Urteil des VG Düsseldorf vom 17.06.2004
VG Düsseldorf: vorbescheid, grundstück, wohngebäude, datum, einfamilienhaus, garage, bestandteil, ausführung, verkehr, vollstreckbarkeit
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 5813/03
Datum:
17.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 5813/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der au-
ßergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst zu
tragen haben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Erbengemeinschaft Dr. B, heute bestehend aus den Beigeladenen zu 1. bis 5., war
Eigentümerin des Grundstücks in H, Gemarkung G1, auf dem zwei Wohngebäude
standen. Das Grundstück schloss im Süden an die Straße Lweg an und verlief nach
Norden hin in einer Tiefe bis zu 70 Metern. Im vorderen Teil befand sich östlich von der
Mitte das Wohngebäude Lweg 12, etwa auf mittlerer Tiefe des Grundstücks westlich
davon das Wohngebäude Lweg 10.
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In der Folge wurde das Grundstück mehrfach geteilt. Der vordere Teil mit dem
Wohngebäude Lweg 12 wurde zum Flurstück 301; dieses erwarben die Kläger. Das
übrige Grundstück bildete zunächst das Flurstück 303. Im Zuge des Erwerbs des
Flurstücks 301 gaben die Kläger mit Datum vom 1. Juni 1995 beim Bauaufsichtsamt des
Beklagten unter anderem "zur Sicherung einer Zuwegung gemäß § 4 Abs. 1 BauO NW"
die Verpflichtungserklärung Nr. 7447 ab. Darin stimmten sie folgender auf Eintragung
einer Baulast gerichteten Verpflichtungserklärung zu:
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"Der jeweilige Eigentümer der Grundstücke Lweg 10, 12 und o.Nr., Gemarkung H,
Flur 3, Flurstücke 50, 52 und 152 duldet auf Dauer, daß die im Lageplan des
ÖbVI Dipl.Ing. R. K grün schraffierte Fläche im örtlich vorhandenen Weg als
Zuwegung zum Flurstück 50, Teilfläche "B" derselben Flur genutzt wird.
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Er trägt dafür Sorge, daß sich diese Fläche stets in benutzbarem und verkehrssichrem
Zustand befindet."
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Eine Baulast dieses Inhalts wurde am 28. Juni 1995 in das Baulastenverzeichnis von E
eingetragen. Die mit "B" bezeichnete Fläche ist das durch die Teilung entstandene
Flurstück 303. Dieses wurde später nochmals in der Weise geteilt, dass der von der
Straße gesehen vordere Teil mit dem Wohngebäude Lweg 10 zu Flurstück 397 wurde,
der übrige unbebaute Teil zu Flurstück 398. Flurstück 398 wurde schließlich nochmals
in zwei Flurstücke 416 und 417 geteilt, von denen das Flurstück 416 den weitaus
größten Teil des ehemaligen Flurstücks 398 bildet; westlich davon liegt das kleine
Flurstück 417. Westlich der Flurstücke 397, 416 und 417 grenzt das Flurstück 305 an,
nördlich hiervon das Flurstück 97 mit dem Wohngebäude Lweg 8. Westlich an das
Flurstück 301 und südlich an das Flurstück 305 grenzt das Flurstück 304 an. Von der
Straße Lweg verläuft nach Norden hin eine Zuwegung über die Flurstücke 301, 304,
305, 397 und 417, über die die Gebäude Lweg 8 und 10 zu erreichen sind. Die in der
Baulasteintragung genannte grün schraffierte Fläche ist derjenige Teil der Zuwegung,
die nunmehr auf den Flurstücken 301 und 304 liegt. Für die weiteren Einzelheiten wird
auf die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Pläne verwiesen.
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Gegenstand des Rechtsstreits ist die auf dem Flurstück 416 geplante Bebauung. Hierfür
beantragten zuerst die Beigeladenen zu 1. bis 5., später die Beigeladenen zu 6. und 7.
einen Vorbescheid, der jeweils erteilt wurde. Das Grundstück wird dabei als "Lweg 8a"
bezeichnet. Die Klage richtet sich gegen beide Vorbescheide.
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Der Erste der beiden Vorbescheide datiert vom 30. Juni 2000. Er bezieht sich auf die
von den Beigeladenen zu 1. bis 5. gestellte Bauvoranfrage, ob vor Rechtsverbindlichkeit
des Bebauungsplanes 6367/19 Baurecht nach §§ 33, 34 BauGB für ein Einfamilienhaus
mit den Abmessungen 7,50 x 12 Meter nebst Garage erteilt werden könne. Nach dem
Bescheid bestehen baurechtlich keine Bedenken, wenn fünf Punkte beachtet werden.
Unter Punkt Nr. 4 heißt es:
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"Die Erschließung (Zuwegung, Ver und Entsorgung) zum Grundstück Am Lweg 8a
über die privaten Flächen muss vor Erteilung der Baugenehmigung über Baulast
(öffentlichrechtlich) und über Grunddienstbarkeiten (privatrechtlich) gesichert werden."
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Der zweite Vorbescheid trägt das Datum vom 7. Januar 2003. Er erging auf die
Bauvoranfrage der Kläger zu 6. und 7., ob die Errichtung eines Zweifamilienhaus mit
einem flachen Anbau genehmigbar sei. Nach dem Bescheid bestehen
bauplanungsrechtlich keine Bedenken, wenn bestimmte Punkte beachtet werden. Unter
anderem ist je Wohnung ein Stellplatz auf dem Baugrundstück nachzuweisen; die
Flurstücke 305, 416 und 417 sind mit einer Vereinigungsbaulast zu vereinigen.
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Mit Schreiben vom 17.11.02 und vom 24.02.03 erhoben die Kläger gegen beide
Vorbescheide Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom
25. Juli 2003, per Einschreiben zur Post am 30. Juli 2003, zurückgewiesen wurde.
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Am 30. August 2003 haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor, dass der Beklagte
in den Vorbescheiden davon ausgegangen sei, dass die Vorhaben im Innenbereich
lägen; hingegen habe er bei ihrem eigenen Objekt stets eine Beurteilung nach den
Vorschriften über den Außenbereich vorgenommen. Weiter tragen sie vor, die bisherige
lockere Bebauung werde durch die Vorhaben substanziell verändert. Außerdem sei
ihnen die Benutzung der über ihr Grundstück führenden Zuwegung durch die
Beigeladenen nicht zumutbar.
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Die Kläger beantragen,
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den der Grundbesitzergemeinschaft Dr. B (Beigeladene zu 1. bis 5.) erteilten
Bauvorbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2000 sowie den den
Beigeladenen zu 6. und 7. erteilten Bauvorbescheid des Beklagten vom
7. Januar 2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung E vom 25. Juli 2003, aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch einen durch den Berichterstatter durchgeführten
Ortstermin. Für die Einzelheiten wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
Wegen des weiteren Sach und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Widerspruchsbehörde
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bauvorbescheide vom 30. Juni 2000
und vom 7. Januar 2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung E vom 25. Juli 2003, verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 S. 1 VwGO).
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1. Vorschriften des Bauplanungsrechts, die dem Schutze der Kläger dienen, sind nicht
verletzt.
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1.1. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Zulässigkeit der Vorhaben nach § 34 BauGB
oder nach § 35 BauGB beurteilt. Die Vorschriften über die (grundsätzliche) Freihaltung
des Außenbereichs von nichtprivilegierten Nutzungen (§ 35 BauGB) sind nicht
nachbarschützend. Ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Außenbereichsqualität
besteht nicht. Sofern das Vorhaben im Innenbereich liegen sollte, sodass es sich in die
Eigenart der näheren Umgebung einzufügen hätte (§ 34 Abs. 1 BauGB), würde über
dieses Erfordernis zwar das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme vermittelt.
Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Vorhaben rücksichtslos wären. Der Art der
Nutzung nach fügen sie sich als Wohnhäuser in die umgebende Wohnbebauung ein.
Das Maß der baulichen Nutzung hält sich im Rahmen dessen, was in der Umgebung
bereits an Bebauung vorhanden ist. Dies gilt sowohl für das den Gegenstand der ersten
Bauvoranfrage bildende Einfamilienhaus, das eingeschossig geplant ist (Beiakte H. 2,
Bl. 17) als auch für das Zweifamilienhaus, auf den sich der zweite Bauvorbescheid
bezieht. Es hat nach den zum Bestandteil des Bauvorbescheides gemachten Plänen
eine Traufhöhe von etwa 5,00 Metern und eine Giebelhöhe von etwa 9,00 Metern. Wie
der Beklagte festgestellt hat, haben die Gebäude Lweg 8, 10 und 12 alle eine Traufhöhe
von etwa 4,00 Metern und eine Giebelhöhe von etwa 8,50–9,50 Metern (Beiakte H. 3,
Bl. 27). Anhaltspunkte dafür, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen, hat die
Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter nicht erbracht. Die geringfügige
Überschreitung der bisher vorhandenen Traufhöhen ist nicht rücksichtslos.
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1.2. Die Erschließung ist gesichert (§§ 34 Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 1 BauGB). Für den
Vorbescheid vom 30.06.00 ergibt sich das schon daraus, dass nach Punkt 4 dieses
Vorbescheides die Erschließung vor Erteilung der Baugenehmigung durch Baulast und
Grunddienstbarkeit gesichert wird. Der Vorbescheid vom 07.01.03 enthält eine derartige
Klausel zwar nur für die entwässerungstechnische Erschließung, die nach ihm nach den
Maßgaben des Stadtentwässerungsbetriebes durchzuführen ist. Das den Gegenstand
dieses Vorbescheides bildende Zweifamilienhaus wäre aber über die bereits
vorhandene Zuwegung zu erreichen. Die Nutzung dieser Zuwegung ist
öffentlichrechtlich, nämlich durch die am 28. Juni 1995 eingetragene Baulast auf dem
Grundstück der Kläger, gesichert (§ 83 BauO NRW). Aus der Formulierung der
Verpflichtungserklärung und der Eintragung im Baulastenverzeichnis geht hervor, dass
die Baulast nicht etwa nur dazu diente, die Zuwegung zum Haus Lweg 10 zu sichern.
Vielmehr ist die Rede von einer Zuwegung zum Teil "B" des damaligen Flurstücks 50.
Zu ihm gehört nach der heutigen Bezeichnung auch das Flurstück 416, auf dem die
Beigeladenen bauen möchten. Ob die Zuwegung daneben privatrechtlich gesichert ist,
spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle; denn die Baugenehmigung wird
unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt (§ 75 Abs. 3 S. 1 BauO NRW). Dies gilt für
den Vorbescheid entsprechend (§ 71 Abs. 2 BauO NRW).
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Die Zuwegung wird bei Verwirklichung des Vorhabens, also im Falle der Errichtung des
Zweifamilienhauses gemäß dem Bauvorbescheid vom 7. Januar 2003, nicht über
Gebühr in nachbarrechtsverletzender Weise in Anspruch genommen. Ein
Nachbarrechtsverstoß kommt nur in denjenigen Ausnahmefällen in Betracht, in denen
erstens die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu
nehmen ist, und zweitens eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen
anzuerkennen ist,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 1983 4 C 96.79 , BRS 40 Nr. 4 m.w.Nachw.
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Ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben.
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Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Kläger die Fenster ihrer Aufenthaltsräume
und ihren Ruhebereich in der davor befindlichen Grünfläche nach den Feststellungen im
Ortstermin zu der der Zuwegung zugewandten Seite hin haben. Ein starker Zu und
Abgangsverkehr auf der Zuwegung könnte daher, wenn die Ausführung des Vorhabens
ihn zur Folge hätte, grundsätzlich geeignet sein, sie in ihren nachbarlichen Rechten zu
verletzen. Von einem solchen Verkehr ist aber gerade nicht auszugehen. Dass die
Zuwegung von schweren Fahrzeugen benutzt wird, ist nach der bei der
Ortsbesichtigung festgestellten Beschaffenheit der Zuwegung Erdreich und
Schotter und ihrer Breite bis etwa 2,50 Meter nicht anzunehmen. Den nach Ausführung
des Vorhabens zu erwartenden Anstieg der Fahrbewegungen von üblichen privaten
Kraftfahrzeugen müssen die Kläger hinnehmen. Es fehlt ihnen insoweit an der
besonderen rechtlichen Schutzwürdigkeit, denn der Inanspruchnahme der Zuwegung
für die Erschließung des Grundstücks der Beigeladenen haben sie durch Bewilligung
der Baulast selbst zugestimmt. Infolgedessen ist ihre Situation vorbelastet. Die Kläger
sind dem Verkehr zu den Gebäuden Lweg 8 und 10 schon ausgesetzt. Eine starke
zusätzliche Belastung durch Zu und Abgangsverkehr zum Vorhaben der Beigeladenen
zu 6. und 7. ist nicht zu befürchten. Eine berufliche oder gewerbliche Nutzung des
Zweifamilienhauses ist nicht Gegenstand des Bauvorbescheids. Die danach
anzunehmende private Nutzung der Zuwegung dürfte nicht oder allenfalls unwesentlich
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über das hinausgehen, was die anderen Nutzer dieses Privatwegs bereits in Anspruch
nehmen. Auszugehen ist hierbei von den Bewegungen zweier privat genutzter
Kraftfahrzeuge. Der Vorbescheid vom 7. Januar 2003 verlangt pro Wohneinheit einen
Stellplatz, für das Zweifamilienhaus also zwei Stellplätze. Dies steht mit den zu Grunde
liegenden und zum Bestandteil des Vorbescheides gemachten Plänen im Einklang;
diese sehen eine Garage und einen Stellplatz vor. Eine Nutzung der Zuwegung für zwei
private Kraftfahrzeuge hält sich im Rahmen des Üblichen.
2. Auch nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts sind nicht verletzt. Die
Vereinbarkeit mit bauordnungsrechtlichen Bestimmungen war schon nicht Gegenstand
der Vorbescheide. Bauordnungsrechtliche Fragen sind vielmehr dem
Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Der zweite Vorbescheid stellt ausdrücklich
nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens fest. Der erste Vorbescheid
enthält diese Einschränkung zwar nicht ausdrücklich, verweist aber ebenso wie der
zweite darauf, dass die Bestimmungen der BauO NRW zu beachten seien.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit
(§ 162 Abs. 3 VwGO), die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für
erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich mithin
keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt haben. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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