Urteil des VG Düsseldorf vom 08.11.2007

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 3125/06
Datum:
08.11.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3125/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der au-
ßergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tra-gen
hat.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Be-klagte zuvor
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Klägerin entwickelt unter anderem Brandschutzkonstruktionen in Trockenbauweise
unter Verwendung von zementgebundenen (Calciumsilikat) Platten. Die Platten sind
vergleichsweise dünn und leicht, weisen aber eine hohe Feuerwiderstandsdauer und
eine gute Stabilität im Feuer auf. Die Brandschutzplatten finden Verwendung
beispielsweise zur Verkleidung von Stahlträgern oder als Unterdecken unter
Holzbalken. Die von der Klägerin entwickelten Plattenbaustoffe werden auch zur
Herstellung von Lüftungsleitungen verwendet, die zugleich als Entrauchungsleitungen
dienen können.
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Seit 1997 gibt es ein anerkanntes Prüfverfahren für die Feuertauglichkeit von
Entrauchungsleitungen (DIN V 18232-6). Zuvor galt allein das Prüfverfahren nach DIN
4102-6. Beide technischen Normen liefern jedoch nur für Entrauchungsleitungen mit
Querschnitten von bis zu 1250mm x 1250mm (rechteckige Leitungen) bzw. 710mm
(runde Leitungen) unbedenkliche Werte.
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Die Beteiligten streiten darüber, ob es für die von der Klägerin entwickelten
Entrauchungsleitungen mit größeren Querschnitten anerkannte Prüfverfahren gibt, so
dass für diese Leitungen nach Bekanntmachung der Bauart in der Bauregelliste A,
Teil 3, anstelle einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung ein allgemeines
bauaufsichtliches Prüfzeugnis gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW genügt.
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Mit Schreiben vom 17. Mai 2005 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und regte
an, in die Bauregelliste A, Teil 3, lfd. Nummer 10 für Entrauchungsleitungen, an die
Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer gestellt werden, das Prüfverfahren nach
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DIN V 4102-21 aufzunehmen, wie dies auch bei den Lüftungsleitungen (unter lfd.
Nummer 4) vorgesehen sei. Entrauchungsleitungen mit großem Querschnitt würden
bereits seit vielen Jahren eingesetzt.
Der Beklagte machte in seinen Mitteilungen am 23. Dezember 2005 (DIBt-Mitteilungen
2005, Heft 6) unter anderem Änderungen der Bauregelliste A, Teil 3, bekannt. Unter der
lfd. Nummer 10 (seit dem 4. Oktober 2006 in den DIBt-Mitteilungen unter lfd.
Nummer 2.10 geführt) nahm er für Bauarten zur Errichtung von Entrauchungsleitungen,
an die Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer und/oder den Schallschutz gestellt
werden, anerkannte Prüfverfahren auf. Als Anwendbarkeitsnachweis reicht ein
allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis ("P”) aus. Auf den Inhalt der Bauregelliste A,
Teil 3, im Übrigen wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 6. Januar 2006 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die
Bauregelliste A, Teil 3, soweit unter lfd. Nummer 10 für Entrauchungsleitungen das
Prüfverfahren gemäß DIN V 4102-21 nicht aufgenommen worden ist.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück und führte aus, der Widerspruch sei unzulässig. Der Rechtsbehelf des
Widerspruchs sei nur zulässig, wenn der Betroffene den Erlass oder die Aufhebung
eines Verwaltungsaktes begehre. Dies sei hier nicht der Fall. Bei der Bauregelliste A,
Teil 3, lfd. Nr. 10 handele es sich nicht um einen solchen. Es fehle an der unmittelbaren
Rechtswirkung nach außen. Die Bauregelliste A, Teil 3, richte sich nicht an den
Hersteller von Bauprodukten oder Komponenten von Bauarten, sondern an den
ausführenden Montagebetrieb, den "Anwender” der Bauart. Die Klägerin sei lediglich
Herstellerin von Entrauchungsleitungen. Bei den in den Bauregellisten aufgenommenen
technischen Regeln handele es sich der Sache nach um sogenannte
normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Derartigen Verwaltungsvorschriften
fehle es an der für eine Verwaltungsaktsqualität erforderlichen unmittelbaren
Außenwirkung.
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Die Klägerin hat am 5. April 2006 Klage (10 K 1089/06) vor dem Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen erhoben. Mit Beschluss vom 3. Mai 2006 hat sich das Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende
Gericht verwiesen.
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Die Klägerin trägt vor:
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In der Bauregelliste A, Teil 3, lfd. Nr. 2.10 seien Bauarten zur Errichtung von
Entrauchungsleitungen aufgeführt, an die Anforderungen an den Feuerwiderstand
gestellt würden. Als anerkannte Prüfverfahren seien an dieser Stelle lediglich die DIN
4102-6 und DIN V 18232-6 genannt. Für die Bauart "Lüftungsleitung” werde in der
Bauregelliste A, Teil 3, lfd. Nr. 2.4 (bis zum 4. Oktober 2006 in den DIBt-Mitteilungen
unter lfd. Nummer 4 geführt) zusätzlich das Prüfverfahren nach DIN V 4102-21
anerkannt, das Prüfungen auch von Leitungen mit großen Querschnitten ermögliche.
Der Beklagte habe dieses Prüfverfahren sachwidrig und willkürlich nicht in die
lfd. Nr. 2.10 übernommen und damit die Verwendung von großen
Entrauchungsleitungen der Firma Q am Bau (anders als für Lüftungsleitungen) von einer
allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in
Verbindung mit § 21 BauO NRW oder dem Nachweis der Verwendbarkeit der Bauart im
Einzelfall (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 BauO NRW) abhängig
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gemacht. Insbesondere die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung werde in einem
deutlich aufwändigeren Verfahren und zu höheren Verwaltungsgebühren erteilt als das
allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis. Für diese Erschwernisse gebe es keine
Rechtfertigung.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom
2. März 2006 zu verpflichten, das Prüfverfahren DIN V 4102-21 unter
laufender Nummer 2.10 der Bauregelliste A, Teil 3, aufzunehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor: Bei den technischen Vorschriften über die Prüfverfahren handele
es sich nicht um Verwaltungsakte, sondern um normenkonkretisierende
Verwaltungsvorschriften. Subjektiv-öffentliche Rechte könne die Klägerin daraus nicht
herleiten. Eine rechtliche Beeinträchtigung ergebe sich erst, wenn bei einem konkreten
Bauvorhaben die Baugenehmigung verweigert werde, weil der Bauherr unter
Verwendung der von der Klägerin angebotenen Bauarten Entrauchungsleitungen mit
großem Querschnitt einbauen wolle. Die Klage sei deshalb nicht zulässig. Auch in der
Sache könne die Klägerin nicht durchdringen. Die von ihr in Anspruch genommene DIN
V 4102-21 beziehe sich in ihrer geltenden Fassung nicht auf Entrauchungsleitungen.
Sie könne auch nicht ohne weiteres auf diese Bauart übertragen werden. An
feuerwiderstandsfähige Entrauchungsleitungen würden bestimmte Anforderungen
gestellt, nämlich bezüglich Feuerwiderstand, Dichtheit und Querschnittserhalt der
Leitungen. Die DIN V 4102-21 liefere bei Leitungen mit großem Querschnitt
zuverlässige Ergebnisse nur zum Nachweis des Feuerwiderstandes, nicht den
Nachweis der ausreichenden Dichte und des Querschnittserhalts. Einschlägig sei
bislang für Entrauchungsleitungen nur die DIN V 18232-6 in Verbindung mit DIN EN
1366-8. Die darin beschriebenen Prüfungsanordnungen setzten eine genormte
Prüfofen und Leitungseinrichtung voraus, bei der die genormte Heizleistung einen
Brandgasvolumenstrom mit einer Geschwindigkeit in den Leitungen von maximal 3m
pro Sekunde entwickele. Diese Brandgasgeschwindigkeit könne in Prüfleitungen mit
einem Querschnitt von bis zu 1250mm x 1250mm entwickelt werden, nicht aber in
Prüfleitungen mit größerem Querschnitt. Um deren Dichtigkeit und den
Querschnittserhalt zuverlässig beurteilen zu können, müsse man eine abweichende
Prüfungsanordnung entwickeln. Mit einem derartigen Inhalt gebe es derzeit noch keine
technische Norm.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig. Die erhobene Verpflichtungsklage ist
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unstatthaft (Ziffer 4.). Im Übrigen fehlt es der Klägerin an der erforderlichen
Klagebefugnis (Ziffer 5.). Auch in der Sache dringt die Klägerin mit ihrem Begehren nicht
durch. Für Entrauchungsleitungen mit großem Querschnitt gibt es kein allgemein
anerkanntes Prüfverfahren im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW (Ziffer 6.).
1. Die von der Klägerin entwickelte Konstruktion von Entrauchungsleitungen mit
Querschnitten > 1250mm x 1250mm aus feuerwiderstandsfähigen Calziumsilikat-Platten
ist eine Bauart im Sinne von § 2 Abs. 10 BauO NRW. Es geht nicht um den Baustoff (die
Platten) und auch nicht um fertige Bauteile oder ganze Anlagen, sondern um eine
besondere Art und Weise des Zusammenfügens von zementgebundenen Platten aus
feuersicherem Material zu einer Leitung zur Abführung von Rauch mit großem
Durchmesser.
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2. Die von der Klägerin entwickelte Bauart darf am Bau nur verwendet werden, wenn die
bauliche Anlage damit keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung,
insbesondere für Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen verursacht
(§ 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Das wird unter anderem durch die Beachtung der der
Wahrung dieser Belange dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik
gewährleistet. Als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten auch die von der
obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische
Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
BauO NRW). Bauarten, die von Technischen Baubestimmungen wesentlich abweichen
oder für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt, dürfen am Bau nur
angewendet werden, wenn für sie eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder
eine Zustimmung im Einzelfall erteilt worden ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit
§ 21 und § 23 BauO NRW). Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird
ausschließlich durch den Beklagten, bei Anträgen von Unternehmen regelmäßig in
einem Verwaltungsverfahren nach §§ 71a ff. VwVfG erteilt. Das Zulassungsverfahren im
Einzelnen bestimmt sich nach den Regelungen des § 21 Abs. 2 bis 6 BauO NRW. Die
Zulassung ist ein begünstigender Verwaltungsakt in der Form einer sachbezogenen
Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG), der in gebundener Verwaltung ergeht
(Boeddinghaus, Hahn, Schulte, BauO NRW, Handkommentar, Stand: 1. Mai 2007, § 21
Rdn. 12).
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3. Anstelle einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung genügt ein allgemeines
bauaufsichtliches Prüfzeugnis, unter anderem, wenn die Bauart nach allgemein
anerkannten Prüfverfahren beurteilt wird (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW). Der Beklagte
macht diese Bauarten unter Angabe der maßgebenden technischen Regeln im
Einvernehmen mit dem Beigeladenen in der Bauregelliste A, Teil 3, bekannt. Das
allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis wird im Anschluss an die Bekanntmachung
nicht von dem Beklagten, sondern von einer anerkannten Prüfstelle erteilt (entsprechend
§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW). Die Erweiterung des für Bauprodukte geltenden
Prüfzeugnisses (§ 22 BauO NRW) auf Bauarten bewirkt eine Verfahrenserleichterung
(Boeddinghaus, Hahn, Schulte, a.a.O., § 24 Rdn. 4). Das bauaufsichtliche Prüfzeugnis
ist rechtlich ebenfalls als begünstigende Allgemeinverfügung zu qualifizieren.
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4. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Fall VwGO) ist
unstatthaft, weil der von ihr begehrten Änderung der Bauregelliste keine
Verwaltungsaktsqualität nach § 35 VwVfG zukommt. Der Beklagte macht im
Einvernehmen mit dem Beigeladenen in der Bauregelliste A, Teil 3, unter lfd.
Nummer 2.10, Spalte 4, anerkannte Prüfverfahren für Bauarten zur Errichtung von
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Entrauchungsleitungen, an die Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer und/oder
den Schallschutz gestellt werden, bekannt. Auf einen Einzelfall im Sinne des § 35
Satz 1 VwVfG bezieht sich die Änderung der Bauregelliste nicht. Es liegt auch kein
Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung nach Satz 2 der Vorschrift vor. Auch
Allgemeinverfügungen müssen auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet
sein. Entscheidend ist dabei nicht die tatsächliche Außenwirkung, sondern wie sich aus
dem Wortlaut des § 35 Satz 1 VwVfG ("...auf ... gerichtet ...”) ergibt die Zielgerichtetheit
der Maßnahme. Unmittelbarkeit der intendierten Außenwirkung liegt daher nur vor,
wenn die angestrebten Maßnahmen durch den Verwaltungsakt selbst herbeigeführt
werden sollen und nicht lediglich wenn auch beabsichtigt Nebenfolge einer
innerbehördlichen Maßnahme sind. An der unmittelbaren Außenwirkung fehlt es etwa,
wenn zur Regelung der Rechte des Bürgers noch ein Verwaltungsakt "dazwischen
geschaltet” werden muss (Stelkens, Bonk, Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 35 Rdnr. 85). So
verhält es sich hier. Von Änderungen der Bauregelliste gehen keine unmittelbaren
Rechtswirkungen nach außen aus. Die Eintragung bewirkt in der Form einer
"Vorabprüfung” durch den Beklagen lediglich, dass der zuständigen Prüfstelle (§ 28
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW) funktional und materiell der Weg in die Erteilung eines
Prüfzeugnisses nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW eröffnet wird. Gegenüber dem
Hersteller oder Konstrukteur, wie etwa der Klägerin, erfolgt die Regelung erst durch die
Erteilung des Prüfzeugnisses oder dessen Ablehnung. Daran ändert auch nichts der
Umstand, dass die Eintragung das Tatbestandsmerkmal "allgemein anerkanntes
Prüfverfahren” abschließend der Entscheidung des Beklagten überantwortet und diese
Entscheidung auch bekannt gegeben wird (§ 24 Abs. 1 Satz 3 a.E. BauO NRW).
"Unmittelbare” Rechtswirkungen gehen hiermit noch nicht einher. Im Übrigen sind die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35 Satz 2 VwVfG nicht gegeben. Die
Änderung der Bauregelliste richtet sich nicht an einen nach allgemeinen Merkmalen
bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis. Vielmehr steht der Adressatenkreis der
von der Eintragung Betroffenen nicht fest. So richtet sich die Eintragung etwa an die
Prüfstellen, denen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW die Erteilung allgemeiner
bauaufsichtlicher Prüfzeugnisse obliegt. Die Bauregelliste zeigt andererseits den
Herstellern von Bauprodukten auf, welche Anforderungen an den Nachweis der
Verwendbarkeit von Bauprodukten beziehungsweise der Anwendbarkeit von Bauarten
gestellt werden (vgl. auch Gädtke, Temme, Heintz, BauO NRW, 10. Auflage, § 20
Rdnr. 1). Insoweit hat sie auch Bedeutung für den Unternehmer, der nach § 59 Abs. 1
Satz 2 BauO NRW die erforderlichen Nachweise über die Verwendbarkeit der
Bauprodukte und Bauarten zu erbringen und auf der Baustelle bereit zu halten hat. Auch
aus der Veröffentlichung des Entwurfs vorgesehener Änderungen der Bauregelliste A
(Teile 1 bis 3), B (Teile 1 und 2) und der Liste C für die Ausgabe 2007/02 (Blatt 2 der
Beiakte 3) geht schließlich hervor, dass sich die Bauregelliste an die Hersteller, Prüf-,
Überwachungs- und Zertifizierungsstellen, Händler und Verwender richtet. Die
streitgegenständliche Änderung der Bauregelliste betrifft auch nicht die öffentlich-
rechtliche Eigenschaft einer Sache (§ 35 Satz 2, 2. Fall VwVfG) oder ihre Benutzung
durch die Allgemeinheit (3. Fall). Eine sogenannte sachbezogene Allgemeinverfügung
liegt nur vor, wenn sie "eine” Sache betrifft. Hieran fehlt es, wenn eine Regelung an alle
Sache bestimmter Art, nicht aber an eine ganz bestimmte, tatsächlich existierende
Sache anknüpft (Stelkens, Bonk, Sachs, a.a.O., § 35 Rdnr. 227). So verhält es sich aber
hier. In der Bauregelliste A, Teil 3, werden anerkannte Prüfverfahren aufgeführt, die
"Bauarten zur Errichtung von Entrauchungsleitungen, an die Anforderungen an die
Feuerwiderstandsdauer und/oder den Schallschutz gestellt werden”, betreffen. Diese
Eintragung in der Bauregelliste bezieht sich nicht nur auf konkrete Sachen
(Entrauchungsleitungen), die zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung bereits
existierten, sondern auch auf erst in Zukunft herzustellende Sachen. Derart abstrakt-
generelle Regelungen haben keine Verwaltungsaktsqualität.
5. Hinzu kommt, dass die Klägerin nicht klagebefugt ist. Die Klägerin kann nicht mit
Erfolg geltend machen, dass sie durch die Ablehnung der begehrten Maßnahme
(Änderung der Bauregelliste) in eigenen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt ist (§ 42
Abs. 2 VwGO). Erstrebt ein Kläger die Vornahme einer behördlichen Maßnahme, so
muss er geltend machen, hierauf möglicherweise einen Anspruch zu haben.
Entscheidend ist dabei darauf abzustellen, ob die in Betracht kommende
Rechtsgrundlage für den Kläger ein Recht beinhaltet, mithin Anspruchsqualität hat. Ob
der Anspruch dem Kläger tatsächlich zusteht, ist eine Frage der Begründetheit; im
Rahmen der Zulässigkeit der Klage reicht allein die Möglichkeit eines solchen
Anspruchs. Dabei kommen einfach-gesetzliche Vorschriften nur dann als
Anspruchsgrundlage in Betracht, wenn sie nicht nur den Interessen der Allgemeinheit,
sondern zumindest auch Individualinteressen zu dienen bestimmt sind. Eine solche
Rechtsnorm, auf die die Klägerin vorliegend ihr Begehren stützen könnte, gibt es nicht.
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5.1. Das Begehren der Klägerin ist auf die Aufnahme des Prüfverfahrens DIN V 4102-21
unter laufender Nummer 2.10 der Bauregelliste A, Teil 3, gerichtet, um für die von ihr
hergestellte Bauart (Entrauchungsleitungen mit großen Querschnitten) allgemeine
bauaufsichtliche Prüfzeugnisse nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW erteilt zu
bekommen. Das Prüfzeugnis wurde mit der am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen
Landesbauordnung 1995 (GV.NRW. S. 218) eingeführt. Mit den Vorschriften des
zweiten Abschnittes der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (§§ 20 bis 28
BauO NRW) sollte die sog. Bauproduktenrichtlinie (Richtlinie 89/106/EWG des Rates
vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der
Mitgliedstaaten über Bauprodukte) umgesetzt werden (vgl. Landtags-Drucks. 11/7153,
S. 2). Diese Vorschriften haben rein objektiv-rechtlichen Charakter. Sie bezwecken die
Verwendung sicherer Bauprodukte und die Anwendung sicherer Bauarten. Die
Verwendungs- beziehungsweise Anwendungsvoraussetzungen sollen vor Gefahren
schützen, die durch den nicht ordnungsgemäßen Einsatz von Bauprodukten und
Bauarten drohen (Gädtke,Temme, Heintz, a.a.O., vor §§ 20 bis 28, Rdnr. 32). Es handelt
sich um Vorschriften, die nur dem öffentlichen Interesse an präventiver Gefahrenabwehr
im Hinblick auf die Schutzgüzter des § 3 BauO NRW, nicht dagegen dem Schutz
individueller Interessen dienen.
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5.2. Das Vorbringen der Klägerin, die Nichtaufnahme des Prüfverfahrens DIN V 4102-21
führe zu Wettbewerbsverzerrungen und damit zu einer Beeinträchtigung ihrer
wirtschaftlichen Interessen, hilft nicht weiter. § 42 Abs. 2 VwGO setzt, wie erwähnt, die
Geltendmachung einer Verletzung eigener "Rechte" voraus. Eine Betroffenheit unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten reicht nicht aus. Wird der Klägerin der Weg in das
allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis versperrt, heißt das im Übrigen nicht, dass sie
ihr Produkt nicht marktgängig machen kann. Es bleibt ihr unbenommen, die von ihr
bereits beantragte allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (§ 21 BauO NRW)
gegebenenfalls im Klagewege zu erstreiten. Die materiellen Voraussetzungen für eine
Zulassung wie für das Prüfzeugnis sind gleich. Beide dürfen nur erteilt werden, wenn
die Bauart den Verwendungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 BauO NRW standhält
(§ 21 Abs. 1, § 22 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW). Die Bauart muss feuer- und standsicher
sein.
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5.3. Zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führt das Vorbringen der Klägerin, die
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Einführung einer Zulassungspflicht für große Querschnitte führe zu einer
"Verkomplizierung des Verfahrens”. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird
von dem Beklagten auf Antrag erteilt; die erforderlichen Unterlagen sind beizufügen
(§§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW). Soweit erforderlich, sind Probestücke zur
Verfügung zu stellen oder durch Sachverständige, die der Beklagte bestimmen kann, zu
entnehmen oder Probeausführungen unter Aufsicht der Sachverständigen herzustellen
(§ 21 Abs. 2 Satz 2). Für die Durchführung der Prüfung kann der Beklagte die
sachverständige Stelle und für die Probeausführung die Ausführungsstelle gemäß § 21
Abs. 3 BauO NRW vorschreiben. Nichts anderes gilt dem Grunde nach in dem auf die
Erteilung eines allgemeinen bauaufsichlichen Prüfzeugnisses gerichteten Verfahren.
Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW gilt § 21 Abs. 2 bis 7 BauO NRW entsprechend.
Im Übrigen dienen die angeführten verfahrensrechtlichen Vorschriften ohnehin allein
öffentlichen Interessen (vgl. Gädtke, Temme, Heintz, a.a.O., vor §§ 20 – 28, Rdnr. 33; zu
den im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften in der bayerischen Bauordnung:
BayVGH, Beschluss vom 9. November 1998, 1 CS 98.2821). Für die Klägerin vermögen
die Verfahrensregelungen eine Klagebefugnis nicht zu begründen. Unterschiede sind
zwar in der Zuständigkeit begründet. Während die allgemeine bauaufsichtliche
Zulassung, wie ausgeführt, von dem Beklagten erteilt wird (§ 21 Abs. 1 BauO NRW),
liegt die Zuständigkeit bei allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen gemäß § 22
Abs. 2 Satz 1 BauO NRW bei von dem Beigeladenen nach der Verordnung über die
Anerkennung als Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstelle und über das
Übereinstimmungszeichen (PÜZÜVO) vom 6. Dezember 1996 (GV.NRW. S. 505) in der
Fassung der Änderungsverordnung vom 24. Januar 2002 (GV.NRW. S. 82)
anerkannten Prüfstellen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW). Allein aus dem Umstand,
dass die Zuständigkeit eine andere ist, kann die Klägerin aber nichts für sich herleiten.
Zuständigkeitsregelungen ergehen regelmäßig, so auch hier, nicht im
Individualinteresse.
6. Die Klage hat auch in der Sache keinen Erfolg. Für die streitgegenständliche nicht
geregelte Bauart (Entrauchungsleitungen mit großem Querschnitt) gibt es kein
allgemein anerkanntes Prüfverfahren im Sinne des § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BauO
NRW. Allgemein anerkannte Regeln der Technik (dazu gehört auch das Prüfverfahren
mit seiner standardisierten Prüfanordnung) liegen bei Prinzipien und Lösungen vor, die
in der Praxis erprobt und bewährt sind und die sich bei der Mehrheit der Praktiker
durchgesetzt haben. DIN Normen gelten nicht schon aus sich heraus als allgemein
anerkannte Regeln der Technik. Es besteht nur eine tatsächliche Vermutung dafür, dass
sie die allgemein anerkannten Regeln der Technik wieder geben. Die Klägerin hat trotz
umfangreichen Vortrags nicht hinreichend substanziieren können, dass es für ihre
Bauart eine DIN Norm gibt, die die genannte Vermutung rechtfertigt. Nach dem insoweit
nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten und des Beigeladenen, die beide mit
herausragender Sachkunde ausgestattet sind, gilt die für große Querschnitte
anwendbare Prüfnorm DIN V 4102-21 in der geltenden Fassung nicht für Entrauchungs-
, sondern nur für Lüftungsleitungen. Dieses Vorbringen findet seine Stütze in der
Einleitung der DIN V 4102-21. Danach enthält die Vornorm ein Verfahren zur
Beurteilung von Lüftungsleitungen (Hervorhebung durch die Kammer). Desweiteren
heißt es unter Ziffer 1. (Anwendungsbereich), die Vornorm lege die
Beurteilungsgrundsätze sowie die erforderlichen Zusatzprüfungen fest, die für die
Klassifizierung von Lüftungsleitungen (mit großen Querschnitten) anzuwenden seien.
Für Entrauchungsleitungen ist anerkannt die DIN V 18232-06, die maximale
Abmessungen vorsieht. Nach Ziffer 7.1, Absatz 1 DIN V 18232-6 soll die Prüfleitung für
Entrauchungsleitungen mit rechteckigem Querschnitt mindestens ein lichtes Maß (Breite
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x Höhe) von 1000m x 250mm aufweisen, wenn nicht eine anwendungsgerechte Größe
geprüft werden kann. Bei runden Querschnitten soll die Prüfleitung mindestens einen
lichten Durchmesser von 560mm aufweisen, wenn nicht eine anwendungsgerechte
Größe geprüft werden kann (Absatz 2). Begrenzungen erfahren diese Querschnitte
durch Ziffer 7.1, Absatz 4. Danach können die Ergebnisse der Prüfungen an
rechteckigen Leitungen mit den im Absatz 1 genannten Maßen auf Leitungen mit den
größten Maßen 1250mm x 1250mm übertragen werden. Die Ergebnisse der Prüfungen
an runden Leitungen mit den in Absatz 2 genannten Maßen können auf Leitungen mit
einem größten Durchmesser von 710mm übertragen werden. Auf größere Querschnitte
findet dieses Prüfverfahren mithin keine Anwendung. Auch verweist DIN V 18232-6
unter Ziffer 4.3 bezüglich des Nachweises des Brandverhaltens nur auf DIN 4102-6.
Dort wird für den Brandversuch ein Brandgasvolumenstrom in den Leitungen von
mindestens 3 m/s gefordert (Ziffer 5.2.1). Diese Brandgasgeschwindigkeit kann nach
dem Vortrag des Beklagten und des Beigeladenen lediglich in Prüfleitungen mit einem
Querschnitt von bis zu 1250mm x 1250mm entwickelt werden, nicht aber in
Prüfleitungen mit größerem Querschnitt. Dies hat auch die Klägerin nicht in Abrede
gestellt. Vielmehr hat sie schriftsätzlich unter dem 13. September 2007 vorgetragen, bei
der Prüfung großer Entrauchungsleitungen nach DIN V 18232-6 würden sich unter
anderem bedingt durch die Prüfgeräte und die Ventilationsleistung geringere
Strömungsgeschwindigkeiten ergeben als bei Standardquerschnitten (bis 1250mm x
1250mm). Die analoge Anwendung der von der Klägerin ins Feld geführten DIN V 4102-
21 würde voraussetzen, dass sie auch für Entrauchungsleitungen mit großem
Querschnitt allgemein anerkannt taugliche Prüfergebnisse liefert. An der allgemeinen
Anerkennung fehlt es jedoch, schon weil der besonders sachkundige Beklagte sie mit
plausiblen Gründen etwa den Hinweis darauf, dass das Prüfverfahren keine Nachweise
über die Dichtheit und den Querschnittsgehalt von Leitungen liefert in Abrede stellt und
der Beigeladene sich dem anschließt. Der Beklagte und der Beigeladene beobachten
die praktische Entwicklung genau und zuverlässig und können beurteilen, was sich in
der Anwendung durchgesetzt hat und was nicht. Damit gibt es keine einschlägige DIN-
Norm für die streitige Bauart und auch keine entsprechende Vermutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit
(§ 162 Abs. 3 VwGO), dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst
trägt, da dieser keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt
hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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