Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 22.09.2008

VG Frankfurt: ausbildung, sparkasse, offenlegung, unentgeltlich, treuhandverhältnis, gestaltung, berechtigter, einzahlung, verfügung, innenverhältnis

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Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 1737/08.F
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 S 1 Nr 2 BAföG, §
27 BAföG, § 166 VwGO
Antrag auf Prozesskostenhilfe für Ausbildungsförderung
trotz vorhandenem Sparguthaben
Leitsatz
Wer im Hinblick auf eine geplante Ausbildung unentgeltlich Vermögen überträgt,
handelt rechtsmissbräuchlich; ihm kann das Übertragene weiterhin als Vermögen
zugerechnet werden.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin N. aus Frankfurt am Main wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §
166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO.
Dies hat der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 21.05.2008
ausführlich und zutreffend dargelegt, so dass zum Zwecke der Vermeidung von
Wiederholungen darauf zunächst Bezug genommen wird.
Soweit der Kläger in der Klageschrift darlegt, dass es sich bei den 11.232,61 Euro,
die sich auf dem Sparkonto Nummer ... bei der Sparkasse O. befunden hatten, zu
keinem Zeitpunkt um eigenes Vermögen gehandelt habe, vermag sich dem das
Gericht nicht anzuschließen.
Nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BAföG gelten als Vermögen (auch) alle Forderungen
und sonstige Rechte des Auszubildenden. Ausgenommen sind nach § 27 Abs. 1 S.
2 BAföG Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht
verwerten kann. Nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts [Urteil
vom 17.01.1991 - BVerwGE 87, 284(288)] kann im Rahmen des § 27 Abs. 1 S. 2
BAföG entscheidend nur sein, ob ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff des
Auszubildenden oder der zu seiner Vertretung berechtigten Personen rechtlich und
tatsächlich - ganz oder teilweise - objektiv möglich ist oder nicht. Vertragliche
Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt
lassen, können somit angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher
Ausbildungsförderung, wonach individuelle Ausbildungsförderung nur dann
beansprucht werden kann, wenn dem Auszubildenden die für seinen
Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur
Verfügung stehen (§ 1 Abs. 2 BAföG), die Herausnahme aus der
Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem bei der Sparkasse O. errichteten
Sparkonto um ein Konto des Klägers. Hierfür ist maßgebend, wer nach dem
erkennbaren Willen der die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der
Bank werden soll (BGH, Urteil vom 02.02.1994 - FamRZ 1994, 625). Dies ist hier
ausweislich des Kontoeröffnungsformulars vom 08.02.2001 (Bl. 120 BA) eindeutig
der Kläger. Mit der Einzahlung eines bestimmten Betrages aus seinem - oder
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der Kläger. Mit der Einzahlung eines bestimmten Betrages aus seinem - oder
fremdem - Vermögen auf dieses Konto erwirbt der Kläger als Kontoinhaber ein
entsprechendes Recht gegen die Bank aus dieser Gutschrift [BGH, Urteil vom
02.02.1994 - a. a. O.; Urteil vom 25.04.2005 - FamRZ 2005, 1168 (1169)].
Schließlich kommt es auch auf den von dem Kläger behaupteten Umstand, dass
er im Innenverhältnis zu seinen (Adoptiv) Eltern nicht materiell Berechtigter des
Sparguthabens gewesen sei, nicht an. Solche Bindungen, Beschränkungen oder
interne Abreden, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, können
grundsätzlich - wie dargelegt - angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit
staatlicher Ausbildungsförderung die Herausnahme aus der
Vermögensanrechnung nicht begründen (vergleiche Bundesverwaltungsgericht,
Urteil vom 17.01.1991 - a. a. O.; Beschluss vom 16.02.2000 - 5 B 182/99 - Juris)
und bewirken daher rechtlich gesehen kein Verwertungshindernis im Sinne des §
27 Abs. 1 S. 2 BAföG. Ein Treuhandverhältnis kann in diesem Zusammenhang
grundsätzlich nur dann anerkannt werden, wenn ein gewisses Maß an
Förmlichkeiten für die Nachweisbarkeit desselben erfüllt ist. Dies gilt insbesondere
für Verträge zwischen nahen Angehörigen, die hinsichtlich der Gestaltung und der
tatsächlichen Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen müssen
(sogenannter Fremdvergleich). Dazu zählt insbesondere die Offenlegung der
Treuhandschaft. Wer indes als verdeckter Treuhänder der Rechtsschein der
Vermögensinhaberschaft erzeugt, muss sich hieran auch im Rahmen der
Bedürftigkeitsprüfung durch das Amt für Ausbildungsförderung festhalten lassen.
Denn ohne Offenkundigkeit des Treuhandcharakters besteht von vornherein keine
hinreichende Rechtfertigung für die Versagung des Zugriffs auf ein Treuhandkonto,
sei es durch Gläubiger des Treuhänders, sei es durch Sozialleistungsträger. Im
Hinblick auf die Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung ist es Pflicht des
Auszubildenden, durch Offenlegung und Nachweis der behaupteten verdeckten
Treuhand die daran rechtlich gesehen nicht gegebene objektive
Zugriffsmöglichkeit auf formal ihm zugerechnetes Vermögen klarzustellen.
Dieses Vermögen des Klägers im förderungsrechtlichen Sinn befand sich zwar zum
Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung am 09.10.2003 nicht mehr auf dem
Sparkonto des Klägers bei der Sparkasse O., weil der Kläger dieses Konto am
11.06.2003 aufgelöst hatte und das Guthaben an seine Adoptiveltern überwiesen
hatte.
Dennoch kann dem Kläger dieses Guthaben weiterhin als Vermögen zugerechnet
werden, da die Vermögensübertragung rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.01.1983 - FamRZ
1983, 1174 (1175); vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 05.05.2008 - 12 ZB 07.1578
- Juris) handelt ein Auszubildender rechtsmissbräuchlich, wenn er im Hinblick auf
eine konkret geplante oder schon begonnene Ausbildung, für die
Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden soll, Vermögen an einen
Dritten unentgeltlich überträgt, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und seine
Ausbildung einzusetzen, um durch die Übertragung eine Vermögensanrechnung
zu vermeiden. Der Auszubildende muss dabei nicht subjektiv verwerflich handeln.
Es genügt - wie hier - der zeitliche Zusammenhang zwischen Vermögensverfügung
und Antragstellung, das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung sowie der
Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.