Urteil des VG Düsseldorf vom 02.11.2007
VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, anfechtungsklage, firma, beschränkung, lärm, genehmigung, neubau, grundstück, anteil, werktag
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 L 1649/07
Datum:
02.11.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 1649/07
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 4 K 4842/07
anhängigen Anfechtungsklage der Antragstellerin zu 1. und der unter
demselben Aktenzeichen anhängigen Anfechtungsklage des
Antragstellers zu 2. gegen die der Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung des Antragsgegners vom 16. November 2006 - Reg.-
Nr.: 00-00-0000/06 - für den Neubau eines Hotels mit 402 Betten und
einer Tiefgarage auf dem Grundstück G1 bis G2 (Gstraße 0) in E wird
angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und die
Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen
außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Die am 4. Oktober 2007 gestellten und im Hinblick auf die zwischenzeitliche
Zurückweisung der Widersprüche durch die Bezirksregierung E und die am 30. Oktober
2007 erhobene Anfechtungsklage jeweils dahin auszulegenden Anträge der beiden
Antragsteller,
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die aufschiebende Wirkung ihrer jeweiligen unter dem Aktenzeichen 4 K 4842/07
anhängigen Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung
des Antragsgegners vom 16. November 2006 - Reg.-Nr.: 00-00-0000/00 - für den
Neubau eines Hotels mit 402 Betten und einer Tiefgarage auf dem Grundstück G1 bis
G2 (Gstraße 0) in E anzuordnen,
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haben Erfolg; denn die nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO anzustellende
Interessenabwägung fällt hier zu Lasten des Antragsgegners und der Beigeladenen
aus, weil das laut Nebenbestimmung 9.0 zum Bestandteil der angefochtenen
Baugenehmigung erklärte Schallimmissionsschutzgutachten keinen hinreichenden
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Aufschluss darüber ergibt, dass sich das genehmigte Vorhaben hinsichtlich des von ihm
veranlassten Ziel- und Quellverkehrs und der davon ausgehenden Lärmemissionen
gegenüber der benachbarten Wohnbebauung nicht als rücksichtslos erweist.
Insoweit kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, ob das drittschützende
Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme hier über die in § 31 Abs. 2 BauGB
vorausgesetzte Berücksichtigung der Würdigung nachbarlicher Belange zum Tragen
kommt für den Fall, dass das genehmigte Vorhaben als Beherbergungsbetrieb den
Festsetzungen des Durchführungsplanes Nr. 0000/88 vom 24. Januar 1961 zur
zulässigen Art der baulichen Nutzung (Ausweisung des Vorhabenstandortes als
Geschäftsgebiet mit dem Zusatz „Bürogebäude") widerspräche mit der Folge einer
Befreiungsbedürftigkeit, oder ob dieses Gebot bei allgemeiner bauplanungsrechtlicher
Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung unter den
in den Widerspruchsbescheiden enthaltenen Erwägungen nach Maßgabe des auf
übergeleitete qualifizierte Bebauungspläne entsprechend anzuwendenden § 15 Abs. 1
BauNVO
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- vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Oktober 1991 - Bf II 41/90 -
, Juris -
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Beachtung verlangt. In beiden Fällen wäre das Rücksichtnahmegebot nach den
Gegebenheiten des Einzelfalls verletzt, wenn von dem Vorhaben im Sinne von § 3
BImSchG schädliche und damit unzumutbare Umwelteinwirkungen ausgingen. Maßstab
für die Zulässigkeit eines gewerblichen Vorhabens wie dem hier genehmigten unter
Lärmgesichtspunkten ist die TA Lärm.
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Ob der von dem genehmigten Vorhaben ausgelöste Ziel- und Quellverkehr nach Nr. 7.4
Abs. 3 TA-Lärm beachtlich ist oder nicht, lässt sich unter Heranziehung des unter der
Nebenbestimmung 9.0 aufgeführten Lärmschutzgutachtens für die Annahme
offensichtlicher Rechtmäßigkeit der Genehmigung erforderlichen Sicherheit nicht
hinreichend beantworten.
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Das Lärmschutzgutachten fußt auf dem Verkehrsgutachten der Firma F, N vom Januar
2005, dem der Stand der Vorhabenplanung nach Maßgabe der zurückgenommen
Bauvoranfrage der Beigeladenen vom 12. August 2004 - Reg.-Nr.: 00-00-0000/04 -
zugrunde gelegt worden ist. Die auf Seite 10 des Lärmschutzgutachtens aufgeführten
Eingangsdaten sind der Prognose zum fließenden Kraftfahrzeugverkehr auf Seiten 25
bis 27 und 45f. des Verkehrsgutachtens entnommen. Auf die Prognose im
Ergänzungsgutachten der Firma F, N vom Mai 2006 wird nicht Bezug genommen.
Zudem bleibt unberücksichtigt, dass die Baugenehmigung nach ihrem derzeitigen Inhalt
eine wesentlich weitergehende Nutzung erlaubt, als in den Gutachten vorausgesetzt
wird.
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Zwar ist nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ausweislich des Verkehrsgutachtens
vom Mai 2006 der genehmigte Umfang der Hotelnutzung gegenüber dem nach der
Bauvoranfrage beabsichtigten Umfang von 214 auf 201 Zimmer reduziert worden, dafür
ist jedenfalls der Umfang der „Konferenz-„ bzw. „Tagungsnutzung" erweitert worden. Die
Verkehrsgutachten setzen voraus, dass der Wellness-Bereich des Hotels nur den
Hotelgästen zur Verfügung steht und verweisen insoweit neben entsprechenden
Angaben der Beigeladenen auf die verhältnismäßig geringe Fläche dieser Einrichtung.
Eine entsprechende Nutzungsbeschränkung findet sich jedoch weder im Bauschein
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selbst noch in den mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen sonstigen Bauvorlagen,
insbesondere der Betriebsbeschreibung. Das Verkehrsgutachten vom Januar 2005 geht
- ebenso wie in der Ergänzungsfassung vom Mai 2006 - davon aus, dass der
Tagungsbereich zu 50% von Außerhausgästen und der Gastronomiebereich zu 30%
von Außerhausgästen in Anspruch genommen werden wird. In den Gründen der
Widerspruchsbescheide wird daraus der Schluss gezogen, der Gastronomiebereich und
das Kongresszentrum seien nur in Teilbereichen der Öffentlichkeit zugänglich. Auch
solche Betriebsbeschränkungen sind weder im Bauschein selbst noch in den mit
Zugehörigkeitsvermerk versehenen sonstigen Bauvorlagen, insbesondere der
Betriebsbeschreibung enthalten. Das Verkehrsgutachten vom Januar 2005 geht von
einer Maximalbelegung des Gastronomiebereichs von 30 Kunden je Bedienung und
damit bei 6 Bedienungskräften von 180 Kunden aus. Die Zahl von 180 Plätzen findet
sich auch in der aktualisierten Fassung vom Mai 2006. In der mit Zugehörigkeitsvermerk
versehenen Grundrisszeichnung des Erdgeschosses des genehmigten Bauvorhabens
wird zum einen die Gästezahl mit 176 angegeben, die Bestuhlung weist zum anderen
140 Plätze aus, aber der Gastraum der Bar und Lounge weist nach dem
Bestuhlungsplan 52 Sitzplätze aus. Der sogenannte Tagungsbereich untergliedert sich
nach der mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Grundrisszeichnung des 1.
Obergeschosses des genehmigten Bauvorhabens in drei Teilbereiche: drei
Konferenzräume mit einer insgesamt durch Grüneintragung vorgegebenen Kapazität
von 64 Plätzen, drei „Boardrooms" mit insgesamt 36 Plätzen und zwei
Veranstaltungsräume mit insgesamt bis zu 213 Plätzen. Das Verkehrsgutachten legt
hingegen in der Altfassung 150 und in der Neufassung 180 Plätze zugrunde.
Hinzukommt hinsichtlich der Berechnung des vorhabenbezogenen Ziel- und
Quellverkehrs - auch unter Lärmschutzgesichtspunkten -, dass in der Baugenehmigung
keinerlei Beschränkung der Betriebszeiten dieser Unternehmensteilbereiche
vorgesehen ist. Die Baugenehmigung erlaubt demnach auch nach 22 Uhr einen
unbeschränkten Betrieb mit dem damit einhergehenden motorisierten Individualverkehr,
der im Hinblick auf das An- und Abfahren von Taxen und das damit einhergehende
Türenschlagen von der Geräuschentwicklung her durchaus impulshaltig sein kann. Dies
gilt entsprechend für den Anteil des vorhabenverursachten Wirtschaftsverkehrs und
dessen zeitliche Verteilung über den Genehmigungszeitraum von 24 Stunden. Beide
Verkehrsgutachten setzen insoweit 21 Kfz-Fahrten je Werktag an. Darin enthalten seien
auch die täglichen Ver- und Entsorgungsfahrten für einen Hotelbetrieb, wie Belieferung
mit Frischeprodukten, Lebensmitteln und Getränken oder das Bringen und die Abholung
der Hotelwäsche (vgl. S. 24 der Alt- und S. 6 der Ergänzungsfassung). In beiden
Fassungen des Verkehrsgutachtens wird im Zeitraum von 6:00 bis 22:00 Uhr ein
Wirtschaftsverkehr mit durchschnittlich 20 Fahrten im Quell- und Zielverkehr
angenommen. Entsprechende Vorgaben bzw. Beschränkungen sind in der
Baugenehmigung nicht enthalten, obgleich auch der vorhabenveranlasste
Wirtschaftsverkehr nach Maßgabe der Baugenehmigung nicht mehr unmittelbar über die
Jstraße, sondern nunmehr zunächst über einen zur Gstraße abknickenden
Abfahrtsbereich abfließen soll. Das Verkehrsgutachten geht schließlich von einer
Belegungsrate von 1,2 Personen je Hotelzimmer und zwar auch im Fall der
„Maximalbelegung" aus. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass in den
Verkehrsgutachten insbesondere auch Reisebus- Fahrten als vorhabenveranlasster
Verkehr eingestellt werden, die Beigeladene ausnahmslos alle Hotelzimmer als
Zweibettzimmer zur Genehmigung gestellt und der Antragsgegner eine entsprechende
Baugenehmigung erteilt hat, hinterfragbar. Abgesehen davon enthält die
Baugenehmigung eine solche Beschränkung der Hotelnutzung nicht.
Die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung ist damit
hinsichtlich der Frage der Beachtlichkeit und Zumutbarkeit des Ziel- und Quellverkehrs
offen. Dies geht zu Lasten des Antragsgegners und der Beigeladenen, weil andernfalls
mit der Errichtung und Inbetriebnahme des Hotels zunächst vollendete Tatsachen
geschaffen würden mit dem Risiko, dass sich die Antragsteller bis zur Entscheidung
über ihre Rechtsmittel gegen die Baugenehmigung einem etwaigen gerade auch in der
Nachtzeit unzumutbaren Betrieb ausgesetzt sähen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3; 159 Satz 1 VwGO in Verbindung
mit § 100 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Halbierung des
Teilstreitwertes je Anfechtungsbegehren wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens.
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