Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.10.2006

VG Frankfurt: fahrzeug, treu und glauben, aufschiebende wirkung, kennzeichen, zustellung, behörde, halter, unverzüglich, amtshandlung, anzeige

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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 1079/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 23 Abs 1b StVZO, § 27 Abs 3
StVZO, § 29d Abs 2 StVZO, §
1 Abs 1 StGebO, § 6a StVG
Kostentragung von Maßnahmen im Straßenverkehr bei
Fahrzeugen mit Saisonkennzeichen gegen ehemaligen
Halter.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger war Halter des Pkw' s mit dem amtlichen Kennzeichen ... Das Fahrzeug
hatte ein Saisonkennzeichen, gültig bis November. Bei der Zulassungsbehörde der
Beklagten ging am 15.12.2005 eine Anzeige der Zürich-Versicherung ein, wonach
für das genannte Fahrzeug seit dem 08.09.2005 kein Versicherungsschutz mehr
bestehe. Daraufhin forderte die Oberbürgermeisterin - Zulassungsbehörde - der
Beklagten mit Bescheid vom 15.12.2005 den Kläger unter Androhung der
zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges auf, unverzüglich, spätestens
jedoch binnen 5 Tagen nach Zustellung - der Zulassungsbehörde - eine neue
Versicherungsbestätigungskarte gemäß § 29 a StVZO vorzulegen oder gemäß §
29 d Abs. 1 StVZO den Fahrzeugschein abzuliefern sowie die Kennzeichenschilder
zur Entstempelung vorzulegen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 19.12.2005
zugestellt. Nachdem die in der Verfügung gesetzte Frist abgelaufen war, leitete die
Oberbürgermeisterin der Beklagten am 28.12.2005 Maßnahmen zur
Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges ein. Dabei wurden in der Zeit vom
29.12.2005 bis zum 05.01.2006 insgesamt 5 Ermittlungen vor Ort durchgeführt
und das Fahrzeug am 10.01.2006 zur Fahndung ausgeschrieben. Mit Bescheid
vom 19.01.2006 erhob die Oberbürgermeisterin der Beklagten Kosten in Höhe von
314,86 €, die sich wie folgt aufteilen: Verwaltungsgebühr von 22,48 € zuzüglich
Auslagen in Höhe von 5,60 € für den Bescheid vom 15.12.2005; 281,18 € für die
Maßnahmen der Außerbetriebsetzung sowie 5,60 € für die Zustellung des
Bescheides vom 19.01.2006. Der mit einer ordnungsgemäßen
Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid wurde dem Kläger mittels
Postzustellungsurkunde am 25.01.2006 zugestellt. Mit einem an die Beklagte
gerichteten Schreiben vom 28.01.2006 hat der Kläger Einspruch und Klage gegen
den Bescheid vom 19.01.2006 erhoben. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen aus, er habe das Fahrzeug bereits im September 2005 veräußert,
was er auf der Zulassungsbehörde mitgeteilt habe. Davon abgesehen habe für
das Fahrzeug nach November 2005 keine Versicherungspflicht mehr bestanden.
Mit Widerspruchsbescheid der Oberbürgermeisterin - Rechtsamt - der Beklagten
vom 27.02.2005 wurde der Widerspruch wegen fehlender Statthaftigkeit
zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 01.03.2006
zugestellt.
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Der Kläger hat am 20.03.2006 die vorliegende Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, die von der Beklagten im Dezember 2005
eingeleiteten Maßnahmen seien nicht erforderlich gewesen, da das Fahrzeug nur
über ein Saisonkennzeichen für die Monate September bis November verfügt
habe. Der Kläger behauptet, er habe der zuständigen Behörde der Beklagten am
22.09.2005 den Verkauf des Fahrzeuges mitgeteilt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 19.01.2006 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei bereits verfristet. Darüber hinaus
sei der angefochtene Gebührenbescheid auch rechtmäßigerweise ergangen.
Das Gericht den den Vorgang betreffenden Behördenhefter der Beklagten
beigezogen und ihm zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Obwohl der Kläger den Verhandlungstermin vom 17.10.2006 nicht wahrgenommen
hat, konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO eine Entscheidung ergehen, da der Kläger
bei der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne
ihn verhandelt und entschieden werden kann.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage zulässig ist. Da es der Kläger
unterlassen hat gegen den Bescheid vom 19.01.2006 innerhalb der Klagefrist
Klage zu erheben, wurde der Bescheid bestandskräftig. Der Eintritt der
Bestandskraft wurde nicht dadurch gehindert, dass der Kläger mit Schreiben vom
28-.01.2006 bei der Beklagten Widerspruch („Einspruch“) erhoben hat, da dieser
Widerspruch nicht statthaft war (vgl. § 16 a HessAGVwGO) und somit keine
aufschiebende Wirkung entfaltete (vgl. Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 80 Erl. 50/51). Für
eine Anfechtungsklage, die sich gegen einen bestandskräftigen Erstbescheid
richtet, fehlt jedoch grundsätzlich ein Rechtschutzinteresse. Ob dies im
vorliegenden Fall auch so wäre, ist jedoch fraglich. Dem Schreiben des Klägers an
die Beklagte vom 28.01.2006 lässt sich eindeutig erkennen, dass der Kläger auch
Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben wollte. Im Hinblick auf
die einer Behörde obliegenden Betreuungspflicht gegenüber dem Bürger (vgl. § 25
VwVfG) hätte die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die Klage
nicht bei ihr, sondern bei dem Verwaltungsgericht zu erheben ist. Da die Beklagte
dies unterlassen hat, könnte sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
verstoßen, wenn sie sich nunmehr auf die Unzulässigkeit der erhobenen Klage
beruft. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da die Klage auf jeden Fall
nicht begründet ist.
Der Gebührenbescheid vom 19.01.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
dadurch nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung ist § 6 a
StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
(GebOSt) und Abschnitt 2 A Ziff. 4 Gebühren-Nr. 254 des Gebührentarifs für
Maßnahmen im Straßenverkehr.
Der Kostenheranziehung des Klägers liegt zunächst eine rechtmäßige
Aufforderung zur Vorlage einer neuen Versicherungsbestätigung bzw. Stilllegung
des Fahrzeuges zugrunde. Diese mit Verfügung vom 15.12.2005 getroffene
Anordnung beruht auf § 29 d Abs. 2 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung,
wonach die Zulassungsstelle, wenn sie durch eine Anzeige des Versicherers
erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz
entsprechende Kraftfahrhaftpflichtversicherung besteht, unverzüglich den
Fahrzeugschein einzuziehen und das Kennzeichen zu entstempeln hat. Diese
Befugnis umfasst auch die Aufforderung zur Vorlage einer neuen
Versicherungsbestätigung, die als geringerer Eingriff vor weitergehenden
Maßnahmen regelmäßig zu erfolgen hat (OVG Hamburg, Urt. v. 14.08.2001 - 3 Bs
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Maßnahmen regelmäßig zu erfolgen hat (OVG Hamburg, Urt. v. 14.08.2001 - 3 Bs
385/00, veröffentlicht in Juris). Die Voraussetzungen des § 29 b Abs. 2 S. 1 StVZO
war zum Zeitpunkt der Vorname der in Rede stehenden Amtshandlung erfüllt. Im
vorliegenden Fall hatte die Zürich-Versicherung der Zulassungsstelle der
Beklagten am 15.12.2005 angezeigt, dass für das betreffende Fahrzeug seit dem
08.09.2005 ein Versicherungsschutz nicht mehr bestehe. Entgegen der
Auffassung des Klägers wird auch das mit eine Saisonkennzeichen zugelassene
Fahrzeug von § 29 d Abs. 2 StVZO erfasst. Die Vorschrift bezieht sich auf die in §
29 d Abs. 1 S. 1 StVZO genannten Fahrzeuge, die von der Beklagten durch
Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens zum Verkehr auf öffentlichen Straßen
zugelassen sind. Das Saisonkennzeichen ist ein amtliches Kennzeichen im Sinne
der Straßenverkehrszulassungsordnung. Es wird dort ausdrücklich als amtliches
Kennzeichen bezeichnet (§ 23 Abs. 1 b S. 1 StVZO). Die Eigenschaft als amtliches
Kennzeichen hat ein Saisonkennzeichen auch in der Zeit, in der das Fahrzeug
nach § 23 Abs. 1 b S. 2 StVZO auf öffentlichen Straßen nicht in Betrieb gesetzt
oder abgestellt werden darf. Der allgemeine Grundsatz, dass nur mit amtlichen
Kennzeichen zugelassene Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt
werden dürfen (§ 18 Abs. 1 StVZO) wurde für Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen
durch ein spezielles Betriebsverbot (§ 23 Abs. 1 b S. 2 StVZO) ergänzt, wonach
das Fahrzeug auf öffentlichen Straßen nur während des auf diesem Kennzeichen
angegebenen Zeitraums in Betrieb gesetzt oder abgestellt werden darf. Hiervon
zu unterscheiden ist jedoch die Geltung der Zulassung des Fahrzeuges. Durch die
Einführung des § 23 Abs. 1 b StVZO sollte gerade verhindert werden, dass die
Halter von Fahrzeugen mit Saisonkennzeichen nach Ablauf der jeweiligen
Betriebszeit das Fahrzeug vorübergehend stilllegen und zu Saisonbeginn wieder
zulassen müssen. Diese umständliche und im Hinblick auf die gebührenpflichtige
Wiederzulassung auch relativ kostspielige Verfahrensart wurde durch § 23 Abs. 1 b
StVZO im Interesse der Halter und gleichzeitig im Interesse der
Verwaltungsvereinfachung ersetzt. Der Stilllegung der „Saisonfahrzeuge“ und ihrer
Wiederzulassung bedarf es gerade nicht mehr. Daraus ist zu folgern, dass auch
ihre Zulassung als solche durch das Ende des geltenden Betriebszeitraums nicht
berührt wird (OVG Hamburg, a.a.O.).
Da der Kläger der für sofort vollziehbar erklärten Anordnung vom 15.12.2005 nicht
innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen ist, war die Zulassungsbehörde
der Beklagten berechtigt, am 28.12.2005 Maßnahmen zur zwangsweisen
Außerbetriebsetzung des betreffenden Fahrzeuges einzuleiten. Bei dieser
Maßnahme handelt es sich um eine sonstige Anordnung nach der
Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung, die nach Nr. 254 des Gebührentarifs für
Maßnahmen im Straßenverkehr eine - neben die Gebühr für den Erlass der
Stilllegungsverfügung tretende - eigenständige Gebühr entstehen lässt. Der
Gebührenpflicht steht nicht entgegen, dass eine zwangsweise
Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs des Klägers nicht durchgeführt wurde, weil
das Fahrzeug bei den Ermittlungen vor Ort nicht aufgefunden werden konnte. Aus
S. 2 der Nr. 254, wonach die Gebühr auch fällig wird, wenn die Voraussetzungen für
die Anordnungen erst nach Einleiten der Maßnahme beseitigt sowie nachgewiesen
worden sind, ergibt sich eindeutig, dass die Einleitung der Zwangsmaßnahme
bereits den Gebührentatbestand auslöst (BVerwG, Urt. v. 29.11.1974, Buchholz
442, 16, Nr. 1 zu § 29 d StVZO, S. 6).
Der Kläger ist auch Kostenschuldner im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 der
Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Da der Kläger nicht
bewiesen hat, dass er seine Verpflichtung aus § 27 Abs. 3 StVZO nachgekommen
ist, nämlich unverzüglich die Veräußerung des Fahrzeuges der Zulassungsbehörde
anzuzeigen, konnte die Zulassungsbehörde mangels Kenntnis von dem
Halterwechsel Maßnahmen zunächst nur gegen den Kläger richten. Erst wenn der
Veräußerer die Behörde von der Veräußerung unterrichtet hat, entfällt seine
gebührenrechtliche Verantwortung dafür, dass die Behörde bei Fehlen des
Versicherungsschutzes weiterhin ihn ordnungsrechtlich in Anspruch zu nehmen
versucht (VG Frankfurt am Main, NZV 1992, 255, 256, VG Leipzig, NVwZ-RR. 2004,
S. 87, VG Potsdam, Urt. v. 30.03.2006 - 10 K 649/03, veröffentlicht in Juris). Soweit
der Kläger in diesem Zusammenhang vorgebracht hat, er habe der
Zulassungsbehörde bereits am 22.09.2005 die Veräußerung des Fahrzeuges
mitgeteilt, wird eine solche Mitteilung von der Beklagten in Abrede gestellt. Dem
beigezogenen Verwaltungsvorgang lässt sich eine solche Mitteilung nicht
entnehmen; einen anderweitigen Nachweis für seine Behauptung hat der Kläger
nicht erbracht.
Die Höhe der mit dem Kostenbescheid geforderten Gebühren ist nicht zu
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Die Höhe der mit dem Kostenbescheid geforderten Gebühren ist nicht zu
beanstanden. In Anbetracht des mit der Amtshandlung verbundenen
Verwaltungsaufwandes und deren Bedeutung für den Kläger als
Gebührenschuldner (vgl. § 9 Abs. 1 Bundes-Verwaltungskostengesetz) ist die für
den Erlass der Anordnung vom 15.12.2005 erhobene Gebühr von 22,48 € nicht zu
beanstanden. Diese Gebührenhöhe hält sich am unteren Rand der gemäß § 1 Abs.
1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr i.V.m. Nr. 254 des
Gebührentarifs festgelegten Rahmengebühr von 14,30 bis 286,- €.
In Anbetracht des mit der Amtshandlung verbundenen erheblichen
Verwaltungsaufwandes hält das Gericht auch die festgesetzte Gebühr in Höhe von
281,18 € für die Maßnahmen zur zwangsweisen Außerbetriebsetzung nicht für
unangemessen. Aus der vorgelegten Behördenakte ergibt sich, dass der
Ermittlungsdienst der Beklagten an insgesamt 5 Tagen den Kläger an seiner
Wohnanschrift aufgesucht hat, ohne dass dieser oder das Fahrzeug angetroffen
wurde. Daraufhin leitete die Zulassungsbehörde am 10.01.2006 eine
Suchfahndung nach dem Fahrzeug ein. Unter Berücksichtigung dieses Aufwandes
ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in solchen Fällen den hier
eröffneten Gebührenrahmen nahezu ausschöpft.
Die für die Zustellung des Bescheides vom 15.12.2005 und die Zustellung des
Gebührenbescheides vom 19.01.2006 entstandenen Kosten in Höhe von jeweils
5,60 € hat der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr ebenfalls zu tragen.
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO):
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.