Urteil des VG Düsseldorf vom 02.04.2009
VG Düsseldorf: wahlbezirk, wahlrecht, aufschiebende wirkung, öffentliche bekanntmachung, stimmzettel, aufteilung, vertreter, stadt, mandatsverteilung, wahllokal
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 K 1808/07
Datum:
02.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1808/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Wahlen zum Erbentag des zum
1. Januar 2007 neu gegründeten Deichverbandes C-Landesgrenze ungültig sind.
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Die Wahl wurde im Zeitraum vom 8. bis zum 28. März 2007 in neun Teil-
Mitgliederversammlungen in den Wahlbezirken C, I-N, Stadtgebiet S, Stadtgebiet J,
C1/N1/W/I1, F-Süd mit W1, E und Q, Stadtgebiet F, I2-F1 sowie in der Gruppe der
Erschwerer durchgeführt.
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Am 14. März 2007 wurde beim Beauftragen für den Deichverband C-Landesgrenze (im
folgenden: Beauftragter) ein Kandidatenvorschlag betreffend den Kläger für den Bezirk
Stadtgebiet S eingereicht. Mit Schreiben vom 15. März 2007 teilte der Beauftragte dem
Kläger mit, dass seine Zuordnung zum Wahlbezirk Stadtgebiet S offenbar irrtümlich
erfolgt sei; er habe ihn deshalb dem richtigen Wahlbezirk C1/N1/W/I1 zugeordnet. Dem
widersprach der Kläger mit Schreiben vom selben Tage unter Hinweis darauf, dass sich
weder aus der Satzung des Deichverbandes noch der Wahl-ordnung ergebe, dass sich
das passive Wahlrecht auf den Wahlbezirk beschränke, in dem der Kandidat seinen
Wohnsitz habe. Daraufhin wurde der Kläger in keinem der vorgenannten Wahlbezirke
als Kandidat berücksichtigt. Mit am 19. März 2007 beim Beauftragten eingegangenen
Schreiben vom selben Tage focht der Kläger die Wahl im Wahlbezirk Stadtgebiet S vom
19. März 2007 an und begründete dies mit der Zurückweisung seiner Kandidatur. Des
Weiteren beantragte er am 7. April 2007 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit
dem Ziel, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl des
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Erbentages dessen konstituierende Sitzung auszusetzen. Mit Beschluss vom 17. April
2007 im Verfahren 8 L 569/07 lehnte die erkennende Kammer den Antrag ab.
Der Kläger hat am 2. Mai 2007 Klage erhoben, zu deren Begründung er im
Wesentlichen geltend macht:
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Er habe als Aktiv- und Passivwahlberechtigter ein berechtigtes Interesse an der
Feststellung der Ungültigkeit der Wahl. In diesem Zusammenhang könne er sich auf alle
Unregelmäßigkeiten berufen, die Einfluss auf die Mandatsverteilung gehabt haben
könnten, insbesondere sei er nicht auf die Geltendmachung der bereits gegenüber dem
Beauftragten erhobenen Einwendungen beschränkt.
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Der Beauftragte habe zu Unrecht eine Kandidatur nur in dem Bezirk zugelassen, in dem
der Bewerber Grundeigentum gehabt habe. § 13 der Satzung für den neuen
Deichverband C-Landesgrenze (im Folgenden: VS) stelle allein darauf ab, dass ein
Passivwahlberechtigter ein Bewerber sein müsse, der im Verbandsgebiet wählen dürfe;
innerhalb dieses Gebietes sei eine Kandidatur nach dem Wunsch des Kandidaten
möglich. Bei der Gruppe der Erschwerer habe es keine derartige Beschränkung auf
einen bestimmten Wahlbezirk gegeben. Weitere Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf die
Aufstellung der Kandidaten bestünden darin, dass bei der Gruppe der Erschwerer
Bewerber zugelassen worden seien, die kein Grundstück im Verbandsgebiet besäßen,
das dem Bereich der Erschwerer zuzuordnen sei oder für das Beiträge als Erschwerer
geltend gemacht worden seien, das erforderliche Einverständnis der Kandidaten nicht
vorgelegen habe, Kandidaten als Vertreter einer Gebietskörperschaft zugelassen
worden seien, sich jedoch als Privatpersonen zur Wahl gestellt hätten, Kandidaten, die
für Gebietskörperschaften kandidiert hätten, nicht durch den Rat der Stadt bestellt
worden seien und nicht mit ihrer Privatanschrift, sondern der Anschrift des Rathauses
auf den Wahlzetteln aufgeführt seien, sowie ein Kandidat einmal für die Gruppe der
Erschwerer und gleichzeitig auch als Kandidat für den Wahlbezirk C1/N1/W/I1
zugelassen worden sei. Des Weiteren sei die Wahlbekanntmachung nicht
ordnungsgemäß erfolgt. Die fehlerhafte Wahlbekanntmachung für den Bezirk I-N habe
aufgehoben und durch Ansetzung eines neuen Wahltermins korrigiert werden müssen.
Es sei davon auszugehen, dass Wahlberechtigte hierdurch irritiert worden seien und
nicht an der Wahl teilgenommen hätten. Die Wahlbekanntmachung sei zudem derart
unübersichtlich, dass die Zuordnung verschiedener Ortsteile zu den Wahlbezirken nicht
hinreichend erkennbar sei. Die Einteilung des Wahlgebiets in Wahlbezirke sei
rechtswidrig, weil sie der einzelnen vom Wahlberechtigten abgegebenen Stimme einen
auffällig unterschiedlichen Zähl- und Erfolgswert verleihe. Während in einem
Wahlbezirk weniger als 30 Stimmen für die Erlangung eines Sitzes im Erbentag
ausreichend seien, erfordere ein Sitz in einem anderen Wahlbezirk rund 300 Stimmen.
Das Verhältnis zwischen Mitgliederzahlen und Deichstrecke sei für die Einteilung der
Wahlbezirke sachlich ungeeignet; vielmehr sei ausschließlich auf die Einwohnerzahl
abzustellen.
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Auch die Durchführung der Wahl sei rechtswidrig erfolgt. Entgegen der Wahlordnung
habe der Beauftragte es unterlassen, den Beruf der Bewerber in den Stimmzettel
aufzunehmen. Zudem fehle es an dem zwingend gleichlautenden Aufdruck; hiergegen
sei im Falle der Bewerber für Gebietskörperschaften und der Erschwerer verstoßen
worden. Die Wahlräume seien insoweit nicht ordnungsgemäß ausgewählt worden, als
sie mangels hinreichender Parkmöglichkeiten erst nach einem längeren Fußweg hätten
erreicht werden können, und die Wahlräume derart überfüllt gewesen seien, dass eine
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unbeobachtete Wahl nicht möglich gewesen sei. Die angesetzte Wahlzeit sei zu gering
gewesen. Mehrfach sei das Wahllokal nicht pünktlich geöffnet worden; wegen
Überfüllung des Wahlraumes hätten auch vor dem Wahllokal wartende Personen noch
zur Stimmabgabe zugelassen werden müssen. Der Grundsatz der geheimen Wahl sei
nicht gewährleistet gewesen. Wahlberechtigte hätten sich offen im Wahllokal über die
Stimmabgabe beraten. Der Wahlvorstand sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. In
mehreren Bezirken habe der Wahlleiter in Vertretung für andere Wahlberechtigte
abgestimmt, ohne für diese Zeit die Leitung der Wahl seinem bestellten Vertreter zu
übertragen. Im Wahlbezirk C1/N1/W/I1 seien 385 Stimmzettel ausgegeben worden, es
hätten sich jedoch 389 Stimmzettel in der Wahlurne befunden. Eine Nachzählung habe
nicht stattgefunden. Wählerverzeichnisse, anhand derer im jeweiligen Wahlbezirk das
aktive Wahlrecht habe wirkungsvoll nachgeprüft werden können, hätten nicht
vorgelegen. Ein Teil der Verbandsmitglieder sei rechtswidrig vom aktiven Wahlrecht
ausgeschlossen worden. Zum Verbandsgebiet gehörten seit der Neugründung des
Beklagten auch Teile der Städte J und C2. Nicht zur Wahl zugelassen worden seien
diejenigen neuen Mitglieder des Deichverbandes, die gegen ihre Mitgliedschaft
Widerspruch eingelegt hätten. In den Wahlbezirken Stadtgebiet S und N1 sei es zu
Mehrfachstimmabgaben gekommen; dingliche Mitglieder hätten zugleich auch für die
Gruppe der Erschwerer gewählt. Entgegen den satzungsrechtlichen Vorgaben sei bei
der Wahl der Erschwerer keine Stichwahl angeordnet, sondern sogleich per
Losentscheid eine Entscheidung herbeigeführt worden.
Der Kläger beantragt
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festzustellen, dass die Wahl des Erbentages für den Deichverband C-
Landesgrenze 2007 ungültig ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt zur Begründung seiner Auffassung vor: § 49 Abs. 2 des Gesetzes über Wasser-
und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz, im Folgenden: WVG) sehe vor, dass die
Mitglieder des Verbandsausschusses in einer Mitgliederversammlung von den
Verbandsmitgliedern "aus ihrer Mitte" zu wählen seien. Sinn dieser Vorschrift sei es,
den Bezug zur örtlichen Gemeinschaft bei der Zusammensetzung des Erbentages
widerzuspiegeln. Aus diesem Grund müsse auch beim passiven Wahlrecht ebenso wie
beim aktiven Wahlrecht auf den Wahlbezirk abgestellt werden, in dem der Bewerber
Grundeigentum habe; ansonsten ließe bei der Größe des Verbandsgebiets, das
Teilbereiche dreier Landkreise umfasse, die Beliebigkeit der Kandidaturmöglichkeiten
jeden Bezug zur örtlichen Gemeinschaft verloren gehen. Bei der Gruppe der Erschwerer
könne diese Regelung nicht zur Anwendung gelangen. Dieser Kreis umfasse von
vornherein auch solche Personen und Institutionen, deren Eigentum nicht zwingend im
Verbandsgebiet liegen müsse. Die Wahlbekanntmachung und die Durchführung der
Wahl seien ordnungsgemäß erfolgt. Die Angabe des Berufs der Kandidaten auf den
Stimmzetteln sei nicht erforderlich. Weder das WVG noch die Verbandssatzung
enthielten Vorgaben für den Inhalt der Stimmzettel. Auf die Angabe des Berufes und des
Geburtsdatums habe aus Gründen des Datenschutzes verzichtet werden müssen. Die
Wahlräume seien schon infolge der Einteilung in Stimmbezirke jeweils in zumutbarer
Weise erreichbar und für den Wahlzweck geeignet gewesen. Auch die Wahlzeit sei
ausreichend bemessen gewesen. § 49 Abs. 2 WVG sehe ausdrücklich vor, dass die
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ausreichend bemessen gewesen. § 49 Abs. 2 WVG sehe ausdrücklich vor, dass die
Wahl in einer Mitgliederversammlung erfolge; ein gesamter Wahltag sei hierfür nicht
erforderlich. Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe seien in den Niederschriften
nicht dokumentiert. Der Vortrag des Klägers zur nicht ordnungsgemäßen Besetzung des
Wahlvorstandes sei unsubstantiiert. Der Ausschluss derjenigen Personen, die gegen
ihre Heranziehung zum Verband Widerspruch eingelegt hätten, sei rechtmäßig erfolgt.
Die Wahlberechtigung sei an die Mitgliedschaft im Deichverband gekoppelt. Sofern
diese nicht eindeutig feststehe, sei eine Teilnahme an der Wahl nicht möglich. Die vom
Kläger gerügte Mehrfachstimmabgabe sei nach § 13 der Verbandssatzung zulässig.
Auch der Losentscheid in der Gruppe der Erschwerer sei nicht zu beanstanden. Als
nach der Stimmauszählung in einem Fall Stimmengleichheit vorgelegen habe, sei in
allseitigem Einvernehmen auf eine Stichwahl verzichtet worden, weil zu diesem
Zeitpunkt nur noch wenige Stimmberechtigte anwesend gewesen seien. Schließlich sei
die Einteilung des Wahlgebietes in Wahlbezirke sachgerecht; sie gewährleiste gerade
bei flächenmäßig sehr großen Verbänden den Bezug zur jeweiligen örtlichen
Gemeinschaft. Der Zuschnitt der Wahlbezirke orientiere sich an den Mitgliederzahlen
und der Länge der in den neuen Verband eingebrachten Hochwasserschutzanlagen der
Vorgängerverbände. Der unterschiedlichen Größe der Wahlbezirke sei darüber hinaus
durch eine entsprechende Anzahl von Erbentagsmitgliedern pro Bezirk Rechnung
getragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
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Mangels spezialgesetzlicher Regelungen eines körperschaftsinternen oder
gerichtlichen Wahlprüfungsverfahrens ist für eine verwaltungsgerichtliche
Wahlanfechtung die Feststellungsklage statthaft.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 9. Juni 1995 – 25 A 3868/92-, NWVBl 1996, 254, und
vom 29. April 1998 – 15 A 1261/87 -; OVG Hamburg, Urteil vom 13. Juni 2006 – 3 Bf
294/03 -, NVwZ-RR 2007, 108.
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Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse
an der alsbaldigen Feststellung hat.
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Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die sich aus einem
konkreten Sachverhalt auf Grund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts ergebenden
rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu
verstehen. Ein derartiges Rechtsverhältnis besteht hier zwischen dem Kläger und dem
Beklagten aufgrund der durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 WVG, § 5 Abs. 1 a) VS angeordneten
Zwangsmitgliedschaft. Feststellungsfähig sind auch selbständige Teile eines
Rechtsverhältnisses, insbesondere einzelne sich hieraus ergebende Berechtigungen
und Verpflichtungen. Hierzu gehört das Recht des Klägers, den Erbentag zu wählen,
und die Frage, ob dieses ihn repräsentierende Organ des Deichverbandes
ordnungsgemäß zusammengesetzt ist.
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Der Kläger ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil
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die Verletzung eigener Rechte zumindest möglich erscheint. Da es sich bei der
Anfechtung körperschaftsinterner Wahlen um ein Organstreitverfahren handelt,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 1995 – 25 A 3868/92-, a.a.O.,
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steht nicht die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte zur Überprüfung, sondern die
Beeinträchtigung intraorganisatorischer Wahrnehmungszuständigkeiten. Es ist hier nicht
von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger anlässlich der Wahl des Erbentages
im März 2007 in seinen Mitgliedschafts- bzw. Wahlrechten verletzt worden ist.
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Demgegenüber ist das erforderliche Feststellungsinteresse nicht in vollem Umfang
gegeben.
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Als berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ist grundsätzlich jedes als
schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller
Art anzusehen. Bei der Frage, in welchem Umfang das Interesse des Klägers an der
Feststellung einzelner Wahlrechtsverstöße als schutzwürdig zu bewerten ist, muss in
besonderem Maße berücksichtigt werden, dass die Feststellungsklage hier der
Ermöglichung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Wahlprüfungsverfahrens dient. Die
gesetzlich geregelten Wahlprüfungen der Wahlen auf Bundes-, Landes- oder
kommunaler Ebene ermöglichen keine uneingeschränkte Überprüfung sämtlicher
Wahlrechtsverstöße. Sie enthalten Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht dergestalt,
dass Rügen innerhalb einer bestimmten Frist erhoben werden müssen (vgl. § 2 Abs. 4
Satz 1 Wahlprüfungsgesetz Bund, § 2 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz NW und § 39 Abs. 1
Kommunalwahlgesetz NW), inhaltlich dergestalt, dass nur bestimmte Rügen erhoben
werden können (vgl. § 5 Wahlprüfungsgesetz NW), und personell dergestalt, dass die
Rüge von einer bestimmten Anzahl von Personen unterstützt werden muss (vgl. § 3 Satz
2 Wahlprüfungsgesetz NW). Der dahinter stehende Rechtsgedanke, die Gültigkeit einer
Wahl möglichst schnell zu klären und die Funktionsfähigkeit der gewählten Organe
sicherzustellen, trifft hier in gleicher Weise zu und gebietet eine einschränkende
Auslegung des Feststellungsinteresses unter dem Gesichtspunkt der eigenen
Rechtsbetroffenheit und der Wiederholungsgefahr. Das Interesse des Klägers an der
Feststellung der Ungültigkeit der Wahl ist damit nur insoweit als schutzwürdig
anzuerkennen, als ihn die Wahlrechtsverstöße über das reine Mitgliedschaftsrecht
hinaus betreffen – wie z.B. hier in Bezug auf den Ausschluss vom passiven Wahlrecht –,
oder diese Wahlrechtsverstöße über den bloßen Einzelfall hinaus Bedeutung für
künftige Erbentagswahlen haben können.
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Ausgehend hiervon ist das Feststellungsinteresse zu verneinen, soweit der Kläger auf
den Einzelfall beschränkte Fehler bei einzelnen Wahlhandlungen geltend macht. Hierzu
zählen die gerügte Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl und die Wahl im
Bezirk C1/N1/W/I1; hier ist eine Wiederholungsgefahr weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Die übrigen Einwände berühren demgegenüber die rechtlichen Grundlagen
der Erbentagswahl. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit und Auslegung von
Vorschriften der Satzung und der Wahlordnung, so dass, solange der Kläger dem
Deichverband aufgrund seines Eigentums im Verbandsgebiet angehört, insoweit eine
Wiederholung der rechtlichen Auseinandersetzungen bei künftigen Erbentagswahlen zu
befürchten ist.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 1988 – 15 A 1251/87-; OVG Hamburg, Urteil vom
13. Juni 2006 – 3 Bf 294/03 -, a.a.O., die bei einer auf eine Wahlprüfung gerichteten
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Feststellungsklage das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr bejahen.
Soweit das Feststellungsinteresse gegeben ist, ist die Feststellungsklage insgesamt
zulässig, insbesondere steht der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO,
wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte
durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann, der Zulässigkeit nicht
entgegen. Da die Wahlperiode hier noch nicht abgelaufen ist, sondern erst am 31. März
2012 endet (§ 14 VS), käme noch eine allgemeine Leistungsklage auf Wiederholung der
Wahl in Betracht.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 1988 – 15 A 1261/87 -.
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§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jedoch einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass
der Subsidiaritätsgrundsatz gegenüber einer nicht fristgebundenen allgemeinen
Leistungsklage nicht eingreift, sofern sich die Feststellungsklage gegen eine öffentlich-
rechtliche Körperschaft richtet.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1970 – VI C 8.69 -, BVerwGE 36, 181.
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Insoweit ist die Klage jedoch nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Wahlen zum Erbentag im
Jahr 2007 ungültig sind. Wahlrechtsverstöße, die eine Wiederholung der Wahl gebieten
würden, liegen nicht vor. Nach der auch auf das vorliegende Verfahren übertragbaren
ständigen Rechtsprechung des BVerfG,
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vgl. Beschluss vom 12. Dezember 1991 – 2 BvR 562/91-, BVerfGE 85, 148, 159
m.w.N.,
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führen nur solche Rechtsverletzungen zum Erfolg eines Wahlprüfungsverfahrens, die
Einfluss auf die konkrete Mandatsverteilung gehabt haben oder gehabt haben können.
Die gerichtliche Überprüfung ist hierbei nicht auf die Einwendungen beschränkt, die der
Kläger bereits gegenüber dem Beauftragten oder der Bezirksregierung E1 geltend
gemacht hat. Eine derartige Präklusionswirkung bedürfte aufgrund des hiermit
verbundenen Rechtsverlustes unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und der
Rechtsklarheit einer – hier fehlenden - ausdrücklichen und eindeutigen gesetzlichen
Regelung,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 – 6 C 21/01 -, NVwZ-RR 2003, 110 (Wahlen
zur Vollversammlung der Handwerkskammer); VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember
2007 – 14 A 27.07 -, juris, (Wahl zur Delegiertenversammlung einer
Zahnärztekammer).
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Der Beauftragte hat zu Recht die Kandidatur des Klägers im Bezirk Stadtgebiet S
zurückgewiesen. Dass bei der Wahl innerhalb der Gruppe der dinglichen Mitglieder
sowohl für das aktive als auch das passive Wahlrecht auf den örtlichen Bezug des
Wahlbezirks abgestellt wird, ist nicht zu beanstanden. Die entsprechenden Vorschriften
der §§ 12 Abs. 1, 10 und 11 VS stehen in Einklang mit § 49 Abs. 2 WVG, wonach die
Verbandsmitglieder die Mitglieder des Verbandsausschusses aus ihrer Mitte wählen.
Der örtliche Bezug zu einem bestimmten Bezirk des Verbandsgebietes, der hier
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aufgrund der erheblichen Größe des Verbandes besondere Bedeutung hat, kommt in
vielen Satzungsbestimmungen zum Ausdruck. So ist z.B. die bedeutendste Aufgabe des
Verbandes, die Gefahrenabwehr im Rahmen des Hochwasserschutzes, den einzelnen
Bezirken zugewiesen. Nach § 26 Abs. 3 VS ist es Aufgabe des Heimrates im jeweiligen
Bezirk, u.a. die Deiche im Rahmen des Deichverteidigungsplans zu beaufsichtigen, zu
schauen und zu verteidigen; hierbei wird er von den Erbentagsmitgliedern seines
Bezirks unterstützt.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine fehlerhafte Kandidatenaufstellung
innerhalb der Gruppe der Erschwerer berufen. Anders als bei den dinglichen Mitgliedern
kommt es für die Verbandsmitgliedschaft der Erschwerer nicht darauf an, ob diese
Eigentümer eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts im Verbandsgebiet
sind. Nach § 5 Abs. 1 b) VS sind Verbandsmitglieder auch diejenigen Eigentümer von
Grundstücken und Anlagen auch außerhalb des Verbandsgebietes, die aus der
Durchführung des Verbandsunternehmens Vorteile haben oder die Durchführung von
Verbandsaufgaben erschweren. Letzteres gilt insbesondere für den Aufgabenbereich
der Gewässerunterhaltung (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 VS). Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeswassergesetz – LWG NW)
sind Erschwerer die Eigentümer von Grundstücken und Anlagen, die die Unterhaltung
über die bloße Beteiligung am natürlichen Abflussvorgang hinaus erschweren. Zudem
sind die vom Kläger aufgeführten Kandidaten L, L1 und T, wie sich entweder aus dem
Kandidatenvorschlag selbst oder einer hieran angehefteten Vollmacht ergibt, nicht als
Privatpersonen, sondern als Vertreter für die Städte J, F und S aufgestellt worden. Die
Zugehörigkeit dieser Städte zur Gruppe der Erschwerer wird vom Kläger nicht in Abrede
gestellt. Aufgrund der Kandidatur für die Stadt J ist es auch unerheblich, dass die
Einverständniserklärung des Kandidaten L nicht von ihm selbst, sondern vom
Bürgermeister der Stadt J unterzeichnet ist. Der Bürgermeister ist aufgrund des ihm als
Dienstvorgesetzten bzw. Vertreter des Arbeitgebers zustehenden Direktionsrechts
berechtigt, den betreffenden Mitarbeiter auch ohne dessen Einverständnis als Vertreter
der Stadt für den Erbentag zu bestimmen. Darüber hinaus ist die die
Einverständniserklärung betreffende Regelung in § 13 Abs. 2 VS lediglich als
Sollvorschrift ausgestaltet mit der Folge, dass in atypischen Fällen wie der Vertretung
einer Gebietskörperschaft hiervon abgewichen werden kann. Ob die Bestellung der
Kandidaten durch den Bürgermeister ausreichend war oder, wie der Kläger meint, nach
§ 113 Abs. 1 und 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW)
eine Bestellung durch den Rat erforderlich war, kann dahinstehen. Ein etwaiger Verstoß
gegen diese Vorschrift kann keine Auswirkungen auf die Mandatsverteilung im Erbentag
gehabt haben; er berührt ausschließlich das Innenverhältnis zwischen der Stadt und
ihrem Vertreter.
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Seinen Vortrag, aufgrund der fehlerhaften Wahlbekanntmachung seien Wähler irritiert
und von der Wahl abgehalten worden, hat der Kläger weder näher substantiiert noch
anhand von Beispielen belegt; der Hinweis auf eine geringe Wahlbeteiligung, für die
eine Vielzahl von Gründen denkbar ist, genügt insoweit nicht. Abgesehen hiervon ist die
Wahlbekanntmachung ordnungsgemäß erfolgt.
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Regelungen zur Wahlbekanntmachung enthält ausschließlich die Wahlordnung. Da die
Verbandssatzung keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Wahlordnung
enthält, handelt es sich bei deren Vorschriften nicht um rechtsverbindliches
Satzungsrecht, sondern lediglich um eine mit einer Geschäftsordnung vergleichbare
Handlungsanweisung für die Durchführung der Erbentagswahl.
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Nach § 7 Abs. 1 der Wahlordnung (WO) fordert der Deichgräf/Beauftragte spätestens
zwei Wochen vor dem ersten Wahltag durch öffentliche Bekanntmachung zur möglichst
frühzeitigen Einreichung der Wahlvorschläge auf und weist auf Regelungen in der
Wahlordnung hin. Diesen Anforderungen genügt die Wahlbekanntmachung - nach
Behebung eines Veröffentlichungsfehlers und Verschiebung des Wahltermins für den
Bezirk I-N - sowohl in zeitlicher als auch inhaltlicher Hinsicht. Die Berichtigung
betreffend den Bezirk I-N ist in einer gesonderten amtlichen Bekanntmachung
vorgenommen worden, die den neuen Termin enthält sowie die nicht veränderten
Angaben zu Ort und Zeit nochmals wiederholt. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass
die Wahlbezirke in der Wahlbekanntmachung lediglich entsprechend ihrer Bezeichnung
in § 12 Abs. 1 VS aufgeführt sind, ohne zusätzlich sämtliche zugehörigen Ortsteile zu
benennen. Die Wahlbekanntmachung enthält einen Hinweis auf die Wahlordnung
sowie deren Einsichtnahmemöglichkeit in der Geschäftsstelle und auf der Website des
Beklagten. Der Wahlordnung ist eine ausreichend große und detaillierte Übersichtskarte
beigefügt, aus der die Aufteilung der Wahlbezirke – erst Recht für die ortskundigen
Wahlberechtigten – hinreichend deutlich ersichtlich ist. Sofern Zweifel bei der
Zuordnung eines Grundstücks zu einem bestimmten Bezirk bestanden haben sollten,
wäre es für den betreffenden Wahlberechtigten möglich und zumutbar gewesen, dies
beim Beklagten ggf. telefonisch zu erfragen.
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Soweit durch den Hinweis in der Wahlbekanntmachung fälschlicherweise der Eindruck
erweckt worden sein könnte, dass es sich bei den Regelungen der Wahlordnung
entgegen den obigen Ausführungen um rechtsverbindliches Satzungsrecht handelt, ist
dies unschädlich. Die fehlerhafte Darstellung des Rechtscharakters einer Vorschrift
kann als solche keine Auswirkungen auf die Mandatsverteilung gehabt haben.
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Der vom Kläger gerügte Ausschluss bestimmter Personen vom aktiven Wahlrecht ist
ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Wahlberechtigung ist gemäß §§ 11 Abs. 4 und 12
Abs. 2 der VS an die bestehende Verbandsmitgliedschaft gekoppelt. Im Falle einer
Erweiterung des Verbandes folgt die Mitgliedschaft nicht bereits daraus, dass der
Betreffende Eigentümer eines Grundstücks im neu hinzu gekommenen Verbandsgebiet
ist. Vielmehr bedarf es einer Heranziehung zur Mitgliedschaft (vgl. §§ 23 Abs. 2, 9
WVG). Gegen diese Heranziehung haben die "Neumitglieder" Widerspruch erhoben,
der mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung aufschiebende Wirkung hat.
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Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Einteilung der
Wahlbezirke in § 12 Abs. 1 der VS sei fehlerhaft erfolgt. Seine Behauptung, die
Aufteilung führe zu einer Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit, hat er bereits nicht
näher substantiiert; hierzu hätte der Erfolgswert der Stimme konkret bezogen auf die
einzelnen Bezirke dargelegt werden müssen. Selbst wenn man jedoch
Einschränkungen der Wahlrechtsgleichheit unterstellte, wären diese durch sachliche
Gründe gerechtfertigt.
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Das WVG enthält keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Einteilung der Wahlbezirke. Die
vom Kläger angeführten, für allgemeine politische Wahlen geltenden Vorschriften und
Grundsätze – vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG, § 13 Abs. 2 Satz 3 LWG NW und § 4
Abs. 2 Satz 3 KwahlG NW, die zur Wahrung der Wahlrechtsgleichheit eine
Höchstgrenze hinsichtlich der zulässigen Abweichung vom durchschnittlichen
Wahlkreis (25 %, 20 % bzw. 33 1/3 % der Einwohner) festlegen – finden hier keine
Anwendung. Wahlen zu Organen funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften, die –
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wie auch der Beklagte – keine allgemeinpolitische Funktion haben, sind nicht am
Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit in seiner streng formalen Ausprägung zu messen.
Einschränkungen der Wahlrechtsgleichheit sind daher nicht erst dann zulässig, wenn
sie auf zwingenden Gründen und Zielsetzungen beruhen, sondern bereits dann, wenn
mit ihnen gemessen an dem spezifischen Zweck der Wahl, eine funktionsfähige
Selbstverwaltungskörperschaft zu konstituieren, lediglich sachliche (vertretbare und
willkürfreie) Zwecke verfolgt werden,
vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2001 – 14 S 1238/00 -, GewArch
2001, 422 m.w.N.
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Die Aufteilung der Wahlbezirke und die Bestimmung der Anzahl der für den jeweiligen
Bezirk in den Erbentag gewählten Mitglieder beruhen auf sachgerechten Kriterien.
Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der die Gründung des Beklagten
betreffenden Verfahren 8 K 620/07 bzw. 8 L 2422/06 und des Vortrags der Beteiligten in
der mündlichen Verhandlung hat man sich an den gewachsenen Strukturen der
Vorgängerverbände und an der Hauptaufgabe des Beklagten, der Gefahrenabwehr im
Bereich des Hochwasserschutzes (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VS), orientiert. So wurden
bei der Aufteilung die Bezirke der früheren Deichschauen C, I-N, F sowie I2-F1
übernommen; lediglich für das Gebiet des Deichverbandes S-M wurde eine Aufteilung
in vier Bezirke vorgenommen. Hierbei hat man wiederum berücksichtigt, dass der
frühere Deichverband S-M seinerseits ein Zusammenschluss mehrerer Verbände war,
und hat deren frühere Verbandsgrenzen übernommen. Die Anzahl der in den Bezirken
zu wählenden Erbentagsmitglieder wurde nach der Anzahl der Mitglieder (je
angefangene tausend Mitglieder 1 Erbentagsmitglied) und der Deichstrecke (je
angefangene 3 km Deichstrecke 1 Erbentagsmitglied) bestimmt. Durch die zusätzliche
Berücksichtigung der Deichstrecke sollte sichergestellt werden, dass im Falle einer
Deichverteidigung, bzw. um die Deichstrecke zu schauen, ausreichend Mitglieder in den
einzelnen Bezirken zur Verfügung stehen. Auch dieses Ziel ist als sachgerecht
anzusehen, da, wie bereits oben ausgeführt, § 26 Abs. 3 der VS die Gefahrenabwehr
den einzelnen Bezirken zuweist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen hat, die Deichstrecke als einziges zusätzliches Kriterium neben der Anzahl
der Mitglieder lasse die zahlreichen anderen Aufgaben des Beklagten außer Betracht,
ist auch dies nicht geeignet, die Aufteilung der Wahlbezirke in Frage zu stellen.
Ausweislich der zugrunde liegenden Unterlagen der Bezirksregierung E1 sind neben
der Deichstrecke auch die Gewässerlänge, die Anzahl der Schöpfwerke und die Größe
des Verbandsgebietes in den einzelnen Bezirken geprüft worden. Gründe, aus denen
die anschließend vorgenommene Gewichtung dieser Kriterien fehlerhaft sein könnte,
hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Aus den
Unterlagen geht z.B. hervor, dass die früheren Deichschauen I2-F1, F, I-N und C über
kein und der frühere Deichverband S-M lediglich über ein Schöpfwerk verfügt haben.
Insoweit hat der Beauftragte in der mündlichen Verhandlung zudem darauf
hingewiesen, dass die Aufsicht über die Schöpfwerke nicht von den
Erbentagsmitgliedern, sondern von professionellen Mitarbeitern wahrgenommen wird.
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Auch die vom Kläger hinsichtlich der Durchführung der Wahl erhobenen Einwände
greifen nicht durch.
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Die Gestaltung der Stimmzettel begegnet keinen Bedenken. Soweit der Stimmzettel bei
Kandidaten für Gebietskörperschaften den Zusatz "für die Stadt ..." enthält, ist dieser
Hinweis sachgerecht, um kenntlich zu machen, dass diese Person in einer bestimmten
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Funktion und nicht als Privatperson kandidiert. Zu möglichen Auswirkungen dieses
Zusatzes auf die Mandatsverteilung hat der Kläger nichts vorgetragen. Hinsichtlich der
des Weiteren beanstandeten fehlenden Angabe des Berufs der Kandidaten kann
dahinstehen, ob der Beruf überhaupt ein wesentliches Kriterium für die
Wahlentscheidung des Wahlberechtigten darstellt. Denn auf die Angabe des Berufes
des Kandidaten ist hier rechtsfehlerfrei verzichtet worden. Das WVG und die
Verbandssatzung enthalten keine Regelung, wonach der Wahlzettel den Beruf des
Kandidaten enthalten muss. § 12 Abs. 3 WO, der die Angabe des Berufes vorsieht, stellt,
wie oben ausgeführt, kein rechtsverbindliches Satzungsrecht dar mit der Folge, dass
aus sachlichen Gründen hiervon abgewichen werden konnte. Derartige Gründe lagen
hier im Hinblick auf datenschutzrechtliche Bedenken vor, die nach dem vom Kläger
nicht in Abrede gestellten Vortrag des Beauftragten und des Beklagtenvertreters in der
mündlichen Verhandlung von einigen Kandidaten geltend gemacht und durch eine
Auskunft der Landesbeauftragten für Datenschutz bestätigt worden waren. Diese
Bedenken gründen sich darauf, dass das hier berührte, aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs.
1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur aufgrund einer
gesetzlichen Grundlage unter weiteren Voraussetzungen eingeschränkt werden kann,
vgl. BverfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a.-, BverfGE 65, 1,
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nicht jedoch durch die entsprechende Vorschrift der Wahlordnung. Diejenigen
Kandidaten, die gegenüber dem Beklagten datenschutzrechtliche Bedenken geäußert
haben, haben, auch wenn sie zuvor den Beruf auf den Kandidatenvorschlägen intern
gegenüber dem Beklagten angegeben hatten, nicht rechtswirksam auf dieses Recht
verzichtet mit der Folge, dass aufgrund der erforderlichen einheitlichen Handhabung die
Berufsangabe auf den Wahlzetteln insgesamt unterbleiben musste.
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Die vom Kläger im Hinblick auf die Wahlräume und die Wahlzeit erhobenen Einwände
sind unsubstantiiert.
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Ausweislich der Auflistung der Wahllokale in der Wahlbekanntmachung handelt es sich
sämtlich um öffentliche Gebäude oder Gaststätten, so dass grundsätzlich von einer
ausreichenden Erreichbarkeit, von Parkmöglichkeiten und von der erforderlichen
Kapazität des Wahlraums ausgegangen werden kann. Ein unzumutbar langer Weg zu
den Wahllokalen ist bei der Wahl der dinglichen Mitglieder aufgrund der Aufteilung des
Verbandsgebiets in acht Wahlbezirke ausgeschlossen. Der Kläger hat in der
mündlichen Verhandlung lediglich darauf hingewiesen, dass Wahlberechtigte bei der
Wahl im Bezirk C1/N1/W/I1 weiter entfernt hätten parken und deshalb einen Fußweg
von 20 Minuten zum Wahllokal (Gaststätte K) hätten zurücklegen müssen. Er hat jedoch
nichts dazu vorgetragen, dass es diesen Personen nicht mehr möglich gewesen sei, an
der Wahl teilzunehmen.
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Wahltag und Wahlzeit entsprechen den Vorgaben des § 11 WO. Die mit einer halben
Stunde angesetzte Wahlzeit ist ausreichend bemessen. Die Dauer der Wahlzeit ist
bereits in der Wahlbekanntmachung genannt worden. Darüber hinaus wurde hier
hinsichtlich der Teil-Mitgliederversammlungen der dinglichen Mitglieder darauf
hingewiesen, dass der Einlass bereits ab 17.30 Uhr erfolge, und um rechtzeitiges
Erscheinen zur Einlasskontrolle gebeten. Auch wenn die Wahl an Werktagen erfolgt ist,
war aufgrund dieser Zeiten auch die Teilnahme für Berufstätige sichergestellt.
Abgesehen von der Wahl im Bezirk C1/N1/W/I1 hat der Kläger nichts dazu vorgetragen,
dass Wahlberechtigte, die sich um 19.30 Uhr im Wahllokal befanden, aber noch nicht
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gewählt hatten, nicht mehr zur Wahl zugelassen worden sind. Auch die bei den
Verwaltungsvorgängen befindlichen Niederschriften, bei denen es sich um öffentliche
Urkunden im Sinne von § 415 ZPO handelt,
vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. Juni 1993 – 2 K 4/93 –,
NVwZ 1994, 179,
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bieten hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr ist z.B. in der Niederschrift betreffend
die Wahl im Bezirk Stadtgebiet J ausdrücklich ausgeführt: "Der Beauftragte ließ alle
Wahlberechtigten wählen und schloss den Wahlgang um 19.30 Uhr." Aus der
Niederschrift betreffend die Wahl im Bezirk F Süd geht hervor, dass die Wahlzeit
verlängert wurde, um allen Wahlberechtigten die Stimmabgabe zu ermöglichen. Hier ist
ausgeführt: "Um 19.29 Uhr fordert der Beauftragte alle Wahlberechtigten auf, ihre
Stimme abzugeben. Aufgrund des Andrangs wurden alle Wahlberechtigten, die noch
keinen Stimmzettel erhalten haben, in den Lokalinnenraum gebeten. Um 19.30 Uhr
waren alle Wahlberechtigten im Lokalinnenraum. Der Beauftragte ließ alle
Wahlberechtigten wählen und schloss den Wahlgang um 19.37 Uhr."
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Die vom Kläger im Hinblick auf die ordnungsgemäße Besetzung des Wahlvorstandes
erhobene Rüge greift ungeachtet der Frage, ob die Klage auch insoweit mangels
Wiederholungsgefahr bereits unzulässig ist, nicht durch. Es ist nichts dazu vorgetragen
noch sonst ersichtlich, dass etwaige formelle Besetzungsfehler Auswirkungen auf die
Mandatsverteilung gehabt haben oder gehabt haben können.
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Der Vortrag des Klägers, es habe keine Wählerverzeichnisse gegeben, anhand derer im
jeweiligen Wahlbezirk das aktive Wahlrecht wirkungsvoll habe nachgeprüft werden
können, ist ebenfalls unsubstantiiert. Dass die Wählerverzeichnisse insoweit nicht
einheitlich waren, als sie zum Teil in gedruckter und zum Teil in elektronischer Form
vorlagen, ist als solches unschädlich. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, dass die
Wählerverzeichnisse unrichtig waren, insbesondere, dass Personen hierdurch zu
Unrecht von der Wahl ausgeschlossen wurden oder zu Unrecht an der Wahl
teilgenommen haben.
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Die vom Kläger gerügte Doppelkandidatur und Doppelwahl sowohl innerhalb der
Gruppe der dinglichen Mitglieder als auch der Gruppe der Erschwerer ist vor dem
bereits oben erläuterten Hintergrund, dass diese getrennte Gruppen von
Verbandsmitgliedern darstellen, deren Zwangsmitgliedschaft auf unterschiedlichen
Gründen beruht, unbedenklich. Eine Vorschrift, die eine Doppelkandidatur ausschließt,
enthält die Verbandssatzung nicht. § 11 Abs. 5 VS, der hinsichtlich der Wahl bestimmt,
dass jedes Mitglied eine Stimme hat, bezieht sich aufgrund des systematischen
Zusammenhangs mit §§ 11 Abs. 1, 10 VS ausschließlich auf die Wahlen der dinglichen
Mitglieder in den Bezirken. Die Wahl in der Gruppe der Erschwerer ist gesondert hiervon
erstmalig in § 12 Abs. 2 VS geregelt.
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Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Wahl
zum Erbentag innerhalb der Gruppe der Erschwerer ungültig ist, weil zwischen den
Kandidaten L1 und T1 unmittelbar der Losentscheid durchgeführt worden ist. Zwar
verstößt diese Vorgehensweise gegen § 13 Abs. 3 Satz 3 VS, wonach bei
Stimmengleichheit zunächst eine Stichwahl durchzuführen ist. Diese Vorschrift geht als
abschließendes und höherrangiges Satzungsrecht § 1 Abs. 3 Satz 5 WO vor. Im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wirkt sich der Verstoß jedoch nicht mehr aus.
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Ein gewähltes Erbentagsmitglied aus der Gruppe der Erschwerer ist zwischenzeitlich in
den Deichstuhl gewählt worden und deshalb aus dem Erbentag ausgeschieden. Für
dieses Erbentagsmitglied ist Herr T1 nachgerückt, so dass nunmehr beide Kandidaten,
die dieselbe Stimmanzahl erhalten hatten, Mitglieder des Erbentags sind. Ausgehend
von dem mit der Klage verfolgten Ziel, eine Wiederholung der Erbentagswahl zu
erreichen, muss für die Frage der Auswirkungen eines Wahlrechtsverstoßes auf den
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt werden. Ein schützwürdiges Interesse
an einer erneuten Wahl besteht nicht, sofern, wie hier, eine fehlerhafte personelle
Besetzung des Erbentags mittlerweile ausgeschlossen werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,
711, 709 Satz 2 ZPO.
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