Urteil des VG Düsseldorf vom 16.09.2010

VG Düsseldorf (behörde, abmeldung, ehemann, antrag, anschrift, gesetzliche grundlage, anlass, verhandlung, auskunft, wahl)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 4818/09
Datum:
16.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 4818/09
Normen:
==§§ 43, 113 I 4 VwGO, § 8 Nr. 3, 11 I und II MeldeG NRW
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% der jeweils
vollstreckbaren Kosten leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt gerichtliche Klärung zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang
mit den sie betreffenden Eintragungen im Melderegister des Beklagten, den seitens der
Behörde zu deren Vorbereitung angestellten Ermittlungsmaßnahmen sowie ihrer
Beteiligung an der Europawahl 2009.
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Die Klägerin ist seit 1979 in glücklicher Ehe mit ihrem Prozessbevollmächtigten
verheiratet. Beide wohnten vor dem Umzug in die aus dem Rubrum ersichtliche
Anschrift in der Eer Stadt im Dezember 2006 im Hause Dstraße 40 in E-T. Unter beiden
Anschriften betrieb der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch seine Anwaltskanzlei.
Beide Eheleute verfügen zudem seit 1994 in Frankreich über eine sog. résidence
secondaire. Ihren Angaben zufolge sind sie steuerlich beim Finanzamt E-Stadt
gemeldet.
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Anlässlich des Eingangs der Benachrichtigungen für die Europawahl vom 7.Juni 2009
Mitte Mai 2009 für ihren Ehemann und die wahlberechtigten Kinder bemerkte die
Klägerin, dass ihre Wahlunterlagen nicht beigefügt waren. Auf ihre Nachfrage wurde der
Klägerin am 26. Mai 2009 mitgeteilt, "nach Auskunft des Amtes für
Einwohnermeldewesen sind Sie für die Adresse Xlstraße 29 zum 17. Januar 2008 von
Amts wegen abgemeldet". Diese Mitteilung nahm der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin zum Anlass einer umgehenden Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde. Dies
führte zum Austausch von E-Mails zwischen dem Amtsleiter des Einwohnermeldeamtes,
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Herrn T1, sowie dem Prozessbevollmächtigten, wodurch erreicht wurde, dass die
Behörde am 2. Juni 2009, dem Dienstag nach Pfingsten, die Wahlunterlagen für die
Klägerin ausfertigte, am Donnerstag, den 4. Juni 2009 zur Post gab, sodass sie am
Freitag, dem 5. Juni 2009 (2 Tage vor der Wahl) unter der seitens der Klägerin
beanspruchten Anschrift Xstraße 29 in E eingingen. Nach ihren Angaben war die
Klägerin jedoch bereits am 4. Juni 2009 nach Frankreich gereist, sodass sie an der
Wahl nicht teilnehmen konnte.
Die Klägerin hat am 22. Juli 2009 die vorliegende Klage erhoben. Das Ganze sei ein
kleingeistiger Racheakt; das eigentliche Problem sei entstanden, als der
Prozessbevollmächtigte und Ehemann der Klägerin am 9. Januar 2008 sich bemüht
habe, unter Vorlage des Kfz-Scheines den auf die Klägerin zugelassenen Pkw mit dem
amtlichen Kennzeichen EAW 0000 von der Dstraße 40 auf Xstraße 29 umzumelden.
Wegen fehlender Vollmacht wurde ihm dies verweigert. Vorsichtshalber habe der
Prozessbevollmächtigte eine von der Klägerin unterschriebene Blankoanwaltsvollmacht
bei sich gehabt und diese vorgelegt. Die Sachbearbeiterin habe sich jedoch geweigert,
diese Vollmacht zu akzeptieren, weil sie die Echtheit der Unterschrift auf der Vollmacht
nicht habe prüfen können. Erst durch eine Vorsprache des Prozessbevollmächtigten
beim Amtsleiter habe die Umschreibung des Fahrzeugs veranlasst werden können.
Diese Art des Umganges habe den Prozessbevollmächtigten der Klägerin als
unabhängiges Organ der Rechtspflege sehr verärgert.
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Die Klägerin ist der Ansicht, den Mitteilungen ihres Mannes anlässlich seiner
Vorsprache auf der Behörde im Januar 2008 habe man keine Anhaltspunkte dafür
entnehmen können, dass sie nicht mehr in E lebe. Von daher sei auch nicht von einer
Unrichtigkeit des Melderegisters auszugehen gewesen, das dann Anlass für
irgendwelche Aufklärungsmaßnahmen im Stile einer flächendeckenden Fahndung hätte
sein können. Etwaige Unklarheiten habe man am ehesten im direkten Gespräch mit
dem Prozessbevollmächtigten und Ehemann der Klägerin klären können; Gelegenheit
dazu habe zum einen im Januar 2008 bestanden, zum anderen im Rahmen der
Korrespondenz anlässlich des Ausbleibens der Wahlunterlagen im Juni 2009.
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Ihre Anträge rechtfertigten sich auf Grund des rechtswidrigen und bis heute
uneinsichtigen Verhaltens des Beklagten; die in den jeweiligen Antwortschreiben an
den Tag gelegten Verhaltensweisen, vorgenommenen unrichtigen und unvollständigen
Sachverhaltsdarstellungen sowie falschen rechtlichen Würdigungen ließen eine
Wiederholung befürchten. Im Rahmen der Ermittlungen sei nur die Befragung der
Eigentümer zulässig gewesen, nicht aber die deren Sohnes oder aber von Mitarbeitern
eines in dem gleichen Hause angesiedelten Ladengeschäfts. Derartige örtliche
Ermittlungsvorgänge verstießen gegen das Übermaßverbot. Die wohl zur Schwärzung
der diesbezüglichen Angaben in den Verwaltungsvorgängen geführt habende
Behauptung des Außendienstmitarbeiters I, die von ihm im Hause Xstraße 29 befragten
Personen wollten beide nicht genannt werden, "da sie beide erhebliche Probleme mit
dem Rechtsanwalt X1 – Ehemann – haben", sei schlicht frei erfunden.
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Der Beklagte habe in die grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechte der
klägerischen Familie ohne Not und aus nicht nachzuvollziehenden Beweggründen
eingegriffen und die klägerische Familie vor Dritten in ehrenrühriger und beleidigender
Form bloßgestellt. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehe durchaus eine
Wiederholungsgefahr, die durch die das rechtswidrige Verhalten in der Vergangenheit
zu rechtfertigen versuchenden Ausführungen und das Verhalten der Behörde seit dem
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27. Mai 2009 indiziert sei. Der für die unglaubliche Arroganz des Beklagten typische
Hinweis auf "eine subjektive Empfindlichkeit" der Klägerin stelle eine schlichte
Frechheit dar, "wenn in rechtswidriger Art und Weise der Beklagte Ermittlungsmethoden
an den Tag legt, die an Anderes erinnern könnten, bei denen jedenfalls die klägerische
Familie bei anderen Mietern des Hauses, beim Sohn des Hauseigentümers und
ansonsten diskriminiert wurde".
Das Verhalten des Beklagten sei diskriminierend und menschenverachtend. Statt eines
Hinterherschnüffelns bei völlig unbescholtenen Bürgern und unzulässiger Befragungen
der Nachbarschaft habe die Behörde zunächst einmal zu versuchen gehabt, den
Ehemann zu kontaktieren und den Sachverhalt auf diese Weise aufzuklären. Dies nicht
getan zu haben, stelle einen Eingriff in die Menschenwürde und die persönlichen
Freiheitsrechte dar. Letztlich habe der Beklagte sogar eine Art Ausbürgerung versucht.
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Ausdrücklich bewusst räumte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung ein, die Klägerin lebe überwiegend in Frankreich.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
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1.
den Beklagten zu verpflichten, im Register des Einwohnermeldeamtes die
Abmeldung der Klägerin ,von Amts wegen, zum 17.01.2008 zu löschen mit
der Folge, dass die Klägerin zuvor und nahtlos bis heute als für die Anschrift
Xstraße 29, 00000 E, als gemeldet gilt;
2.
hilfsweise festzustellen, dass die seitens des Beklagten zum 17.01.2008
vorgenommene Abmeldung der Klägerin von Amts wegen rechtswidrig war;
3.
ferner a. Auskunft darüber zu erteilen, wem gegenüber der Beklagte die
Auskunft erteilt hat, die Klägerin sei von Amts wegen abgemeldet, b. und für
den Fall, dass der Beklagte derartige Auskünfte erteilt hat, den Beklagten zu
verpflichten, den Empfängern dieser Auskunft jeweils mitzuteilen, dass die
entsprechen- de Auskunft fälschlicherweise erteilt worden sei und die
Klägerin tatsächlich durchgehend für die Anschrift X- straße 29, 00000 E,
gemeldet gewesen sei;
4.
festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt war, andere Personen als
die Eigentümer des Hauses Xstraße 29, 00000 E, im Wege örtlicher
Ermittlungen oder auch ansonsten überhaupt und im Übrigen sinngemäß zu
befragen,
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ob die Klägerin im Hause Xstraße 29, 00000 E, wohnhaft sei,
der Befragte Herrn X1 – also den Unterzeichner – kenne,
der Befragte Frau X1 – also die Klägerin – kenne,
er sie beschreiben könne,
er deren Alter sagen könne,
Herr X1 – also der Unterzeichner – hier im Hause Xstraße 29, 00000 E,
wohnen würde,
Herr X1 – also der Unterzeichner – hier im Hause Xstraße 29, 00000 E, mit
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einer Dame wohnen würde,
Herr X1 – also der Unterzeichner – hier im Hause Xstraße 29, 00000 E, mit der
Klägerin wohnen würde,
er sagen könne, wer noch hier mit dem Unterzeichner wohne,
Herr X1 – also der Unterzeichner – einen Mietvertrag unterzeichnet hätte, es
sonst noch weitere Mieter beim Kläger gebe;
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5.
den Beklagten zu verpflichten anzugeben, welche Personen er jeweils
anlässlich der örtlichen Ermittlungen in den Jahren 2008 und 2009 außer
Herrn Dr. X2 und den beiden Mitarbeiterinnen des Schuhgeschäfts ,C, noch
hinsichtlich der Klägerin und der klägerischen Familie und deren Wohnsitz
befragt hat;
6.
festzustellen, dass der Beklagte es rechtswidrig unterlassen hat, der Klägerin
rechtzeitig die Wahl- und Briefwahlunterlagen für die Europawahl 2009 zur
Verfügung zu stellen;
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Er ist der Ansicht, die Klage habe sich zum Hauptantrag erledigt, weil das Melderegister
bereits rückwirkend in den eingeklagten Zustand versetzt worden sei, indem ihm nun
eine ununterbrochene Meldung der Klägerin unter der Anschrift Xstraße 29 zu
entnehmen sei; eine physikalische Löschung der im sog. Wohnungsbild für die Behörde
noch ersichtlichen Eintragung der im Januar 2008 vorgenommenen, im Juni 2009
rückwirkend geänderten Abmeldung der Klägerin von Amts wegen sei technisch nicht
möglich und würde das Melderegister auch inhaltlich nicht mehr nachvollziehbar
erscheinen lassen.
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Auch die weiteren Hilfs- und Feststellungsanträge hätten keine Aussicht auf Erfolg. Sein
Verhalten und Handeln sei vielmehr durchweg rechtmäßig gewesen. Ein besonderes
Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht erkennbar: Für den Grund der
Wiederholungsgefahr fehle es an einer hinreichend bestimmten Gefahr; ein etwaiges
Präjudizinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses sei nicht ersichtlich;
für ein Rehabilitationsinteresse fehle es an einer besonders diskriminierenden Wirkung
der Abmeldung der Klägerin.
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Soweit die Klägerin Auskunftsansprüche geltend mache, fehle es an einer gesetzlichen
Grundlage. Zudem habe der Beklagte etwaige Auskunftsansprüche bereits erfüllt. Dass
er bei der Akteneinsicht durch den Prozessbevollmächtigten und Ehemann der Klägerin
einzelne personenbezogene Daten zu den befragten Nachbarn durch Schwärzungen
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unkenntlich gemacht habe, finde seine gesetzliche Grundlage in § 9 IFG NRW und sei
von daher nicht zu beanstanden; zudem hätten die befragten Nachbarn bei
Auskunftserteilung ausdrücklich um vertrauliche Behandlung ihrer personenbezogenen
Daten gebeten. Die durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen seien vor dem Hintergrund
der Verpflichtung der Behörde zu sehen, gemäß § 4a Meldegesetz NRW den
Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wenn ihr bezüglich einzelner oder einer
Mehrzahl namentlich bekannter Einwohner konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit
oder Unvollständigkeit des Melderegisters vorlägen. So sei es hier gewesen. Entgegen
der Darstellung der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht habe man durchaus Anhaltspunkte
für die Unrichtigkeit des Melderegisters gehabt. Als ihr Ehemann und
Prozessbevollmächtigter am 9. Januar 2008 die Meldebehörde aufgesucht habe, um
seinen neuen Personalausweis abzuholen, habe die zuständige Sachbearbeitern die
aktuellen Meldeverhältnisse abgefragt, weil vermerkt gewesen sei, die Steuerkarte der
Klägerin für das Jahr 2008 sei als bei der verzeichneten Adresse unzustellbar an den
Beklagten zurückgesandt worden. In diesem Kontext habe der Ehemann und
Prozessbevollmächtigte der Klägerin geäußert, die Klägerin halte sich in Frankreich auf.
Auf den Hinweis der Mitarbeitern des Beklagten, bei einer Verlagerung des Wohnsitzes
ins Ausland bestehe keine Möglichkeit, darüber hinaus einen Nebenwohnsitz in
Deutschland anzumelden, habe der Ehemann und Prozessbevollmächtigte der Klägerin
"äußerst unkooperativ" reagiert, sodass die zuständige Sachbearbeiterin sich nicht in
der Lage gesehen habe, den Sachverhalt im Gespräch mit dem Ehemann und
Prozessbevollmächtigten restlos aufzuklären. Deshalb habe man den Ermittlungsdienst
des Amtes für Einwohnermeldewesen mit der Prüfung der aktuellen Meldeverhältnisse
beauftragt. Im Rahmen dieser Ermittlungen habe der zuständige Ermittlungsbeamte
einzelne Nachbarn der Klägerin befragt, denen sie jedoch nicht bekannt war. Auf der
Grundlage dieses Ermittlungsergebnisses habe das Einwohnermeldeamt rückwirkend
zum 17. Januar 2008 die Abmeldung der Klägerin aus dem Melderegister der Stadt E
veranlasst. Eine Mitteilung an die Klägerin sei nicht erfolgt, zumal eine solche im
Meldegesetz auch nicht vorgesehen sei. Die schriftliche Mitteilung des Ehemannes und
Prozessbevollmächtigten der Klägerin anlässlich des Ausbleibens der Wahlunterlagen
vom 26. Mai 2009 habe man seitens des Einwohnermeldeamtes zum Anlass
neuerlicher Ermittlungen genommen, im Rahmen derer es zu der Nachfrage bei dem
Sohn des Vermieters gekommen sei. Dies habe entgegen dem ursprünglichen
Ermittlungsergebnis zu der Erkenntnis geführt, die Klägerin sei unter der Anschrift
Xstraße 29 wohnhaft. Die vorgenommene Löschung aus dem Melderegister von Amts
wegen sei daraufhin mit der Folge rückgängig gemacht worden, dass die Klägerin
ununterbrochen unter ihrer aktuellen Wohnanschrift gemeldet sei und gewesen sei.
Entgegen der klägerischen Ansicht seien die angeordneten Ermittlungsmaßnahmen
auch verhältnismäßig gewesen. Er sei zur Befragung des Sohnes der Hauseigentümer
durchaus berechtigt gewesen, wie nicht zuletzt die Verpflichtung des Hauseigentümers
zu entsprechenden Auskünften gegenüber der Meldebehörde zeige. Auch die
Befragung von Nachbarn sei nicht etwa unangemessen, da mit einer solchen bloßen
Befragung keine irgendwie geartete Wertung bzw. Herabwürdigung der Klägerin
verbunden gewesen sei, es sich vielmehr um eine nach außen hin vollkommen neutrale
Informationsbeschaffung gehandelt habe; insoweit könne auch von einer
"Kriminalisierung" der Klägerin oder einer "ehrenrührigen Maßnahme" nicht gesprochen
werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
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Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Der Antrag zu 1) bedarf der Auslegung.
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Versteht man ihn dahin, es gehe der Klägerin darum, dass sie rechtlich "zuvor und
nahtlos bis heute als für die Anschrift Xlstraße 29, 00000 E, als gemeldet" gelte, so ist
die Klage bereits unzulässig, weil insoweit nach den klägerseits nicht in Zweifel
gezogenen Angaben des Beklagten zuletzt in der mündlichen Verhandlung Erledigung
eingetreten ist. Denn im Melderegister wird sie ununterbrochen und aktuell als unter der
Anschrift Xstraße 29 wohnhaft geführt.
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Versteht man den Antrag hingegen dahin, es gehe ihr darum, ihre Abmeldung von Amts
wegen zum 17. Januar 2008 in einem physikalischen Sinne tatsächlich zu löschen, so
ist die Klage jedenfalls unbegründet. Denn zum einen wäre sie auf etwas dem
Beklagten nach seinen unwidersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung
tatsächlich Unmögliches gerichtet. Zum anderen kann der Bürger nach § 8 Nr. 3, 11
Abs. 1 und 2 MeldeG NRW die Löschung nur für solche Daten verlangen, deren
Eintragung zur Erfüllung melderechtlicher Zwecke nicht mehr erforderlich ist oder deren
Eintragung unzulässig war. Der Umstand der zwischenzeitigen Abmeldung der Klägerin
muss aus Gründen der Klarheit und Vollständigkeit aus dem Melderegister ersichtlich
bleiben, ist also weiterhin erforderlich. Die Angabe der Wohnverhältnisse ist auch
ausweislich des § 3 Abs. 1 Nr. 12 MeldeG NRW zulässig. Ein zulässiges Datum kann
richtig oder unrichtig sein, ist aber stets zulässig; im Falle der Unrichtigkeit kann es nach
dem Gesetz nur berichtigt werden; das ist hier erfolgt.
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Der Antrag zu 2) ist unzulässig.
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Es mag auf sich beruhen, welche der seitens der Klägerin hinsichtlich ihrer
Rechtmäßigkeit bezweifelten Maßnahmen Verwaltungsakts-Qualität hat oder nur
schlichtes Verwaltungshandeln darstellt. Denn rechtlich oder tatsächlich belastende
Wirkungen entfaltet keine von ihnen mehr. Mithin kann die Klägerin Rechtsschutz nur
beanspruchen, soweit sie ein besonderes Interesse an der Feststellung der
Rechtmäßigkeit der erledigten Maßnahmen dartun kann (für Verwaltungsakte vgl. § 113
Abs. 1 Satz 4 VwGO, für schlichtes Verwaltungshandeln § 43 VwGO).
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Ein solches besonderes (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse wird angenommen,
wenn die konkrete Gefahr einer Wiederholung besteht, die Frage der Rechtmäßigkeit
bei Eintritt der Erledigung nach Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage
bedeutsam werden könnte für einen etwaigen zivilgerichtlichen Haftungsprozess gegen
den Hoheitsträger oder die Klägerseite geltend machen kann, durch die erledigte
Maßnahme in besonderem Maße in ihren Grundrechten betroffen zu sein.
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Es ist mangels jeglicher gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die
Klägerin im Falle neuerlicher, insbesondere persönlicher Vorsprache auf der Behörde
zwecks Beantragung und Abwicklung jedweder Art von Amtsgeschäften korrekt
behandelt werden würde und auch ihr Prozessbevollmächtigter sie dabei im Falle des
ordnungsgemäßen Nachweises seiner Bevollmächtigung ohne Probleme wird vertreten
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können. Die in der Vergangenheit aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten geben
selbst nach ihrer beträchtlichen Ausweitung keinen ansatzweise hinreichenden Anlass
für die Befürchtung, ähnliches könne sich in absehbarer Zeit erneut ereignen. Die in der
mündlichen Verhandlung geäußerte Befürchtung, der Beklagte könne im Falle des nun
erstmals offengelegten tatsächlich überwiegenden Aufenthaltes der Klägerin in
Frankreich zu seiner Ansicht zurückkehren, in solchem Fall sei die Eintragung eines
Nebenwohnsitzes im Bundesgebiet nicht angängig (vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. b)
MeldeG NRW), kann als neuer und anderer Sachverhalt nicht zum Gegenstand einer
gleichsam vorgängigen gerichtlichen Kontrolle gemacht werden. Angesichts der klaren
Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung besteht auch nicht etwa
Wiederholungsgefahr in dem Sinne, dass die Klägerin abgemeldet werden könnte,
obwohl sie tatsächlich unter der genannten Anschrift im melderechtlichen Sinne wohnt.
Dass sie die Absicht hege, die von ihr hinsichtlich derer Rechtmäßigkeit bezweifelten
Maßnahmen der Behörde zum Anlass irgendwelcher Amtshaftungsansprüche zu
nehmen, hat die Klägerin auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vortragen
lassen. Da die Erledigung hier bereits vor Erhebung der Klage zum Verwaltungsgericht
eingetreten gewesen war, müssten verwaltungsrechtliche Vorfragen jedoch von der
ordentlichen Justiz geklärt werden müssten.
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Mithin kommt allenfalls die letztgenannte Fallgruppe in Betracht. Indes liegen die
Voraussetzungen ersichtlich nicht vor. Denn es lässt sich eine relevante
Beeinträchtigung von Grundrechten der Klägerin nicht ausmachen. Sie rügt insoweit die
Verletzung der Artikel 1 und 2 GG, weil sie sich durch den zwischenzeitigen Zustand
melderechtlicher Abmeldung und insbesondere durch die Maßnahmen, die der Beklagte
zur Aufklärung der melderechtlich bedeutsamen Fakten angestellt hat, in ihren Rechten
verletzt fühlt.
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Darin kann ihr jedoch nicht gefolgt werden. Insoweit ist zunächst zu bedenken, dass die
behördlichen Aufklärungsmaßnahmen sich mangels derer Adressatenstellung gar nicht
gegen die Klägerin gerichtet haben, in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte also gar nicht
zielgerichtet eingegriffen, sondern sie allenfalls reflexartig berührt haben könnten.
Ferner ist zu beachten, dass mit der tatbestandlichen Weite der Schutzbereiche von
Art. 1 Abs. 1 GG und dem sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen
Persönlichkeitsrecht wegen der Reichweite der Rechtsfolgen im Interesse der
instrumentellen Praktikabilität methodisch einhergeht, dass an die Gravität der
Berührung des Schutzbereiches relativ hohe Anforderungen zu stellen sind, um sie als
grundrechtlich rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung qualifizieren zu können. Den
so beschriebenen Anforderungen genügen die hier gerügten vermeintlichen Übergriffe
des Beklagten nicht.
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Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern eine Abmeldung von Amts wegen als solche oder
auf welche Weise die schlichte und neutrale Nachfrage der Behörde bei Anwohnern
danach, ob die Klägerin als dort wohnhaft bekannt sei, deren Ehre sollte berühren
können. Aus einer solchen Nachfrage kann der Befragte allenfalls darauf schließen,
dass die Frage von behördlichem Interesse ist; schon, welchem Interesse sie konkret
dient, ist für den Adressaten der Frage nicht erkennbar. Denkbar sind insoweit durchaus
viele und ganz unterschiedliche Zwecke, etwa – wie hier – melderechtlicher, oder auch
verkehrsrechtlicher Art. Ehrenrührig ist keiner davon per se. Assoziationen mit den durch
das klägerische Vorbringen wohl angedeuteten Ermittlungsmethoden der Behörden des
Dritten Reiches stellen sich bei dem Gericht jedenfalls nicht ein. Die Würde der Klägerin
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als Mensch ist ebenfalls sicher nicht berührt; und auch welche ihrer Freiheitsrechte der
Beklagte beeinträchtigt haben sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Soweit sie
wegen der mehrmonatigen Abmeldung nachteilige Weiterungen steuerrechtlicher Art
befürchten mag, sind diese nicht ansatzweise erkennbar geworden.
Soweit die Klägerin auf die Stellung eines Rechtsanwaltes als unabhängigem Organ
der Rechtspflege Bezug nimmt, sei angemerkt, dass sie sich ungeachtet der Tragweite
dieser (übrigens im Dritten Reich als Instrument der politischen Steuerung des
Anwaltsstandes erst eingeführten) Stellung und der Frage, ob dies irgendwelche
abweichende Behandlung im Rahmen melderechtlicher Ermittlungen rechtfertigen oder
gar gebieten könnte, auch im Lichte des Art. 6 GG schwerlich von ihrem
Prozessbevollmächtigten auf die Klägerin selbst erstreckte. Nur die etwaige Verletzung
deren subjektiv-öffentlichen Rechte freilich kann Anlass verwaltungsgerichtlicher
Kontrolle sein.
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Der Antrag zu 3) ist – wenn nicht schon ebenfalls mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig, so – jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat nicht darzutun vermocht, der
Beklagte habe in der allein in Betracht kommenden Zeit von Januar 2008 bis Juni 2009
irgendwem die ihrer Ansicht nach unzulässige Auskunft erteilt; es ist auch von Amts
wegen ein diesbezüglicher Anlass nicht auszumachen. Für einen Auskunfts- und
Widerrufsanspruch fehlt es mithin an jeglichem Anlass. Schließlich wäre ein solcher
Anspruch angesichts dessen, dass der Beklagte nach seinem unwidersprochenen
Vortrag in der mündlichen Verhandlung und ohne offenkundigen Rechtsverstoß etwaige
Melderegisteranfragen weder nach Zeitpunkt noch Fragesteller speichert, erneut auf
etwas tatsächlich Unmögliches gerichtet.
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Der Antrag zu 4) ist – wenn nicht schon ebenfalls nach den obigen Ausführungen zum
Antrag zu 2) mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig, so –
jedenfalls unbegründet.
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Nicht zuletzt aus § 24 Abs. 1 VwVfG NW ergibt sich die – sicher durch den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte etwaig Betroffener begrenzte – Befugnis
der Behörde, Art und Umfang der Maßnahmen zur Aufklärung eines Sachverhaltes zu
bestimmen. Entgegen der Ansicht der Klägerin vermag das Gericht aus den
Erwägungen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rahmen des Antrages zu 2)
eine Missachtung der genannten Grenzen nicht zu erkennen. Auch ist nicht ersichtlich,
woraus sich die festzustellen begehrte Beschränkung des Beklagten bei der Auswahl
der im Rahmen melderechtlicher Ermittlungen zu Befragenden ergeben sollte. Eine
Beschränkung der Befragung auf die Eigentümer einer vermieteten Wohnung wäre
vielmehr erkennbar zweckwidrig. Diese könnten sicher Auskunft geben etwa dazu, wer
nach dem Mietvertrag Mieter der Wohnung ist; melderechtlich bedeutsam ist hingegen
nur, wer tatsächlich in der Wohnung wohnt. Dies können vor allem mit der Örtlichkeit
vertraute Mitbewohner oder häufige Nutzer des gleichen Hauses bekunden. Die
Befragung anderer Personen als der Hauseigentümer erweist sich mithin als
sachgerecht.
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Für den Antrag zu 5) gilt das zum Antrag zu 3) Ausgeführte mit der Maßgabe
sinngemäß, dass zudem Zweifel an der Zulässigkeit mit Blick auf dessen Bestimmtheit
bestehen.
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Der Antrag zu 6) ist ebenfalls schon unzulässig ist.
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Es fehlt am Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht. Die Rechtmäßigkeit der
Europawahl bemisst sich nach den für diese Wahl geltenden Normen. Die statthaften
Rechtsbehelfe gegenüber Maßnahmen im Zusammenhang mit der (Europa) Wahl sind
in § 26 EuWG ausweislich dessen Absatz 4 abschließend geregelt. Zu den sich
unmittelbar auf den Wahlvorgang beziehenden Maßnahmen gehört auch die
Versendung der Wahlunterlagen. Eine Feststellungsklage zum Verwaltungsgericht ist
darin nicht vorgesehen.
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Das Gericht sieht keine Veranlassung, der seitens des Prozessbevollmächtigten in der
mündlichen Verhandlung angeschnittenen Frage danach, ob dieser Ausschluss auch
die hier zur Prüfung gestellte Rechtzeitigkeit der Übersendung der Wahl- und
Briefwahlunterlagen erfasst, nachzugehen. Denn zum einen ist der Wortlaut der
genannten Ausschlussregelung eindeutig. Zum anderen rechtfertigt sich der strikt
abschließende Charakter dieser Rechtsbehelfe vor allem aus dem Problem ihrer
Wirkung: Wahlen müssen wegen ihrer demokratischen Bedeutung und Legitimation
sowie ihres ganz erheblichen verwaltungstechnischen Aufwandes relativ gerichtsfest
gemacht werden gegenüber Angriffen gegen Einzelaspekte, deren etwa mangelnde
Rechtskonformität bis ins letzte Detail die Legitimation der gewählten Personen oder
Organe nicht soll in Zweifel ziehen können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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