Urteil des VG Düsseldorf vom 04.09.2007

VG Düsseldorf: beamtenverhältnis, diabetes mellitus, wissenschaft und forschung, adipositas, erlass, index, lehrer, anfang, gefährdung, altersgrenze

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 5357/06
Datum:
04.09.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 5357/06
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung E vom 15. August 2006 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 13. September
2006 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200,- Euro
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der am 00.00.1966 in Bosnien geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und
steht als Lehrer im Angestelltenverhältnis im öffentlichen Schuldienst des Landes
Nordrhein-Westfalen. Er begehrt die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe.
2
Der Kläger erwarb 1987 die allgemeine Hochschulreife und studierte anschließend an
der Gesamthochschule X Architektur. Im Februar 1995 legte er die Diplomprüfung ab
und war in der Folgezeit u.a. in der Immobilienwirtschaft tätig.
3
Am 12. Februar 2004 wurde die Diplomprüfung als Erste Staatsprüfung für das Lehramt
an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der
Gesamtschule - Schwerpunkt Haupt-, Real- und Gesamtschule - für die Fächer
Mathematik und Technik anerkannt. Zwischen Februar und Ende Juli 2004 war der
Kläger als Aushilfsangestellter an der Realschule W in T tätig. Aufgrund eines
Arbeitsvertrages vom 15. September 2004 wurde er als vollbeschäftigte Lehrkraft
befristet bis zum 14. September 2006 eingestellt und gleichzeitig im Rahmen eines
öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses zum Land NRW in den
berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst aufgenommen. Gemäß § 5 des
Arbeitsvertrages sollte er im Fall der Feststellung der Bewährung im Schuldienst und
bei Bestehen des Zweiten Staatsexamens in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis nach
dem Bundesangestelltentarifvertrag oder - sofern die beamtenrechtlichen
4
Voraussetzungen hierfür vorlägen - in ein Beamtenverhältnis übernommen werde.
Der Kläger wurde am 21. Juli 2004 anlässlich der anstehenden Entscheidung über
seine Einstellung als Angestellter amtsärztlich untersucht. Die Amtsärztin beim
Gesundheitsamt T stellte fest, dass er zu diesem Zeitpunkt 185 cm groß war und 106,9
kg wog und eine Bodymassindex (BMI) von 30,97 kg/m² hatte. Nach dem amtsärztlichen
Gesundheitszeugnis vom 28. Juli 2004 lagen bei ihm ein Übergewicht und eine
Fettstoffwechselstörung vor. Den Angaben der Amtsärztin zufolge resultierte daraus
eine erhöhte Gefährdung für das Auftreten von Herzkreislauferkrankungen,
Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats. Vor
einer eventuellen Verbeamtung solle eine Gewichtsreduktion erfolgen. Eine
Nachuntersuchung wurde nach Ablauf von 12 Monaten empfohlen.
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Die mehrfach verlängerte Ausnahmeregelung, mit der auf Grund des Erlasses des
Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein- Westfalen
vom 22. Dezember 2000 (sog. Mangelfach-Erlass) eine Überschreitung der jeweiligen
Höchstaltersgrenze gemäß § 39 Abs. 1 LVO NRW um längstens zehn Jahre, also bis
zur Vollendung des 45. Lebensjahres, zugelassen worden ist, fand gemäß Erlass des
Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein- Westfalen (MSW
NRW) vom 23. Juni 2006 letztmalig im Rahmen des Einstellungsverfahrens zum
Schuljahresbeginn 2006/2007 Anwendung.
6
Am 22. Mai 2006 wurde der Kläger aufgefordert, sich im Hinblick auf die Mitte
September 2006 anstehende Entscheidung über eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe amtsärztlich untersuchen zu lassen. Auf seinen
ausdrücklichen Wunsch fand die Untersuchung erst am 7. August 2006 statt. Bei dieser
Untersuchung stellte die Amtsärztin fest, dass der Kläger bei konstanter Körpergröße
von 185 cm nunmehr 105 kg wiege (BMI 30,6 kg/m²), nach wie vor Nichtraucher sei und
keine Medikamente einnehme. Bei der Untersuchung von Herz und Kreislauf sowie des
Stütz- und Bewegungsapparats zeigten sich keine Auffälligkeiten. Die vom
Gesundheitsamt veranlassten Laboruntersuchungen durch die Gemeinschaftspraxis T1
vom 8. August 2006 ergaben einen um 37 (17) mg/dl erhöhten Cholersterinwert und
einen um 17 mg/dl erhöhten LDL-Cholesterinwert. Außerdem lag der LDL/HDL Risiko
Index mit 3.2 im Risikobereich.
7
Mit Gutachten vom 11. August 2006 stellte die Amtsärztin fest, dass es seit der letzten
Begutachtung nicht zu einer Gewichtsreduktion gekommen sei. Der Kläger sei
unverändert übergewichtig (Adipositas Grad I) und leide unter einer
Fettstoffwechselstörung. Da-raus resultiere eine erhöhte Gefährdung für das Auftreten
von Herzkreislauferkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des
Bewegungs- und Stützapparats. Die gesundheitliche Eignung für eine Verbeamtung auf
Lebenszeit könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht attestiert werden. Es sei eine
Gewichtsreduktion von mindestens 10 kg anzustreben. Eine Nachuntersuchung solle
nach sechs Monaten erfolgen.
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Mit Bescheid vom 15. August 2006 lehnte die Bezirksregierung E (Bezirksregierung)
eine Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe ab, weil ihm die
erforderliche gesundheitliche Eignung fehle. Den amtsärztlichen Untersuchungen vom
21. Juli 2004 und von 7. August 2006 zufolge leide er unter Übergewicht und einer
Fettstoffwechselstörung. Auf das Ergebnis einer weiteren Untersuchung in sechs
Monaten könne es nicht ankommen, weil der Kläger die Höchstaltersgrenze von 35
9
Jahren bereits am 20. November 2001 überschritten habe und eine Verbeamtung
infolge der Aufhebung des Mangelfacherlasses nach dem 14. September 2006 nicht
mehr in Betracht komme.
Am 21. August 2007 ließ der Kläger über seinen Hausarzt von der Laborgemeinschaft T
ein Blutbild erstellen, demzufolge sämtliche Cholesterinwerte und der HDL/LDL
Risikoindex im Referenzbereich lagen.
10
Unter dem 5. September 2006 legte er Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid
vom 15. August 2006 ein. Zur Begründung wies er auf das Ergebnis der oben
genannten Blutuntersuchung hin. Da die Werte nach einer Ernährungsumstellung in
kürzester Zeit rückläufig gewesen seien, liege bei ihm keine manifeste
Fettstoffwechselstörung vor. Der leicht erhöhte Cholersterinwert sei auf eine
urlaubsbedingt andere Ernährung zurückzuführen gewesen. Bei einer
Seminarveranstaltung habe er erfahren, dass einem Kollegen mit vergleichbaren
Gewichts- und Stoffwechselwerten eine amtsärztliche Nachuntersuchung nach zwei
Wochen ermöglicht worden sei. Außerdem machte er geltend, dass er 20 Jahre
Schwimmleistungssport betrieben habe und dass der BMI aus diesem Grund in seinem
Fall wegen größerer Muskelmasse nicht aussagekräftig sei. Abschließend bat er um
eine kurzfristige erneute amtsärztliche Untersuchung.
11
Mit Bescheid vom 13. September 2006 wies die Bezirksregierung den Widerspruch des
Klägers aus den im Ausgangsbescheid genannten Gründen zurück. Eine kurzfristige
Nachuntersuchung sei nicht angebracht, weil nach dem amtsärztlichen Gutachten eine
solche Untersuchung erst nach sechs Monaten empfohlen werde. Daher sei davon
auszugehen, dass dies der notwendige Zeitraum sei, um die erforderliche
Gewichtsreduktion umzusetzen.
12
Mit seiner am 10. Oktober 2006 erhobenen Klage macht der Kläger, sein Vorbringen im
Vorverfahren vertiefend, geltend, dass er im Urlaub keinen Sport getrieben und deshalb
kurzfristig die Grenzwerte überschritten habe. Die Werte seien nach wie vor in Ordnung
und er habe sein Gewicht deutlich reduziert, wie sich aus der ärztlichen Bescheinigung
seines Hausarztes und einer weiteren Blutanalyse vom 19. Oktober 2006 ergebe.
Außerdem sei er regelmäßig in größerem Umfang sportlich aktiv. Dazu führte er im
Erörterungstermin aus, dass er zweimal pro Woche am Wasserballtraining der
Seniorenwasserball-mannschaft des SC Solingen teilnehme und einmal in der Woche
zwischen 60 und 90 Minuten 1.500 - 2.500 Meter schwimme. Bis vor 8 Jahren habe er
fünf bis sechs mal in der Woche trainiert, zuletzt als Mitglied einer
Wasserballmannschaft, die in der Oberliga gespielt habe. Aus diesem Grund habe er
eine andere Körperkonsistenz. Ein BMI von 30 könne bei ihm eine negative Prognose
hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung nicht begründen. Die Frage der Amtsärztin,
ob er Leistungssport betreibe, habe er seinerzeit verneint, weil er mittlerweile nicht mehr
täglich trainiere. Darüber hinaus gebe es keine allgemeine Verwaltungspraxis,
derzufolge ab einem BMI von 30 kg/m² die gesundheitliche Eignung verneint werde.
Ihm, dem Kläger, seien aus dem Studienseminar zwei Fälle bekannt, in denen Kollegen
mit einem BMI zwischen 30 und 31 kg/m² in das Probebeamtenverhältnis übernommen
worden seien.
13
Der Kläger beantragt,
14
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 15.
15
August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 13.
September 2006 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Er trägt, seine Ausführungen im Vorverfahren ergänzend, vor, dass nach ständiger
Verwaltungspraxis, die sich auf ein Urteil des VG Gelsenkirchen vom 12. Dezember
2005 stütze, bei einem BMI von über 30 kg/m² die gesundheitliche Eignung für eine
Verbeamtung nicht gegeben sei. Übergewicht sei bereits ab einem BMI von über 25
kg/m² gegeben, ab einem Wert von 30 kg/m² liege Fettleibigkeit vor. Mit einem solchen
Übergewicht gehe ein erhöhtes Risiko folgender Erkrankungen einher: Bluthochdruck,
Diabetes mellitus, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Gallenblasenerkrankungen, Gicht und
Gelenkerkrankungen. Der BMI sei ein wissenschaftlich anerkannter Parameter, um die
genannten Risiken einzuschätzen und als Grundlage prognostischer Entscheidung im
Hinblick auf die künftige Dienstfähigkeit geeignet. Dieser Parameter sei auch bei
sportlich aktiven Menschen anwendbar, soweit diese nicht täglich ein ausgeprägtes
Muskeltraining durchführten. Das habe der Kläger aber nicht vorgetragen. Die
gegenwärtigen sportlichen Aktivitäten des Klägers stünden einer Anwendung des BMI
für die Ermittlung einer Übergewichtigkeit nicht entgegen. Aus einem Gutachten der I
Universität E, das der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen aus dem
Jahr 2005 zugrunde liege, ergebe sich, dass der BMI grundsätzlich auch bei Sportlern
anzuwenden sei. Eine Differenzierung nach Sportarten sei für die Einschätzung,
inwieweit besondere Muskelmassen aufgebaut werden, nicht erforderlich. Ferner gehe
er, der Beklagte, davon aus, dass die Amtsärztin berücksichtigt habe, dass der Kläger
ehemaliger Leistungsschwimmer sei.
18
Darüber hinaus leide der Kläger an einer Fettstoffwechselstörung. Dass sich die
anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung festgestellten Befunde bereits innerhalb
von 14 Tagen geändert haben könnten, sei nicht anzunehmen. Aus diesem Grund sei
eine kurzfristige erneute amtsärztliche Untersuchung nicht erforderlich gewesen. Es sei
nicht davon auszugehen, dass die Werte lediglich auf eine körperliche Erschlaffung
während des Urlaubs zurückzuführen seien. Dieser Umstand liege außerdem im
Verantwortungsbereich des Klägers, der ausdrücklich eine Untersuchung erst nach den
Sommerferien gewünscht habe.
19
Die vom Kläger geltend gemachte positive Entwicklung könne nicht mehr berücksichtigt
werden, weil der Kläger das 35. Lebensjahr bereits am 20. November 2001 vollendet
und die Ausweitung der bestehenden Höchstaltergrenze bis zum 45. Lebensjahr
letztmalig für Einstellungen zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 gegolten habe.
20
Was die vom Kläger angeführten Vergleichsfälle anbelange, sei den Personalakten
dieser Kollegen gerade nicht zu entnehmen, dass bei ihnen wegen Überschreitung des
BMI Bedenken gegen eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bestanden
hätten. Den amtsärztlichen Gutachten sei insoweit nichts zu entnehmen.
21
Das Gericht hat im Anschluss an den Erörterungstermin eine ergänzende
Stellungnahme der Amtsärztin zur Frage der Zusammensetzung der Fettstoffe, der
22
Fettverteilungsmuster und einer möglichen Kompensation der beim Kläger festgestellten
Risikofaktoren durch regelmäßige körperliche Bewegung erbeten. Auf die
Stellungnahme vom 2. Juli 2007 (Bl. 77 f. GA) wird verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
23
Entscheidungsgründe:
24
Die zulässige Klage ist begründet. Der ablehnende Bescheid der Bezirksregierung vom
15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch darauf,
dass der Beklagte über sein Einstellungsbegehren unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
25
Art. 33 Abs. 2 GG und die zur Konkretisierung dieser Norm ergangenen
beamtenrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 5, 7 LBG NRW) gewähren allerdings keinen
unmittelbaren Anspruch auf Einstellung oder Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Die
Entscheidung hierüber liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, der
dabei den Grundsatz gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten hat. Der Zugang zu einem solchen Amt
ist zunächst abhängig von der Erfüllung bestimmter gesetzlicher Anforderungen, zu
denen insbesondere auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen gehören.
26
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande
Nordrhein-Westfalen (LVO) in der derzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung der
LVO vom 23. Dezember 1995 (GV NRW 1996 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung
vom 11. April 2000 (GV NRW S. 380), darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1
Buchstabe a) in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder übernommen werden,
wer das in § 52 Abs. 1 LVO festgesetzte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Laufbahnbewerber erwerben die Befähigung für ihre Laufbahn nach § 5 Abs. 1
Buchstabe a) unter anderem durch Ableisten des Vorbereitungsdienstes im
Beamtenverhältnis auf Widerruf und durch Bestehen der vorgeschriebenen
Laufbahnprüfung. Der Kläger ist Laufbahnbewerber im Sinne dieser Vorschrift, da er
vom 15. September 2004 bis zum 14. September 2006 den berufsbegleitenden
Vorbereitungsdienst nach der OVP-B leistete und am 5. September 2006 die Zweite
Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I ablegte.
27
Nach § 52 Abs. 1 i.V.m. § 50 LVO darf als Laufbahnbewerber in die Lehrerlaufbahnen
an öffentlichen Schulen in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder
übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Das gilt auch für
den Kläger, dessen Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I unter § 50 Abs. 1 Nr. 5 LVO
fällt.
28
Dass der am 00.00.1966 geborene Kläger zu dem für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage bei der Verpflichtungsklage maßgebenden Zeitpunkt der (heutigen)
gerichtlichen Entscheidung bereits ein Alter erreicht hat, das über das vorgeschriebene
Einstellungshöchstalter von 35 Jahren hinausgeht, steht seiner Einstellung als Beamter
auf Probe nicht entgegen. War das der Klage zu Grunde liegende Begehren im
Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten berechtigt, kann dieses auch heute noch
berücksichtigt werden, weil § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO die Möglichkeit vorsieht, eine
29
Ausnahme von dem Höchstalter für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe
zuzulassen,
vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 6.98 -, Buchholz 237.7 § 15
NWLBG Nr. 3, und vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 -, ZBR 2000, 305.
30
Der Kläger hatte das vorgeschriebene Höchstalter zwar auch zum Zeitpunkt der
Einstellung in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis am 15. September 2006 bereits
um mehr als vier Jahre überschritten. Das steht der begehrten Einstellung aber ebenfalls
nicht entgegen, weil dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der
Einhaltung der Höchstaltersgrenze zusteht.
31
Er kann eine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe im Wege der
Ausnahmebewilligung auf Grund einer entsprechenden ständigen Praxis des Beklagten
nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 LVO beanspruchen. Hiernach können
auf Antrag der obersten Dienstbehörde - heute: MSW NRW - das Innenministerium und
das Finanzministerium eine Ausnahme von dem Höchstalter gemäß § 6 LVO zulassen.
Mit dem sog. Mangelfacherlass vom 22. Dezember 2000, ergänzt durch Erlass vom 23.
April 2001, letztmalig verlängert durch Erlass vom 16. November 2004 und schließlich
außer Kraft getreten nach Abschluss der Lehrereinstellungsverfahren zum
Schuljahresbeginn 2006/2007, wurde eine allgemeine Ausnahme von der Einhaltung
der Höchstaltersgrenze von 35 Jahren im Hinblick auf Lehrer zugelassen, welche die
Lehrbefähigung für bestimmte Mangelfächer besitzen. Der Regelung dieses Erlasses
unterlag der Kläger im September 2006, denn er verfügt mit der Lehrbefähigung für die
Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen und den Fächern Mathematik und
Technik über ein Lehramt, das jeweils eines der in Abschnitt I Nr. 1 des Erlasses vom
22. Dezember 2000 aufgeführten Mangelfächer betrifft. Außerdem hatte er zum
Zeitpunkt seiner Einstellung zum Schuljahresbeginn 2006/2007 die Altersgrenze des
Erlasses von 45 Jahren noch nicht überschritten.
32
Der Beklagte kann dem Einstellungsbegehren des Klägers nach dem derzeitigen
Sachstand auch nicht entgegenhalten, dass diesem zu dem für die Entscheidung über
seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe maßgeblichen Zeitpunkt, im
September 2006, die erforderliche gesundheitliche Eignung gefehlt habe.
33
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) LBG kann in das Beamtenverhältnis auf Probe
berufen werden, wer - wie ein künftiger (verbeamteter) Lehrer - zur späteren
Verwendung als Beamter auf Lebenszeit eine Probezeit zurückzulegen hat.
Voraussetzung für die Einstellung ist unter anderem die Eignung (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG,
§ 7 Abs. 1 LBG), wozu auch die gesundheitliche Eignung gehört,
34
vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juni 1989 - 2 A 3.86 -, abgedruckt bei Buchholz 232.1 § 7
BLV Nr. 4), und vom 25. Februar 1993 - 2 C 27.90 -, NVwZ 1993, 1110; so auch OVG
NRW, Urteil vom 28. Mai 2003 - 6 A 510/01 -, DÖD 2004, 27-28.
35
Nach der vom erkennenden Gericht geteilten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts,
36
vgl. Beschluss vom 16. September 1986 - 2 B 92.86 -, abgedruckt bei Buchholz 232 §
31 BBG Nr. 39; Urteil vom 25. Februar 1993, a.a.O.; Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 A 5.00 -,
abgedruckt in DÖD 2002, S. 219,
37
fehlt die gesundheitliche Eignung bei Vorliegen einer körperlichen oder physischen
Veranlagung der Art, dass die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts
dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem
hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diesbezüglich hat der
Dienstherr eine prognostische Einschätzung vorzunehmen. Ihm steht insoweit ein
Beurteilungsspielraum zu. Seine Wertungen können weder durch die Wertungen eines
Sachverständigen noch durch das Gericht ersetzt werden,
38
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147; hierzu auch
OVG NRW, Urteile vom 28. Mai 2003 - 1 A 2150/00 - und vom 19. November 2004 - 6 A
1720/02 - im Fall der Entlassung eines Probebeamten wegen fehlender Eignung.
39
Zur Verneinung der Einstellung genügen bereits begründete ernsthafte Zweifel des
Dienstherrn daran, ob der Beamte die Eignung besitzt, die für die Ernennung notwendig
ist. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den Be-
griff der fehlenden gesundheitlichen Eignung und den Rahmen, innerhalb dessen er
sich frei betätigen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Tatbestand
ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige
Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat,
40
vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, NJW 2003, 3111;
BVerwG, Urteil vom 19. März 1998 - 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263, 267, m.w.N.; OVG
NRW, Urteil vom 19. November 2004 - 6 A 1720/02 -.
41
Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der für den Beklagten handelnden
Bezirksregierung, dem Kläger die gesundheitliche Eignung als Lehrer im
Beamtenverhältnis abzusprechen, zu beanstanden. Die Bezirksregierung ist bei ihrer
Prognoseentscheidung in tatsächlicher Hinsicht sowohl von falschen Prämissen (a) als
auch von einem unvollständigen Sachverhalt (b) ausgegangen.
42
a) Sie stützt ihre Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung des Klägers auf das
amtsärztliche Gutachten vom 11. August 2006, das von einer Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe zum damaligen Zeitpunkt abrät, weil der Kläger einen BMI
von 30,6 kg/m² habe und erhöhte Cholesterinwerte auf eine Fettstoffwechselerkrankung
hinwiesen. Aus diesem Grund bestehe eine erhöhte Gefährdung für das Auftreten von
Herzkreislauferkrankungen, Stoffwechselerkrankungen sowie Erkrankungen des
Bewegungs- und Stützapparates.
43
Dem liegen folgende medizinische Richtwerte zugrunde: Der BMI ist der Quotient aus
dem Gewicht in Kilogramm und der Körpergröße in Metern im Quadrat. Nach den WHO-
Richtlinien aus dem Jahre 1998 sind die Gewichtsklassen bei Erwachsenen wie folgt
definiert:
44
unter 17,5 kg/m² Magersucht
45
unter 18,5 kg/m² Untergewicht
46
18,5 - 24,9 kg/m² Normalgewicht
47
25 - 29,9 kg/m² Übergewicht
48
30 - 34,9 kg/m² Adipositas Grad I
49
über 35 kg/m² Adipositas Grad II
50
Der BMI des Klägers lag Anfang August 2006 mit 30,6 kg/m² im untersten Bereich der
Adipositas I.
51
Bei den Cholesterinwerten wird von folgenden Normwerten ausgegangen:
52
Cholesterinwert: < 200 (220) mg/dl
53
HDL-Cholesterin: 35 - 55 mg/dl
54
LDL-Cholesterin: < 150 mg/dl.
55
LDL/HDL Risiko Index: < 2.5 niedriges Risiko; > 4.0 hohes Risiko
56
Anfang August 2006 waren die Blutwerte des Klägers hinsichtlich des Cholesterins (239
mg/dl), des LDL-Cholesterins (167 mg/dl) und des LDL/HDL Risiko Index (3.2) erhöht.
57
Dieser Befund führt nach Einschätzung der Bezirksregierung unabhängig davon, ob
sich die Blutwerte einer weiteren, privat veranlassten, Untersuchung vom 21. August
2006 zufolge normalisiert hatten, dazu, dass künftige Erkrankungen oder dauernde
Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten. Im Anschluss an eine
Entscheidung des VG Gelsenkirchen aus dem Jahr 2005, der ein fachärztliches
Sachverständigengutachten zugrundege lag,
58
vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. Dezember 2005 - 1 K 6123/01 -,
59
geht die Bezirksregierung davon aus, dass ab einem BMI von 30 kg/m² allein aus
diesem Grund Zweifel in Bezug auf die gesundheitliche Eignung begründet seien.
60
Damit hat die Bezirksregierung, der das vom VG Gelsenkirchen eingeholte Gutachten
erst seit einer auszugsweisen Übersendung im vorliegenden gerichtlichen Verfahren
bekannt ist, ihre Prognoseentscheidung in tatsächlicher Hinsicht auf eine falsche
Grundlage gestützt. Dem Gutachten eines Facharztes für Psychotherapeutische Medizin
an der I Universität E vom 24. Oktober 2005 ist nämlich gerade nicht zu entnehmen,
dass allein das Erreichen eines BMI von 30 kg/m² die Annahme eines Übergewichts mit
Krankheitswert in dem Sinne begründet, dass Folgeerkrankungen nicht mit
ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Das zeigen die
gutachterlichen Ausführungen zu der Frage 4.:
61
"Die Frage nach dem Krankheitswert des Übergewichts ist relativ zu beantworten. Das
Übergewicht ist erst dann als Krankheitswert zu beurteilen, wenn ein typisches,
vermehrtes abdominelles Verteilungsmuster vorliegt, wenn metabolische
Stoffwechselparameter vorliegen, die mit einem erhöhten Risiko verbunden sind oder
wenn bereits objektivierbare gewichtstypische Gelenkbeschwerden und
Belastungseinschränkungen und eine begleitende Hypertonie vorliegen." (S. 11 des
Gutachtens).
62
Bei dem durch den Facharzt zu begutachtenden Patienten, der seinen BMI von
zunächst 35,9 kg/m² auf 32 kg/m² reduziert hatte, wurden neben erhöhtem Cholesterin
ein vermehrtes abdominelles Fettgewebe und Hinweise auf eine arterielle Hypertonie
festgestellt.
63
Zu der Frage, inwieweit mit dem festgestellten Übergewicht ein erhöhtes
Krankheitsrisiko verbunden sei, führt der Gutachter bezogen auf den konkreten
Einzelfall aus, dass jedenfalls in der Kombination des Übergewichts mit arteriellem
Hypertonus und mit einer Fettstoffwechselstörung das Risiko erhöht sei.
64
Das Gutachten befasst sich ferner mit der Frage, ob die durch eine bestehende
Übergewichtigkeit gegebenen Risikofaktoren durch andere Momente, z.B. Ernährung,
Sport oder körperliche Besonderheiten kompensiert werden können. Dazu führt der
Gutachter aus, dass eine Verbesserung der Risikofaktoren jedenfalls möglich sei.
Insbesondere könne durch eine sportliche Betätigung eine deutliche metabolische
Verbesserung unabhängig von einem vorliegenden BMI (auch bei über 30) erreicht
werden.
65
Diese differenzierten Ausführungen des medizinischen Sachverständigen waren der
Bezirksregierung bei ihrer Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit künftiger
Erkrankungen oder einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit des Klägers nicht bekannt. Sie
nahm vielmehr an, die Ausführungen des VG Gelsenkirchen in dem Urteil vom 12.
Dezember 2005 als allgemeingültige medizinische Grundsätze ihrer
Prognoseentscheidung zu Risikofaktoren bei Übergewicht zugrundelegen zu können.
Dadurch ging die Bezirksregierung von falschen Tatsachen aus, weil das VG
Gelsenkirchen im Hinblick auf den zu entscheidenden konkreten Einzelfall die
Ausführungen des Gutachtens verkürzt dargestellt hat. So heißt es in der Entscheidung,
dass bei einem BMI von mehr als 30 kg/m² nach "allgemeiner Auffassung" ein erhöhtes
kardiovasculäres Risiko bestehe, welches durch ein stammbetontes
Fettverteilungsmuster, männliches Geschlecht, Diabetes mellitus und
Hyperlipoproteinanämie weiter erhöht werde. Eine allgemeine Auffassung in dem
Sinne, dass allein ein BMI von 30 kg/m² mit einen kardivasculären Risiko einhergehe,
ist dem fachärztlichen Gutachten jedoch, wie oben dargelegt, gerade nicht zu
entnehmen. Das VG Gelsenkirchen musste aber in dem konkreten Einzelfall nicht
genau differenzieren, weil bei dem betreffenden Kläger zunächst sogar eine Adipositas
Grad II festgestellt worden war, das Gewicht dann bis zu einem BMI von 32 kg/m²
reduziert wurde und mehrere weitere Risikofaktoren vorlagen.
66
Auch soweit das VG Gelsenkirchen den positiven Auswirkungen sportlicher
Ertüchtigung auf das mit einer Adipositas verbundene Krankheitsrisiko keine Bedeutung
für die Prognoseentscheidung den dortigen Kläger betreffend beimisst, kann daraus
nicht ein allgemeiner Erfahrungssatz abgeleitet werden, dass regelmäßige intensive
sportliche Aktivitäten die Prognoseentscheidung unter keinen Umständen, auch nicht in
Grenzfällen, beeinflussen können. In dem vom VG Gelsenkirchen zu entscheidenden
Fall kam eine nachhaltige Kompensation aufgrund gehäufter zusätzlicher Risikofaktoren
eindeutig nicht in Betracht. Die generelle - im Gelsenkirchener Fall im Ergebnis
allerdings nicht einschlägige - Aussage zur positiven Auswirkung besonders sportlicher
Aktivitäten gibt jedoch Anlass, diesen Aspekt im Einzelfall zumindest zu
berücksichtigen, soweit entsprechende Anhaltspunkte bestehen.
67
b) Vor diesem Hintergrund ist die Bezirksregierung nicht nur von falschen Tatsachen
ausgegangen, sondern hat der angefochtenen Entscheidung auch einen
unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Nachdem der Kläger Anfang September
2006 ein neues Blutbild vorgelegt hatte, demzufolge die Cholesterinwerte im
Normbereich lagen, und außerdem darauf hingewiesen hatte, dass er 20 Jahre lang
Schwimmleistungssport betrieben habe, hätte vor einer endgültigen Entscheidung über
die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe Anlass zu einer
weiteren amtsärztlichen Untersuchung bestanden.
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Die Cholesterinwerte waren am 21. August 2006 mit Cholesterin in Höhe von 195 mg/dl,
HDL-Cholesterin in Höhe von 53 mg/dl und LDL-Cholesterin in Höhe von 122 mg/dl
sowie bei einem LDL/HDL Risiko Index von 2.3 unbedenklich, was von dem Beklagten
auch nicht in Abrede gestellt worden ist. Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen
Eignung des Klägers konnten damit ohne weitere Untersuchungen des Stoffwechsels
des Klägers nur auf einen erhöhten BMI von 30,6 kg/m² gestützt werden. Da es sich nur
um eine geringfügige Überschreitung des Grenzwerts von 30 kg/m² um 0,6 kg/m²
handelte und - bei Zugrundelegung der jüngsten Blutanalyse - keine weiteren
Risikofaktoren vorlagen, wäre eine erneute Untersuchung erforderlich gewesen, um
zum Beispiel das Fettverteilungsmuster feststellen zu lassen und der Frage
nachzugehen, inwieweit Risikofaktoren im Fall des Klägers durch sportliche
Ertüchtigung kompensiert sein könnten.
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Diese Ermittlungen hätten auch innerhalb der verbleibenden Zeit bis zum letztmöglichen
Einstellungstermin in das Beamtenverhältnis auf Probe durchgeführt werden können,
zumal die Bezirksregierung als Herrin des Einstellungsverfahrens hinsichtlich des
Abschlusses dieses Verfahrens zum Schuljahresbeginn 2006/2007 nicht an einen
bestimmten Termin gebunden war, sondern Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze
aufgrund des Mangelfacherlasses bis zum tatsächlichen Abschluss der einzelnen
Einstellungen umsetzen konnte. Zur abschließenden Feststellung der gesundheitlichen
Eignung des Klägers hätte eine ergänzende Untersuchung durch die Amtsärztin
ausgereicht, die zu etwaigen weiteren Risikofaktoren, wie etwa dem Bodyformindex
(abdominelles Fettverteilungsmuster), und einer möglichen Kompensation von Risiken
durch regelmäßige sportliche Ertüchtigung hätte Stellung nehmen können.
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Eine weitere Aufklärung war nicht im Hinblick darauf erläßlich, dass der Kläger
anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung im Juli 2004 von den Bedenken der
Amtsärztin gegenüber einer Verbeamtung erfahren haben dürfte und - so der Beklagte -
binnen zwei Jahren die Möglichkeit hatte, das Übergewicht zu reduzieren und
Stoffwechselproblemen entgegenzuwirken. Dem Beklagten ist zwar insofern
zuzustimmen, als der Kläger selbst verpflichtet ist, seine Eignung zu gewährleisten. Das
entbindet die Behörde aber nicht davon, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn
substantiiert Anhaltspunkte vorgetragen werden, die eine dem Bewerber günstigere
Entscheidung möglich erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall hätte aus den oben
genannten Gründen im Hinblick auf den vom Kläger vorgelegten Befund nahe gelegen,
eine weitere Untersuchung zuzulassen, um die Aussagekraft der amtsärztlichen
Stellungnahme von Anfang August 2006 zu überprüfen.
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Abschließend sei darauf hingewiesen, dass in bestimmten, die gesundheitliche Eignung
betreffenden Zweifelsfällen einem Beschluss des OVG NRW vom 11. Januar 2007 - 6 B
2361/06 - zufolge im Rahmen des behördlichen Einstellungsermessens auch die
Möglichkeit einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter einem
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konkreten Vorbehalt bestehen dürfte. Das OVG NRW führt dazu unter Bezugnahme auf
eine Entscheidung des VGH Baden- Württemberg vom 21. Februar 1995 (- 4 S 66/94 -)
aus: "Danach kann einem Beamten auf Probe, der unter Bedenken hinsichtlich seiner
gesundheitlichen Eignung in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen wird,
möglicherweise die spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit trotz
unverändertem Gesundheitszustand versagt werden, wenn die ursprünglichen Zweifel
an der gesundheitlichen Eignung auf Gründen beruhten, die von dem Beamten
beeinflussbar sind und der Beamte ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, er
möge die Probezeit zu einer positiven Beeinflussung nutzen, z.B. durch
Gewichtsreduktion." In dem Beschluss wird weiter darauf hingewiesen, dass ein solcher
Hinweis konkret und verhaltensbezogen sein müsse und nicht allein in der
Ankündigung einer später erforderlich werdenden erneuten Untersuchung bestehen
könne. Das OVG NRW musste diese Frage allerdings nicht entscheiden, weil in dem
konkreten Fall kein beeinflussbares Krankheitsbild gegeben war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §
709 Satz 1 ZPO.
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Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die
Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet.
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