Urteil des VG Düsseldorf vom 29.05.2001

VG Düsseldorf: anerkennung, international, wissenschaft und forschung, grundsatz der gleichbehandlung, merkblatt, europäisches recht, europäische konvention, klageänderung, bildungswesen

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 2072/99
29.05.2001
Verwaltungsgericht Düsseldorf
1. Kammer
Urteil
1 K 2072/99
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und besuchte bis zur Jahrgangsstufe 11 die
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxx xxxxxxxxx. Von August 1996 bis August 1998
besuchte sie das xxxxxxxxxxxxxxx in Großbritannien, das sie mit dem International
Baccalaureate abschloss. Ausweislich des ihr unter dem 14. August 1998 ausgestellten
Zeugnisses hatte die Klägerin dort im mathematischen Bereich das Fach "Mathematical
Studies" belegt. Die Abschlussprüfung in diesem Fach hatte sie bereits im Jahr 1997
abgelegt. Über die Erfordernisse des International Baccalaureate hinaus hatte die Klägerin
das Fach "Chemistry" im "higher level" belegt.
Mit Schreiben vom 15. Juni 1998 bat die Klägerin die Beklagte um Übersendung der
Formel für die Umrechnung der Noten des International Baccalaureate in das deutsche
Notensystem. Die Beklagte übersandte ihr daraufhin mit Schreiben vom 16. Juni 1998 ein
"Merkblatt für die Vereinbarung über die Anerkennung des International Baccalaureat
Diploma/Diplome du Baccalaureat International" und verwies auf die dortigen
Ausführungen zur Notenumrechnung.
Am 21. Oktober 1998 beantragte die Klägerin, ihr International Baccalaureate Diploma als
Hochschulzugangsberechtigung zur Aufnahme eines Studiums der Fachrichtung Medizin
in xxxxxx im Wintersemester 1998/99 anzuerkennen, hilfsweise die Anerkennung zur
Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit auszusprechen.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung
verwies sie darauf, dass nach § 6 Abs. 2 Verordnung über die Gleichwertigkeit
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verwies sie darauf, dass nach § 6 Abs. 2 Verordnung über die Gleichwertigkeit
ausländischer Vorbildungsnachweise mit dem Zeugnis der Hochschulreife
(Qualifikationsverordnung über ausländische Vorbildungsnachweise - AQVO) für
Anerkennungsanträge ausländischer Staatsangehöriger die jeweilige Hochschule
zuständig sei. Die in § 6 Abs. 3 AQVO vorgesehene Anerkennung zu anderen Zwecken
komme ebenfalls nicht in Betracht. Für die Anerkennung des International Baccalaureate
sei der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. März 1986 in der Fassung des
Beschlusses vom 27. Januar 1995 maßgeblich. In diesem Beschluss seien die Fächer
aufgeführt, die für eine Anerkennung im Rahmen des International Baccalaureate belegt
worden sein müssten. Die dort genannten mathematischen Fächer und das darüber hinaus
anerkannte Fach "Mathematical Methods" habe die Klägerin nicht belegt. Das von ihr
stattdessen belegte Fach "Mathematical Studies" sei nicht anerkannt.
Die Klägerin legte hiergegen am 9. November 1998 Widerspruch ein, den die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 1999 zurückwies. Zur Begründung wiederholte die
Beklagte im Wesentlichen die Ausführungen in dem Ablehnungsbescheid. Der
Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 1. März 1999 zugestellt. Sie hat hiergegen
am 24. März 1999 Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage macht sie geltend, die in § 6 Abs. 2 AQVO geregelte
Zuständigkeit der jeweiligen Hochschule verstoße gegen europäisches Recht. Im Übrigen
werde sie bald die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das von der Beklagten
übersandte Merkblatt sei unvollständig, da es das ebenfalls anerkannte Fach
"Mathematical Methods" nicht benenne. Wäre es vollständig gewesen, hätte sie
möglicherweise dieses Fach belegt. Außerdem sei das Merkblatt für Laien
missverständlich. Zwischen dem dort genannten Fach "Mathematics" und dem Fach
"Mathematical Studies" könnten Laien nicht unterscheiden. Überdies sei das Fach
"Mathematical Studies" mit dem (anerkannten) Fach "Mathematical Methods" vergleichbar.
Das Fach "Mathematical Studies" habe sie zwar schon 1997 mit Prüfung abgeschlossen,
doch habe sie dieses Fach mit doppelter Stundenzahl belegt.
Weiter habe die Beklagte in einem vergleichbaren Fall die begehrte Anerkennung wegen
Vertrauensschutzes ausgesprochen. Sie berufe sich auf den Grundsatz der
Gleichbehandlung. Auch sie habe einen Anerkennungsanspruch wegen
Vertrauensschutzes. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass der Beschluss der
Kultusministerkonferenz ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Das
xxxxxxxxxxxxxxx habe erst im Sommer 1997 von den Anforderungen Kenntnis erlangt.
Schließlich seien ihre Mathematikkenntnisse besser als die manch eines anderen Schülers
und habe sie zudem auf dem xxxxxxxxxxxxxxx freiwillig das Fach Chemie besucht und mit
einer Prüfung abgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 1998 und des
Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 1999 zu verpflichten, ihr International
Baccalaureat vom 14. August 1998 als einem deutschen Qualifikationsnachweis nach § 66
Abs. 1 Satz 2 Hochschulgesetz NRW gleichwertig anzuerkennen,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 1998 und des
Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 1999 zu verpflichten, ihren Antrag vom 21.
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Oktober 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
weiterhin hilfsweise,
festzustellen, dass ihr International Baccalaureat vom 14. August 1998 am
xxxxxxxxxxxxxxx in Großbritannien die Hochschulzulassung für das Medizinstudium
eröffnet und demgemäß nach § 3 Abs. 1 AQVO als ein ausländischer Vorbildungsnachweis
gilt, welcher als gleichwertig anerkannt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst darauf, dass für die Entscheidung nach § 6 Abs. 2 AQVO die
jeweilige Hochschule zuständig sei. Darin liege auch keine Diskriminierung ausländischer
Staatsangehöriger, da das für deutsche Staatsangehörige vorgeschriebene zentrale
Anerkennungsverfahren umständlicher und zeitaufwändiger sei. In der Sache verweist die
Beklagte darauf, dass nach § 2 Abs. 1 AQVO die Bewertungsvorschläge der Zentralstelle
für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz Grundlage
der Anerkennung ausländischer Zeugnisse seien. Der hier einschlägige Beschluss der
Kultusministerkonferenz vom 10. März 1986 in der Fassung vom 27. Januar 1995 nenne
die anerkannten Fächer mit ihren Originalbezeichnungen. Das von der Klägerin gewählte
Fach "Mathematical Studies" sei nicht anerkannt. Dieses Fach habe ein Niveau der
Sekundarstufe I und weise nur ganz geringe Anteile aus dem Stoff der 11. Klasse auf; es
fehlten wesentliche Gegenstände und Verfahren aus den Lernbereichen Analysis, lineare
Algebra, Geometrie und Stochastik, z.B. Bereiche der Differential- und Integralrechnung.
Hierzu hat die Beklagte die Lehrpläne der Fächer "Mathematical Studies" und
"Mathematical Methods" vorgelegt sowie eine Stellungnahme ihres Fachdezernenten für
Mathematik, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Die im Fach
"Mathematical Studies" vermittelte Qualifikation liege damit deutlich unter den für einen
Grundkurs obligatorischen Inhalten und Verfahren. Soweit über die in dem Beschluss der
Kultusministerkonferenz genannten Fächer hinaus das Fach "Mathematical Methods"
anerkannt werde, beruhe dies auf einem Beschluss der Arbeitsgemeinschaft "Bewertung"
vom 14. Mai 1997. Hieraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass auch das Fach
"Mathematical Studies" anerkannt würde. Weiter habe die Klägerin das Fach
"Mathematical Studies" bereits im Jahr 1997 abgeschlossen; nach dem genannten
Beschluss der Kultusministerkonferenz müsse aber jedes Fach durchgängig belegt
werden. Soweit in einem anderen Fall die Anerkennung des Abschlusses trotz der
Belegung des Fachs "Mathematical Studies" erfolgt sei, sei dies aus Gründen des
Vertrauensschutzes geschehen, weil der Vater des betreffenden Schülers bei einer Anfrage
vor Schulbeginn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, welche International
Baccalaureate-Fächer aus dem mathematischen Bereich anerkannt würden. Die Klägerin
könne sich nicht auf Gleichbehandlung berufen, weil sie vor ihrem Schulbesuch keine
Informationen erfragt habe. Sie sei auch nicht falsch beraten worden, weil sie in ihrem
Schreiben vom 15. Juni 1998 nur Informationen über die Notenberechnung begehrt habe.
Mit Beschluss vom 29. März 2001 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als
Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch
Beschluss der Kammer vom 29. März 2001 gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Hauptantrag ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.
Oktober 1998 und deren Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 1999 sind rechtmäßig
und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihres am 14. August 1998 am xxxxxxxxxxxxxxx in
Großbritannien erworbenen Abschlusses "International Baccalaureate" als einem
Qualifikationsnachweis gemäß § 66 Abs. 1 Hochschulgesetz NRW gleichwertig.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines ausländischen Vorbildungsnachweises als
einem deutschen Qualifikationsnachweis nach § 66 Abs. 1 Hochschulgesetz NRW
gleichwertig ist § 2 Verordnung über die Gleichwertigkeit ausländischer
Vorbildungsnachweise mit dem Zeugnis der Hochschulreife (Qualifikationsverordnung über
ausländische Vorbildungsnachweise - AQVO) vom 22. Juni 1983, zuletzt geändert durch
Verordnung vom 15. November 1984. Nach § 2 Abs. 1 AQVO erfolgt die Feststellung der
Gleichwertigkeit auf der Grundlage der Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für
ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, soweit diese vom
Kultusminister für das Land Nordrhein-Westfalen für verbindlich erklärt worden sind. Die
Beklagte ist nach § 6 Abs. 1 AQVO für die Anerkennung ausländischer
Vorbildungsnachweise deutscher Staatsangehöriger zuständig sowie nach § 6 Abs. 3
AQVO für die Anerkennung ausländischer Vorbildungsnachweise ausländischer
Staatsangehöriger oder Staatenloser zu anderen Zwecken als dem Besuch einer
Hochschule. Über die Anerkennung ausländischer Vorbildungsnachweise ausländischer
Staatsangehöriger oder Staatenloser für ein Studium entscheidet nach § 6 Abs. 2 AQVO
die Hochschule, an der der ausländische oder staatenlose Bewerber eingeschrieben wird
oder die Rechtsstellung eines Studenten erhält.
Nach diesen Maßstäben steht der Klägerin der geltend gemachte Anerkennungsanspruch
nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte für die begehrte Entscheidung
überhaupt zuständig ist; in jedem Fall sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AQVO
nicht erfüllt.
Maßgeblich für die Anerkennung des Abschlusses "International Baccalaureate Diploma"
nach § 2 Abs. 1 AQVO sind die in dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.
März 1986 in der Fassung vom 27. Januar 1995 genannten Kriterien. Dem steht nicht
entgegen, dass § 2 Abs. 1 AQVO auf die Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für
ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (ZaB) abstellt. Die ständige
Konferenz der Kultusminister der Länder dient der Zusammenarbeit der Länder im Bereich
des Schul- und Hochschulwesens und der allgemeinen Bildungspolitik und insbesondere
der gemeinsamen Willensbildung.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 6. Januar 1999 - 6 B 19/98 -,
veröffentlicht in juris: Instrument des "kooperativen Föderalismus"; ebenso Jülich, Grundriss
des Schulrechts Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1998, S. 29.
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Die Kultusministerkonferenz arbeitet und entscheidet in Plenarkonferenzen der Minister, in
der Amtschefkonferenz der Staatssekretäre und in verschiedenen Fachausschüssen. Ihre
laufenden Geschäfte werden von ihrem Sekretariat wahrgenommen,
Vgl. hierzu etwa Jülich, a.a.O.
Die bei dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz angesiedelte Zentralstelle für
ausländisches Bildungswesen ist demnach Teil der Kultusministerkonferenz und keine
gesonderte eigenständige Stelle, insbesondere keine Behörde. Ihre Zuordnung zum
Sekretariat der Kultusministerkonferenz macht vielmehr deutlich, dass sie - bezogen auf die
mit dem ausländischen Bildungswesen zusammenhängenden Fragen - die laufenden
Geschäfte in diesem Bereich wahrnimmt. Diese Aufgabenverteilung schließt es jedoch
nicht aus, dass die Kultusministerkonferenz in anderer Zusammensetzung über Fragen aus
diesem Bereich befindet. Eine Änderung der rechtlichen Qualität der Entscheidungen wird
hierdurch nicht bewirkt.
Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, die nur einstimmig gefasst werden können,
binden die Mitglieder der Kultusministerkonferenz als Ergebnis gemeinsamer
Willensbildung zunächst nur politisch. Rechtlich verbindlich werden sie erst durch die
Transformation in Landesrecht.
Jülich, a.a.O.
Gleiches gilt für die Bewertungsvorschläge der ZaB, die für den hier in Rede stehenden
Bereich durch § 2 Abs. 1 AQVO in Landesrecht transformiert werden. Angesichts des oben
beschriebenen institutionellen und funktionellen Zusammenhangs zwischen der
Kultusministerkonferenz und der ZaB ist allerdings davon auszugehen, dass der
Verordnungsgeber nicht nur die Bewertungsvorschläge der ZaB durch § 2 Abs. 1 AQVO in
Landesrecht transformieren wollte, sondern ebenso die in dem Bereich der Anerkennung
ausländischer Zeugnisse gefassten Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Ein
sachlicher Grund dafür, nur die Bewertungsvorschläge der ZaB, nicht aber die Beschlüsse
der Kultusministerkonferenz zu der Anerkennung ausländischer Vorbildungsnachweise für
verbindlich zu erklären, ist auch nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die ZaB nach
einem entsprechenden Beschluss der Kultusministerkonferenz auf Grund ihrer
hierarchischen Unterordnung unter diese nur noch dann einen eigenständigen Vorschlag
abgeben wird, wenn dies in dem jeweiligen Beschluss vorgesehen ist. Für eine
Berücksichtigung der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz im Rahmen des § 2 Abs. 1
AQVO spricht zudem, dass diese Beschlüsse auf Grund der erforderlichen Einstimmigkeit
stets auch eine entsprechende Äußerung des Verordnungsgebers der AQVO enthalten. Im
Übrigen macht § 2 Abs. 1 AQVO die Geltung der Bewertungsvorschläge der ZaB von einer
Anerkennung des Kultusministers abhängig; trägt dieser aber schon den Beschluss der
Kultusministerkonferenz mit, kann dieser Entscheidung die Anerkennung im Rahmen des §
2 Abs. 1 AQVO nicht versagt werden. Schließlich ist weder von der Klägerin vorgetragen
noch anderweitig ersichtlich, dass die Kultusministerkonferenz bei der hier maßgeblichen
Beschlussfassung von entsprechenden Bewertungsvorschlägen der ZaB abgewichen
wäre, dass diese also zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.
Der von § 2 Abs. 1 AQVO weiter geforderten Verbindlicherklärung durch den Kultusminister
bedarf es bei Beschlüssen der Kultusministerkonferenz, bei denen der Kultusminister
bereits bei der Entscheidungsfindung mitgewirkt hat, nicht. Im Übrigen läge eine solche
Verbindlicherklärung jedenfalls in den Verwaltungsvorschriften zu § 2 AQVO, dort Ziff. 2.1
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zu Abs. 1, wonach die Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für ausländisches
Bildungswesen - und damit aus den oben genannten Gründen auch die entsprechenden
Beschlüsse der Kultusministerkonferenz - für das Land Nordrhein-Westfalen verbindlich
sind, sofern das Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung im
Einzelfall nichts anderes bestimmt. Eine solche abweichende Bestimmung ist nicht
ersichtlich.
Eine allgemeine Bekanntgabe der Bewertungsvorschläge der ZaB sieht § 2 AQVO nicht
vor. Gleiches gilt für die entsprechenden Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, sodass
der Einwand der Klägerin, der hier maßgebliche Beschluss sei nicht ordnungsgemäß
bekannt gegeben worden, ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhilft. Soweit dem
Betroffenen deshalb ein Auskunftsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde
hinsichtlich der Voraussetzungen der begehrten Anerkennung zustehen dürfte, ist dieser
Anspruch - abgesehen von dem noch zu behandelnden Aspekt des Vertrauensschutzes -
nicht Gegenstand des Verfahrens.
Die in dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. März 1986 in der Fassung vom
27. Januar 1995 für die Anerkennung des "International Baccalaureate Diploma"
genannten Bedingungen erfüllt die Klägerin nicht. Die Anerkennung dieses Abschlusses
als Hochschulzugangsberechtigung setzt hiernach u.a. voraus, dass unter den sechs
Prüfungsfächern des "International Baccalaureate Diploma" im mathematischen Bereich
das Fach "Mathematics" oder das Fach "Advanced Mathematics" im Sinne der
Terminologie des International Baccalaureate sein müssen. Über diese Anforderungen
hinaus wird auch das Fach "Mathematical Methods" auf Grund einer entsprechenden
Empfehlung der Arbeitsgruppe "Bewertung ausländischer Bildungsnachweise und
Hochschulzulassung ausländischer Studienbewerber" bei der Kultusministerkonferenz
anerkannt. Diese Empfehlung beruht darauf, dass die beiden zuvor genannten
mathematischen Fächer im jeweils angebotenen Anspruchsniveau höhere Anforderungen
stellen als die eines Grundkurses in Deutschland.
Die Klägerin hat weder das Fach "Mathematics" noch das Fach "Advanced Mathematics"
oder das Fach "Mathematical Methods" belegt, sondern vielmehr das Fach "Mathematical
Studies". Damit sind die Anforderungen des genannten Beschlusses der
Kultusministerkonferenz nicht erfüllt.
Soweit die Klägerin geltend macht, das von ihr belegte Fach "Mathematical Studies" sei mit
dem Fach "Mathematical Methods" vergleichbar, verhilft auch dieses Vorbringen ihrer
Klage nicht zum Erfolg. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass sich der Lehrstoff
des Fachs "Mathematical Studies" auf dem Niveau der Sekundarstufe I bewegt und nur
geringe Anteile aus dem Stoff der 11. Klasse aufweist. So fehlen in diesem Fach
Gegenstände und Verfahren aus den Lernbereichen Analysis, Linear, Algebra, Geometrie
und Stochastik, z.B. Bereiche der Differential- und Integralrechnung. Die Beklagte hat
hierzu den Lehrplan des Fachs "Mathematical Studies" in dem Studienführer der
International Baccalaureate Organisation (Syllabus) vorgelegt und in Abgrenzung hierzu
den Lehrplan für das Fach "Mathematical Methods" sowie eine erläuternde Stellungnahme
ihres Fachdezernenten für das Fach Mathematik. Demgegenüber hat sich die Klägerin
darauf beschränkt, die Darlegungen der Beklagten zu den fehlenden
Unterrichtsgegenständen zu bestreiten und hierzu das Zeugnis des Schulleiters des
xxxxxxx xxxxxxx anzubieten. Den auf den jeweiligen Syllabus gestützten Ausführungen
des Fachdezernenten der Beklagten ist die Klägerin nicht weiter entgegen getreten.
Auf der Grundlage dieses Vorbringens der Beteiligten besteht für das Gericht kein Anlass,
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an der Sachkunde der Kultusministerkonferenz zu zweifeln. Auch weisen die in dem
Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. März 1986 in der Fassung vom 27. Januar
1995 normierten Anforderungen keine Widersprüche oder methodische Fehler auf und
schließlich hat die Klägerin auch nicht substantiiert dargetan, dass die
Kultusministerkonferenz bei ihrer Beschlussfassung insoweit von unzutreffenden oder
zwischenzeitlich überholten tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre. Dies aber
wäre Voraussetzung dafür, eine weitere gutachterliche Stellungnahme zu dem Inhalt und
dem Niveau des Fachs "Mathematical Studies" einzuholen.
Vgl. zu den entsprechenden Anforderungen an die Einholung eines weiteren Gutachtens
im Hinblick auf die Bewertungsvorschläge der ZaB, die gutachterlichen Stellungnahmen
gleichkommen, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 1 K
7884/99 -; ähnlich Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Entscheidung vom 13.
Oktober 2000 - 9 S 2236/00 -, NVwZ-RR 2001, 104 (106), wonach die
Bewertungsvorschläge der ZaB bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ausländischer
Bildungsabschlüsse Bindungswirkung im Sinne eines antizipierten
Sachverständigengutachtens entfalten.
Für die Frage der Anerkennung des International Baccalaureate-Abschlusses der Klägerin
kommt es nicht darauf an, über welchen individuellen Leistungsstand die Klägerin verfügt.
Die Anerkennung richtet sich nach allgemeinen, ohne Rücksicht auf die jeweilige Person
geltenden Kriterien. Auf die individuellen Fähigkeiten der Klägerin käme es im Rahmen der
Feststellungsprüfung beim Studienkolleg an, die jedoch nicht Gegenstand des
Rechtsstreits ist.
Soweit die Klägerin sich unter Hinweis auf das von der Beklagten herausgegebene
Merkblatt zu der Anerkennung des "International Baccalaureate Diploma" auf den
Grundsatz des Vertrauensschutzes beruft, rechtfertigt auch dies nicht die Anerkennung
ihres Abschlusses. Das von der Beklagten herausgegebene Merkblatt ist zwar insoweit
unrichtig, als hieraus nicht deutlich wird, dass über die Fächer "Mathematics" und
"Advanced Mathematics" hinaus auch das Fach "Mathematical Methods" anerkannt wird.
Diese Unterlassung begründet jedoch keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass
auch das Fach "Mathematical Studies" anerkannt würde. Zu diesem Fach verhält sich das
Merkblatt nicht. Allein die Tatsache, dass über die beiden in dem Merkblatt bzw. dem
entsprechenden Beschluss der Kultusministerkonferenz ausdrücklich genannten
mathematischen Fächer hinaus ein weiteres Fach anerkannt wird, rechtfertigt nicht den
Schluss, dass auch das vierte im Rahmen des International Baccalaureate angebotene
mathematische Fach anerkannt wird.
Darüber hinaus kann sich die Klägerin auch deshalb nicht auf den Gedanken des
Vertrauensschutzes berufen, weil das Merkblatt, selbst wenn man insoweit zu Gunsten der
Klägerin einen Vertrauenstatbestand annehmen wollte, jedenfalls für ihre Wahl des Faches
"Mathematical Studies" nicht ursächlich war. Die Klägerin hat dieses Merkblatt von der
Beklagten mit Schreiben vom 16. Juni 1998 auf ihre Anfrage vom 15. Juni 1998 hin
zugeschickt bekommen. Das Fach "Mathematical Studies" hatte sie jedoch ausweislich
des vorgelegten Abschlusszeugnisses bereits im Jahr 1997 mit der Abschlussprüfung
abgeschlossen. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung - erstmals - ausgeführt hat, dass er davon ausgehe, dass der Klägerin dieses
Merkblatt auch schon vor der Wahl des entsprechenden Kurses bekannt gewesen sei,
handelt es sich bei diesem Vorbringen ersichtlich um eine bloße Mutmaßung. Gleiches gilt
für den Vortrag zu dem angeblichen Kenntnisstand des xxxxxxxxxxxxxxxx hinsichtlich des
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genannten Merkblatts. Im Übrigen käme es auf den Letzteren schon deshalb nicht an, weil
es jedenfalls auch insoweit aus den genannten Gründen an einem durch das Merkblatt
begründeten Vertrauenstatbestand fehlt.
Der von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf
Anerkennung ihres am xxxxxxxxxxxxxxx erworbenen Abschlusses ergibt sich schließlich
auch nicht aus § 3 Abs. 1 AQVO.
Hiernach sind ausländische Vorbildungsnachweise ausländischer Staatsangehöriger oder
Staatenloser, die in Ländern erworben wurden, die die europäische Konvention über die
Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse vom 11. Dezember 1953 und das Zusatzprotokoll vom
3. Juni 1964 ratifiziert haben, sowie andere ausländische Vorbildungsnachweise
ausländischer Staatsangehöriger oder Staatenloser der Bewertungsgruppe I (im Sinne des
§ 2 Abs. 2 AQVO) als gleichwertig anerkannt, wenn diese im jeweiligen Land die
Hochschulzulassung für einen entsprechenden Studiengang eröffnen. Diese
Vorbildungsnachweise sind mithin schon durch die Verordnungen selbst anerkannt und
bedürfen dementsprechend nicht der Einzelanerkennung (so auch die
Verwaltungsvorschriften zu § 3 AQVO, Ziffern 3.1 zu Abs. 1). Dementsprechend kann sich
die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag begehrte Anerkennung ausländischer
Vorbildungsnachweise durch einen Anerkennungsbescheid der Beklagten nur zu den
Fällen des § 2 AQVO verhalten, nicht jedoch zu den Fällen des § 3 Abs. 1 AQVO. Insoweit
ist es der Klägerin unbenommen, sich gegenüber der jeweils zuständigen Stelle
unmittelbar auf die zuletzt genannte Vorschrift zu berufen.
Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag der
Klägerin ist ebenfalls zulässig, aber nicht begründet.
Wie oben dargelegt, sind die Voraussetzungen einer Anerkennungsentscheidung nach § 2
Abs. 1 AQVO nicht erfüllt. Der Beklagten ist durch diese Vorschrift kein
Ermessensspielraum eingeräumt, sodass ein Anspruch auf Neubescheidung unter dem
Gesichtspunkt eines Ermessensfehlers nicht bestehen kann. Ob die Regelung des § 2 Abs.
1 AQVO der zuständigen Behörde oder der ZaB einen Beurteilungsspielraum eröffnet,
kann hier dahinstehen, da nach den obigen Ausführungen die Entscheidung, die Belegung
des Fachs "Mathematical Studies" als für die Anerkennung nicht ausreichend anzusehen,
rechtlich nicht zu beanstanden ist. Dementsprechend läge auch ein Rechtsfehler bei der
Ausfüllung eines etwaigen Beurteilungsspielraums, der allein ein Anspruch auf
Neubescheidung rechtfertigen könnte, nicht vor.
Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte weitere Hilfsantrag, der auf die
Feststellung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AQVO gerichtet ist, stellt eine
unzulässige Klageänderung dar.
Wie bereits ausgeführt, regelt § 3 Abs. 1 AQVO nicht die Voraussetzungen für eine von der
Beklagten auszusprechende Anerkennung eines ausländischen Vorbildungsnachweises,
sondern betrifft einen Fall der Anerkennung eines Abschlusses unmittelbar durch die
Verordnung. Damit stellt das Begehren der Klägerin, festzustellen, dass ihr am
xxxxxxxxxxxxxxx erreichter Abschluss nach § 3 Abs. 1 AQVO anerkannt ist, gegenüber
dem bis dahin verfolgten Klageziel der Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung ihres
Abschlusses eine Veränderung des Klagegegenstandes im Sinne der Hinzufügung eines
weiteren Klagebegehrens dar.
Die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung, wie sie in § 91 Abs. 1 VwGO
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normiert sind, liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat der Hinzufügung dieses
Hilfsantrags ausdrücklich widersprochen. Die Änderung ist auch nicht sachdienlich.
Ist ein Rechtsstreit ohne Berücksichtigung der Klageänderung bereits entscheidungsreif,
wäre er aber nach Klageänderung nicht mehr entscheidungsreif, ist die Klageänderung
regelmäßig nicht als sachdienlich anzusehen.
BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 1988 - 8 C 7/87 -, NVwZ- RR 1988, 35;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 6. September 1993 -
23 A 1943/86 -, NWVBl. 1992, 139 (140); Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12.
Auflage, § 91 Rdn. 20.
So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob die Klageänderung auch deshalb nicht
sachdienlich ist, weil der hinzugefügte Antrag mangels Feststellungsinteresses der
Klägerin gegenüber der Beklagten unzulässig wäre, ergibt sich die fehlende
Sachdienlichkeit jedenfalls daraus, dass der Rechtsstreit hinsichtlich dieses Hilfsantrags -
ein entsprechendes Feststellungsinteresse der Klägerin hier zu ihren Gunsten unterstellt -
nicht entscheidungsreif wäre. Ob der von der Klägerin am xxxxxxxxxxxxxxx erlangte
Abschluss des International Baccalaureate Diploma in Großbritannien die
Hochschulzulassung für das Medizinstudium eröffnet, vermag das Gericht auf der
Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht festzustellen. Hierzu bedürfte es der
Einholung entsprechender Auskünfte sachverständiger Stellen, sodass das Verfahren
insoweit zu vertagen gewesen wäre. Damit aber wäre der Rechtsstreit nicht mehr
entscheidungsreif gewesen. Da die Rechtsposition der Klägerin hinsichtlich der von ihr
begehrten Feststellung schließlich durch die Nichtzulassung der Klageänderung auch nicht
verkürzt wird, es der Klägerin vielmehr unbenommen ist, sich gegenüber der jeweils
zuständigen Stelle unmittelbar auf § 3 Abs. 1 AQVO zu berufen und die Frage der
Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Streitfalle auch gerichtlich klären zu lassen, ist die
Änderung dieses Antrags nicht im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung.