Urteil des VG Düsseldorf vom 06.12.2007
VG Düsseldorf (aufschiebende wirkung, fahrbahn, herstellung, satzung, anordnung, antrag, zeitpunkt, verwaltungsgericht, beitragspflicht, entstehen)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 L 1749/07
Datum:
06.12.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 1749/07
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 798,16 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid des
Antragsgegners vom 3. September 2007 anzuordnen
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hat keinen Erfolg.
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An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen nämlich keine
ernstlichen Zweifel, die es rechtfertigen, dem Antragsteller entgegen der Grundregel des
§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorerst von der Zahlungspflicht freizustellen (§ 80 Abs. 4 und 5
VwGO).
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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen dann, wenn auf
Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Antragstellers im
Hauptverfahren wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen.
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Vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 25. August 1988 - 3 B 2564/85 - DÖV 1990 S. 119
(Erschließungsbeitragsrecht) und vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 -
(Straßenbaubeitragsrecht).
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Die folglich im Aussetzungsverfahren durchzuführende Prognose zu den
Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Hauptverfahren kann dabei nur mit den Mitteln
des Eilverfahrens getroffen werden. Die gerichtliche Überprüfung des Streitstoffes im
Rahmen des Aussetzungsverfahrens findet ihre Grenze an den Gegebenheiten des
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vorläufigen Rechtsschutzes, soll sie nicht Ersatz für das Hauptsacheverfahren werden,
das in erster Linie den Rechtsschutz nach Artikel 19 Abs. 4 GG vermittelt.
Dies bedeutet zunächst, dass in dem summarischen Verfahren vordringlich nur die
Einwände berücksichtigt werden können, die der Rechtsschutzsuchende selbst gegen
die Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides vorbringt, es sei denn, dass
sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Ferner folgt
hieraus, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren weder schwierige Rechtsfragen
ausdiskutiert noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden können.
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Nach diesen Kriterien kann der Antrag keinen Erfolg haben. Der Bescheid dürfte formell
rechtmäßig sein. Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Bestimmtheit des
Beitragsbescheides, § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b und Nr. 4 Buchst. b des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen i.V.m. § 119 Abs. 1 der
Abgabenordnung. Danach muss ein Beitragsbescheid hinreichend deutlich erkennen
lassen, von wem was für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird.
Das Bestimmtheitsgebot gilt nur für den verfügenden Teil des Bescheides, d.h. den
Entscheidungssatz oder Spruch, dem die Regelungswirkung zukommt. Vorliegend
wurde der Beitragsbescheid ziffernmäßig festgelegt, daher ist klar erkennbar, wie viel
von dem Grundstückseigentümer gefordert wird. Ebenso wird das beitragspflichtige
Grundstück sowie der Adressat zweifelsfrei benannt. Der Antragsgegner hat auch die
Maßnahme, nämlich „Ausbaumaßnahmen an der Fahrbahn und an den
Straßenentwässerungsanlagen der Erschließungsanlage P-er Straße/ P von C-er
Straße bis westlich des Grundstücks P 37 a" eindeutig bezeichnet.
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Eine erschöpfende Wiedergabe der Aufwandsermittlung und -verteilung braucht ein
Beitragsbescheid allerdings nicht zu enthalten. Ebenso müssen nicht sämtliche
Voraussetzungen einer Vorschrift genannt und näher erläutert werden, wie
beispielsweise die Voraussetzungen für die Feststellungen einer endgültigen
Herstellung. Insoweit handelt es sich um juristische Bewertungen, die die Behörde in
ihrem Bescheid allenfalls in ihrer Begründung anstellen kann, die aber die keinen
Einfluss auf die Wirksamkeit des Bescheides haben.
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Bedenken hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen
ebenfalls nicht.
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Die Heranziehung zu den geforderten Teilerschließungsbeiträgen nach Kostenspaltung
im Sinne der §§ 127 Abs. 3, 133 Abs. 2 BauGB für die erstmalige endgültige Herstellung
der Teileinrichtung Straßenentwässerung - für die Ausbaumaßnahme an der Fahrbahn
wurde letztlich kein Beitrag gefordert - dürfte dem Grunde und der Höhe nach
gerechtfertigt sein.
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Auf der Grundlage des Baugesetzbuches, der Satzung der Stadt X über die Erhebung
des Erschließungsbeitrages vom 27. Dezember 1994 (EBS) und der Satzung vom 20.
Dezember 2001 über die teilweise Abweichung von den Merkmalen der endgültigen
Herstellung der Erschließungsanlage P-er Straße /P dürfte die sachliche
Teilbeitragspflicht für die abgerechnete Maßnahme (Errichtung der
Straßenentwässerung) mit Anordnung der Kostenspaltung am 8. November 2004
entstanden sein. Denn erst mit der Anordnung der Kostenspaltung war die hier
abzurechnenden Maßnahme abgeschlossen (§ 133 Abs. 2 BauGB); alle weiteren
Voraussetzungen für das Entstehen der Teilbeitragspflicht dürften zudem vorgelegen
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haben.
Die abgespaltene Teileinrichtung Entwässerungseinrichtung wurde erst mit der Satzung
vom 20. Dezember 2001 als endgültig hergestellt erklärt, da sie vorher - wegen der
fehlenden Entwässerungseinrichtung in einer von der hier maßgeblichen
Erschließungsanlage abzweigenden Stichstraße - nicht in ihrer ganzen Länge endgültig
hergestellt worden war.
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Dass die Fahrbahn wegen teilweise fehlender Gehwege ebenfalls nicht den
satzungsmäßigen Herstellungsmerkmalen entspricht und erst mit Inkrafttreten der
Satzung vom 3. März 2005 als endgültig hergestellt anzusehen ist, ist vorliegend nicht
von Belang, da der geltend gemachte Beitrag keine Kosten für die Errichtung der
Fahrbahn enthält. Der Antragsgegner hat auch klargestellt, dass die diesbezügliche
Abweichungsatzung nur deshalb erlassen wurde, um gegenüber den Beitragspflichtigen
sicherzustellen, dass insoweit keine Beiträge erhoben werden. Für die Rechtmäßigkeit
des hier vorliegenden Beitrages spielt dies keine Rolle.
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Im Zeitpunkt der Anordnung der Kostenspaltung dürfte die Erschließungsanlage nicht
als insgesamt endgültig hergestellt anzusehen sein (§ 127 Abs. 3 BauGB). Die
endgültige Herstellung setzt voraus, dass die Erschließungsanlage in ihrer gesamten
Länge einen (Ausbau-)Zustand erreicht hat, der den nach § 132 Nr. 4 BauGB durch
Satzung festzulegenden Merkmalen der endgültigen Herstellung (Teileinrichtungs- und
Ausbauprogramm) sowie bei Anbaustraßen dem - mit Blick auf die flächenmäßigen
Teileinrichtungen aufgestellten - (formlosen) Bauprogramm entspricht.
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Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, 2004, NJW-
Schriftenreihe Band 42, § 19, Rdnr. 2 f..
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Das bedeutet, das eine Erschließungsanlage erst dann endgültig hergestellt ist, wenn
auf ihrer gesamten Länge sämtliche vorgesehenen Teileinrichtungen - in der für sie
vorgesehenen Ausdehnung - erstmals merkmalsgerecht hergestellt worden sind; der
Beitragsanspruch kann also erst dann entstehen, wenn die Straße insgesamt und nicht
nur in einzelnen Teileinrichtungen fertig ist.
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Vorliegend dürfte im Zeitpunkt der Kostenspaltung am 8. November 2004 die hier
maßgebliche Erschließungsanlage deshalb nicht insgesamt endgültig hergestellt
gewesen sein, weil bereits die Beleuchtungsanlage nicht den satzungsmäßigen
Herstellungsmerkmalen entspricht, sondern - wie sich aus den Verwaltungsvorgängen
ergibt, die momentan bestehenden Leuchten lediglich auf Holzmasten montiert wurden
und es sich daher lediglich um ein Provisorium handelt. Im Übrigen war im Zeitpunkt der
Anordnung der Kostenspaltung auch die Fahrbahn nicht endgültig hergestellt.
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In § 8 EBS hat der Antragsgegner eine nicht zu beanstandende satzungsmäßige
Regelung über die Kostenspaltung getroffen und gemäß § 12 EBS wurde die
Entscheidung über die Durchführung der Kostenspaltung auf den Oberstadtdirektor bzw.
einer seiner Vertreter delegiert. Danach konnte die Kostenspaltung per
Verwaltungsentscheid angeordnet werden.
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Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Teilerschließungsbeitrages für das durch
die Erschließungsanlage erschlossene, hier veranlagte Buchgrundstück sind Fehler
weder wegen der Berechnung des beitragsfähigen oder des nach Abzug des
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satzungsmäßig vorgesehenen Gemeindeanteils von 10 % umlagefähigen Aufwandes
noch wegen der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes auf die durch die Anlage
erschlossenen und aus diesem Grund beitragspflichtigen Grundstücke ersichtlich. Der
Antragsgegner hat den hier einzig geltend gemachten Aufwand für die
Entwässerungseinrichtungen entsprechend § 3 der EBS festgesetzt. Die konkrete
Aufwandsberechung dürfte nicht zu beanstanden sein. Der Antragsgegner konnte nach
§ 3 Abs. 2 EBS auch nach Einheitssätzen abrechnen. Dabei erscheint es
ermessensgerecht, wenn der Antragsgegner - da sich der Herstellungszeitraum für die
Entwässerungseinrichtungen auf einen längeren Zeitraum erstreckte - für einzelne
Herstellungsabschnittes jeweils einen separaten Einheitssatz (§ 3 Abs. 2 EBS) zu
Grunde legte.
Die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen dürfte nicht deshalb dem Grunde nach
ausgeschlossen sein, weil die Beitragsansprüche des Antraggegners gemäß § 12 Abs.
1 Nr. 2 b) KAG NW i.V.m. § 47 AO durch Verjährung erloschen wären. Nach § 12 Abs. 1
Nr. 4 b) KAG NW i.V.m. §§ 169 Abs. 1 und 2, 170 Abs. 1 AO beträgt die zur
(Festsetzungs-)Verjährung führende Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf
des Kalenderjahres, in dem die sachlichen Beitragspflichten entstanden sind.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1986 - 8 C 68.85 -, in Buchholz 406.11, § 133
BBauG Nr. 98, S. 66 f.; OVG NW, Urteil vom 29. Februar 1996 - 3 A 743/92 - S. 21 des
Urteilsabdruckes.
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Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die sachliche (Voll) Beitragspflicht in dem
Zeitpunkt, in dem die Erschließungsanlage bzw. die Erschließungseinheit oder der
Abrechnungsabschnitt im Rechtssinne endgültig hergestellt ist und alle weiteren
gesetzlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht erfüllt sind. Die
sachliche Beitragspflicht für die gesamte Anlage ist vorliegend schon deshalb nicht
entstanden, weil die erforderliche Beleuchtungsanlage fehlt. Für den hier im Wege der
Kostenspaltung abgerechneten Beitragsanspruch für die Entwässerungseinrichtung
begann die Verjährungsfrist erst ab Anordnung der Kostenspaltung am 8. November
2004 und war daher mit Bekanntgabe des Bescheides vom 3. September 2007 noch
nicht abgelaufen.
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Da weitere Einwände von der Antragstellerin nicht erhoben wurden und sonstige Fehler
nicht offensichtlich sind, ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
abzuweisen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.d.F. des
KostRMoG vom 05.05.2004 Dabei schätzt das Gericht das Interesse an der vorläufigen
Regelung der Zahlungspflicht auf ein Viertel des geforderten Beitrages.
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