Urteil des VG Düsseldorf vom 27.04.2007

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 1027/06.A
Datum:
27.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 1027/06.A
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Februar 2006 zu
Ziffer 3., soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach
§ 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes abgelehnt worden ist, und zu Ziffer
4., soweit dem Kläger die Abschiebung nach Somalia angedroht worden
ist, verpflichtet festzustellen, dass im Hinblick auf Somalia ein
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes
vorliegt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen
Vollstreckungsschuldner wird gestattet, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils jeweils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist nach eigenen Angaben im Jahre 1988 geboren, Staatsangehöriger
Somalias und der Volksgruppe der Bajuni zugehörig. Er reiste - ebenfalls nach eigenen
Angaben - am 20. April 2005 per Flugzeug über den Flughafen Düsseldorf in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Am 21. April 2005 wurde er auf dem Flughafen
Düsseldorf bei dem Versuch der Ausreise nach Dublin/Irland festgenommen, weil er
sich mit einem niederländischen Reisepass auswies, der ihm nicht gehörte. Am
gleichen Tag suchte er um Asyl nach.
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Zur Begründung machte er gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen geltend, die
Mitglieder seines Stammes würden immer wieder von Angehörigen der Volksgruppen
der Marehan und der Majarten angegriffen. Sein Vater sei im Januar gestorben. Bei
einem Überfall im Februar hätten Bewaffnete seinen Onkel nach Geld und
Nahrungsmitteln gefragt. Er habe gesagt, dass er nichts habe. Dann hätten sie
angefangen, seinen Onkel zu schubsen. Er, der Kläger, sei dazwischen gegangen, um
seinem Onkel zu helfen. Dabei hätten sie ihm mit dem Gewehrkolben in den Rücken
geschlagen. Als er am Boden lag, hätten sie nach ihm getreten. Nachdem sie
festgestellt hätten, dass nichts zu holen sei. seien sie gegangen. Er sei auch schon
zuvor mehrmals geschlagen worden. Daraufhin sei er dann Anfang April 2005
ausgereist.
3
Mit Bescheid vom 20. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab.
Zugleich verneinte sie das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2
bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), forderte den Kläger zur Ausreise auf und
drohte ihm die Abschiebung nach Somalia an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 24.
Februar 2006 zugestellt.
4
Der Kläger hat am 10. März 2006 Klage erhoben und zunächst die Feststellung von
Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG begehrt. In der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger seine Klage im Hinblick auf die Feststellung von
Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG zurückgenommen. Zur
Begründung seines Klagebegehrens verweist der Kläger auf sein Vorbringen im
Verwaltungsverfahren.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge vom 20. Februar 2006 zu verpflichten festzustellen, dass
Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes in Bezug auf
Somalia vorliegen.
7
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung berufen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der
Ausländerbehörde Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
12
Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch
Beschluss der Kammer vom 16. Februar 2007 gemäß § 76 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz
(AsylVfG) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
13
Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, war
das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
einzustellen.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
15
Der angegriffene Bescheid ist, soweit er nach der Klagerücknahme noch Gegenstand
des Verfahrens ist, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Somalias vorliegen.
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Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen
Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete
Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind im Fall des Klägers mit
Blick auf die allgemeinen Verhältnisse in Somalia erfüllt. Gefahren in einem Staat,
denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört,
allgemein ausgesetzt ist, werden allerdings gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei
Entscheidungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG setzt somit grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus,
während "allgemeine" Gefahren" im Grundsatz lediglich zu einer politischen
Entscheidung über einen generellen Abschiebungsschutz auf der Grundlage der §§ 60
Abs. 7 Satz 2 AufenthG und 60 a AufenthG führen können. Die Grundrechte aus Art. 1
Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG können es in besonderen Ausnahmesituationen
jedoch gebieten, die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verfassungskonform
dahingehend auszulegen, dass Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
nicht ausgeschlossen ist. Davon ist dann auszugehen, wenn sich eine allgemeine
Gefahrenlage als so extrem darstellt, dass jeder einzelne Rückkehrer gleichsam
sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein
würde, genereller Abschiebungsschutz aber nicht gewährt worden ist. Die
beschriebenen Gefahren müssen landesweit bestehen; es muss für den Rückkehrer
unmöglich sein, gefahrfreie Landesteile ohne Gefährdung tatsächlich zu erreichen.
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So zu der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Regelung des § 53 Abs. 6
Ausländergesetz Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -,
BVerwGE 115, 1 (7), und - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379 (381 f.), vom 18. April 1996 - 9
C 77.95 -, NVwZ-Beilage 1996, 58 (59), vom 29. März 1996 - 9 C 116.95 -, NVwZ-
Beilage 1996, 57 (58), sowie vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 (200).
19
Diese Voraussetzungen sind hier in Bezug auf eine Rückkehr des Klägers nach
Somalia erfüllt.
20
Es ist weiterhin davon auszugehen, dass die Sicherheitslage in Zentral- und
Südsomalia einschließlich der Hauptstadt Mogadischu aufgrund der bewaffneten
Auseinandersetzungen zwischen Clans, Milizen und Banden sowie durch die
allgemeine Kriminalität mangels effektiver Sicherheitsstrukturen äußerst prekär ist.
21
So bereits Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsschutzrelevante
Lage in Somalia vom 7. Februar 2006, S. 8; ebenso im Ergebnis jetzt Bericht über die
asyl- und abschiebungsschutzrelevante Lage in Somalia vom 17. März 2007, S. 5 f.;
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Situation und Trendanalyse, 20.
September 2004, S. 6, 9 f.; amnesty international, Jahresberichte 2005 und 2006,
Somalia.
22
Die jüngsten Entwicklungen in Somalia haben nicht zu einer Verbesserung der
Situation geführt; vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Sicherheitslage in
Zentral- und Südsomalia noch weiter verschlechtert hat. Zwar schien sich die äußere
Ordnung in den genannten Landesteilen nach der Machtübernahme durch die Union der
islamischen Gerichtshöfe (Union of Islamic Courts - UIC) in der zweiten Hälfte des
Jahres 2006 stabilisiert zu haben. Nach der Vertreibung der UIC durch Truppen der
somalischen Übergangsregierung und äthiopisches Militär im Dezember 2006 hat
jedoch noch keine andere Macht die effektive Ordnungsgewalt übernommen. Vielmehr
ist die Situation in Zentral- und Südsomalia gegenwärtig durch eine Vielzahl von
gewalttätigen Konfliktherden gekennzeichnet.
23
So wurde sowohl aus Mogadischu als auch Kismayo berichtet, dass es zu einem
Aufflammen von Gewalt und Verbrechen gekommen sei. Die vormaligen Kriegsherren
(„warlords") sind bestrebt, die unter der Herrschaft der UIC verlorenen Machtpositionen
wieder einzunehmen. Ein von der Übergangsregierung eingeleitetes Programm zum
Einsammeln von Waffen wurde wegen Erfolglosigkeit eingestellt.
24
United Kingdom Home Office, Country of Origin Information Report Somalia vom 15.
Januar 2007, Rdn. 4.02,8.03, und vom 28. Februar 2007, Rdn. 8.03.
25
Hinzu kommen ständige gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Truppen der
Übergangsregierung sowie äthiopischen Truppen einerseits und unbekannten
Angreifern andererseits, vermutlich UIC-Kämpfern, die aus dem Untergrund operieren.
Namentlich in Mogadischu kommt es immer wieder zu Kämpfen mit zahlreichen Toten
und Verletzten, wobei die Opfer oftmals der Zivilbevölkerung angehören.
26
United Kingdom Home Office, Country of Origin Information Report Somalia vom 15.
Januar 2007, Rdn. 8.04, mit Berichten über verschiedene einzelnen Vorkommnisse;
Thilo Thielke, in: Der Spiegel vom 5. Februar 2007 „Neuer Krieg im Höllenloch";
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Februar 2007 „Wilde Gefechte, gestohlene
Milliarden": 48 Angriffe in 51 Tagen; Marc Engelhardt, in: Die Tageszeitung vom 21.
Februar 2007 „Nachts hagelt es Grananten und Raketen"; Thomas Scheen, in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. April 2007 „Sprengfallen nach dem Vorbild von
Al Qaida"; Marc Engelhardt, in: Die Tageszeitung vom 12. April 2007 „Wer flieht, ist
vielleicht ein Terrorist"; Süddeutsche Zeitung vom 14. April 2007 „Bevölkerung flieht aus
Mogadischu"; Marc Engelhardt, in: Die Tageszeitung vom 23. April 2007 „Helfer als
Zielschreiben": Die Kämpfe in Somalias Hauptstadt Mogadischu werden immer brutaler.
Premier fordert zur Flucht auf.
27
Die in dem angegriffenen Bescheid vertretene Einschätzung des Bundesamtes, dass
von einer Verbesserung der Sicherheitslage auszugehen sei (dort S. 17), dürfte mithin
schon durch diese jüngeren Entwicklungen überholt sein. Im Übrigen lässt auch der
vom Bundesamt zur Begründung seiner Auffassung u.a. herangezogene Hinweis in den
grundsätzlichen Anmerkungen zu älteren Lageberichten des Auswärtigen Amtes,
Botschaftsvertreter führten Dienstreisen nach Somalia durch, soweit es die
Sicherheitslage erlaube, angesichts der klaren Einschränkung der Aussage ("soweit')
keinen konkreten Schluss darauf zu, ob Botschaftsvertreter aktuell überhaupt
Dienstreisen durchführen und ggf. unter welchen Rahmenbedingungen und in welche
Regionen sie unternommen werden. In dem jüngsten Bericht über die asyl- und
abschiebungsschutzrelevante Lage in Somalia vom 17. März 2007, S. 2, heißt es sogar
28
ausdrücklich: „Dienstreisen nach Somalia sind für Botschaftsvertreter angesichts der
gegenwärtigen Sicherheitslage nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich."
Auch durch die Aussage in dem angefochtenen Bundesamtsbescheid, aus "zahlreichen
Anhörungen" gehe hervor, dass sichere Landesteile gefahrlos erreichbar seien (Seite 8
des Bescheides), wird die oben dargestellte Einschätzung nicht substanziell erschüttert.
Abgesehen davon, dass auch dieser Einschätzung durch die jüngsten Ereignisse der
Boden entzogen ist, lässt die Aussage des Bundesamtes nicht erkennen, ob etwa
Umstände des einzelnen Falles - z.B. die Clanzugehörigkeit oder die wirtschaftliche
Möglichkeit, für die eigene Sicherheit zu sorgen - eine ansonsten möglicherweise
bestehende Gefahr minimiert haben.
29
Bei der Bewertung der Sicherheitslage für Rückkehrer ist überdies zu berücksichtigen,
dass die Sicherheit einer Person aufgrund des in Somalia stark ausgeprägten
Clansystems, auf dem seit 1991 das Machtgefüge Somalias im Wesentlichen beruht,
allenfalls dann gewährleistet ist, wenn sie in den Gebieten ihres Clans lebt, der ihr
Schutz gewähren kann. Für Angehörige kleiner Subclans und ethnischer Minderheiten,
die diesen Schutz nicht genießen, ist eine entsprechende Sicherheit deshalb in der
Regel nicht zu erlangen. Für Angehörige größerer Clans folgt hieraus, dass für diese
eine Rückkehr in Gebiete gewährleistet sein muss, in denen ihr Clan beheimatet ist.
Voraussetzung ist, dass der direkte Zugang zu den entsprechenden Gebieten
gewährleistet ist. Ein Durchqueren von Regionen, die von anderen Clans kontrolliert
werden, ist aus Sicherheitsgründen nicht zumutbar.
30
UNHCR, Stellungnahme „Rückkehrgefährdung somalischer Staatsangehöriger",
September 2001; amnesty international, Jahresbericht 2005, Kapitel
„Rechtsstaatlichkeit".
31
Rückkehrer, die bezogen auf ihre Clanzugehörigkeit in ein "falsches" Gebiet
zurückgeführt werden, können einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt sein.
32
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsschutzrelevante Lage in
Somalia vom 17. März 2007, S. 15.
33
Nach diesen Maßstäben gilt hier Folgendes: Der Kläger ist nach seinem glaubhaften
Vorbringen Angehöriger der Gruppe der Bajuni. Diese Volksgruppe, die etwa 0,2% der
Bevölkerung ausmacht, lebt vornehmlich in der Umgebung von Kismayo und auf den
der Südküste Somalias vorgelagerten Inseln.
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United Kingdom Home Office, Country of Origin Information Report Somalia vom 28.
Februar 2007, Rdn. 20.15, Annex D - Main Minority Groups.
35
Die Bajuni zählen zu den Minderheiten ohne eigene Clanstruktur, die häufig Übergriffen
anderer Clans, namentlich der Marehan, ausgesetzt sind.
36
United Kingdom Home Office, Country of Origin Information Report Somalia vom 28.
Februar 2007, Rdn. 20.17 f.
37
Sie können deshalb auch keinen Schutz durch eigene Clanstrukturen und/oder andere
Clans in Anspruch nehmen.
38
United Kingdom Home Office, Country of Origin Information Report Somalia vom 28.
Februar 2007, Annex D - Main Minority Groups.
39
Angesichts dieses Hintergrundes und angesichts der aktuellen Situation in Zentral- und
Südsomalia würde eine Rückkehr in diese Gebiete den Kläger sehenden Auges einer
im Sinne der Rechtsprechung extremen Gefahr für Leib und Leben aussetzen. Zwar
kann naturgemäß nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich eine solche Gefahr
realisieren würde. Bei der Gefahrenbewertung ist aber auch der Rang der gefährdeten
Verfassungsrechtsgüter zu berücksichtigen. Angesichts der oben beschriebenen
aktuellen Situation in Zentral- und Südsomalia, in der jeder Rückkehrer jederzeit Gefahr
läuft, Opfer krimineller Übergriffe, Opfer von Auseinandersetzungen zwischen
rivalisierenden Clans und/oder Opfer der Kämpfe zwischen den Regierungstruppen
nebst ihren Verbündeten und der UIC zu werden, wiegt die dem Kläger für Leib und
Leben drohende Gefahr nach Auffassung des Gerichts so schwer, dass ihm eine
Rückkehr in sein Heimatland derzeit nicht zugemutet werden kann. Im Hinblick auf die
Gefährdung durch Übergriffe anderer Clans oder kriminellen Übergriffe ist überdies zu
berücksichtigen, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheitengruppe
der Bajuni nicht darauf verwiesen werden kann, den Schutz eines (anderen) Clans vor
derartigen Übergriffen in Anspruch nehmen zu können. Demgemäß würde ihn eine
Rückführung nach Somalia sehenden Auges den o.g. Gefahren aussetzen und damit
der Gefahr schwerster Verletzungen oder gar des Todes.
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Der Kläger kann schließlich auch nicht darauf verwiesen werden, in den sichereren
nördlichen Landesteilen Schutz zu suchen. Insoweit fehlt ihm der notwendige Rückhalt
durch Angehörige oder jedenfalls Clanmitglieder, der ihm dort ein Überleben
ermöglichen würde.
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Hat der Kläger hiernach einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes
nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Somalia, ist die
Abschiebungsandrohung rechtswidrig, soweit ihm die Abschiebung in dieses Land
angedroht worden ist. Im Übrigen bleibt die Rechtmäßigkeit der
Abschiebungsandrohung hiervon jedoch gemäß § 59 Abs. 2 Satz 3 AufenthG unberührt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Nichterhebung von
Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz
1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung.
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