Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 06.11.2007

VG Frankfurt: die post, steuer vom einkommen, nachforderung, ausbildung, freibetrag, existenzminimum, vollstreckung, gewerbe, baurecht, erfüllung

1
2
3
Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 4869/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 113 HwO
Keine Ausrichtung des Grundbeitrages der
Kammerzugehörigen an bestimmter Gewinnhöhe des
Handwerksbetriebes.
Leitsatz
Eine Handwerkskammer ist nicht verpflichtet, den geschuldeten Grundbeitrag ihrer
Kammerzugehörigen so auszugestalten, dass er zwecks Sicherung des
Existenzminimums bis zu einer bestimmten Höhe des Gewerbesteuermeßbetrags,
Gewerbeertrags oder Gewinns beitragsfrei bleibt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn die Kostengläubigerin nicht vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Friseurmeister und wendet sich gegen seine Heranziehung zum
Kammerbeitrag für das Jahr 2006 sowie gegen die Korrektur der Kammerbeiträge
für die Jahre 2002 bis 2005 und gegen die Heranziehung zu Beiträgen für die
Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU).
Die Beklagte nahm den Kläger durch Bescheid vom 11. Juni 2004 (Bl. 75 f. d.A.) auf
einen Beitrag für die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für das Jahr 2004 in
Höhe von 185,38 Euro, durch Bescheid vom 21. Februar 2005 (Bl. 77 d.A.) für das
Jahr 2005 auf einen Beitrag in Höhe von 119,00 Euro und durch Bescheid vom 6.
März 2006 (Bl. 78 d.A.) für das Jahr 2006 auf einen Beitrag in Höhe von 138,00
Euro in Anspruch. Durch Bescheid ebenfalls vom 6. März 2006 (Bl. 79 d.A.) wurde
der vom Kläger zu zahlende Kammerbeitrag auf 133,00 Euro festgesetzt. Den
Widerspruch des Klägers vom 11. Juli 2004 gegen den ÜLU-Finanzierungsbeitrag
2004 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. September 2006 (Bl.
15 - 18 d.A.) ebenso zurück wie den Widerspruch des Klägers vom 10. April 2006
gegen die ÜLU-Finanzierungsbeiträge 2005 (Bl. 11 - 14 d.A.) und 2006 (Bl. 7 - 10
d.A.) sowie den Kammerbeitrag 2006 (Bl. 3 - 6 d.A.). Sämtliche
Widerspruchsbescheide wurden dem Kläger durch die Post mit Zustellungsurkunde
am 11. Oktober 2006 bekanntgegeben.
Am 25. Oktober 2006 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am
Main Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen anführt, die
Bescheide verletzten ihn - der verheiratet sei und zwei unterhaltspflichtige Kinder
habe - in seinem verfassungsmäßig garantierten Anspruch auf Sicherung des
Existenzminimums. Während hinsichtlich des Kammerbeitrags für den
Zusatzbeitrag ein Freibetrag von 12.800,- Euro angesetzt werde, sei für den
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Zusatzbeitrag ein Freibetrag von 12.800,- Euro angesetzt werde, sei für den
Grundbeitrag keinerlei Freibetrag vorgesehen; die Höhe der jeweils geschuldeten
Grundbeiträge von 133,- Euro bis 249,- Euro richte sich nicht nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Entsprechendes gelte für die Heranziehung zu
den ÜLU-Beiträgen, wo lediglich ein Freibetrag in Höhe von 5.200,- Euro
vorgesehen sei; zudem flössen diese Beiträge ausschließlich in
Technologiezentren bzw. technisch hoch ausgestatteter Zentren, während Friseure
- wie er - ohne teuere Ausstattung auskämen und deshalb nicht beispielsweise mit
Kfz-Betrieben gleichgestellt werden könnten.
Durch Bescheid vom 30. November 2006 wurden aufgrund von Änderungen bzw.
Neufestsetzungen der Bemessungsgrundlage durch das zuständige Finanzamt
zunächst die Kammerbeiträge für die Jahre 2002 bis 2006 neu festgesetzt (vgl. Bl.
45 d.A.); während der Kammerbeitrag für das Jahr 2006 unverändert blieb, wurden
für das Jahr 2005 eine Nachforderung in Höhe von 10,00 Euro, für das Jahr 2003 in
Höhe von 12,00 Euro und für das Jahr 2002 in Höhe von 3,00 Euro geltend
gemacht, wo hingegen das Jahr 2004 mit einer Gutschrift von 7,- Euro schloss.
Darüber hinaus wurden für die Jahre 2005 und 2006 die ÜLU-Beiträge neu
festgesetzt (vgl. Bl. 146 d.A.); dabei wurde für das Jahr 2005 eine Nachforderung in
Höhe von 62,73 Euro und für das Jahr 2006 eine Nachforderung in Höhe von 36,49
Euro geltend gemacht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies
die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 9. Februar 2007 sowohl
hinsichtlich der Kammerbeiträge (Bl. 137 - 144 d.A.), also auch hinsichtlich der
ÜLU-Beiträge (Bl. 130 - 136 d.A.) zurück. Bekanntgegeben wurden beide
Widerspruchsbescheide dem Kläger im Wege der Zustellung an seine
Bevollmächtigte durch die Post mit Zustellungsurkunde am 15. Februar 2007. Mit
Schriftsatz vom 12. März 2007 hat der Kläger seine Klage auch auf die unter dem
30. November 2006 erfolgten Bescheidungen erstreckt.
Die Kammer hat durch Beschluss vom 10. September 2007 das Verfahren auf den
Vorsitzenden als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Der Kläger beantragt,
die Beitragsbescheide der Beklagten vom 11. Juni 2004, 21. Februar 2005 und
6. März 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2006,
geändert durch den Bescheid vom 30. November 2006 und den Bescheid vom 30.
November 2006, soweit er die Handwerkskammerbeiträge für die Jahre 2004 bis
2005 betrifft, in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Februar 2007
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung weist die Beklagte unter anderem darauf hin, dass sämtliche
Bescheide auf rechtmäßigen Beschlüssen ihrer Vollversammlung in Verbindung
mit der Beitragsordnung sowie § 113 der Handwerksordnung beruhten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten sowie den der von der Beklagten vorgelegten Konvolute (zwei
Hefter) Bezug genommen, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden ist.
Entscheidungsgründe
Die - abgesehen von der Korrektur des Kammerbeitrags für das Jahr 2004 -
zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet (I.) und deshalb
kostenpflichtig (II.) und hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, indes mit
Abwendungsbefugnis (III.) abzuweisen, wobei die Berufung hiergegen nicht
zuzulassen ist (IV.).
I.
Zu Recht zieht die Beklagte den Kläger zu Kammerbeiträgen (A.) und Beiträgen für
die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (B.) heran.
A.
Der Kläger betreibt als Friseurmeister selbständig ein Handwerk als stehendes
Gewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage A Nr. 38 der
15
16
17
18
19
Gewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage A Nr. 38 der
Handwerksordnung (HwO), ist daher nach § 90 Abs. 2 HwO Pflichtmitglied der
Beklagten und schuldet so nach Maßgabe des § 113 HwO seinen Kammerbeitrag.
Entgegen der Ansicht des Klägers erfolgt seine Heranziehung für das Jahr 2006
ebenso rechtmäßig wie die Korrektur seiner Heranziehungen für die Jahre 2002 bis
2005; soweit der Kläger die Korrektur seines Kammerbeitrags für das Jahr 2004
anficht, ist seine Klage indes mangels Beschwer unzulässig, denn die insoweit
allein zu überprüfende Korrektur führte zu einer um 7,- Euro herabgesetzten
Heranziehung. Dem Kläger steht weder ein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte
bei der Bemessung der Kammerbeiträge ein beitragsfrei bleibendes
Existenzminimum anzusetzen hat (1.) noch sprechen andere Umstände gegen die
materielle Rechtmäßigkeit der Heranziehung (2.).
1. Das von Verfassungs wegen bei der Erfüllung der Einkommenssteuerschuld zu
berücksichtigende Existenzminimum (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss
des Zweiten Senats vom 25. September 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91 -, BVerfGE 87,
153) ist auf das für die Beklagte geltende Beitragsrecht nicht zwingend zu
übertragen, denn es handelt sich hier um einen Grundsatz, der allein für die direkt
erhobene Steuer vom Einkommen gilt und bereits für indirekt erhobene Umsatz-
und Verbrauchssteuern keine Entsprechung findet. Beiträge, die der Kläger zur
Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb aufbringt, sind damit als
Betriebsausgaben steuerlich absetzbar, doch muss ihre Entstehung nicht an die
Erzielung einer bestimmten Gewinnhöhe geknüpft werden.
2. Andere Gründe, die der Heranziehung des Klägers zum Kammerbeitrag
entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst hinsichtlich der
satzungsmäßigen Grundlage (a.), darüber hinaus aber ebenso für die individuelle
Heranziehung des Klägers (b.).
a. Gründe, die gegen die Wirksamkeit der satzungsmäßigen Grundlage der
Beitragserhebung sprechen, sind weder substantiiert vorgebracht worden noch
sonst ersichtlich. § 113 Abs. 2 Satz 2 HwO ermöglicht ausdrücklich eine Staffelung
nach der Leistungskraft der beitragspflichtigen Kammerzugehörigen. Die
Konzeption, wie sie für die Beitragsfestsetzung 2006 auf Blatt 79R der Akten
ersichtlich ist, ist deshalb von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere
bestehen keine Bedenken gegen die Kappung der Staffelung bei einem im Jahre
2003 erzielten Gewerbeertrag von 61.500,- Euro. Derartige Kappungen sind der
Rechtsordnung in ganz unterschiedlichen Bereichen vertraut und prinzipiell
möglich (vgl. beispielsweise Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Ersten
Senats vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 910, 1389/05 - zu § 22 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, abrufbar über www.bverfg.de, Absatz-Nr. 102);
dass aufgrund der Struktur der Gewerbeerträge der Kammerangehörigen im Jahr
2003 die getroffene Staffelung einschließlich der Kappungsgrenze willkürlich sei
und den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werde, um den durch die
Kammerzugehörigkeit vermittelten Vorteil abzugelten, ist nicht ersichtlich.
Entsprechendes gilt für die Bemessung des Zusatzbeitrags mit 0,9% vom
Gewerbeertrag. Dass die Beklagte hierbei einen Freibetrag von 12.800,-Euro
ansetzt ist bei rechtlicher Überprüfung ebenso wenig zu beanstanden, wie dass sie
dies beim Grundbetrag nicht getan hat.
b. Fehler, die bei der individuellen Bemessung des vom Kläger für das Jahr 2006 zu
zahlenden Kammerbeitrags oder der Korrekturen für die Jahre 2002 bis 2005 -
unbeschadet der Unzulässigkeit einer Anfechtung der Gutschrift für das Jahr 2004 -
eingetreten sein könnten, sind nicht festzustellen. Zur Mitteilung der für die
Berechnung erforderlichen Grundlagen war die Finanzverwaltung nach § 113 Abs. 2
Satz 3 HwO i.V.m. § 31 der Abgabenordnung berechtigt und verpflichtet. Die
Nachforderung von 3,- Euro für das Jahr 2002 ist - entgegen der Ansicht des
Klägers - nicht verjährt, denn nach § 11 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten
(Bl. 127, 126 d.A.) beläuft sich die Verjährungsfrist auf fünf Jahre; auf Seite 6 f. des
Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2007 wegen der
Handwerkskammerbeiträge 2002, 2003, 2004 und 2005 wird nach § 117 Abs. 5
VwGO Bezug genommen (Bl. 142 f. d.A.).
B.
Ebenso zu Recht wird der Kläger zu Beiträgen für die überbetriebliche
Lehrlingsunterweisung für die Jahre 2004 bis 2006 herangezogen. Es ist
höchstrichterlich geklärt, dass die Kosten der von der Beklagten organisierten
überbetrieblichen Ausbildung als Sonderbeitrag zu den nach § 113 Abs. 1 HwO
20
21
22
überbetrieblichen Ausbildung als Sonderbeitrag zu den nach § 113 Abs. 1 HwO
umlagefähigen Kosten der Tätigkeit einer Handwerkskammer zählen (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1989 - 1 C 7.98-, BVerwGE
108, 169 [175 ff.]). Dabei ist es nicht nur mit dem Äquivalenzprinzip und dem
Gleichheitssatz vereinbar, die Kosten der überbetrieblichen Ausbildung auf alle
Betriebsinhaber umzulegen, für deren Berufe die Beklagte überbetriebliche
Ausbildung beschlossen hat, sondern können darüber hinaus auch diejenigen
Berufe herangezogen werden, für die keine überbetriebliche Ausbildung
beschlossen worden ist. Wie bei der Heranziehung zu den Kammerbeiträgen ist die
Beklagte auch hier nicht gehalten, erst ab einem bestimmten Gewerbeertrag
diese Kosten geltend zu machen. Dass die Vorteilsbemessung mit dem Grund-
und Zusatzbeitrag für das Gewerk der Friseure in Höhe von 155,- Euro sowie
0,45% des Gewerbeertrags des Jahres 2004 dem Äquivalenzprinzip und
Gleichheitssatz in einer Art und Weise widerspreche, dass sie nicht haltbar sei, ist
nicht festzustellen. Soweit der Kläger auf Kfz-Betriebe verweist, haben die Gewerke
der Karosserie- und Fahrzeugbauer sowie Kraftfahrzeugmechaniker zwar mit
0,45% den gleichen Zusatzbeitrag, doch liegen sie mit Grundbeiträgen von 295,-
Euro sowie 395,- Euro deutlich über dem Grundbeitrag des Klägers. Bei einer
Betrachtung der übrigen, auf der Rückseite der Beitragsbescheide für die
überbetriebliche Lehrlingsunterweisung angeführten Gewerke lassen sich
signifikante Unterschiede, die eine weitere Amtsermittlung rechtfertigen könnten,
nicht feststellen; auch der Kläger hat insoweit keine dezidierten Anhaltspunkte
aufgezeigt.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 vwGO zu tragen,
weil er unterlegen ist.
III.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. § 167
Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
IV.
Gründe, aus denen nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO
die Berufung zuzulassen wäre, sind nicht ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.