Urteil des VG Düsseldorf vom 17.12.2010

VG Düsseldorf (arzneimittel, beihilfe, kläger, höhe, antrag, fürsorgepflicht, ehefrau, bezug, abzug, begrenzung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 7034/09
Datum:
17.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 7034/09
Normen:
==§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV, § 50 Abs. 1 BBhV, § 22 Abs. 3 BBhV
Leitsätze:
1. Der in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV enthaltene grundsätzliche Ausschluss
der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel verstößt mangels einer Regelung
zur Vermeidung unzumutbarer Härten gegen die durch Art. 33 Abs. 5 GG
gewährleistete Fürsorgepflicht des Dienstherrn und ist deshalb
unwirksam. 2. Für eine analoge Anwendung der Härtefallregelung aus §
50 Abs. 1 BBhV ist insbesondere aufgrund des Fehlens einer
planwidrigen Regelungslücke kein Raum. 3. Die Begrenzung der
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für verschreibungspflichtige
Arzneimittel auf Festbeträge lässt sich weder auf § 22 Abs. 3 BBhV noch
auf Nr. 22.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur
Bundesbeihilfeverordnung stützen.
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und soweit die Be-
teiligten den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 7,28 Euro
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren ein-
gestellt.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides
vom 9. April 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober
2009 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 7. April 2009
weitere Beihilfe in Höhe von 126,64 Euro zu gewähren.
Die Beklagte wird ferner unter entsprechender Aufhebung der Be-
scheide vom 15. Juni 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 7.
Oktober 2009 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 4. Mai
2009 weitere Beihilfe in Höhe von 87,34 Euro und auf seinen Antrag
vom 4. Juni 2009 weitere Beihilfe in Höhe von 30,49 Euro zu gewähren.
Die Beklagte wird ferner unter entsprechender Aufhebung des Be-
scheides vom 3. August 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 7.
Oktober 2009 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 15. Juli
2009 weitere Beihilfe in Höhe von 110,19 Euro zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu
5/6.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweili-gen
Vollstreckungsschuldner wird gestattet, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Ur-teils
jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Frage der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für
Arzneimittel.
1
Der im Jahr 1940 geborene Kläger stand als Regierungsamtmann in Diensten der
Beklagten und ist nunmehr als Versorgungsempfänger mit einem Bemessungssatz von
70 % beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers ist ebenfalls mit einem
Bemessungssatz von 70 % berücksichtigungsfähig.
2
Mit Beihilfeantrag vom 22. Januar 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen für mehrere ihm und seiner Ehefrau ärztlich verordnete Arzneimittel,
unter anderem "Lymphdiaral" und "Lymphomyosot", in Höhe von insgesamt 110,20
Euro.
3
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. Januar 2009 Beihilfeleistungen zu diesen
Arzneimitteln mit der Begründung ab, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien
nicht beihilfefähig. Der Kläger legte mit Schreiben vom 23. Februar 2009 insoweit
Widerspruch gegen den Bescheid ein.
4
Während des Widerspruchsverfahrens legte er eine ärztliche Bescheinigung des Herrn
X vom 30. März 2009 vor, wonach die Verordnung von "Lymphdiaral" und
"Lymphomyosot" im Falle der Ehefrau des Klägers medizinisch sinnvoll und geboten
sei, da die Beeinflussung des Lymphödems unter der zusätzlichen Verordnung dieser
Arzneimittel anhaltender und ausgeprägter sei.
5
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom
07. Oktober 2009 (Az.: 588/2009) als sachlich nicht begründet zurück.
6
Mit Antrag vom 12. März 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen in Höhe von insgesamt 49,19 Euro für die seiner Ehefrau ärztlich
verordneten Arzneimittel "Lymphdiaral Salbe" (26,47 Euro) und "Batrafen Creme"
(22,72 Euro).
7
Durch Beihilfebescheid vom 17. März 2009 erkannte die Beklagte die Aufwendungen für
"Lymphdiaral Salbe" nicht als beihilfefähig an, da es sich um ein nicht
verschreibungspflichtiges Medikament handele. Von den Aufwendungen für "Batrafen
Creme" wurden 5, Euro Eigenbehalt abgezogen und nur 17,72 Euro als beihilfefähig
anerkannt.
8
Soweit ersichtlich erhob der Kläger gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch.
9
Mit Antrag vom 07. April 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen für folgende Medikamente, die ihm bzw. seiner Ehefrau ärztlich
verordnet worden waren: "Glucophage" (18,27 Euro), "Marcumar" (22,18 Euro),
"Fosinorm” (29,85 Euro), "Euglucon" (14,52 Euro), "Concor" (17,56 Euro), "Sortis 40 mg”
(193,52 Euro), "Ibutop Creme” (13,79 Euro), "Cefasel” (43,95 Euro), "Corneregel Gel"
(10,20 Euro), "GenTeal Tropfen" (10,15 Euro), "Plavix" (268,12 Euro), "Sultanol Spray"
(15,95 Euro), "Pulmicort" (38,94 Euro) und "Lymphomyosot" (25,28 Euro).
10
Mit Beihilfebescheid vom 09. April 2009 erkannte die Beklagte die Aufwendungen für
"Corneregel Gel", "GenTeal Tropfen", "Ibutop Creme" und "Lymphomyosot" nicht als
beihilfefähig an, da es sich um nicht verschreibungspflichtige Medikamente handele.
Die Aufwendungen für Arzneimittel, für die ein Festbetrag nach § 35 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) festgesetzt worden sei, seien nur bis zur Höhe des
Festbetrages beihilfefähig. Dies betraf die Arzneimittel: "Fosinorm" (19,18 Euro),
"Euglucon" (12,85 Euro), "Concor" (12,80 Euro), "Sortis 40mg" (49,99 Euro) und
"Pulmicort" (35,60 Euro). Zusätzlich wurde von dem Festbetrag jeweils ein Eigenbehalt
in Höhe von 5,- Euro in Abzug gebracht. Die Aufwendungen für die Arzneimittel
"Glucophage", "Marcumar", "Cefasel" und "Sultanol" erkannte die Beklagte als
beihilfefähig an und leistete – nach Abzug eines Eigenbehalts von jeweils 5,- Euro -
Beihilfe in Höhe des Bemessungssatzes. Von den Aufwendungen für das Arzneimittel
"Plavix" wurden 10, Euro Eigenbehalt in Abzug gebracht.
11
Mit Schreiben vom 02. Mai 2009 erhob der Kläger bezüglich der nicht berücksichtigten
Positionen A) 2 und E) 2 und 4 Widerspruch gegen den Bescheid vom 09. April 2009.
12
Der Kläger legte eine ärztliche Bescheinigung des Augenarztes H vom 27. April 2009
über das Vorliegen eines Ausnahmefalles für die Verordnung von nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor. Danach wurden der Ehefrau des Klägers
"Corneregel Gel" und "GenTeal Tropfen" als Standardtherapeutikum zur Behandlung
eines chronischen Sicca-Syndroms verordnet. Auf der Bescheinigung ist angekreuzt:
"Es liegt eine Ausnahme nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 d) BBhV vor."
13
Der Kläger legte darüber hinaus eine ärztliche Bescheinigung des N vom 29. April 2009
vor, wonach im Falle des Klägers eine Behandlung der Blutfette dringend erforderlich
sei. Das Erreichen der Zielwerte von LDL unter 70 mg/dl sei beim Kläger nur mit der
Medikation "Sortis 40mg" erreichbar. Die Medikation von anderen Statinen habe LDL-
Cholesterinwerte über 100 mg/dl ergeben. Insofern sei aus medizinischen Gründen eine
Umstellung auf ein Präparat mit Festbetragspreis nicht möglich.
14
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009 (Az.: 2895/2009) wies die Beklagte den
Widerspruch des Klägers als sachlich nicht begründet zurück. Nach Prüfung der
eingereichten ärztlichen Bescheinigungen über das Vorliegen eines Ausnahmefalles für
die Verordnung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln könne das Vorliegen
eines Ausnahmefalles nicht bestätigt werden. Die mit Beihilfeanträgen vom 12. März
2009 und 7. April 2009 geltend gemachten Kosten für die Mittel "Corneregel Gel", "Gen
Teal Tropfen", "Lymphdiaral" und "Lymphomyosot" könnten folglich nicht als
beihilfefähige Aufwendungen anerkannt werden.
15
Mit Antrag vom 04. Mai 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen in Höhe von insgesamt 176,75 Euro für die seiner Ehefrau ärztlich
16
verordneten Arzneimittel "Sortis 20mg" (160,80 Euro) und "Sultanol Aerosol-Spray"
(15,95 Euro).
Er legte eine ärztliche Bescheinigung des Herrn O vom 20. April 2009 vor, wonach die
Ehefrau des Klägers an einer Hypercholesterinämie leide, die mit "Sortis" seit Jahren
gut eingestellt sei und ohne Nebenwirkungen toleriert werde. Eine Behandlung mit
"Pravastatin" sei von der Patientin nicht vertragen worden.
17
Die Beklagte erkannte mit Beihilfebescheid vom 15. Juni 2009 für "Sortis 20mg"
lediglich einen Festbetrag in Höhe von 36,03 Euro als beihilfefähig an. Für beide
Arzneimittel wurde außerdem ein Eigenbehalt in Höhe von jeweils 5,- Euro in Abzug
gebracht.
18
Mit Antrag vom 04. Juni 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen in Höhe von 325,28 Euro für die Arzneimittel "Glucophage" (36,54 Euro:
2 x 18,27 Euro), "Marcumar" (22,18 Euro), "Ramipril-ratiopharm" (15,80 Euro),
"Glimepirid" (20,62 Euro), "Sortis 40mg" (193,52 Euro) sowie für "Contour Sensoren, 50
St" (36,62 Euro) und weitere Arzneimittel (12,77 Euro, 30,40 Euro und 26,14 Euro).
19
Durch (weiteren) Bescheid vom 15. Juni 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger
Beihilfe, wobei für "Sortis 40mg" lediglich ein Festbetrag in Höhe von 149,97 Euro (3 x
49,99 Euro) in Ansatz und ein Eigenbehalt von 15,- Euro (3 x 5,- Euro) in Abzug
gebracht wurde. Für "Marcumar" und "Ramipril" brachte die Beklagte jeweils 5,- Euro
Eigenbehalt in Abzug, für "Glucophage" 10,- Euro (2 x 5,- Euro). Die Aufwendungen für
"Glimepirid" und "Contour Sensoren" erkannte die Beklagte in voller Höhe als
beihilfefähig an. Die übrigen mit dem Beihilfeantrag geltend gemachten Aufwendungen
für (vorliegend nicht näher benannte) Arzneimittel erkannte die Beklagte nach Abzug
von zweimal jeweils 5,- und einmal 10, Euro Eigenbehalt als beihilfefähig an.
20
Mit Schreiben vom 20. Juni 2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen die
Beihilfebescheide vom 15. Juni 2009 "in Bezug auf den nicht beihilfefähigen Teil der
verordneten Arzneimittel" und verwies auf die der Beklagten bereits vorliegende
Begründung mit den entsprechenden Belegen und ärztlichen Bescheinigungen.
21
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009
(Az.: 4659/2009) als sachlich nicht begründet zurück.
22
Mit Antrag vom 15. Juli 2009 beantragte der Kläger Beihilfe unter anderem zu
Aufwendungen in Höhe von insgesamt 313,84 Euro für Medikamente, die seiner
Ehefrau ärztlich verordnet worden waren: "Lymphomyosot" (27,24 Euro), "Cefasel”
(43,95 Euro), "Gen Teal Tropfen" (10,15 Euro), "Corneregel Gel" (10,20 Euro), "Cystinol"
(12,05 Euro), "Pulmicort” (38,94 Euro), "Sortis 20 mg” (160,80 Euro) und "Ciprofloxacin"
(10,51 Euro).
23
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 3. August 2009 eine Beihilfegewährung zu
"Lymphomyosot", "Gen Teal Tropfen", "Corneregel Gel" und "Cystinol" ab, da es sich
um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handele. Zu den Aufwendungen für
"Pulmicort" und "Sortis 20mg" gewährte die Beklagte Beihilfe, wobei sie aber jeweils
nur einen Festbetrag als beihilfefähig berücksichtigte (35,60 € bzw. 36,03 €). Außerdem
wurden jeweils 5,- € Eigenbehalt in Abzug gebracht. Bezüglich der Arzneimittel
"Cefasel" und "Ciprofloxacin" wurden ebenfalls jeweils 5,- € Eigenbehalt in Abzug
24
gebracht.
Der Kläger legte "hinsichtlich des nicht beihilfefähigen Teils der verordneten
Arzneimittel" mit Schreiben vom 10. August 2009 Widerspruch gegen den Bescheid
vom 3. August 2009 ein.
25
Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009
(Az.: 5452/2009) als sachlich nicht begründet zurück.
26
Am 02. November 2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Mit Schriftsatz
vom 02. Februar 2010, bei Gericht eingegangen am 3. Februar 2010, hat der
Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, die gegen den Bescheid der Beklagten
vom 26. Januar 2009 fristwahrend erhobene Klage bleibe vor dem Hintergrund der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2009 (2 C 62.08), mit
dem die Nichtgewährung einer Beihilfe für sogenannte nicht verschreibungspflichtige
Medikamente als rechtmäßig angesehen werde, nicht weiter aufrecht erhalten.
27
In Bezug auf die weiteren Beihilfebescheide führt er zur Begründung der Klage aus: Die
in Rede stehenden nicht verschreibungspflichtigen Medikamente seien sämtlich ärztlich
verordnet worden und darüber hinaus medizinisch indiziert gewesen. Hierzu habe er
entsprechende ärztliche Bescheinigungen vorgelegt. Die Beklagte habe im
vorliegenden Fall versäumt zu prüfen, ob ein Ausnahmefall nach § 22 Abs. 2 Nr. 2
Buchst. d) der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) gegeben sei. Insbesondere bei der
Augenerkrankung seiner Ehefrau sei von einer schwerwiegenden Erkrankung
auszugehen, so dass die Behandlung mit den Präparaten "Corneregel Gel" und
"GenTeal Tropfen" als Therapiestandard anzunehmen sei.
28
Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln sei im übrigen mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht vereinbar. Das
Bundesverwaltungsgericht habe zwar den Ausschluss der Beihilfegewährung für
sogenannte nicht verschreibungspflichtige Medikamente unter Geltung der alten
Beihilfevorschriften für einen Übergangszeitraum als rechtmäßig erachtet, diese
Erwägungen würden seit dem Erlass der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar
2009 aber nicht mehr greifen.
29
Soweit für die Präparate "Fosinorm", "Euglucon", "Concor" und auch "Sortis" jeweils ein
Festbetrag angenommen worden sei, der die tatsächlichen Aufwendungen nur zum Teil
abdecke, verstoße dies ebenfalls gegen die Fürsorgepflicht. Die vom
Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 (2 C 28.08)
geäußerte Rechtsansicht, wonach Aufwendungen für verschreibungspflichtige
Arzneimittel auch dann in voller Höhe beihilfefähig seien, wenn ein Festbetrag nach §
35 SGB V festgesetzt worden sei, treffe auch auf die nun in § 22 Abs. 3 BBhV geregelte
Festbetragsregelung zu. Das Verwaltungsgericht Koblenz habe in einer Entscheidung
vom 24. August 2010 (2 K 1005/09.KO) die Aufwendungen für das Medikament "Sortis"
jedenfalls in voller Höhe als beihilfefähig anerkannt.
30
Schließlich werde aus grundsätzlichen Erwägungen heraus der Ansatz eines
Eigenbehalts von 5 bzw. 10 Euro je Medikament für unwirksam gehalten, da die
Beklagte damit ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkomme.
31
Insgesamt ergebe sich damit ein Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von
32
525,64 Euro.
Durch Bescheid vom 4. Oktober 2010 hat die Beklagte dem Kläger nachträglich Beihilfe
zu den Aufwendungen für "Corneregel Gel" in Höhe von 7,28 Euro gewährt. Von dem
jeweiligen Rechnungsbetrag für das Gel in Höhe von 10,20 Euro (Beihilfeanträge vom
7. April 2009 und 15. Juli 2009) ist zur Ermittlung der beihilfefähigen Aufwendungen
dabei jeweils ein Eigenbehalt in Höhe von 5 Euro in Abzug gebracht worden.
Hinsichtlich "Corneregel Gel" sei aufgrund der ärztlichen Bescheinigung des Herr H
vom 27. April 2009 vom Vorliegen eines Ausnahmetatbestands im Sinne von § 22 Abs.
2 Nr. 2 Buchst. d) BBhV auszugehen. Für "GenTeal Tropfen" scheide hingegen eine
Beihilfegewährung weiterhin aus, da es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein
nicht apothekenpflichtiges Medizinprodukt handele.
33
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 hat der Kläger die Klage insoweit zurück
genommen, als die Frage der Rechtmäßigkeit von Eigenbehalten nicht mehr
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein solle.
34
In der mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2010 haben die Beteiligten den
Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte mit
Bescheid vom 4. Oktober 2010 nachträglich Beihilfe zu den Aufwendungen für
"Corneregel Gel" gewährt hat. Der Kläger hat die Klage darüber hinaus insoweit zurück
genommen, als sich die Klage gegen den Beihilfebescheid vom 17. März 2009 richtete
und auch insoweit, als es um Beihilfe zu den Aufwendungen für "GenTeal Tropfen"
(Beihilfebescheide vom 9. April 2009 und 3. August 2009), "Ibutop Creme" und
"Pulmicort" (Beihilfebescheid vom 9. April 2009) ging.
35
Der Kläger beantragt,
36
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Beihilfebescheides vom
9. April 2009 und ihres Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2009 zu
verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 7. April 2009 weitere Beihilfe in Höhe
von 126,64 Euro zu gewähren,
37
ferner die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres
Beihilfebescheides vom 15. Juni 2009 und ihres Widerspruchsbescheides
vom 7. Oktober 2009 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 4. Mai 2009
hin weitere Beihilfe in Höhe von 87,34 Euro zu gewähren,
38
ferner die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres
Beihilfebescheides vom 15. Juni 2009 und ihres Widerspruchsbescheides
vom 7. Oktober 2009 zu verpflichten, ihm auf seinen Beihilfeantrag vom
4. Juni 2009 hin weitere Beihilfe in Höhe von 30,49 Euro zu gewähren,
39
ferner die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres
Beihilfebescheides vom 3. August 2009 und ihres Widerspruchsbescheides
vom 7. Oktober 2009 zu verpflichten, ihm auf seinen Beihilfeantrag vom
15. Juli 2009 hin weitere Beihilfe in Höhe von 110,19 Euro zu gewähren.
40
Die Beklagte beantragt,
41
die Klage abzuweisen,
42
Zur Begründung führt sie aus, die begehrte Beihilfe könne nach den Vorschriften der
Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 nicht gewährt werden. Die von der
Klägerseite angeführte Rechtsprechung beziehe sich ausnahmslos auf die
Beihilfevorschriften von 2004 (BhV) und sei auf die neue Bundesbeihilfeverordnung
nicht übertragbar.
43
Das vom Kläger zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur
Nichtberücksichtigung der Festbeträge sei ebenfalls zur alten Rechtslage ergangen.
Dort sei insbesondere gerügt worden, dass die alte Regelung lediglich in einem
Hinweis des Bundesministeriums des Innern aufgestellt worden sei. Die neue
Bundesbeihilfeverordnung enthalte nunmehr selbst in § 22 Abs. 3 eine
Ermächtigungsgrundlage für die Bestimmung von Festbeträgen als Obergrenze für die
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel. Hiervon sei mit Nr. 22.3.1 der
allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhV-VwV)
Gebrauch gemacht worden. Ausnahmen von der Berücksichtigung der neuen
Festbetragsregelung habe der Vorschriftengeber nicht vorgesehen. Die Beklagte
verweist im übrigen auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier vom 24.
August 2010 (1 K 284/10.TR), wonach die streitige Festbetragsregelung als rechtmäßig
anzusehen sei.
44
Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie die vom
Bundesverwaltungsgericht zu den alten Beihilfevorschriften (BhV) entwickelte
Härtefallregelung in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auch auf die
seit Februar 2009 geltende neue Bundesbeihilfeverordnung anwende. Sie verweist
insoweit auf einen Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. Oktober
2008 und ein Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Oktober 2008
sowie auf einen Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 29. Januar 2010.
Der Kläger habe folglich die Möglichkeit, die streitigen Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel im Rahmen der Härtefallregelung geltend zu
machen und zwar zusätzlich zu einem Antrag nach § 50 BBhV in Bezug auf die
Belastungsgrenze für Eigenbehalte.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend
Bezug genommen.
46
Entscheidungsgründe:
47
Soweit der Kläger die Klage zurück genommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs.
3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
48
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 7,28 Euro
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend dieser
Vorschrift einzustellen.
49
Die Klage im übrigen ist zulässig und auch begründet.
50
Der Kläger hat gegen die Beklagte sowohl einen Anspruch auf Beihilfe zu den von ihm
geltend gemachten Aufwendungen für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel
51
"Lymphomyosot" und "Cystinol Dragees" (im Folgenden unter 1.) als auch auf weitere
Beihilfe zu den streitigen Aufwendungen für die verschreibungspflichtigen Arzneimittel,
für die die Beklagte die Aufwendungen nur in Höhe von Festbeträgen als beihilfefähig
anerkannt hat (im Folgenden unter 2.). Die insoweit ablehnenden Bescheide der
Beklagten vom 9. April 2009, vom 15. Juni 2009 und vom 3. August 2009 sowie die
entsprechenden Widerspruchsbescheide vom 7. Oktober 2009 sind in diesem Umfang
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Grundlage für die zu treffende Entscheidung ist die Bundesbeihilfeverordnung (BBhV)
vom 13. Februar 2009 in der ab 15. Februar 2009 geltenden Fassung (BGBl. I 2009,
326). Sie ist auf alle ab dem 15. Februar 2009 entstandenen Aufwendungen anwendbar
(vgl. §§ 58 Abs. 1, 59 BBhV) und damit auch auf die im vorliegenden Fall streitigen
Aufwendungen.
52
1. Der Anspruch des Klägers auf Beihilfe zu den von ihm geltend gemachten
Aufwendungen für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel "Lymphomyosot" und
"Cystinol Dragees" folgt aus §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 BBhV.
53
Der Kläger ist als Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BBhV,
seine Ehefrau ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BBhV berücksichtigungsfähig. Gemäß § 10
Abs. 1 Satz 1 BBhV besteht auf Beihilfe ein Rechtsanspruch. Beihilfefähig sind nach § 6
Abs. 1 Satz 1 BBhV grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene
Aufwendungen. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen für die unter
anderem von einer Ärztin oder einem Arzt nach Art und Umfang schriftlich verordneten
Arzneimittel nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 beihilfefähig.
54
Die hier im Streit stehenden nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel
"Lymphomyosot" und "Cystinol Dragees" sind der Ehefrau des Klägers nach Art und
Umfang schriftlich ärztlich verordnet worden. Zweifel an der Notwendigkeit oder
wirtschaftlichen Angemessenheit der Aufwendungen sind von der Beklagten nicht
geltend gemacht worden. Das Gericht sieht ebenfalls keinen Anlass, hieran zu zweifeln.
55
§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV, wonach die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel nicht beihilfefähig sind, es sei denn, einer der unter Buchstaben a) bis d)
genannten Ausnahmetatbestände ist erfüllt, steht dem Beihilfeanspruch des Klägers
nicht entgegen.
56
Zwar ist der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende Ausnahmetatbestand des
§ 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d), wonach die Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise beihilfefähig sind, wenn sie bei
der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und mit
dieser Begründung von der Ärztin oder dem Arzt ausnahmsweise verordnet werden,
nicht erfüllt. Die vom Kläger in Bezug auf "Lymphomyosot" vorgelegte ärztliche
Bescheinigung des Herrn X vom 30. März 2009 erfüllt nämlich weder in formaler
Hinsicht noch inhaltlich die Anforderungen an einen Nachweis darüber, dass
"Lymphomyosot" bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als
Therapiestandard gilt bzw. mit dieser Begründung der Ehefrau des Klägers verordnet
worden ist.
57
Auf das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d)
BBhV kommt es indes nicht an, denn der in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV enthaltene
58
grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel verstößt gegen die durch Art. 33 Abs. 5 GG
gewährleistete Fürsorgepflicht des Dienstherrn und damit gegen höherrangiges Recht
und kann insofern den Beihilfeanspruch des Klägers nicht wirksam ausschließen.
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG
gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht verlangt, dass
der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer
Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder
Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen
Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie
nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können.
59
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. November 2002 2 BvR
1053/98 , BVerfGE 106, 225, 232f; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile
vom 28. Mai 2008 2 C 24/07 , juris, Rdn. 22, vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris,
Rdn. 13, vom 26. August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 14, und vom 5. Mai 2010 2 C
12/10 , juris, Rdn. 13.
60
Diesen Anforderungen wird der Ausschluss der Beihilfegewährung zu den
Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2
BBhV nicht gerecht, denn die Bundesbeihilfeverordnung enthält insoweit keine
Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten.
61
Das erkennende Gericht stützt sich insoweit auf die soeben zitierte Rechtsprechung des
2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zu dem in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b)
der bis zum Inkrafttreten der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 geltenden
Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) enthaltenen Leistungsausschluss für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die dort ausführlich dargelegten grundsätzlichen
Erwägungen gelten auch für den nunmehr in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV enthaltenen
Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Danach muss der
Dienstherr eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im
Krankheitsfall gewährleisten. Er ist durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5
GG erfassten Kernbereich zwar grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach
medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Erkrankungen Unterschiede zu
machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu
beschränken oder auszuschließen. Insofern kann der Dienstherr die Kosten bestimmter
Arzneimittel ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den
Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet.
62
BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 2 C 24/07 , juris, Rdn. 23, vom 26. Juni 2008 2
C 2/07 , juris, Rdn. 16, vom 26. August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 16, und vom 5.
Mai 2010 2 C 12/10 , juris, Rdn. 15.
63
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der
Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen
Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass
die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind.
64
BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 2 BvR 1053/98 , BVerfGE 106, 225,
233; BVerwG, Urteile vom 20. März 2008 2 C 49/07 , BVerwGE 131, 20, 24, vom
65
28. Mai 2008 2 C 24/07 , juris, Rdn. 22, vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris Rn. 13,
vom 26. August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 14, und vom 5. Mai 2010 2 C 12/10 ,
juris, Rdn. 13.
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht hält den Dienstherrn jedoch dazu an, Beihilfe
für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne
Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im
Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner
Familie nicht gefährdet werden darf.
66
BVerfG, Beschlüsse vom 13. November 1990 2 BvR 3/88 , BVerfGE 83, 89, 100,
und vom 7. November 2002 2 BvR 1053/98 , BVerfGE 106, 225, 232; BVerwG,
Urteile vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 17, und vom 26. August 2009 2 C
62/08 , juris, Rdn. 17.
67
§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV schließt die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel auch dann von der Beihilfefähigkeit aus, wenn die herkömmlichen
beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit (vgl. § 6
Abs. 1 Satz 1 BBhV) erfüllt sind.
68
Dies mag zwar die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der
Beamten nicht in Frage stellen. Unter Geltung des gegenwärtig praktizierten
"Mischsystems", in dem zur Eigenvorsorge der Beamten durch Abschluss einer auf die
Beihilfevorschriften abgestimmten Versicherung die ergänzende Beihilfegewährung tritt,
kann der pauschale Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der
Beihilfegewährung aber in Einzelfällen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten
erheblich übersteigen. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen
auftreten, wenn deren Behandlung die Einnahme nicht verschreibungspflichtiger
Arzneimittel erfordert, beispielsweise um Nebenwirkungen verschreibungspflichtiger
Arzneimittel zu verringern. Für derartige Fallgestaltungen muss der Dienstherr normative
Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben,
die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind.
69
BVerwG, Urt. v. 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris Rn. 17; vgl. auch Urteile vom 26.
August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 17, und vom 5. Mai 2010 2 C 12/10 , juris, Rdn.
16; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 8. Juni 2010 1 A 1328/08 , juris, Rdn. 111.
70
An einer solchen Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten fehlt es aber in Bezug
auf den in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
enthaltenen Leistungsausschluss mit der Folge, dass der insoweit geregelte
grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit gegen die Fürsorgepflicht des
Dienstherrn verstößt und deshalb unwirksam ist.
71
Soweit die Beklagte darauf verweist, sie wende die vom Bundesverwaltungsgericht zu
den alten Beihilfevorschriften entwickelte Härtefallregelung hinsichtlich nicht
verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch auf die sei Februar 2009 geltende neue
Bundesbeihilfeverordnung an, genügt dies nicht, um der verfassungsrechtlichen
Fürsorgepflicht hinreichend Rechnung zu tragen. Der Kläger kann folglich nicht darauf
verwiesen werden, nachträglich einen Antrag gemäß § 50 Abs. 1 BBhV zu stellen.
72
§ 50 Abs. 1 Satz 1 BBhV bestimmt, dass auf Antrag die Eigenbehalte nach § 49 BBhV
von den beihilfefähigen Aufwendungen oder der Beihilfe für ein Kalenderjahr nicht
abzuziehen sind, soweit sie die nach § 50 Abs. 1 Satz 4 BBhV festzulegende
Belastungsgrenze überschreiten.
73
Nach der im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 12 Abs. 2 BhV waren die in §
12 Abs. 1 BhV vorgeschriebenen Eigenbehalte für bestimmte beihilfefähige
Aufwendungen innerhalb eines Kalenderjahres auf Antrag des Beihilfeberechtigten
nicht mehr abzuziehen, sobald diese Abzüge für den Beihilfeberechtigten und seine
berücksichtigungsfähigen Angehörigen zusammen die festgelegte finanzielle
Belastungsgrenze überschritten. Um die Erfüllung der verfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Fürsorgepflicht zu gewährleisten, hielt es der 2. Senat des
Bundesverwaltungsgerichts für angezeigt, die Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel im Falle ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit
vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 BhV
genannten Aufwendungen zu berücksichtigen.
74
BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 22.
75
Die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Härtefallregelung analog § 12 Abs. 2
BhV lässt sich indes aus mehreren Gründen nicht auf den Leistungsausschluss für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV übertragen.
76
Die entsprechende Anwendung der Regelungen über die Belastungsgrenzen gemäß §
12 Abs. 2 BhV galt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ausdrücklich nur für den Übergangszeitraum bis zur gebotenen normativen
Neuregelung des Beihilferechts des Bundes – also bis zum Inkrafttreten der
Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.2008 2 C 2/07 , juris Rn. 21; ebenso: BVerwG,
Urteile vom 26. August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 21, und vom 5. Mai 2010 2 C
12/10 , juris, Rdnr. 19.
78
Für eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 1 BBhV fehlt es darüber hinaus an einer
planwidrigen Regelungslücke in Bezug auf eine Härtefallregelung für den
Leistungsausschluss nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV. Bereits in seiner Entscheidung vom
26. Juni 2008 also vor Inkrafttreten der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar
2009 hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, es bedürfe einer
abstrakt-generellen Härtefallregelung, wie sie die Beihilfevorschriften in § 12 Abs. 2 BhV
enthielten, um unzumutbare Härten zu vermeiden, die sich in Einzelfällen aus dem
Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittelergeben könnten.
79
BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 21.
80
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung kann nicht davon ausgegangen werden, der
Verordnungsgeber habe schlichtweg übersehen, eine solche abstrakt-generelle
Härtefallregelung in die am 14. Februar 2009 in Kraft getretene
Bundesbeihilfeverordnung aufzunehmen. Für eine analoge Anwendung der
Belastungsgrenzen aus § 50 Abs. 1 BBhV ist folglich kein Raum.
81
Schließlich stimmt die von der Beklagten praktizierte Härtefallregelung auch nicht mit
82
der vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten vorläufigen Regelung analog § 12
Abs. 2 BhV überein. Die Beklagte stützt ihre Verwaltungspraxis auf den Erlass des
Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. Oktober 2008 (PSZ III 1 Az 21-20-00) mit
dem in Bezug genommenen Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom
6. Oktober 2008 (D 6 – 213 106 – 2/40), sowie auf einen Erlass des Bundesministeriums
der Verteidigung vom 29. Januar 2010 (PSZ III 1 – Az 21-20-00). Nach dem
Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Oktober 2008 sind die
Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Antrag beihilfefähig,
soweit sie die sich aus § 12 Abs. 2 BhV ergebende Belastungsgrenze übersteigen. Die
Belastungsgrenze des § 12 Abs. 2 BhV für Abzugsbeträge und Praxisgebühr, heißt es
dort weiter, bleibe unberührt. Daraus folgt, dass die Beklagte die Härtefallregelung für
nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel analog § 12 Abs. 2 BhV und die unmittelbar
in § 12 Abs. 2 BhV geregelte Härtefallregelung für Eigenbehalte nach § 12 Abs. 1 BhV
nebeneinander angewendet hat und nunmehr im Hinblick auf § 50 Abs. 1 BBhV
anwendet, die Belastungsgrenze also zweimal in Ansatz bringt.
Demgegenüber ist das Bundesverwaltungsgericht in der bereits mehrfach zitierten
Entscheidung vom 26. Juni 2008 (2 C 2/07) aber von einer einheitlichen
Belastungsgrenze aus § 12 Abs. 2 BhV ausgegangen:
83
"Sobald der Gesamtbetrag der Eigenbehalte gemäß § 12 Abs. 1 BhV und der
Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel die maßgebende
Belastungsgrenze des § 12 Abs. 2 BhV im jeweiligen Kalenderjahr überschreitet, sind
weitere derartige Aufwendungen nach den Kriterien der Notwendigkeit und
Angemessenheit zu erstatten. Demzufolge sind für die Dauer des Übergangs-
zeitraums auch die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
durch Antrag gemäß § 12 Abs. 2 BhV geltend zu machen." (juris, Rdn. 22).
84
"Ergibt die Einbeziehung dieser Aufwendungen für sich genommen oder zusammen
mit Eigenbehalten gemäß § 12 Abs. 1 BhV in diesem Kalenderjahr eine Über-
schreitung der Belastungsgrenze, so ist dem Kläger der darüber liegende Betrag zu
erstatten." (juris, Rdn. 23).
85
Ebenso: BVerwG, Urteile vom 26.08.2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 21 u. 26, und vom
5. Mai 2010 2 C 12/10 , juris, Rdn. 20 u. 25; so auch OVG NRW, Urteil vom 8. Juni
2010 1 A 1328/08 , juris, Rdn. 126.
86
Verstößt der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfegewährung zu den Aufwendungen
für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV mithin mangels
einer Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten gegen die verfassungsrechtliche
Fürsorgepflicht und kann der Kläger auch nicht auf ein Antragsverfahren analog § 50
Abs. 1 BBhV verwiesen werden, sind die Aufwendungen für die nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimittel "Lymphomyosot" und "Cystinol Dragees" mithin
beihilfefähig, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von
Beihilfe insoweit zu. Bei der Berechnung des Beihilfeanspruchs sind die Aufwendungen
gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 BBhV jeweils um 5,- Euro Eigenbehalt je Arzneimittel zu
mindern (im Folgenden unter 3.).
87
2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf weitere Beihilfe zu den Aufwendungen für
die verschreibungspflichtigen Arzneimittel "Fosinorm", "Euglucon", "Concor", "Sortis
40mg", "Sortis 20mg" und "Pulmicort", für die die Beklagte die Aufwendungen nur in
88
Höhe von Festbeträgen als beihilfefähig anerkannt hat.
Der Anspruch ergibt sich ebenfalls aus §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 BBhV. Die
genannten Arzneimittel sind dem Kläger bzw. seiner Ehefrau nach Art und Umfang
schriftlich ärztlich verordnet worden. Notwendigkeit und wirtschaftliche Angemessenheit
der dem Kläger insoweit entstandenen Aufwendungen stehen zwischen den Beteiligten
nicht im Streit. Das Gericht sieht - insbesondere auch im Hinblick auf die vom Kläger
vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen zu "Sortis 40mg" (N, vom 29. April 2009) und
"Sortis 20mg" (O, vom 20. April 2009) - keinen Anlass, Notwendigkeit oder
wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen in Zweifel zu ziehen.
89
Die hiernach gegebene Beihilfefähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen ist nicht
auf die von der Beklagten in Anwendung gebrachten Festbeträge beschränkt. Die
Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf Festbeträge lässt sich weder auf § 22 Abs. 3 BBhV
noch auf Nr. 22.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 14. Februar 2009 zur
BBhV (BBhV-VwV) (GMBl. 2009, 137) stützen, denn die dort vorgesehene Begrenzung
der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel auf Festbeträge ist nicht in
rechtswirksamer Art und Weise erfolgt.
90
Da es sich bei der Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf Festbeträge um eine
Einschränkung des Grundsatzes handelt, dass Beihilfe gewährt wird, soweit die
Aufwendungen notwendig und angemessen sind (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV), bedarf
ein Ausschluss oder eine Begrenzung in materieller Hinsicht einer inneren, den
Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung und in formeller
Hinsicht einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage.
91
BVerwG, Urteile vom 18. Februar 2009 2 C 23/08 , juris, Rdn. 13, und vom 28. Mai
2009 2 C 28/08 , juris, Rdn. 14.
92
An einer solchen Rechtsgrundlage fehlt es hier aber, denn § 22 Abs. 3 BBhV und Nr.
22.3 BBhV-VwV tragen die Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf Festbeträge nicht.
93
Das erkennende Gericht hat bereits Zweifel, ob die in § 22 Abs. 3 BBhV getroffene
Regelung der Verordnungsermächtigung in § 80 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz (BBG)
entspricht. Nach der zuletzt genannten Vorschrift regelt das Bundesministerium des
Innern im Einvernehmen unter anderem mit dem Bundesministerium der Verteidigung
durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Beihilfegewährung, insbesondere der
Höchstbeträge, des völligen oder teilweisen Ausschlusses von Arznei-, Heil- und
Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch. Eine Regelung in
Bezug auf Festbeträge ist in § 80 Abs. 4 BBG nicht erwähnt.
94
Selbst wenn man diese Zweifel zurückstellt, fehlt es aber auch deshalb an einer
Rechtsgrundlage, weil § 22 Abs. 3 BBhV selbst keine Begrenzung der Beihilfefähigkeit
auf Festbeträge enthält, sondern lediglich die Möglichkeit einer solchen Begrenzung
vorsieht.
95
Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 BBhV bestimmt das Bundesministerium des Innern in
Verwaltungsvorschriften als Obergrenzen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für
Arzneimittel unter anderem Festbeträge im Sinne von § 35 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechend den dort geregelten Grundsätzen. Die
Bestimmung von Festbeträgen hat sich nach Satz 4 weiter an den auf der Grundlage der
96
sozialrechtlichen Vorschriften getroffenen Entscheidungen und Bewertungen zu
orientieren und die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG zu berücksichtigen.
Die auf dieser Grundlage erlassenen Verwaltungsvorschriften sind allerdings bereits
nach ihrer Rechtsform nicht geeignet, Beihilfeleistungen zu begrenzen. Dies ergibt sich
bereits aus § 80 Abs. 4 BBG, wonach die Einzelheiten der Beihilfegewährung durch
Rechtsverordnung zu regeln sind. Dem genügen Verwaltungsvorschriften nicht.
97
So auch VG Koblenz, Urteil vom 24. August 2010 2 K 1005/09.KO ,
Pressemitteilung veröffentlicht in juris; a.A.: VG Trier, Urteil vom 24. August 2010 1
K 284/10.TR , nicht veröffentlicht.
98
Verwaltungsvorschriften müssen sich vielmehr im Rahmen des normativen Programms
halten und können nur norminterpretierend die Beihilfevorschriften konkretisieren und
Zweifelsfälle im Sinne einer einfachen und gleichartigen Handhabung klären oder die
Ausübung etwa vorhandener Ermessens- oder Beurteilungsspielräume lenken. Sie
können aber nicht selbständig neue Leistungsausschlüsse oder
Leistungseinschränkungen schaffen. Sie sind nur Interpretationshilfen für die
nachgeordneten Stellen und besitzen keine Verbindlichkeit für die Gerichte.
99
BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 2 C 28/08 , juris, Rdn. 19 m.w.N.
100
Darüber hinaus trägt Nr. 22.3 BBhV-VwV die Begrenzung der Beihilfefähigkeit auf
Festbeträge auch deshalb nicht, weil in den Verwaltungsvorschriften letztlich keine
Bestimmung von Festbeträgen erfolgt ist.
101
So auch: VG Wiesbaden, Urteil vom 18. November 2010 8 K 1276/09.WI , juris, Rdn.
15 f.
102
Die Vorschrift enthält lediglich Vorgaben, wie die Festbeträge zu ermitteln sind. Nr.
22.3.1 BBhV-VwV wiederholt nur einen Teil des Wortlauts von § 35 Abs. 1 SGB V, der
sich mit Verfahrensfragen bei der Bestimmung von Festbeträgen befasst. Nr. 22.3.2
BBhV-VwV bestimmt: "Grundlage für die Ermittlung des beihilfefähigen Festbetrages
bildet die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 35a Abs. 5 SGB V zu
erstellende und bekannt zu gebende Übersicht über sämtliche Festbeträge und die
betroffenen Arzneimittel, die vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation
und Information abruffähig im Internet veröffentlicht wird (www.dimdi.de)." Die
Verwaltungsvorschriften setzen damit die in § 22 Abs. 3 BBhV enthaltene Ermächtigung
nicht um. Nach den Vorgaben der Verordnung wäre es vielmehr Aufgabe des
Bundesministeriums des Innern gewesen, die Festbeträge selbst festzulegen. Der
Verweis auf die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen zu erstellende Übersicht
über sämtliche Festbeträge und die betroffenen Arzneimittel wird dem nicht gerecht.
Zudem trägt dies der Vorgabe des § 22 Abs. 3 Satz 4 BBhV nicht Rechnung, wonach
zusätzlich zu den auf der Grundlage der sozialrechtlichen Vorschriften getroffenen
Entscheidungen und Bewertungen die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG zu
berücksichtigen ist.
103
Darüber hinaus begegnet der Verweis auf die von den Spitzenverbänden der
Krankenkassen zu erstellende Übersicht auch durchgreifenden Bedenken im Hinblick
auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Fürsorgepflicht, weil er im Ergebnis eine
Übertragung der Entscheidungskompetenz über die Begrenzung der Beihilfefähigkeit für
104
bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel auf die Spitzenverbände der
Krankenkassen bewirkt.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich insbesondere deshalb, weil die
Sicherungssysteme "gesetzliche Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit
ergänzender Beihilfe" grundlegende Strukturunterschiede aufweisen. Sie unterscheiden
sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die
Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Insofern
wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei
der Leistungsgewährung in aller Regel nicht verletzt.
105
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Februar 2008 2 BvR 613/06 , juris, Rdn. 5 und 18
f., und vom 28. Februar 2008 1 BvR 1778/05 , juris, Rdn. 3; BVerwG, Urteile vom
26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 18, und vom 5. Mai 2010 2 C 12/10 , juris, Rdn.
17, jeweils m.w.N.
106
Das erkennbare Bestreben nach einer Angleichung der Systeme "gesetzliche
Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe" vermag
Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht
nicht zu rechtfertigen.
107
BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 18, und vom 5. Mai 2010 2
C 12/10 , juris, Rdn. 17 m.w.N.
108
Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz aus § 22 Abs. 3 BBhV auf die
Spitzenverbände der Krankenkassen verstößt vor diesem Hintergrund gegen die
verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht, denn die nähere Bestimmung einer
beihilferechtlichen Leistungsbegrenzung auf Festbeträge bleibt damit einem Gremium
überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und das seine Entscheidungen
nicht unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht
des Dienstherrn, sondern nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen
Krankenversicherungen unter Berücksichtigung der Interessen der
Versichertengemeinschaften trifft.
109
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 2 C 24/07 , juris, Rdn. 18, vom 26. Juni
2008 2 C 2/07 , juris, Rdn. 20, vom 26. August 2009 2 C 62/08 , juris, Rdn. 22, und
vom 5. Mai 2010 2 C 12/10 , juris, Rdn. 21; vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 25.
Januar 2008 13 K 25/07 , juris, Rdn. 44 ff.
110
Ist im Ergebnis damit die Beihilfefähigkeit der vom Kläger geltend gemachten
Aufwendungen nicht auf die von der Beklagten in Anwendung gebrachten Festbeträge
beschränkt, hat der Kläger Anspruch auf weitere Beihilfe zu den geltend gemachten
Aufwendungen für "Fosinorm", "Euglucon", "Concor", "Sortis 40mg", "Sortis 20mg" und
"Pulmicort". Bei der Berechnung des Beihilfeanspruchs sind die von der Beklagten in
Ansatz gebrachten Eigenbehalte nach § 49 Abs. 1 Nr.1 BBhV zu berücksichtigen sowie
die bereits gewährten Beihilfeleistungen.
111
3. Der Anspruch des Klägers setzt sich nach alledem wie folgt zusammen:
112
Auf seinen Antrag vom 7. April 2009 steht dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von
126,64 Euro zu:
113
Zu den Aufwendungen für "Fosinorm": 7,47 Euro (29,85 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt nach
§ 49 Abs. 1 Nr. 1 BBhV = 24,85 €, davon 70 %: 17,40 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe
i.H.v. 9,93 €),
114
zu den Aufwendungen für "Euglucon": 1,17 Euro (14,52 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt =
9,52 €, davon 70 %: 6,66 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 5,49 €),
115
zu den Aufwendungen für "Concor": 3,33 Euro (17,56 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt = 12,56
€, davon 70 %: 8,79 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 5,46 €),
116
zu den Aufwendungen für "Sortis 40mg": 100,47 Euro (193,52 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt
= 188,52 €, davon 70 %: 131,96 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 31,49 €) und
117
zu den Aufwendungen für "Lymphomyosot": 14,20 Euro (25,28 € abzgl. 5,- €
Eigenbehalt = 20,28 €, davon 70 %).
118
Auf seinen Antrag vom 4. Mai 2009 steht dem Kläger weitere Beihilfe zu den
Aufwendungen für "Sortis 20mg" in Höhe von 87,34 Euro zu (160,80 € abzgl. 5,- €
Eigenbehalt = 155,80 €, davon 70 %: 109,06 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v.
21,72 €) und
119
auf seinen Antrag vom 4. Juni 2009 weitere Beihilfe zu den Aufwendungen für "Sortis
40mg" in Höhe von 30,49 Euro (193,52 € abzgl. 15,- € Eigenbehalt = 178,52 €, davon
70 %: 124,96 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 94,47 €).
120
Auf seinen Antrag vom 15. Juli 2009 hat der Kläger schließlich einen Anspruch auf
weitere Beihilfe in Höhe von 110,19 Euro:
121
Zu den Aufwendungen für "Lymphomoyosot": 15,57 Euro (27,24 € abzgl. 5,- €
Eigenbehalt = 22,24 €, davon 70 %),
122
zu den Aufwendungen für "Cystinol Dragees": 4,94 Euro (12,05 € abzgl. 5,- €
Eigenbehalt = 7,05 €, davon 70 %),
123
zu den Aufwendungen für "Pulmicort": 2,34 Euro (38,94 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt =
33,94 €, davon 70 %: 23,76 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 21,42 €) und
124
zu den Aufwendungen für "Sortis 20mg": 87,34 Euro (160,80 € abzgl. 5,- € Eigenbehalt
= 155,80 €, davon 70 %: 109,06 € abzgl. bereits gewährter Beihilfe i.H.v. 21,72 €).
125
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO, wobei hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils die Kosten der Beklagten zur
Last fallen, da sie dem Klagebegehren insoweit nachträglich entsprochen hat. Bei der
Ermittlung der Kostenquote war ferner zu berücksichtigen, dass die Gerichtsgebühren
hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage nur einfach anfallen.
126
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
127
Die Berufung war gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen,
128
da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.