Urteil des VG Düsseldorf vom 25.04.2008

VG Düsseldorf: beamtenverhältnis, lehrer, unechte rückwirkung, ausnahme, angestelltenverhältnis, wissenschaft und forschung, staatsprüfung, öffentliches interesse, altes recht

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 1100/07
Datum:
25.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1100/07
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung E vom 26. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007 verpflichtet, den Kläger
in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der am 00.0.1970 geborene Kläger begann nach dem Abitur eine Ausbildung zum
Industriemechaniker. Zwischen 1991 und 1992 leistete er seinen Grundwehrdienst und
studierte ab Oktober 1992 an der Universität - Gesamthochschule E1 die Fachrichtung
Allgemeiner Maschinenbau. Am 14. Januar 1999 erhielt er nach Abschluss des
Studiums den Grad eines Diplom- Ingenieurs verliehen. In der Folgezeit war er an der
Universität E1/F als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Zeitangestellter) beschäftigt. Im
Januar 2005 belief sich sein monatliches Einkommen auf rund 2.460 Euro.
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Im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität hatte er anlässlich der Betreuung von
Hausarbeiten zum 1. Staatsexamen und bei Prüfungen Kontakt zu angehenden
Berufsschullehrern. Aufgrunddessen war ihm der Mangelfacherlass bekannt. Außerdem
wurde seinerzeit sowohl in der Informationsschrift „Menschen mit Klasse! Lehrer in
NRW" als auch im Internetauftritt „LEO" darauf hingewiesen, dass Bewerber mit
bestimmten Mangelfächern noch bis zum 44. Lebensjahr in das Beamtenverhältnis
übernommen werden könnten. Dem lag der Erlass des Ministeriums für Schule,
Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein- Westfalen (MSWF) vom 22.
Dezember 2000 (Mangelfach-Erlass) zugrunde, mit dem für Bewerber mit bestimmten
Lehrämtern und Fächern eine Überschreitung der für die Verbeamtung von Lehrern
maßgeblichen laufbahnrechtlichen Altersgrenze von 35 Jahren um längstens zehn
Jahre, also bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres, zugelassen wurde. Der
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Mangelfach-Erlass wurde zunächst durch Erlass des MSWF vom 23. April 2001 bis zum
Abschluss des Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2004/2005 und mit Erlass des
Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen (MSJK)
vom 16. November 2004 bis zum 31. Juli 2007 verlängert. Mit Erlass des MSJK vom 15.
Juni 2005 erfolgte „insbesondere mit Blick auf die Seiteneinsteiger, die in diesem Jahr
zum 15.08.2005 eingestellt werden", eine Modifizierung der Fristenregelung dahin, dass
die Ausnahmeregelung „bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des
Schuljahres 2007/2008" gelten sollte.
Der Kläger bewarb sich als sogenannter Seiteneinsteiger auf eine zum 1. Februar 2005
u.a. für die berufliche Fachrichtung Maschinenbautechnik ausgeschriebene Lehrerstelle
beim Berufskolleg West in F. Nachdem die Bezirksregierung E (nachfolgend:
Bezirksregierung) mit Bescheinigung vom 20. Januar 2005 die Diplomprüfung des
Klägers als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs in der ersten
beruflichen Fachrichtung Maschinenbautechnik und in der weiteren beruflichen
Fachrichtung Fertigungstechnik anerkannt hatte, teilte sie dem Kläger mit Schreiben
vom selben Tag mit, dass sie auf Grund des Ergebnisses des Auswahlverfahrens in
Aussicht genommen habe, ihn zur Absolvierung eines berufsbegleitenden
Vorbereitungsdienstes befristet als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis einzustellen. Mit
Arbeitsvertrag vom 21. Januar 2005 stellte ihn die Bezirksregierung für den Zeitraum
vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Januar 2007 als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft im
Angestelltenverhältnis ein. Die Befristung wurde sachlich begründet mit der Erprobung
des Angestellten während der Weiterqualifizierungsmaßnahme, welche die Befähigung
zum Unterrichten in den Fächern Maschinenbautechnik und Fertigungstechnik
vermitteln und mit der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs enden
sollte. Nach § 2 des Vertrages stand der Kläger in einem öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen, auf das die „Ordnung des
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter
an Schulen" (OVP-B) Anwendung fand. Die Probezeit betrug gemäß § 4 sechs Monate.
Nach § 9 Nr. 2 des Vertrages sollte dem Kläger bei Bewährung während der gesamten
Vertragsdauer und nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung ab dem 1. Februar 2007
ein Dauerbeschäftigungsverhältnis angeboten werden.
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Mit einem weiteren Bescheid vom 21. Januar 2005 teilte die Bezirksregierung dem
Kläger mit, dass auf Grund der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung
beabsichtigt sei, ihn nach erfolgreicher Weiterqualifizierung in ein
Dauerbeschäftigungsverhältnis zu übernehmen. Er werde deshalb ab seiner Einstellung
im Angestelltenverhältnis von der Rentenversicherungspflicht befreit. Sollten in seinem
Fall die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor der beabsichtigten
Übernahme in das Beamtenverhältnis entfallen, so ende die Versicherungsfreiheit in der
gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Tag, an dem der Wegfall der
Voraussetzungen festgestellt werde.
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In einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 24. Januar 2004 wurde dem Kläger die
gesundheitliche Eignung für eine Beschäftigung sowohl als Angestellter als auch im
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit attestiert.
6
Im Zusammenhang mit der Landtagswahl im Jahr 2005 kündigte die jetzige
Landesregierung im Falle der Übernahme der Regierungsgeschäfte die sofortige
Einstellung von 1000 Lehrern an. Zur Umsetzung dieses Wahlversprechens stellten die
nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen im Sommer 2005 kurzfristig knapp 1000
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zusätzliche Lehrer ein (sog. Tausenderkontingent). Eine besondere Anwerbung erfolgte
nicht. Die Bezirksregierung E schrieb vor allem Personen an, die bislang im
Listenverfahren kein Einstellungsangebot erhalten hatten. Seiteneinsteiger wurden in
diesem Rahmen nicht eingestellt. Eine Verbeamtung der Bewerber war im Sommer
2005 mangels entsprechender Planstellen nicht möglich. Anlässlich der Einstellung
wies die Bezirksregierung laufbahnrechtlich überalterte Bewerber darauf hin, dass eine
spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfolgen könne, weil die Ausnahme
von der Höchstaltersgrenze gemäß dem Mangelfach-Erlass nur für Neueinstellungen
gelte.
Mit Erlass vom 23. Juni 2006 hob das Ministerium für Schule und Wissenschaft des
Landes Nordrhein-Westfalen (MSW) den Mangelfach-Erlass auf und legte unter Nr. I
fest, dass diese Ausnahmeregelung letztmalig bis zum Abschluss des
Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 gelte. Unter Nr. II heißt es
in dem Erlass:
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„...kann die o.g. Erlassregelung (gemeint ist der Mangelfach-Erlass) ausnahmsweise
und nur für den nachfolgend eng begrenzten Personenkreis wie folgt angewendet
werden:
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Mit Verabschiedung des Haushaltes 2006 am 17.05.2006 wurden die o.g. 1000 Stellen
in Planstellen umgewandelt, so dass Ihnen nun die Verbeamtung der Personen unter
den geltenden beamtenrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen möglich ist.
Soweit Angestellte, die im Zuge dieser „1000-Stellen-Aktion" eingestellt wurden, zum
Zeitpunkt ihrer Einstellung den Anwendungsbereich der o.g. Ausnahmeregelung erfüllt
haben, können auch diese nachträglich verbeamtet werden, obwohl sie bereits in einem
Dauerbeschäftigungsverhältnis stehen."
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Mit Bescheid vom 26. September 2006 hob die Bezirksregierung die Befreiung des
Klägers von der Rentenversicherungspflicht wieder auf und führte zur Begründung im
wesentlichen aus, eine Verbeamtung des überalterten Klägers komme nach der
Aufhebung des Mangelfach-Erlasses nicht mehr in Betracht.
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Der Schulleiter des Berufskollegs West in F teilte der Bezirksregierung mit Schreiben
vom 15. Dezember 2006 mit, dass der Kläger sich in der Ausbildungszeit besonders
bewährt habe. Der Kläger bestand sodann die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an
Berufskollegs mit der Note „befriedigend" und beendete den berufsbegleitenden
Vorbereitungsdienst. Nachdem der zuständige Personalrat einer unbefristeten
Weiterbeschäftigung des Klägers zugestimmt hatte, kam es unter dem 18. Januar 2007
zwischen der Bezirksregierung und dem Kläger zum Abschluss eines
Änderungsvertrages, wonach dieser ab dem 1. Februar 2007 als vollzeitbeschäftigte
Lehrkraft im Angestelltenverhältnis auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt wird.
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Bereits mit Schreiben vom 14. Januar 2007 hatte der Kläger seine Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe beantragt.
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Die Bezirksregierung lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Januar 2007 ab und
führte zur Begründung aus: Der Kläger habe das laufbahnrechtliche Höchstalter von 35
Jahren bereits überschritten. Der Mangelfach-Erlass könne nicht mehr angewandt
werden, da er durch den Erlass des MSW vom 23. Juni 2006 mit Ablauf des
Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 aufgehoben worden sei.
14
Hiergegen legte der Kläger unter dem 6. Februar 2007 Widerspruch ein, den die
Bezirksregierung mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2007 mit der Begründung
zurückwies, dass die Überschreitung der Altersgrenze von 35 Jahren nach Aufhebung
des Mangelfach-Erlasses seiner Verbeamtung entgegenstehe.
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Der Kläger hat am 20. März 2007 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein
Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf sein
Vorbringen im Klageverfahren gleichen Rubrums betreffend die Aufhebung der
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (2 K 6407/06) im wesentlichen aus: Der
Mangelfach-Erlass vom 22. Dezember 2000 sei auf ihn anzuwenden, weil er von dem
Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 nicht erfasst werde. Er sei nämlich bereits im
Schuljahr 2004/2005 und nicht erst im Verlauf des Schuljahres 2006/2007 „eingestellt"
worden. Der Aufhebungserlass stelle ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Auswahl im
Ausschreibungs- und Listenverfahren ab. Der Rechtsauffassung der Kammer, die dies
in Parallelverfahren betreffend die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht anders
gesehen und sich dabei auf eine Rund-Mail des MSW vom 14. August 2006 berufen
habe, werde entgegengetreten. Insbesondere ergebe sich auch aus Sinn und Zweck
des Aufhebungserlasses, dass er so behandelt werden müsse, als sei er im Schuljahr
2004/2005 eingestellt worden. So sei etwa im Einstellungserlass für Einstellungen zum
Schuljahr 2005/2006 festgelegt, dass an den Ausschreibungs- und Listenverfahren auch
Seiteneinsteiger teilnehmen könnten, die sich vertraglich zur Teilnahme am
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst verpflichtet hätten. Es sei entscheidend, dass
er sich im Winter 2007 keiner erneuten Auswahlentscheidung habe stellen müssen,
sondern sein bestehender Zeitvertrag lediglich habe entfristet werden müssen und er
auf seinem bisherigen Dienstposten verblieben sei. Eine Einstellungspraxis, die vom
Wortlaut und Zweck einer Erlassregelung abweiche, sei im Hinblick auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz rechtswidrig. Das gelte erst recht, weil im
Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 eine weitere 1000 Stellen betreffende
Ausnahmeregelung geschaffen worden sei, die dem Grundsatz der Gewinnung lediglich
„neueinzustellender Lehrkräfte" entgegenstehe. Diese 1000 Lehrkräfte seien - genau
wie er als Seiteneinsteiger - aus einem dringenden Bedarf heraus eingestellt worden.
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Ferner stützt der Kläger sein Anliegen darauf, dass er auf Grund der Informationen des
Schulministeriums, der Einstellungsmitteilung, der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen
und der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auf die Verbeamtung nach
erfolgreicher Qualifizierung habe vertrauen dürfen. So habe das Schulministerium
verschiedentlich ausdrücklich auf eine mögliche Überschreitung der Höchstaltersgrenze
um zehn Jahre in Mangelfächern hingewiesen. Außerdem nehme das
Einstellungsangebot Bezug auf den seinerzeit geltenden Einstellungserlass, der einen
ausdrücklichen Hinweis auf die allgemeine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze
enthalte. Vor dem Hintergrund der ihm vorliegenden und von zuständiger Stelle erteilten
Informationen zu den Aussichten einer späteren Verbeamtung habe er sich auch unter
Berücksichtigung des zu erwartenden Gehalts als verbeamteter Lehrer entschieden,
seine bisherige Tätigkeit an der Universität E1-F nicht fortzusetzen und in den
Schuldienst zu wechseln. Ohne die konkrete Aussicht auf eine Verbeamtung hätte er
sich nicht dem Risiko ausgesetzt, bei Nichtbestehen der Zweiten Staatsprüfung ohne
Arbeitsplatz zu sein, und auch nicht die Einkommensnachteile während der Ausbildung
hingenommen. Außerdem habe er, nachdem ihm sein Schulleiter im Sommer 2005 eine
Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Probezeit signalisiert habe, in Erwartung des
künftigen Gehalts eines verbeamteten Lehrers ein Haus erworben, verbunden mit einer
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monatlichen Belastung von rund 1.000 Euro. Werde er nicht verbeamtet, befinde er sich
mit seiner Familie in einer schwierigen finanziellen Situation, weil er mit seinen
derzeitigen Bezügen - er verdiene als angestellter Lehrer (Stand 2007) 2.256,52 Euro
netto im Monat - auf Grund vorher getroffener Vermögensdispositionen monatlich einen
Fehlbetrag von 260,- Euro zu verzeichnen habe.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 26. Januar
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007 zu verpflichten,
ihn - den Kläger - in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen,
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hilfsweise,
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über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
21
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt ergänzend vor: Der Kläger werde von dem Mangelfach-Erlass nicht erfasst.
Zwar habe er bereits erfolgreich am Ausschreibungsverfahren teilgenommen. Aus einer
Rund-Mail des MSW vom 14. August 2006 ergebe sich aber, dass die vor ca. zwei
Jahren als Angestellte eingestellten Seiteneinsteiger im Sinne des Mangelfach-Erlasses
nicht bereits auf Grund des befristeten Arbeitsvertrages „eingestellt" worden seien; dies
habe erst nach erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes erfolgen sollen,
soweit die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vorlägen. Der Hinweis
des Klägers auf die Lehrkräfte, die im Rahmen der „1000-Stellen-Aktion" eingestellt
worden seien, sei unerheblich, weil in diesem Rahmen keine Seiteneinsteiger an
Berufskollegs eingestellt worden seien. Auch könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf
die Regelung im Einstellungserlass vom 22. August 2005 berufen, wonach bei
Vorliegen der beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen in der Regel
Einstellungen in Probebeamtenverhältnisse vorgesehen seien. Da der Ausnahmeerlass
aufgehoben worden sei, lägen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine
Verbeamtung des Klägers nicht mehr vor.
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In einem den Beteiligten bekannten Schreiben vom 28. Februar 2007 im Verfahren - 2 K
6407/06 - hat das MSW auf Nachfrage des Gerichts unter anderem mitgeteilt:
Ausschlaggebend für den Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 seien
versorgungsrechtliche Aspekte gewesen. Da die Versorgungslasten einen gewichtigen
Teil des Gesamthaushalts ausmachten und sich diese Lage verschärfen werde, sei zur
Vermeidung einer weiteren, zusätzlichen Verschärfung die Aufhebung des Mangelfach-
Erlasses notwendig gewesen. Zudem habe die seit 2000 fortgeschriebene
Mangelfachdefinition in fast der Hälfte aller „Mangelfächer" nicht mehr der aktuellen
Bedarfslage entsprochen. In den sich rasch ändernden Bedarfssituationen führten
solche Ausnahmeregelungen zwangsläufig zu nicht begründbaren Ungerechtigkeiten.
Durch die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach- Erlasses ergebe sich im Einzelfall
durch Anwendung der Barwertmethode pro verbeamteter Lehrkraft im Vergleich zu einer
angestellten Lehrkraft eine Ersparnis von ca. 165.000 Euro. Insgesamt seien 89
berufsbegleitende Referendare mit Mangelfächern in einer vergleichbaren Situation -
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Einstellung in den Vorbereitungsdienst zum 1. Februar 2005 oder zum 22. August 2005
und Überschreitung der Altersgrenze von 35 Jahren zum 1. Januar 2006 - betroffen.
Wegen der Einzelheiten dieses Schriftsatzes wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Wie
den Beteiligten aus Parallelverfahren bekannt ist, hat das MSW ergänzend unter dem
14. November 2007 erklärt, von Nr. II des Aufhebungserlasses vom 23. Juni 2006, die
eine Ausnahmeregelung für die Verbeamtung überalterter Lehrkräfte aus dem
Tausenderkontingent enthalte, seien landesweit 108 Lehrkräfte betroffen gewesen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. März 2008 ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer sowie ohne mündliche
Verhandlung erklärt.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakte, der Gerichtsakte - 2 K 6407/06 - und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
27
Entscheidungsgründe:
28
Die Berichterstatterin kann auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten anstelle der
Kammer sowie ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. §§ 87a Abs. 2 und 3,
101 Abs. 2 VwGO).
29
Die Klage hat Erfolg. Sie ist als Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) zulässig
und begründet, weil der Bescheid der Bezirksregierung E vom 26. Januar 2007 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007, mit dem die Übernahme
des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe abgelehnt worden ist, rechtswidrig ist
und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dieser hat
einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
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Sein Begehren scheitert nicht etwa daran, dass er zu dem für die Beurteilung der Sach-
und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt der (heutigen) gerichtlichen Entscheidung
bereits ein Alter - nämlich 38 Jahre - erreicht hat, das über dem durch die
Laufbahnverordnung vorgeschriebenen Einstellungshöchstalter liegt. War das der Klage
zu Grunde liegende Begehren im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten berechtigt,
kann dieses auch heute noch berücksichtigt werden, weil § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
NRW die Möglichkeit vorsieht, eine Ausnahme von dem Höchstalter für die Einstellung
in das Beamtenverhältnis auf Probe zuzulassen.
31
Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 6.98 -,
NVwZ 1999, 132, und vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 -, ZBR 2000, 305.
32
Dem Antrag des Klägers auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe war
seinerzeit stattzugeben.
33
Allerdings kann er sich dabei nicht mit Erfolg auf eine von der Bezirksregierung erteilte
Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG NRW berufen, also auf eine Zusage, einen
bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Zwar ist
grundsätzlich im Beamtenrecht die Zusicherung einer Einstellung zulässig.
34
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
14. August 1995 - 1 A 3558/92 -, NWVBl 1996, 108, 110.
35
Jedoch hat die Bezirksregierung eine derartige schriftliche Erklärung, welche die
verbindliche Selbstverpflichtung enthält, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe
einzustellen, nicht abgegeben. Maßgeblich ist insoweit der objektive Erklärungswert der
behördlichen Erklärung, der durch Auslegung zu ermitteln ist. Dafür ist der erklärte Wille
maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bloße
Auskünfte, Erklärungen, Hinweise oder sonstige behördliche Erklärungen, bei denen
die Verwaltung eine Maßnahme ohne Bindungswillen in Aussicht stellt, können nicht als
Zusicherung gewertet werden. Auch das bloße Wecken von Erwartungen in Bezug auf
ein künftiges Verhalten der Behörde reicht für eine Zusicherung nicht aus, selbst wenn
berechtigtes Vertrauen geschaffen wird.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10.05 -, BVerwGE 126, 33; ferner BVerwG,
Urteil vom 26. September 1996 - 2 C 39.95 -, BVerwGE 102, 81, 84; Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 8. Auflage, § 38 Rn. 11.
37
Hiernach liegt eine Zusicherung nicht vor.
38
Weder das Einstellungsschreiben noch der Arbeitsvertrag enthalten Formulierungen,
aus denen sich die verbindliche Absicht der Bezirksregierung entnehmen ließe, den
Kläger trotz Überschreitens der Höchstaltersgrenze zu verbeamten.
39
Auch der Bescheid vom 21. Januar 2005 enthält keine Einstellungszusicherung. Durch
diesen Bescheid wurde der Kläger zwar im Hinblick darauf von der
Rentenversicherungspflicht befreit, dass nach erfolgreicher Weiterqualifizierung und bei
Vorliegen der beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen eine Übernahme in
das Beamtenverhältnis beabsichtigt sei. Diesem Bescheid fehlt es aber an einem
gerade hierauf gerichteten Rechtsbindungswillen der Bezirksregierung. Das deutet
bereits die einen unverbindlichen Hinweis nahe legende Formulierung „beabsichtigt"
an. Vor allem zeigt die Einschränkung „Sollten in Ihrem Fall die beamten- und
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vor der beabsichtigten Übernahme in das
Beamtenverhältnis entfallen, so endet die Versicherungsfreiheit ...", dass die
Bezirksregierung auch das Unterbleiben einer Verbeamtung nicht ausschloss.
Keinesfalls kann der Erklärungsinhalt dahin verstanden werden, dass eine verbindliche
Einstellungszusage auch für den Fall getroffen werden sollte, dass wegen
Überschreitens der Höchstaltersgrenze die beamtenrechtlichen Voraussetzungen nicht
vorliegen. Es ist keine Formulierung erkennbar, wonach bei der Entscheidung über die
Verbeamtung die Altersproblematik ausdrücklich ausgeklammert werden sollte. Zu einer
solchen Erklärung, die dazu rechtsverbindlich hätte sein müssen, hatte die
Bezirksregierung auch gar keinen Anlass, weil seinerzeit die Mangelfachregelung noch
galt. Zudem wäre sie für die Erteilung von Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze gar
nicht zuständig gewesen, da dies auf Antrag der obersten Dienstbehörde - also des
MSW - vom Innen- und Finanzministerium (vgl. § 84 Abs. 3 Nr. 1 LVO) hätte entschieden
werden müssen. Dem Bescheid vom 21. Januar 2005 lag hiernach lediglich eine
gemeinsame Erwartung der Verbeamtung des Klägers zu Grunde, nicht hingegen eine
verbindliche Zusage.
40
Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 33 Abs. 2 GG und den zur
Konkretisierung dieser Norm ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 5, 7
LBG NRW), wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen
Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat.
41
Diese Bestimmungen gewähren allerdings keinen unmittelbaren Anspruch auf
Einstellung oder Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Die Entscheidung hierüber liegt
vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, der dabei den Grundsatz
gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung zu beachten hat. Der Zugang zu einem solchen Amt ist zudem abhängig von
der Erfüllung bestimmter gesetzlicher Anforderungen, zu denen insbesondere auch die
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gehören.
42
Der Kläger hat gleichwohl einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis,
weil er die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt und das
dem Beklagten eingeräumte Ermessen sich im Sinne einer dem Einstellungsantrag
stattgebenden Entscheidung reduziert hat. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
43
Der Beklagte hat den Kläger eingestellt mit dem Ziel, dass sich dieser für das
angestrebte Lehramt qualifiziert. Er hat dadurch bereits deutlich gemacht, dass er sich
entschieden hat, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen, falls
dieser die Qualifizierungsmaßnahme erfolgreich durchläuft und die erforderlichen
beamtenrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger
hat seine Qualifizierung mittlerweile durch Ablegen der Zweiten Staatsprüfung belegt. Er
erfüllt auch sämtliche beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen. Insbesondere
ist er nach den amtsärztlichen Feststellungen für das Beamtenverhältnis gesundheitlich
geeignet.
44
Auch sind im Fall des Klägers die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gegeben.
45
Allerdings hat er die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze überschritten. Nach § 6 Abs.
1 Satz 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das in § 52 Abs. 1 LVO NRW festgesetzte
Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Kläger ist Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1
Buchstabe a) LVO NRW, da er vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Januar 2007 den
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst geleistet hat. Während dieser Zeit befand er
sich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis im Sinne der vorgenannten
Vorschrift (vgl. § 14 Abs. 1 LVO NRW, § 16 Abs. 1 Satz 1 LBG und § 5 Abs. 1 Satz 2
OVP-B). Nach § 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber in die in Abschnitt V
der Laufbahnverordnung genannten Laufbahnen in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Diese Vorschrift befindet sich im Abschnitt V der Laufbahnverordnung „Besondere
Vorschriften für Lehrer an Schulen ..." und bezieht sich auf die in § 50 LVO NRW
genannten Lehrerlaufbahnen. Danach darf in die Laufbahn der Lehrer an öffentlichen
Schulen nur eingestellt werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
46
Der am 00.0.1970 geborene Kläger hatte die Altersgrenze bereits mit Ablauf des 11.
Januar 2005 erreicht, so dass er im Zeitpunkt seiner (unbefristeten) Einstellung in den
Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen am 1. Februar 2007 um rund zwei Jahre
überaltert war.
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Diese Überschreitung war nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 3 oder Satz 4 LVO NRW
unschädlich. Hiernach darf die Altersgrenze, wenn sich die Einstellung oder Übernahme
wegen der Betreuung von Kindern unter 18 Jahren oder wegen der Pflege naher
Angehöriger verzögert hat, um bis zu sechs Jahre überschritten werden. Derartige
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Umstände hat der Kläger aber nicht geltend gemacht.
Der Kläger hat aber nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
NRW einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Einhaltung der
Höchstaltersgrenze. Nach dieser Bestimmung können auf Antrag der obersten
Dienstbehörde das Innenministerium und das Finanzministerium eine Ausnahme von
dem Höchstalter gemäß § 52 Abs. 1 LVO NRW zulassen. Der Verordnungsgeber hat die
Erteilung einer derartigen Ausnahme an keine besonderen Voraussetzungen gebunden,
sondern es einer sachgerechten Ermessensausübung überlassen, ob und in welchem
Umfang Abweichungen von der grundsätzlich gebotenen Einhaltung der
Höchstaltersgrenze zugelassen werden. Die in diesem Zusammenhang auf eine
Überprüfung der Ermessensausübung des Beklagten beschränkte gerichtliche Kontrolle
(§ 114 Satz 1 VwGO) führt vorliegend zu einer Aufhebung der angegriffenen
Verwaltungsentscheidung, da diese unter Ermessensfehlern leidet. Der Beklagte hat die
Verbeamtung des Klägers nämlich abgelehnt, obwohl dieser unter eine allgemeine,
durch Erlass festgelegte Ausnahme von der Höchstaltersgrenze fällt. Hieraus ergibt sich
zugleich eine Ermessensreduktion im Sinne der Gewährung einer Ausnahme.
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Seit etwa 15 Jahren lässt der Beklagte in ständiger, von den Gerichten gebilligter Praxis
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- vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10. November 1995 - 6 A 3456/95 -, m.w.N. -
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eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze zur Gewinnung von Lehrkräften zu, welche
einen dringenden Unterrichtsbedarf decken können. In Konkretisierung dieser Praxis hat
das MSWF durch den Erlass vom 22. Dezember 2000 für Bewerber mit „Mangelfächern"
allgemein eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze bis zu 10 Jahren zugelassen
(Az. 000-00/03 Nr. 0000/00, „Mangelfach-Erlass"). Dessen Geltungsdauer wurde durch
Erlass des MSWF vom 23. April 2001 (Az. 000-00/03 Nr. 000/01) zunächst bis zum
Abschluss des Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2004/2005 und durch Erlass
des MSJK vom 16. November 2004 (Az. 000- 0.00.03.03-000) weiter bis zum 31. Juli
2007 verlängert. Noch mit Erlass vom 15. Juni 2005 (Az. 000-0.002.03.03-000) hat das
MSJK klargestellt, dass die Verlängerung des Mangelfach-Erlasses mit Blick auf die
Seiteneinsteiger, die zum 15. August 2005 eingestellt würden, bis zum Abschluss des
Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 gelte.
52
Der Kläger wird von diesen Regelungen erfasst.
53
Der Mangelfacherlass lässt unter Nr. I. 2 eine allgemeine Ausnahme von der
laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze für überalterte Lehrkräfte mit Mangelfächern zu.
Diese Bestimmung bezieht sich unter anderem auf Bewerber für das Lehramt für die
Sekundarstufe II an berufsbildenden Schulen mit den beruflichen Fachrichtungen
Maschinentechnik, Elektrotechnik, Bautechnik, Textil- und Bekleidungstechnik,
Chemietechnik, Drucktechnik, Wirtschaftswissenschaften, Ernährungs- und
Hauswirtschaft, Sozialpädagogik, Biotechnik und Agrarwissenschaften. Dass der Kläger
über das „Lehramt an Berufskollegs" und nicht über das „Lehramt für die Sekundarstufe
II an berufsbildenden Schulen" verfügt, ist dabei ohne Belang. Diese Änderung in der
Bezeichnung des Lehramtes beruht auf einer Neufassung des
Lehrerausbildungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GV. NRW. S. 325; in Kraft getreten zum 1.
Januar 2003), nach dessen § 5 Abs. 1 Nr. 3 LABG für den Bereich der berufsbildenden
Schulen an die Stelle des früheren Lehramtes für die Sekundarstufe II nunmehr das
Lehramt an Berufskollegs getreten ist. Dass dieser Wechsel in der Bezeichnung des
54
Lehramtes für die Mangelfachregelungen ohne Auswirkungen geblieben ist, ergibt sich
aus dem Erlass des MSJK vom 16. November 2004. Dort wird unter Nr. 3 ausdrücklich
klargestellt, die zum 31. Juli 2007 verlängerte Ausnahmeregelung gelte auch für das
Lehramt an Berufskollegs.
Im übrigen handelt es sich bei der vom Kläger unterrichteten beruflichen Fachrichtung
Maschinenbautechnik um ein Mangelfach im vorgenannten Sinne. Zwar wird im
Mangelfach-Erlass Maschinentechnik und nicht Maschinenbautechnik als eine der
benötigten beruflichen Fachrichtungen bezeichnet, doch ist dies unschädlich. Bei
Abfassung des Erlasses vom 22. Dezember 2000 gab es noch die berufliche
Fachrichtung „Maschinentechnik" (vgl. § 43 Abs. 3 der Ordnung der Ersten
Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen - LPO - in der Fassung vom 19. November
1996, SGV. NRW. S. 223 = BASS 1999/2000 20 - 02 Nr. 11). Ausweislich der für die
Ausbildung des Klägers geltenden LPO vom 27. März 2003 (GV. NRW. S. 182 = BASS
2003/2004 20 - 02 Nr. 11) wurde diese berufliche Fachrichtung nicht mehr als
Maschinentechnik, sondern als Maschinenbautechnik bezeichnet (§ 37). Dabei handelte
es sich lediglich um einen Begriffswechsel, ohne dass sich die Ausbildungsinhalte
geändert hätten. In der Verwaltungspraxis unterfällt daher auch die berufliche
Fachrichtung „Maschinenbautechnik" dem Mangelfach- Erlass.
55
Der Anwendbarkeit des Mangelfach-Erlasses steht auch nicht entgegen, dass es sich
beim Kläger um einen sogenannten Seiteneinsteiger handelt, der bereits vor seiner
unbefristeten Einstellung als angestellter Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes
tätig war. Zwar heißt es in Nr. I. 2 Abs. 2 Satz 2 des Mangelfach-Erlasses, die
Ausnahmegenehmigung gelte „nur zur Gewinnung neueinzustellender Bewerber;
laufbahnrechtlich überalterte Lehrerinnen und Lehrer, die bereits im
Angestelltenverhältnis beschäftigt werden, dürfen von ihr nicht erfasst werden." In
diesem Zusammenhang kann letztlich offen bleiben, ob der Ausschluss von bereits in
einem Angestelltenverhältnis stehenden Bewerbern lediglich für den Personenkreis gilt,
der schon im Zeitpunkt des Ergehens des Mangelfach-Erlasses im Dezember 2000 im
Schuldienst stand.
56
In diesem Sinne nunmehr wohl OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 6 A
1840/04 - .
57
Nach der ständigen Verwaltungspraxis waren von dieser Einschränkung jedenfalls die -
seinerzeit nur befristet angestellten - Seiteneinsteiger nicht erfasst. Denn lediglich
unbefristet im Angestelltenverhältnis eingestellte Lehrer konnten sich auf die allgemeine
Ausnahmeregelung nicht stützen. Bestätigt wird diese Handhabung durch den
Verlängerungserlass des MSJK vom 15. Juni 2005, der die Ausnahmeregelung
ausdrücklich auch auf die Seiteneinsteiger bezieht („Insbesondere mit Blick auf die
Seiteneinsteiger, die in diesem Jahr zum 15. August 2005 eingestellt werden, ist die
Fristenregelung für den in den o.g. Erlassen benannten Personenkreis wie folgt
auszulegen: Die Ausnahmeregelung gilt bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens
zu Beginn des Schuljahres 2007/2008."). Auch in einer Rund-Mail des MSW vom 14.
August 2006 wird darauf hingewiesen, dass bei Seiteneinsteigern der Mangelfach-
Erlass zur Anwendung kommen kann. Im übrigen ist der Kammer aus einer Reihe von
Klageverfahren betreffend die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bekannt,
dass den Seiteneinsteigern die Ausnahmeregelung des Mangelfach- Erlasses nicht
deshalb versagt wurde, weil sie zum Zweck der Qualifizierung bereits als befristet
Angestellte im Schuldienst des beklagten Landes standen.
58
Der nach allem für den Kläger einschlägigen allgemeinen Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze steht der Erlass des MSW vom 23. Juni 2006 (Az. 000- 00.00.00.03-
000, nachfolgend: Aufhebungserlass) nicht entgegen. Dort war allerdings „im Zuge der
Überlegungen zu einer dauerhaften und zukunftssicheren Haushaltskonsolidierung" ...
„im Hinblick auf die stetig ansteigenden Versorgungslasten" die noch mit Erlass vom 15.
Juni 2005 bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres
2007/2008 verlängerte Mangelfachregelung aufgehoben worden. Weiter heißt es, die
Ausnahmeregelung gelte „nunmehr letztmalig für den Abschluss des
Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007, d.h., für die in den
Ausschreibungsverfahren und Listenverfahren zum Schuljahresbeginn 2006/2007
ausgewählten Lehrkräfte."
59
Diese vorzeitige Aufhebung der allgemeinen Ausnahmeregelung erfasst zwar den
Kläger (vgl. unter I.), verstößt aber im vorliegenden Fall gegen höherrangiges Recht und
kann dem Einstellungsbegehren des Klägers nicht entgegengehalten werden (vgl.
unten II.).
60
I.
61
Der Kläger wird allerdings von Nr. I des Aufhebungserlasses erfasst. Dem steht nicht
entgegen, dass er bereits 2005 in einem förmlichen Auswahlverfahren
(Ausschreibungsverfahren) ausgewählt und befristet eingestellt worden ist. Aus dem
Wortlaut des Aufhebungserlasses
62
... gilt nunmehr letztmalig für den Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des
Schuljahres 2006/2007, d.h. für die in den Ausschreibungsverfahren und
Listenverfahren zum Schuljahresbeginn 2006/07 ausgewählten Lehrkräfte.
63
folgt nicht, dass der Kläger als Seiteneinsteiger von der Verkürzung der
Mangelfachregelung ausgenommen sein sollte. Mit dem Hinweis auf die zum
Schuljahresbeginn 2006/07 ausgewählten Lehrkräfte wird lediglich in zeitlicher Hinsicht
der Personenkreis näher gekennzeichnet, für den der Mangelfach-Erlass letztmalig
gelten soll. Er besagt entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht, dass der
Mangelfach-Erlass für alle bereits in einem Auswahlverfahren erfolgreich gewesenen
Bewerber - wie die Seiteneinsteiger - weiter gelten soll. Eine derartige Auslegung des
Aufhebungserlasses wird weder dessen Wortlaut noch dessen tatsächlicher
Handhabung gerecht. Dies wird auch bestätigt durch den vorangegangenen Erlass des
MSJK vom 15. Juni 2005, mit dem die Mangelfachregelung bis zum Abschluss des
Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2007/2008 verlängert worden war. Einer
derartigen Verlängerung hätte es nicht bedurft, wenn die Seiteneinsteiger bereits im
Zeitpunkt ihrer befristeten Einstellung vom Mangelfach-Erlass erfasst worden wären.
64
Mithin kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, der Aufhebungserlass gelte
für ihn nicht, weil er - der Kläger - schon vor 2006 „ausgewählt" worden sei.
65
Etwas anderes folgt auch weder aus dem Grundlagenerlass zur Lehrereinstellung noch
aus den Vorschriften der Ordnung des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes und
der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP-B vom 24. Juli 2003, GV.
NRW. S. 438). Zwar enthalten beide Regelwerke Anhaltspunkte dafür, was im
allgemeinen unter „Einstellung" zu verstehen ist. Jedoch treten hieraus abgeleitete
66
Deutungen hinter das oben dargestellte Verständnis des Erlassgebers zurück, weil
letzteres ausdrücklich auf die besondere Situation der Seiteneinsteiger bezogen ist.
Im übrigen gibt es keine Verwaltungspraxis, wonach überalterte Seiteneinsteiger, die -
wie der Kläger - erst 2007 unbefristet eingestellt worden sind, in Anwendung der
Mangelfachregelungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden wären.
Insoweit gilt Folgendes:
67
Bei den Ausnahmeerlassen handelt es sich um verwaltungsinterne Weisungen, aus
denen der Kläger über Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit gleichgelagerten anderen
Einzelfällen Rechte herleiten kann. Maßgeblich ist insoweit die in ständiger Praxis
geübte, wenn auch u. U. von den Richtlinien abweichende tatsächliche Handhabung,
wenn sie von dem Richtliniengeber gebilligt oder zumindest geduldet wird.
68
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 - 2 C 7.99 -, DÖD 2001, 38 = RiA 2000, 283,
sowie Beschluss vom 7. April 2000 - 2 B 21.00 -; OVG NRW, Urteil vom 7. Juni 2005 - 6
A 3355/03 -, IÖD 2005, 268, und Beschluss vom 27. April 2001 - 6 A 4754/00 -, NVwZ-
RR 2002, 58.
69
Der Beklagte hat dargelegt, dass die Handhabung des Aufhebungserlasses in der
Verwaltungspraxis dahingehend erfolgt, dass der Mangelfach-Erlass und damit die
Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze auf Seiteneinsteiger wie
den Kläger nicht angewendet wird, weil es nicht auf ihre befristete Einstellung im Jahre
2005, sondern auf die unbefristete Einstellung im Jahre 2007 ankommt und in diesem
Zeitpunkt die Mangelfachregelungen nicht mehr galten. Das ergibt sich aus der den
Beteiligten bekannten Rund-Mail des MSW vom 14. August 2006. Dort wird u.a. die
Frage an das Ministerium gerichtet, ob der Mangelfach-Erlass bei Seiteneinsteigern
dann gelte, wenn sie Mitte 2004 im Angestelltenverhältnis für die Dauer von zwei Jahren
eingestellt worden seien und der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst Mitte 2006
ende. Das MSW bejaht das Votum, dass der Mangelfach-Erlass hier noch anzuwenden
sei, mit folgender Begründung:
70
Abzustellen ist bei der nun letztmaligen Anwendung des Ausnahmeerlasses darauf,
dass die Lehrer zum Schuljahresbeginn 2006/07 neu - i.S. von erstmalig auf Dauer -
eingestellt werden. Bei den Seiteneinsteigern endet mit Ablauf des
Vorbereitungsdienstes das befristete Arbeitsverhältnis. Als Neueinstellung unterfallen
sie somit dem Ausnahmeerlass (auch wenn die konkrete Personenauswahl in der Tat
bereits im Listen-/Auswahlverfahren zu Beginn des Seiteneinsteiger-
Vorbereitungsdienstes erfolgt ist.).
71
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass hiervon abweichend in 2007 unbefristet
und damit „neu" eingestellte Seiteneinsteiger trotz Überalterung noch verbeamtet
worden wären.
72
Bei Wirksamkeit des Aufhebungserlasses hätte daher der Kläger als Seiteneinsteiger
nicht (mehr) in den Genuss der Mangelfachregelungen kommen und somit nicht in das
Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden können.
73
II.
74
Die Verkürzung der Geltungsdauer des Mangelfach-Erlasses verstößt im Fall des
75
Klägers aber gegen höherrangiges Recht und kann daher seinem Einstellungsbegehren
nicht entgegengehalten werden.
Diese Verkürzung ist mit dem Gebot des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Durch die
zuvor im Erlasswege getroffene Ausnahmeregelung von der Höchstaltersgrenze
(„Mangelfach-Erlass" und mehrfache Verlängerungen dieser Regelung) wurde im
Verhältnis der Verwaltung zum Kläger eine anspruchsbegründende Außenwirkung
geschaffen.
76
Es ist anerkannt, dass derartige Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur
innewohnende interne Bindung hinaus nicht nur vermittels des Gleichheitssatzes (Art. 3
Abs. 1 GG), sondern auch über das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des
Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) eine
anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger zu
begründen vermögen.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -, BVerwGE 104, 220; BVerwG,
Beschluss vom 20. März 1973 - I WB 217.72 -, BVerwGE 46, 89; Möstl, in: Erichsen,
Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 III, Rdnr. 21.
78
Der Anspruch des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis, dem die
Überschreitung der Altersgrenze auf Grund des Mangelfach-Erlasses nicht
entgegenstand, konnte durch den Aufhebungserlass nicht wirksam beseitigt werden,
weil die von diesem angestrebte nachträgliche Änderung der Rechtslage sich nach den
Grundsätzen über die Rückwirkung von Normen als unzulässiger Eingriff in die
Rechtsstellung des Klägers erweist.
79
Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein bereits
abgewickelter, in der Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu
geregelt wird. Erforderlich ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in
der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung
bereits abgeschlossen war. Dem gegenüber liegt eine grundsätzlich zulässige unechte
Rückwirkung vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die
betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.
80
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 4.05 -, DVBl 2006, 648 ff.
81
Vorliegend handelt es sich um den Fall einer unechten Rückwirkung oder
tatbestandlichen Rückanknüpfung, da der Kläger sich zum Zeitpunkt der vorzeitigen
Aufhebung des Mangelfach-Erlasses am 23. Juni 2006 noch im berufsbegleitenden
Vorbereitungsdienst befand und erst nach erfolgreichem Abschluss in das
Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden konnte, wozu er wegen seines
Alters einer allgemeinen Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze
von 35 Jahren bedurfte. Diese Ausnahme war durch die Mangelfachregelung gegeben.
Indem der Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 die zeitliche Geltung des Mangelfach-
Erlasses um ein Jahr verkürzte, entwertete er im Nachhinein die Rechtsposition des
Klägers.
82
Regelungen mit unechter Rückwirkung sind grundsätzlich innerhalb der sich aus einer
Abwägung zwischen dem verursachten Vertrauensschaden und der Bedeutung des
83
gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl ergebenden Grenze zulässig.
Schutzwürdig ist von Verfassungs wegen nur das betätigte Vertrauen, das zu einer
Rechtsposition geführt hat; auch muss der Vertrauensschaden hinreichend gewichtig
sein.
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81
u.a. -, BVerfGE 75, 246; Beschluss vom 28. September 2007 - 2 BvL 5/05 u.a. -,
www.bverfg.de/entscheidungen.
84
Die Grenzen der Zulässigkeit sind überschritten, wenn die unechte Rückwirkung zur
Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die
Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers
überwiegen.
85
Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999, - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239; BVerfG,
Beschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92 u.a. -, BVerfGE 95, 64 - ständige
Rechtsprechung.
86
Diese Grundsätze zur unechten Rückwirkung gelten nicht nur für Gesetze, sondern auch
für die im Erlasswege festgelegten Ausnahmeregelungen zur Höchstaltersgrenze, da es
sich bei diesen ermessenslenkenden Bestimmungen um Verwaltungsvorschriften mit
vergleichbaren Auswirkungen handelt.
87
Vgl. für Verwaltungsvorschriften: BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10.05 -,
BVerwGE 126, 33 - 60; ähnlich auch BVerwG, Urteil vom 8. April 1997, a.a.O.,
88
Die Kammer lässt offen, ob im vorliegenden Fall noch strengere Maßstäbe anzulegen
gewesen wären. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine
Verschärfung der Maßstäbe dann geboten, wenn es um die vorzeitige Aufhebung einer
befristeten Übergangsregelung geht. Der Bürger hat in diesen Fällen auf die Kontinuität
einer Regelung vertraut, auf Grund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in
Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der
Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrechterhalten wird. Bei einer solchen
Regelung sieht das Bundesverfassungsgericht einen „besonderen
Vertrauenstatbestand", der nur dadurch überwunden werden kann, dass „schwere
Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter" zu erwarten sind, falls die geltende
Übergangsregelung bestehen bleibt.
89
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. -, BVerfGE 102, 68.
90
Eine vergleichbare Ausgangslage dürfte hier gegeben sein. Der Aufhebungserlass hat
in eine mehrfach verlängerte und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt befristete
begünstigende Regelung eingegriffen. Zuletzt war der Mangelfach-Erlass durch den
Erlass des MSJK vom 15. Juni 2005 im Hinblick auf den Personenkreis der
Seiteneinsteiger verlängert worden, wobei der Erlassgeber die Möglichkeit hatte, die
Notwendigkeit der Mangelfachregelung - insbesondere den weiteren Bedarf an
Lehrkräften in Mangelfächern - zu überprüfen und dabei die finanziellen Folgen
abzuschätzen.
91
Auf die Frage, ob ein verschärfter Prüfungsmaßstab anzulegen ist, kommt es aber nicht
an, weil der Aufhebungserlass bereits dem einfachen Maßstab nicht genügt. Die
92
Bestandsinteressen des Klägers sind gewichtiger als die Veränderungsgründe des
Erlassgebers.
Das Vertrauen des Klägers ist schutzwürdig. Er durfte sich auf die Fortgeltung der
Mangelfachregelung verlassen. Das hat er getan und sein Vertrauen aktiv betätigt.
Dadurch ist eine Rechtsposition zu seinen Gunsten entstanden. Durch den vorzeitigen
Wegfall der Mangelfachregelung hat er einen hinreichend gewichtigen
Vertrauensschaden erlitten.
93
Im Einzelnen: Der Kläger ist nach seinen insoweit schlüssigen und glaubhaften
Angaben in dem Verfahren betreffend die Aufhebung der Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht sowie im vorliegenden Verfahren davon ausgegangen, dass
er trotz seiner Überalterung auf Grund der Mangelfachregelung nach Bestehen der
Zweiten Staatsprüfung verbeamtet werden würde. Das legten bereits die damaligen
Veröffentlichungen des Schulministeriums und der weiteren Schulaufsichtsbehörden
nahe. So war zu der Zeit, als der Kläger sich auf die Stelle am Berufskolleg West in F
bewarb, dem entsprechenden Internetportal („LEO") beispielsweise der Hinweis auf den
Mangelfach-Erlass als Rechtsgrundlage für die Einstellung überalterter Lehrer zu
entnehmen. Ähnliches fand sich in einer Broschüre des MSJK. Dies entsprach der
seinerzeit geltenden Erlasslage. Das MSJK hatte mit Erlass vom 16. November 2004
die Geltung des Mangelfach-Erlasses bis zum 31. Juli 2007 verlängert. Aus dem
Arbeitsvertrag vom 21. Januar 2005 sowie dem Bescheid vom 21. Januar 2005, mit dem
der Kläger in Erwartung der Verbeamtung von der Rentenversicherungspflicht befreit
wurde, ergab sich gleichfalls, dass er bei Vorliegen der beamtenrechtlichen
Voraussetzungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe übernommen würde. Vor allem
durfte der Kläger deshalb auf die Anwendung der Mangelfachregelung vertrauen, weil
noch vor Ablauf seiner sechsmonatigen Probezeit das MSJK mit Erlass vom 15. Juni
2005 die zeitliche Geltungsdauer der Mangelfachregelung gerade „mit Blick auf die
Seiteneinsteiger" konkretisiert hatte „bis zum Abschluss des Einstellungsverfahrens zu
Beginn des Schuljahres 2007/2008".
94
Das hiernach schutzwürdige Vertrauen des Klägers wurde von ihm auch nach außen
erkennbar betätigt und ist hinreichend gewichtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
Kläger nach langjähriger Tätigkeit an der Universität E1-F seine Lebensplanung
geändert und seine bisherige berufliche Orientierung aufgegeben hat. Er hat den
Wechsel in den öffentlichen Schuldienst betrieben und dabei die Unannehmlichkeiten
einer weiteren Berufsausbildung in Kauf genommen, die nicht nur in der Weiterbildung
bestand, sondern auch in der vorübergehenden Bescheidung mit niedrigeren Bezügen.
Hinzu kam das Risiko, bei Nichtbestehen der Zweiten Staatsprüfung beruflich „mit
leeren Händen" dazustehen. All dies hat der Kläger auf sich genommen, weil es ihm
darauf ankam, als verbeamteter Lehrer eine sichere berufliche Perspektive zu
entwickeln. Diese Sicherheit war ihm so viel wert, dass er hierfür die mit dem
Berufswechsel verbundenen Unwägbarkeiten in Kauf genommen hat. Der Kläger hat
außerdem glaubhaft dargelegt, dass er sich nach dem erfolgreichen Abschluss der
sechsmonatigen Probezeit im Sommer 2005 und damit zu einem Zeitpunkt, als die
Geltung des Mangelfacherlasses bis zum Schuljahresbeginn 2007/2008 durch den
Erlass vom 15. Juni 2005 noch einmal bestätigt worden war, im Vertrauen auf die
künftige Verbeamtung entschieden hat, ein Haus zu erwerben. Zur Finanzierung der
Immobilie hat er durch Kreditaufnahme eine Vermögensdisposition getroffen, welche ihn
mit monatlich rund 1.000,- Euro belastet. Der Kläger hat schriftsätzlich plausibel
gemacht, dass er dies in Erwartung der Verbeamtung getan hat. Ohne das ihm als
95
Beamten zur Verfügung stehende Netto-Einkommen, das über dem eines angestellten
Lehrers liegt, hätte er bereits den Berufswechsel nicht betreiben und sich auch nicht
Mitte 2005 zum Erwerb eines Eigenheims entschieden. Dadurch, dass die
Bezirksregierung ihm statt des Beamtenstatus nur eine unbefristete Angestelltenstelle
angeboten hat, ist ihm ein Schaden in Höhe der Einkommensdifferenz zwischen dem
Einkommen eines angestellten und dem eines verbeamteten Lehrers entstanden.
Diesem betätigten Vertrauen des Klägers, das schutzwürdig und gewichtig ist, steht kein
gleichwertiges Interesse des Erlassgebers gegenüber.
96
Hauptgrund für die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses sind nach dem Inhalt
des Aufhebungserlasses vom 23. Juni 2006 „Überlegungen zu einer dauerhaften und
zukunftssicheren Haushaltskonsolidierung". „Im Hinblick auf die stetig ansteigenden
Versorgungslasten" bestehe „für die Ausweitung der bestehenden Höchstaltersgrenze
kein Raum mehr." Das MSW hat dies in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2007
bestätigt und ausgeführt, der Anstieg der Versorgungslasten habe nicht weiter verschärft
werden sollen.
97
Zwar ist anerkannt, dass grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der sparsamen
Verwaltung öffentlicher Mittel besteht.
98
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1982 - 2 C 9.81 -, DVBl. 1982, 797;
BVerwG, Beschluss vom 17. Oktober 1985 - 7 B 161.85 -, NVwZ 1986, 482;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 49, Rdnr. 48.
99
Auch ist die Haushaltslage des beklagten Landes unstreitig (immer noch) angespannt.
100
Es bestehen aber bereits durchgreifende Zweifel daran, dass mit dem Erlass vom 23.
Juni 2006 gerade durch den Ausschluss der im Jahr 2007 zur Verbeamtung
anstehenden Seiteneinsteiger ein wirksamer Beitrag zur Haushaltskonsolidierung
erbracht werden sollte. Vielmehr ist festzustellen, dass das beklagte Land dem Aspekt
der Haushaltskonsolidierung durch Unterlassen der Verbeamtung überalterter Lehrer
keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, denn es hat diesen von ihm im
Aufhebungserlass unter Nummer I. genannten Gesichtspunkt durch die unter Nummer II.
getroffene Regelung gleichzeitig (uno actu) wieder entwertet. Dort hat es eine
Ausnahmeregelung für die überalterten Lehrer aus dem sog. Tausenderkontingent
getroffen, die im Sommer 2005 in den öffentlichen Schuldienst eingestellt worden waren
und sich seitdem in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis befanden. Deren -
späteren - Verbeamtung unter Anwendung des Mangelfach-Erlasses stand ursprünglich
entgegen, dass sie bereits unbefristet eingestellt waren und daher dem Land zur
Deckung des Bedarfs schon zur Verfügung standen (vgl. Nr. I. 2 Abs. 2 Satz 2 des
Mangelfach-Erlasses). Mit der Regelung unter Nr. II des Aufhebungserlasses vom 23.
Juni 2006 ermöglichte der Erlassgeber erstmals die Übernahme dieser Personengruppe
in das Beamtenverhältnis aus Probe, weil eine Verbeamtung dieser Lehrkräfte schon im
Jahre 2005 aus haushaltsrechtlichen Gründen - es standen kurzfristig keine Planstellen
für Beamte zur Verfügung - nicht möglich war. Ein zwingender Grund für diese
Ausnahmeregelung, von der landesweit nach Auskunft des MSW vom 14. November
2007 108 Lehrkräfte betroffen waren, ist nicht erkennbar. Der Bedarf war durch ihre
zuvor erfolgte unbefristete Einstellung bereits gedeckt. Zudem hatte man den
überalterten Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent nach den eigenen Angaben des
Beklagen eine Verbeamtung unter Anwendung des Mangelfach- Erlasses bei ihrer
101
Einstellung im Jahr 2005 gerade nicht in Aussicht gestellt und hiermit auch im Vorfeld
nicht geworben. Einen Vertrauenstatbestand, wie er etwa beim Kläger und den übrigen
Seiteneinsteigern in vergleichbarer Situation bestand, gab es also bei den überalterten
Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent nicht. Hat somit der Erlassgeber „ohne Not"
die Verbeamtung von 108 überalterten Lehrkräften aus dem Tausenderkontingent
ermöglicht und somit zusätzliche Versorgungskosten begründet, kann er dem
Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung durch Vermeidung der Verbeamtung einer
vergleichbaren Anzahl überalterter Lehrer keine besondere Bedeutung beigemessen
haben. Es wäre deshalb aus seiner eigenen Sicht dem Ziel einer
Haushaltskonsolidierung nicht in besonderem Maße abträglich gewesen, die mit 89
betroffenen Personen vergleichbar große Gruppe der sich seit dem Jahr 2005 im
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst befindlichen überalterten Seiteneinsteiger von
der Verkürzung der Mangelfachregelung auszunehmen und ihnen die Verbeamtung
nicht abzuschneiden.
Maß nach alledem selbst der Beklagte der Verbeamtung von etwa 100 überalterten
Lehrern keine entscheidende Bedeutung für die Haushaltskonsolidierung zu, ist dem
schutzwürdigen Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Mangelfachregelung das
höhere Gewicht beizumessen.
102
Hinzu kommt, dass es zweifelhaft ist, ob die um ein Jahr vorgezogene Aufhebung des
Mangelfach-Erlasses für die Gruppe der 89 überalterten Seiteneinsteiger überhaupt als
wirksamer Beitrag zur Haushaltskonsolidierung angesehen werden kann. Die Angaben
des MSW zur Größenordnung des Einsparpotenzials erweisen sich im Einzelfall
nämlich als nicht belastbar. Das Ministerium hatte darauf hingewiesen, dass bei einem
Vergleich der Kosten einer angestellten mit den Kosten einer beamteten Lehrkraft die
beamtete Lehrkraft um ca. 165.000 Euro teurer sei. Diese Berechnung basiert nach
Auskunft des Finanzministeriums des beklagten Landes (vgl. Gesprächsvermerk vom
18. Oktober 2007) auf der Barwert- oder Kapitalwertmethode und berücksichtigt, dass
die für Versorgungszwecke aufgewandten Mittel bei Beamten im wesentlichen erst nach
deren Eintritt in den Ruhestand anfallen, während sie bei Angestellten in Form von
Rentenversicherungsbeiträgen schon während ihrer aktiven Zeit zu entrichten sind,
nach Eintritt in den Ruhestand aber nicht mehr. Vereinfacht ausgedrückt ist dabei zu
fragen, wie viel Geld man zum Zeitpunkt des Eintritts in den Landesdienst bereithalten
muss, um die vom Dienstherrn/Arbeitgeber im Verlauf des Arbeits- und - bei Beamten -
Versorgungszeitraumes geschuldeten Beträge finanzieren zu können. Dabei geht man
davon aus, dass ein bei Dienstantritt zurückgelegter Betrag zu einem bestimmten
Zinssatz angelegt wird und solange Gewinn erwirtschaftet, bis der geschuldete Betrag
ausgezahlt werden muss.
103
Das beklagte Land selbst geht an anderer Stelle davon aus, dass es einen allgemein
gültigen, unangreifbaren Kostenvergleich nicht gibt. In einer Vorlage des
Finanzministeriums NRW an den Unterausschuss „Personal" des Haushalts- und
Finanzausschusses des Landtages vom 30. Januar 1998 (IV B 3 - 3.000-1/1, Vorlage
12/1908) heißt es:
104
Die überwiegende Zahl der vorliegenden Gutachten kommt zu dem Schluss, dass
Beamte kostengünstiger seien als Angestellte. Eine allgemein gültige, unangreifbare
Antwort auf die Kostenfrage ist jedoch bisher nicht gefunden worden. Die eng
beieinander liegenden Ergebnisse in den verschiedenen Gutachten verdeutlichen
vielmehr, dass eine solche Antwort angesichts der Prognoseunsicherheiten nicht
105
möglich ist.
Aus dem Hinweis auf die überwiegende Zahl der vorliegenden Gutachten ergibt sich
zwar nicht zwingend, dass eine Verbeamtung des Klägers kostengünstiger ist als seine
Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, weil er im Einstellungszeitpunkt deutlich älter
als 35 Jahre war und bei lebensälteren Bewerbern tendenziell das
Angestelltenverhältnis günstiger wird. Dennoch zeigt das Zitat die Bedenken des
Landes gegenüber der Belastbarkeit derartiger Kostenvergleiche angesichts der
Prognoseunsicherheiten. Diese Unsicherheiten beruhen darauf, dass es eine Reihe
ergebnisbeeinflussender Parameter gibt, die über einen längeren Zeitraum nicht
hinreichend verlässlich vorausgesagt werden können. Dazu gehören nach dem Inhalt
der zitierten Vorlage unter anderem das Zurruhesetzungsalter, die Lebenserwartung, der
Umlagesatz für die Zusatzversorgungseinrichtungen der Angestellten und der
Krankenversicherungsschutz. Vor allem gehört der Abzinsungssatz zu diesen den
Kostenvergleich stark beeinflussenden Größen.
106
Der Beklagte hat bei der Berechnung, bei der er zu einem Kostenvorteil bei angestellten
Lehrern in Höhe von 165.000 Euro gekommen ist, einen Effektivzinssatz von 2,5 %
(Diskontierungssatz von 3,5 % abzüglich einer Inflationsrate von 1 %) zu Grunde gelegt.
Dieser Zinssatz ist ein wichtiger Faktor bei den auf der Kapitalwertmethode beruhenden
Kostenvergleichen. Je höher man ihn ansetzt, um so günstiger wird das Beamten-
gegenüber dem Angestelltenverhältnis, denn die Versorgungslasten bei Beamten
werden - wie bereits ausgeführt - überwiegend erst später fällig. Deshalb wird der auf
die Versorgungslasten entfallende Anteil des Barwertes bei Beamten im
Einstellungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum verzinst als bei Angestellten.
107
Es erscheint zweifelhaft, ob der vom Beklagten zu Grunde gelegte Zinssatz unter
Ausschöpfung der zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides verfügbaren
Erkenntnismittel und unter Beachtung aller für ihn erheblichen Umstände sachgerecht
ermittelt worden ist. Zwar handelt es sich bei der Erstellung eines solchen
Kostenvergleiches um eine Planungsentscheidung der Exekutive, die nur
eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Dennoch kann sie darauf überprüft
werden, ob die ihr zugrunde liegende Prognose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren
Erkenntnismitteln unter Beachtung aller für sie erheblicher Umstände sachgerecht
erstellt worden ist.
108
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 - 5 C 10.05 -, BVerwGE 126, 33.
109
Gegen eine sachgerechte Ermittlung des Diskontierungssatzes von 2,5 % sprechen die
Ergebnisse anderer Vergleichsuntersuchungen. So geht das Bayerische
Staatsministerium der Finanzen
110
- "Vergleich der Personalausgaben bei der Beschäftigung von Beamten und
Angestellten", Informationen zum Öffentlichen Dienst, Juli 2004, S. 25 f. -
111
von einem deutlich höheren Zinssatz aus, dem es im übrigen für die Berechnung
entscheidende Bedeutung beimisst. Es hat einen Nominalzinssatz von 6 % zu Grunde
gelegt und hierfür auf den langfristigen Kapitalmarktzins abgestellt. Dabei wurde der
durchschnittlichen Zinssatz der Jahre 1991 bis 2003 berücksichtigt. In diesem Zeitraum
lag der Kapitalmarktzins bei 5,73 %. In Anbetracht des niedrigen Zinsniveaus in den
vergangenen sechs Jahren und des sehr langen Untersuchungszeitraumes von bis zu
112
75 Jahren hielt man eine Anhebung des verwendeten Nominalzinssatzes auf 6 % für
gerechtfertigt. Diesen Überlegungen hat sich das schleswig-holsteinische
Finanzministerium
- vgl. „Untersuchung des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums zu der
Fragestellung, ob in nichthoheitlichen Bereichen die Einstellung von Beschäftigten
grundsätzlich im Beamtenverhältnis erfolgen soll und in der Vergangenheit als
Angestellte übernommene Mitarbeiter/innen auf Antrag verbeamtet werden können",
Referat VI/40, März 2006, Schleswig- Holsteinischer Landtag, Umdruck 16/1299, S. 13 -
113
angeschlossen und diese Ausgangsgröße als realitätsnah bezeichnet. Ältere
Untersuchungen gehen sogar von noch höheren Zinssätzen aus.
114
7 %: Finanzministerium Baden-Württemberg, „Vergleichende Untersuchung der
Personalkosten eines Beamten (einschl. Beamtenversorgung) mit denen eines
Angestellten - in ausgewählten repräsentativen Laufbahnen-", November 1994,
Landtagsdrucksache 11/5092, S. 6;
115
7,5 %: Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, „Beamte oder
Arbeitnehmer, Vergleichende Untersuchung über Auswirkungen der alternativen
Verwendung von Beamten oder von Arbeitnehmern im Bundesdienst", Band 6 der
Schriftenreihe der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, 1996, S.
57.
116
Selbst nach eigener Einschätzung des Finanzministeriums des beklagten Landes aus
dem Jahr 1998,
117
vgl. Vorlage des Finanzministeriums NRW vom 30. Januar 1998, a.a.O.,
118
wird als realistische Bandbreite für den Realzins, dort definiert als Differenz zwischen
Nominalzinssatz und Preissteigerungsrate, ein Rahmen von 3 bis 4 % angesehen, also
deutlich mehr als die 2,5 %, die der Beklagte hier seiner Entscheidung zu Grunde gelegt
hat.
119
Ob daher tatsächlich im Einzelfall Einsparungen in einer Größenordnung von etwa
165.000 Euro durch Versagung der Verbeamtung erzielt werden können, ist fraglich. Es
erscheint angesichts der Bedeutung des Diskontierungssatzes für die
Vergleichsberechnung und der insoweit aufgezeigten Schwankungen nicht einmal
sicher, ob ein Verbleib des Klägers im Angestelltenverhältnis überhaupt zu Spareffekten
führt.
120
Im übrigen machen die betroffenen Seiteneinsteiger ohnehin nur einen geringen Anteil
in der Gruppe der verbeamteten Lehrer aus. Den 89 überalterten Seiteneinsteigern
stehen nach dem Haushaltsplan des beklagten Landes landesweit insgesamt 7.482
Planstellen für Lehrer (A12 + A13) im Jahr 2006 und 8.086 entsprechende Planstellen
für 2007 gegenüber, also ca. die 84-fache bzw. die 90- fache Anzahl.
121
Insgesamt muss deshalb die Bedeutung der Versagung der Verbeamtung für die
Haushaltskonsolidierung als geringer eingestuft werden als das schutzwürdige
Interesse des Klägers an einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
122
Soweit der Beklagte in der Stellungnahme des MSW vom 28. Februar 2007 die
vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses neben der Haushaltskonsolidierung
auch damit begründet, es hätten Ungerechtigkeiten vermieden werden sollen, die
dadurch bedingt seien, dass die seit dem Jahr 2000 fortgeschriebene
Mangelfachdefinition nicht mehr der aktuellen Bedarfslage entspreche, dringt er nicht
durch. Zur Erreichung dieses Zwecks wäre die vorzeitige vollständige Abschaffung des
Mangelfach-Erlasses nicht erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit ist zu verneinen,
wenn der Gesetz- bzw. Erlassgeber ein anderes, gleich wirksames, aber die
Rechtsposition des Klägers weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können,
123
vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 u.a. -, BVerfGE 75, 246.
124
Hier hätte der Beklagte als milderes Mittel den aktuellen Bedarf der Mangelfächer
präzise ermitteln und die vorzeitige Aufhebung des Mangelfach-Erlasses auf diejenigen
Fächer beschränken können, in denen es keinen Bedarf mehr gibt. Für die echten
Mangelfächer hätte die Ausnahmeregelung bis Mitte 2007 weitergelten können. Auf
diese Weise hätten „nicht begründbare Ungleichbehandlungen" vermieden werden
können. Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass für die vom Kläger unterrichteten Fächer
ein Bedarf nicht mehr besteht.
125
Die allgemeine Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze
(Mangelfach-Erlass) ist deshalb bereits aus den vorstehenden Gründen auf den Kläger
als Seiteneinsteiger nach wie vor anzuwenden.
126
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
127
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
709 Satz 1 ZPO.
128
Das Gericht lässt die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu, weil es die
Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet. Es
handelt sich vorliegend insbesondere nicht um eine Rechtssache von grundsätzlicher
Bedeutung. Der Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 hat die ohnehin befristete
Mangelfachregelung lediglich um ein Jahr verkürzt und stellt sich daher als
auslaufendes Recht dar, das nur einen begrenzten Kreis von allenfalls 89 Personen
erfasst. Hiervon betroffen sind lediglich die überalterten Seiteneinsteiger, die auf eine
Verbeamtung nach Maßgabe des Mangelfach-Erlasses vertrauen durften und ihr
Vertrauen betätigt hatten.
129
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