und dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Aufgrund der Weisung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport sei
die Abschiebung zwingend durchzuführen, da weder rechtliche noch tatsächliche
Gründe einer Abschiebung entgegenstünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, den Inhalt der vorgelegten Behördenvorgänge (2 Hefter) sowie
die bei gezogenen Akten der Verfahren 1 G 6775/04 (V) und 1 G 1760/05 (V)
Bezug genommen.
II.
Der nach § 123 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des
Antragstellers ist nicht begründet. Der Antragsteller hat zwar einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn die Antragsgegnerin plant eine
Abschiebung des Antragstellers vor Abschluss des Petitionsverfahrens. Der
Antragsteller hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein
Anordnungsanspruch des Antragstellers kann sich allein aus § 60 a Abs. 1
AufenthG i. V. m. dem Erlass des Hessischen Ministerium des Innern und für Sport
vom 09.05.2005 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Ein Anspruch des Antragstellers
kann sich nicht bereits aus § 60 a Abs. 1 AufenthG i. V. m. dem Erlass des
Hessischen Ministerium des Innern und für Sport vom 09.05.2005 ergeben, denn
die Anordnung begründet für die von ihr begünstigenden Ausländer keine
unmittelbaren Rechtsansprüche auf Erteilung einer Duldung. Diese haben lediglich
Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der von der obersten
Landesbehörde gebilligten praktischen Anwendung der Anordnung innerhalb des
Bundeslandes (vgl. insoweit BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 zur Härtefallregelung
nach § 32 AuslG a. F.). Vorliegend kann der Antragsteller aus dem Erlass vom
09.05.2005 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb nichts aus dem Erlass für sich
herleiten, weil er nicht (mehr) in den Anwendungsbereich des Erlasses fällt.
Zielrichtung des Erlasses ist nach Ziffer 3 im Falle der Einreichung einer
Ausländerpetition die Rechte des Betroffenen und des Ausschusses in
hinreichendem Maße zu wahren.
Für den Fall, dass - wie hier - ein tatsächliches oder rechtliches
Abschiebungshindernis nicht vorliegt wird angeordnet, die Abschiebung bis zum
Abschluss des Petitionsverfahrens und gegebenenfalls des Härteverfahrens
auszusetzen. Auf diese Vorschrift kann sich der Antragsteller jedoch nicht mehr
berufen. Denn im Falle des Antragstellers besteht kein Bedürfnis mehr, seine
Rechte und die des Ausschusses im Hinblick auf das laufende Petitionsverfahren
zu sichern. Denn der Hessische Landtag hat in seiner Sitzung am 14.07.2005 im
Rahmen einer Eilentscheidung nach § 104 der Geschäftsordnung des Hessischen
Landtages von einer Intervention gegen die beabsichtigte Rückführung des
Antragstellers - trotz noch nicht abschließend behandelter Petition - abgesehen.
Damit hat der Hessische Landtag von dem ihm nach § 104 der Geschäftsordnung
des Landtages zustehenden Recht, den Vollzug der Maßnahme bis zur
abschließenden Beschlussfassung des Landtages über die Petition auszusetzen
oder einstweilige Regelungen in Bezug auf den Gegenstand von Petitionen zu
treffen dahingehend Gebrauch gemacht, den Vollzug der Abschiebung des
Antragstellers nicht aussetzen zu lassen. Da somit die Rechte des Ausschusses im
Hinblick auf die bei ihm eingereichte Petition und die Rechte des Antragstellers -
die nicht weiter gehen, als die Rechte des Ausschusses - gewahrt sind, hat sich der
Anwendungsbereich des Erlasses des Hessischen Ministerium des Innern und für
Sport vom 09.05.2005 erschöpft und der Antragsteller kann sich nicht mehr auf
den Erlass berufen. Da der Erlass in Ziffer 3 ausdrücklich davon spricht, dass er
der Wahrung der Rechte des Betroffenen und des Ausschusses dient und keine
weitergehenden Ziele verfolgt, besteht auch kein Bedürfnis dafür, dem
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weitergehenden Ziele verfolgt, besteht auch kein Bedürfnis dafür, dem
Antragsteller ein weitergehendes Bleiberecht bis zur formellen Entscheidung über
die Petition einzuräumen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen, da er unterlegen ist (§
154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG, wobei das
Gericht wegen der geringeren Bedeutung des Eilverfahrens von der Hälfte des
Auffangstreitwertes ausgeht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.