Urteil des VG Düsseldorf vom 18.02.2002
VG Düsseldorf (kläger, nicht störender gewerbebetrieb, grundstück, betrieb, aufschiebende wirkung, wand, genehmigung, gebiet, raum, bestattungsunternehmen)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 8785/98
Datum:
18.02.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 8785/98
Schlagworte:
Bestattungsunternehmen
Normen:
BauNVO § 4 Abs 3
Leitsätze:
Nachbarklage gegen Bestattungsunternehmen (erfolglos)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Tatbestand
1
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks E-C, Nstraße 23. Dieses ist mit einem
zweigeschossigen Einfamilienhaus bebaut, welches zu einer Reihe von vier
Eigenheimen gehört. Der Beigeladene ist Eigentümer des angrenzenden
Eckgrundstücks Nstraße 25 / Ostraße 27. Auf diesem befindet sich zunächst ein an das
Haus der Kläger angebautes Wohnhaus und sodann, zur Ostraße hin ausgerichtet, ein
eingeschossiges Flachdachgebäude, in welchem das streitbefangene
Beerdigungsinstitut untergebracht ist. Östlich der Ostraße und der Nstraße verläuft etwa
30 m entfernt vom Haus der Kläger eine mehrgleisige Bahnstrecke, die von Güterzügen
und Personenzügen (Linie E-Y) befahren wird. Die Ostraße verläuft parallel zu dieser
Bahnstrecke, die Nstraße knickt rechtwinklig von ihr ab in Richtung auf die Bahnstrecke
und verläuft sodann in nördlicher Richtung weiter parallel unmittelbar zur Bahnstrecke.
Sie ist hier mit älteren Wohnhäusern bebaut. Nördlich mündet sie in die Straße I-acker,
die sodann die Ostraße kreuzt. Die Ostraße ist nördlich der Gebäude des Beigeladenen
ebenfalls mit Wohnhäusern bebaut, in einem Gebäude befindet sich eine kleine
Sparkassenfiliale. Auf dem Eckgrundstück Ostraße / Iacker auf der gegenüberliegenden
Seite findet sich ein eingeschossiges Flachdachgebäude, welches zu technischen
Zwecken genutzt wird. Im weiteren Verlauf der Straße Iacker bis zur H-Straße finden
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sich an diesen Straßen und zwischen ihnen und der Ostraße Wohnhäuser, die an den
Straßen zweigeschossig sind, im Bereich zwischen den Straßen stehen mehrere
größere viergeschossige Wohnhauskomplexe, diese auch in Höhe des Grundstücks
des Beigeladenen. Im südlichen Verlauf der Ostraße entstehen südlich von einigen im
Anschluss an das Grundstück des Beigeladenen vorhandenen Wohngebäuden derzeit
weitere Neubauten auf der Fläche zwischen der Ostraße und der Bahnanlage. Auf der
gegenüberliegenden Seite befindet sich anschließend an die vorgenannten
viergeschossigen Wohnhäuser das Grundstück einer Gärtnerei. Die Zahl der Gleise der
Bahnstrecke, die sich in Höhe der Nstraße auf vier beläuft, weitet sich in südlicher
Richtung aus; hier befindet sich einige hundert Meter von der Nstraße entfernt der
Personenbahnhof E-U. Östlich der Bahnanlage befindet sich in etwa 200 m Entfernung
vom Grundstück des Klägers ein größeres Friedhofsgelände.
Ein Bebauungsplan für das in Rede stehende Gebiet besteht nicht. Nachdem die früher
zuständige Kammer des Gerichts in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren der
Kläger gegen die Rechtsvorgänger des Beigeladenen, denen in den Gebäuden Nstraße
25 / Ostraße 27 eine Bäckerei genehmigt worden war, einen damals bestehenden Plan
Nr. 22 a - U-Nord - vom 24. August 1966 wegen unzulässiger gestalterischer
Festsetzungen für nichtig gehalten hatte (Beschluss vom 9. November 1992 - 7 L
4351/92 -), wurde der Plan vom Rat der Stadt E mit Satzungsbeschluss vom 2. Oktober
1995, bekannt gemacht im Amtsblatt vom 11. März 1996, aufgehoben.
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Der Beigeladene beantragte unter dem 18. April 1996 die Genehmigung des Umbaus
und die Nutzungsänderung des Wohnhauses mit Gewerbebetrieb von der bisherigen
Nutzung "Großbäckerei mit Verkauf" in ein Bestattungsunternehmen. Nach der
Betriebsbeschreibung ist vorgesehen eine Betriebszeit werktags von 9 bis 16 Uhr. Im
Flachdachgebäude längs der Ostraße war eine "Feierhalle" mit ca. 25 Sitzplätzen
vorgesehen, ferner im Bereich des Wohnhauses, welches an die Wand des Hauses der
Kläger anstößt, eine Cafeteria. Die Baugenehmigung wurde unter dem 5. Juli 1996
erteilt, wobei ein weiter vorgesehener Wintergarten in den Bauvorlagen mit Grüneintrag
gestrichen war.
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Die Kläger erhoben unter dem 26. Juli 1996 Widerspruch mit der Begründung, das
Vorhaben füge sich nicht in das vorhandene faktische allgemeine oder reine
Wohngebiet ein. Die Bestattertätigkeit finde zu jeder Tages- und Nachzeit statt;
erhebliche Störungen seien durch den Betrieb der Feierhalle und der Cafeteria zu
besorgen, wobei mit einer Vielzahl anfahrender PKW zu rechnen sei. Auch die
Feierlichkeiten selbst verursachten störenden Lärm.
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Nachdem die Beklagte teilweise die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung
angeordnet hatte, beantragten die Kläger am 26. August 1996 vorläufigen Rechtsschutz.
Mit Beschluss vom 21. März 1997 - 7 L 3272/96 - stellte die früher zuständige Kammer
des Gerichts die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her; auf die
Beschwerde der Beklagten und des Beigeladenen änderte das OVG NRW nach
Durchführung einer Ortsbesichtigung diesen Beschluss und lehnte mit Beschluss vom 3.
Juni 1997 - 10 B 941/97, BRS 59 Nr. 65 - den Antrag ab, wobei es die Auffassung
vertrat, das Beerdigungsinstitut mit Feierhalle könne im allgemeinen Wohngebiet als
sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb zulässig sein.
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Unter dem 8. November 1996 stellte der Beigeladene einen Nachtragsbauantrag zur
Errichtung eines Wintergartens im rückwärtigen Gartenbereich, der später als Cafeteria
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mitbenutzt werden solle. Die Baugenehmigung wurde unter dem 16. Januar 1997 erteilt.
Eine Bekanntgabe an die Kläger erfolgte nicht. Diese erhoben, nachdem sie
Bauarbeiten festgestellt hatten, unter dem 10. März 1997 Widerspruch.
Unter dem 7. Juli 1997 stellte der Beigeladene einen weiteren Nachtragsbauantrag, mit
welchem die Nutzung der vorhandenen Räume verändert wurde. Für den Wintergarten
ist eine Büronutzung vorgesehen, der bisher als Cafeteria (im Wohnhaus an der Wand
zum Haus der Kläger) bezeichnete Raum ist nunmehr als Ausstellungsraum
vorgesehen, der Raum an der Ecke Ostraße / Nstraße (zuvor Ausstellung und Büro) ist
nunmehr für "Nachfeier" vorgesehen, wobei 26 Sitzplätze an drei Tischen eingezeichnet
sind. - Unter dem 20. August 1997 beantragten die Kläger ordnungsbehördliches
Einschreiten gegen die Büronutzung im Wintergarten. Die Beklagte erteilte unter dem 2.
September 1997 die Baugenehmigung und stellte diese den Klägern zu. Die Kläger
erhoben am 1. Oktober 1997 Widerspruch und führten aus, durch den Raum für
Nachfeiern werde das Vorhaben zu einer unzulässigen Gaststätte.
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Die Bezirksregierung E1 wies die drei Widersprüche mit Bescheid vom 9. August 1998
zurück.
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Die Kläger haben am 8. Oktober 1998 Klage auf Aufhebung der drei
Baugenehmigungen erhoben. Ein ursprünglich weiter angekündigter Antrag, die
Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag auf Einschreiten vom 20. August 1997 zu
entscheiden, wird gemäß Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 nicht mehr gestellt. Zur
Begründung der Klage machen die Kläger geltend, das Bestattungsinstitut füge sich
nicht in die Eigenart eines allgemeinen Wohngebietes ein. Durch die Errichtung eines
Raumes für Nachfeiern mit zugehöriger Küche sei ein Gaststättenbetrieb entstanden,
der nicht der Versorgung des Gebietes diene. Der Beigeladene könne mit Ausnahme
der Bestattung auf dem Friedhof Beerdigungen autark in seinem Betrieb durchführen. Es
handele sich um ein gewerbliches Bestattungsunternehmen größeren Stils, das im
allgemeinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig sein könne. Es würden
auch Leichen von fremden Bestattungsunternehmen angeliefert. Die tägliche
Konfrontation mit dem Tod und das Bewusstsein, stets Wand an Wand mit aufgebahrten
Leichen zu wohnen, stelle für sie eine erhebliche Belastung dar. Sie würden auch durch
Geräusche der Trauerfeiern gestört; ein von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren
vorgelegtes Lärmgutachten sei nicht aussagekräftig.
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Die Kläger beantragen,
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die dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen der Beklagten vom 5.
Juli 1996, vom 16. Januar 1997 und vom 2. September 1997, jeweils in der
Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E1 vom 9.
September 1998, aufzuheben.
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Die Beklagte tritt der Klage entgegen, legt zu Geräuschimmissionen durch den Betrieb
des Institutes ein Lärmgutachten vor und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
15
die Klage abzuweisen.
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Am 13. November 2001 ist die Örtlichkeit durch den Berichterstatter in Augenschein
genommen worden; auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakte 7 L 3272/96 sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die dem Beigeladenen erteilten
Baugenehmigungen der Beklagten, die insgesamt das Bestattungsinstitut des
Beigeladenen genehmigen, wobei sich die konkrete Ausgestaltung der Raumnutzung
nunmehr aus der letzten Genehmigung vom 2. September 1997 ergibt, sind rechtmäßig
und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen ist nach § 34 BauGB zu beurteilen,
wobei nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter, das der
Kammer vermittelt worden ist, der hinsichtlich des Gebotes des "Einfügens"
maßgebliche Rahmen durch die östlich liegenden Gleisanlagen, die nördlich liegende
Straße Iacker, die westlich liegende H-Straße und das südlich liegende Gelände der
Gärtnerei bestimmt wird. Hiervon sind bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die
früher zuständige Kammer des Gerichts sowie das OVG NRW ausgegangen; insoweit
besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Bebauung in diesem Gebiet ist geprägt
durch Wohnbebauung, ferner sind in diesem Rahmen vorhanden die Sparkassenfiliale
und das Technikgebäude, welches von einem Fernmeldeunternehmen genutzt wird;
schließlich wird das Gebiet geprägt durch die zuvor auf dem Grundstück des
Beigeladenen vorhandene Bäckerei, die auf einem bei den Verwaltungsvorgängen
(Beiakte 4 Bl. 48) befindlichen Foto noch ersichtlich ist. Angesichts dieser Nutzung ist
das Gebiet als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB
i.V.m. § 4 BauNVO zu beurteilen, wovon die Entscheidungen im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren ebenfalls übereinstimmend ausgegangen sind. Auch hierüber
besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat
in der mündlichen Verhandlung der Einstufung als allgemeines Wohngebiet
ausdrücklich zugestimmt. Hinsichtlich der allein streitigen Frage, ob sich das Vorhaben
nach der Art der Nutzung einfügt, vermittelt § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO nach
ständiger Rechtsprechung Nachbarschutz. Das Vorhaben des Beigeladenen ist als
sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Das
OVG NRW hat hierzu in seiner Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
Folgendes ausgeführt:
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"Dabei stellt der Senat auf das Vorhaben ab, wie es (derzeit) genehmigt ist und wie es
auf Grund der Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens betrieben werden darf. Danach ist die Feierhalle zum
Grundstück der Antragsteller hin durch eine gemauerte Wand abgeschlossen. Das
tatsächlich vorhandene Fester ist nicht genehmigt. Die allein genehmigte Wand aus
Mauerwerk schirmt das benachbarte Grundstück der Antragsteller gegen Musik und
Gesang in der Feierhalle aus Anlass einer Trauerfeier ebenso ab, wie gegen einen
Einblick von ihrem Grundstück in die Trauerhalle und damit gegen die von den
Antragstellern insbesondere beklagte, den baurechtlichen Nachbarschutz aber nicht
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tangierende Konfrontation mit dem Tod. Letzteren Zweck mag überdies das Fenster in
seiner konkreten Ausführung mit verspiegeltem Glas ebenso gut erfüllen, wie sich in
der Ortsbesichtigung gezeigt hat. Auszugehen ist von einem typischen Betriebsablauf.
Dazu gehört, dass dem Anlass entsprechend gedämpfte Musik erklingt und verhalten
gesungen wird. Genehmigt ist eine Feierhalle mit 25 Sitzplätzen; unerheblich ist, dass
für die Genehmigung des Wintergartens ein Grundriss eingereicht ist, in dem in der
Feierhalle 36 Sitzplätze eingezeichnet ist. Soweit diese Grundrisszeichnung
mitgenehmigt wurde, bezieht sich die Genehmigung nur auf den Wintergarten, der den
Gegenstand des Baugesuchs bildete. Mit 25 Sitzplätzen ist zwar nicht die Zahl der
Trauergäste baurechtlich beschränkt worden, die an einer Trauerfeier teilnehmen
dürfen. Festgelegt ist damit aber für Veranstaltungen welcher Größenordnung die
Feierhalle regelmäßig zur Verfügung gestellt werden soll. Wer eine Trauerfeier
veranstalten (lassen) will, wird im Übrigen im Allgemeinen ungefähr abschätzen
können, mit wie vielen Trauergästen in etwa zu rechnen ist, und, schon um einen
angemessenen Ablauf der Trauerfeier zu gewährleisten, dementsprechend den
Veranstaltungsort wählen. Die Betriebszeit ist durch die mitgenehmigte
Betriebsbeschreibung auf die Zeit von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr an Werktagen
beschränkt; ein Betrieb außerhalb dieser Zeiten sowie an Sonn- und Feiertagen ist
damit nicht genehmigt. Deshalb braucht der Senat nicht zu berücksichtigen, ob
Angehörigen die Möglichkeit eingeräumt ist, "auch Nachts oder am Wochenende nach
den individuellen Wünschen von dem Verblichenen Abschied" zu nehmen, wie dies in
einem Artikel der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 14. November 1996
beschrieben wird. Der Anbau im rückwärtigen Grundstücksbereich ist als Wintergarten
genehmigt, nicht als Empfangs- und Beratungsraum für Kunden. Auf die Cafeteria
bezieht sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht.
Ein Betrieb der genehmigten Art und des genehmigten Umfangs wird voraussichtlich
in seiner typischen Betriebsform für die umgebende Wohnbebauung keine
unzumutbaren Störungen bewirken. Soweit die Feiern sich in der Halle abspielen,
wirken sie nicht störend auf die Umgebungsbebauung ein. Das typische Verhalten der
Trauergäste vor und nach Abschluss der Veranstaltung lässt unzumutbare
Beeinträchtigungen des Wohnfriedens nicht erwarten. Sie werden sich dem Anlass
entsprechend ruhig verhalten. Die Ostraße ist nach ihrem Zuschnitt geeignet, den Zu-
und Abgangsverkehr, auch den ruhenden Verkehr zu bewältigen. Stellplätze auf dem
Grundstück des Beigeladenen sind nicht genehmigt, insbesondere nicht in der
Nstraße. Eine Verletzung des § 51 Abs., 8 BauO NW 1995 scheidet mithin aus. Ob §
51 Abs. 1 BauO NW 1995 eingehalten ist, ist keine Frage des Nachbarschutzes. Eine
volle Auslastung der Trauerhalle als typische funktionsgerechte Nutzung der Anlage
kann im Übrigen nicht erwartet werden. Bei Erdbestattungen findet eine Trauerfeier
typischerweise in der Friedhofskapelle oder eine Trauerhalle auf dem Friedhof statt.
Einrichtungen, der vom Beigeladenen betriebenen Art werden typischerweise für
Trauerfeiern im Falle von Feuerbestattungen genutzt. Typischerweise finden
Trauerfeiern in der näheren Umgebung des Wohnorts des Verstorbenen statt. Die
Baugenehmigung schließt zwar nicht aus, dass etwa Werktags fünf bis sechs
Trauerfeiern stattfinden. Das spiegelt aber angesichts des eingrenzten
Einzugsbereichs und der zu erwartenden Todesfälle den typischen Betriebsablauf
nicht wider. Der Betrieb des Beigeladenen wird danach nicht durch ein tagtägliches
ständiges An- und Abfahren von Kraftfahrzeugen gekennzeichnet sein. Der Anblick
einer Trauergemeinde und die damit verbundene Konfrontation mit dem Tod stellt
keine unzumutbare Störungen des Wohnfriedens dar, soweit er baurechtlich geschützt
ist. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO schützt vor Immissionen baurechtlicher
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Nutzungen, nicht vor allgemeinen mit dem menschlichen Leben verbundenen
religiösen oder weltanschaulichen Fragestellungen."
Nach dem Ergebnis der vom Berichterstatter durchgeführten und der Kammer
vermittelten Ortsbesichtigung folgt die Kammer dieser Bewertung durch das OVG NRW,
die allerdings die Genehmigung in ihrer ersten Fassung betrifft. Mit der ersten
Nachtragsbaugenehmigung vom 16. Januar 1997 ist die Errichtung des Wintergartens
genehmigt worden, mit der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 2. September 1997
die nunmehr maßgebliche - und auch tatsächlich so vorgenommene - Raumnutzung.
Hieraus ergibt sich, dass die Raumaufteilung nunmehr mehr Rücksicht auf die Kläger
nimmt, als es bei der Genehmigung in ihrer ersten Fassung der Fall war. Der Raum an
der Grenzwand zu ihrem Haus ist nunmehr als Ausstellungsraum genehmigt, wodurch
Lärmbelästigungen durch die Grenzwand vermieden werden; soweit die Kläger im
Ortstermin erklärt haben, in diesem Raum sei kürzlich eine große Beerdigungsfeier mit
44 Teilnehmern abgehalten worden, ist dieser - vom Beigeladenen bestrittene - Vortrag
für die Anfechtung der Genehmigung unerheblich. Die Feierhalle verursacht nach den
Ausführungen des OVG NRW, denen die Kammer folgt, keinen unzulässigen Lärm.
Während das OVG NRW noch zu einer Genehmigung mit einer gemauerten
Außenwand entschieden hatte, ist nunmehr eine Fensterfront genehmigt. Diese
Fensterfront ist nach den Feststellungen im Ortstermin feststehend und nicht zu öffnen
und mit einer von außen undurchsichtigen Folie beklebt; in dieser Ausführung hat sie
auch das OVG NRW bei seiner Ortsbesichtigung tatsächlich vorgefunden und dies als
geeignete Abschirmung des Grundstücks der Antragsteller gegen Musik und Gesang
befunden. Darüber hinaus ist sowohl die Feierhalle als auch der Wintergarten, in dem
sich das Büro befindet, vom Grundstück der Kläger aus nach den Feststellungen im
Ortstermin, die durch die gefertigten Fotos verdeutlicht werden, vom Erdgeschoss bzw.
vom Garten aus praktisch nicht zu sehen, sondern nur vom Balkon der Kläger im ersten
Obergeschoss. Insoweit fällt der Blick auf eine undurchsichtige Fensterfront, was Rechte
der Kläger nicht verletzt. Der für die "Nachfeier" vorgesehene Raum ist nunmehr zur
Straße hin und entfernt vom Haus der Kläger orientiert. Ob er, wie die Kläger fürchten,
auch anderweitig genutzt werden kann, ist keine Frage der Anfechtung der
Baugenehmigung. Hinsichtlich der Größe der Trauergesellschaften hat das OVG NRW
bereits ausgeführt, dass die Größe der Räumlichkeiten faktisch für den Regelfall auch
die Obergrenze der Teilnehmerzahl bestimmt und größere Gesellschaften dort nicht
stattfinden. Dass die Räumlichkeiten für deutlich größere Gesellschaften nicht geeignet
sind und deshalb für diese auch typischerweise nicht vorgehalten werden, bestätigt
auch die im Ortstermin vorgefundene Einrichtung der kleinen Küche. In dieser ist ein für
einen Privathaushalt üblicher Geschirrspüler eingebaut, es finden sich eine
Kaffeemaschine, eine Espressomaschine, ferner ein Kühlschrank, in dem etwa je ein
Kasten 0,5-l-Bierflaschen und 0,33-l-Cola- und Limonadenflaschen gekühlt werden
können. Deutlich größere Gesellschaften können hiermit de facto nicht versorgt werden.
Der Leichentransport findet über die Garage und den dort befindlichen Aufzug in den
Keller an der Ostraße statt; die Kläger können diesen von ihrem Grundstück aus gar
nicht wahrnehmen, sondern allenfalls dann, wenn sie gerade zufällig über die Ostraße
gehen, wenn ein Leichenwagen an- oder abfährt. Fahrgeräusche bei etwaiger
nächtlicher Abfahrt werden von ihrem Grundstück aus ebenfalls praktisch nicht
wahrgenommen; insoweit muss auch in einem allgemeinen Wohngebiet im Übrigen
damit gerechnet werden, dass ein im Nachbarhaus Wohnender nachts zur Arbeit fährt
oder erst spät heimkehrt. Hinsichtlich der befürchteten Besuche von Angehörigen, die
von Verstorbenen Abschied nehmen wollen, zu jeder Tages- und Nachtzeit ist darauf zu
verweisen, dass weiterhin nur eine Betriebszeit von 9.00 bis 16.00 Uhr nur an
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Werktagen genehmigt ist; auf von den Klägern vorgelegte Presseberichte über etwa
weiter gehende Besuchsmöglichkeiten kommt es nicht an. Der Hinweis der Kläger
darauf, dass auch andere Bestattungsunternehmen dort Leichen anlieferten und dass -
wie aus im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorgelegten Todesanzeigen gefolgert
wird - dort die Bestattungsfeiern auch von nicht in der Nachbarschaft wohnhaft
gewesenen Personen stattfinden, ist gleichfalls unerheblich; die Betriebe nach § 4
Abs. 3 Nr. 2 BauNVO unterliegen nach dem Wortlaut der Norm nicht der Beschränkung
des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auf die "Versorgung des Gebietes"; ebenfalls ist die
Baugenehmigung nicht an das Unternehmen des Beigeladenen gebunden. Der in der
Nähe befindliche Friedhof lässt schließlich den Schluss zu, dass typischerweise solche
Trauerfeiern im Betrieb des Beigeladenen stattfinden, bei denen die Urnenbeisetzung
auf eben diesem Friedhof stattfindet; wer eine Beerdigung etwa in E-X, E-I1 oder im Eer
Süden durchzuführen hat, wird hingegen eine Trauerfeier typischerweise nicht im
Betrieb des Beigeladenen in E-C auf der anderen Rheinseite veranstalten.
In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger und ihr Prozessbevollmächtigter
dementsprechend auch schwerpunktmäßig nicht mehr auf die konkreten Störungen
durch den Betrieb, insbesondere den besorgten Lärm, abgestellt, sondern auf die
Wahrung des Gebietscharakters. Insoweit ist in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass der Nachbar einen über das
Rücksichtnahmegebot hinausgehenden Anspruch auf die Bewahrung der Gebietsart
hat,
25
z.B. Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28/91 -, NJW 1994, 1546.
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Die Kammer kann indes nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht feststellen, dass
das Vorhaben des Beigeladenen zu einem "Kippen" des Gebietscharakters führt. Die
Kläger verweisen insoweit darauf, dass auch die Sparkasse sowie das Technikgebäude
im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dem konkreten Gebiet dienten und dass das
Vorhaben des Beigeladenen erstmals eine gebietsfremde Nutzung darstelle. Dem kann
die Kammer nicht folgen. Die Sparkasse E unterhält Filialen etwa in jedem Stadtteil,
sodass auch die kleine Filiale an der Ostraße einen größeren Einzugsbereich als den
vorliegend nach § 34 BauGB maßgeblichen Bereich hat. Das Technikgebäude an der
Ecke Ostraße / Iacker dient schon nach seiner Größe mit einer Gebäudegrundfläche von
ca. 200 qm nicht ausschließlich dem in Rede stehenden Gebiet, sodass es nicht darauf
ankommt, dass dort augenscheinlich keine störenden Nutzungen stattfinden.
27
Dafür, dass auch die Anlagen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gebietsbezogen sein
müssten, wie die Kläger meinen, gibt die Vorschrift nichts her; auch der Anspruch auf
die Bewahrung des Gebietscharakters geht nicht so weit. Soweit in der mündlichen
Verhandlung darauf verwiesen worden ist, nirgendwo sonst werde Wand an Wand mit
einem Beerdigungsinstitut gewohnt, ist dies kein Gesichtspunkt, der als solcher
baurechtlichen Nachbarschutz vermittelt.
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Das mit der Klage verfolgte Hauptanliegen der Kläger schließlich, nämlich die
Konfrontation mit dem Tod vermeiden zu wollen, worauf der Kläger mehrfach im
Ortstermin und in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, ist baurechtlich nicht
fassbar. Die Kammer folgt auch insoweit dem OVG NRW, welches darauf hingewiesen
hat, dass der baurechtliche Nachbarschutz vor Immissionen baurechtlicher Nutzungen
schützt, nicht aber vor allgemeinen mit dem menschlichen Leben verbundenen
religiösen oder weltanschaulichen Fragestellungen,
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ebenso in einem ähnlich gelagerten Verfahren gegen die Erweiterung eines
Friedhofs VG Ansbach, Urteil vom 11. Februar 1999 - AN 4 K 98.01394 -, UA S. 7.
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Zudem ist auch der Tod ein Bestandteil des menschlichen Lebens, worauf die übrigen
Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen haben.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 167 VwGO, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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