Urteil des VG Düsseldorf vom 21.03.2003

VG Düsseldorf: bundesamt, moldawien, abschiebung, anerkennung, ausreise, ausländer, asylbewerber, eltern, wahrscheinlichkeit, wiederholungsgefahr

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 3262/01.A
Datum:
21.03.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 3262/01.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
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Der am 00. September 1985 geborene Kläger reiste am 29. August 1999 in die
Bundesrepublik Deutschland ein und gab an, er sie moldawischer Staatsangehöriger.
Unter Vorlage einer Geburtsurkunde trug er vor, er sie deutscher Volkszugehöriger.
Nachdem im Dezember 1999 ein Vormund für ihn bestellt worden war, beantragte er am
16. August 2000 die Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er an,
seine Eltern seien 1992 bei einem Verkehrsunfall verstorben. Bis seine Großmutter
1998 gestorben sei, habe er bei dieser gewohnt. Danach sei er in ein Waisenhaus
gekommen. Dort sei er aber nach ca. 2½ Monaten weggelaufen, weil es dort kalt
gewesen sei und er nicht genug zu essen bekommen habe. Er habe danach auf der
Straße gelebt. Die Ausreise habe er dann mit den Ersparnissen seiner Großmutter
bestritten, die er geerbt habe.
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Mit Bescheid vom 30. Mai 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als offensichtlich unbegründet
ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht
vorliegen, stellte ferner fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht
vorliegen und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer
Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der
Nichteinhaltung der Ausreisefrist drohte es die Abschiebung nach Moldawien an unter
Hinweis darauf, dass die Abschiebung auch in einen anderen Staat erfolgen könne, in
den der Kläger einreisen dürfe und der zu seiner Aufnahme verpflichtet sei.
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Der Bescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 5. Juni 2001
zugestellt. Der Kläger hat am 12. Juni 2001 Klage erhoben, mit der er sein
Anerkennungsbegehren weiterverfolgt.
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Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist erfolglos geblieben
(Beschluss der Kammer vom 25. Juni 2001 - 25 L 1509/01.A).
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 30. Mai 2001 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
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Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger mit Hilfe einer Dolmetscherin für die
russische Sprache zu seinen Asylgründen gehört. Seine Aussage wurde protokolliert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der in
diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der
Ausländerbehörde Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
mithin nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger
hat offensichtlich keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gegen die
Beklagte bzw. auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen, bzw. auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §
53 AuslG und ist von der Beklagten zu Recht unter Abschiebungsandrohung zum
Verlassen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der im Bescheid genannten Frist
aufgefordert worden.
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Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter besteht nach Art. 16a Abs. 1 GG,
wenn der Asylbewerber die aus Tatsachen begründete Furcht hegen muss, in dem
Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt bzw. in dem er als Staatenloser seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung
verfolgt zu werden, und wenn er den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen
kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will.
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Der Begriff der Verfolgung meint dabei die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung
von Leib, Leben oder persönlicher Freiheit sowie eine solche Beeinträchtigung anderer
Rechtgüter wie Religionsfreiheit , Freiheit der beruflichen oder wirtschaftlichen
Betätigung ,die nach ihrer Schwere und Intensität die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bevölkerung des betreffenden Staates auf Grund des
dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hat,
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vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. Juli 1980, BVerfGE 54, S. 341 (357);
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Urteil vom 1. Juli 1987, BVerfGE 76, S. 143 (157 f.).
Nichtstaatliche Maßnahmen können nur dann als asylrechtlich beachtliche Verfolgung
angesehen werden, wenn der Staat Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen
anregt oder derartige Maßnahmen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit
dem Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, weil er hierzu nicht willens oder
nicht in der Lage ist,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980, NJW 1980, 2641 f.
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Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
gestützt wird, genügt es, dass die Asylgründe glaubhaft gemacht, d.h. in hohem Maße
wahrscheinlich sind. Ist der Asylbewerber in seiner Heimat bereits verfolgt worden und
deshalb ausgereist, so ist ihm die Rückkehr nur dann zuzumuten, wenn eine
Wiederholungsgefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
kann,
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BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980, aaO.
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Die Asylgründe sind schlüssig mit genauen Einzelheiten darzulegen. Widersprüchliches
oder im Verfahren sich steigerndes Vorbringen genügt diesen Anforderungen in der
Regel nicht, falls die Unstimmigkeiten nicht überzeugend aufgelöst werden,
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vgl. nur Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Oktober 1984, InfAuslR
1984, 129 f.
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Die Anerkennungsvoraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht gegeben.
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Dies hat das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt; das
Gericht folgt im Wesentlichen dieser Entscheidung und verweist zur Begründung zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Bundesamtes (§ 117 Abs.
5 VwGO, § 77 Abs. 2 AsylVfG). Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung
keine Verfolgung als Grund für seine Ausreise genannt.
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Zu Recht hat das Bundesamt des Weiteren festgestellt, dass die Voraussetzungen des §
51 AuslG offensichtlich nicht vorliegen, denn es ist nach den vorstehenden
Ausführungen nichts dafür ersichtlich, dass das Leben oder die Freiheit des Klägers in
Moldawien aus den in Abs. 1 der Vorschrift genannten Gründen bedroht ist.
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Ebenfalls zu Recht hat das insoweit nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zuständige
Bundesamt festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht
vorliegen. Nach den bereits in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskünften des
Auswärtigen Amtes (Auskunft vom 26. August 1999 an das Bundesamt - Az.: 514-
516.80/34 768 - und vom 31. Oktober 2000 an das Bundesamt - 514- 516.80/36786 -) ist
generell eine Rückkehr Minderjähriger ohne Existenzgefährdung nach Moldawien
möglich. Zwar entsprächen die staatlichen Einrichtungen, die in Moldawien elternlosen
Kindern Obdach und Grundversorgung gewährleisteten, bei weitem nicht dem in
Deutschland als Minimalstandard betrachteten Niveau, es gebe aber eine Reihe privater
Initiaven, die sich solcher Kinder annähmen. Außerdem scheitert die Gewährung von
Abschiebungsschutz im vorliegenden Fall an § 53 Abs. 6 Satz 2 AsylVfG. In Moldawien
gibt es schon auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage, aber auch aus sonstigen
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Gründen zahlreiche Kinder, die nicht ordnungsgemäß von ihren Eltern versorgt werden
können. Die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AsylVfG könnte daher nur dann
überwunden werden, wenn die Abschiebung gegen Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG
verstieße. Das ist nur dann der Fall, wenn die Abschiebung den Ausländer, dem ein
anderweitiger Abschiebungsschutz nicht zur Verfügung steht, einer extremen
Gefahrenlage aussetzen würde, also den Ausländer gleichsam sehenden Auges dem
sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, S. 324(328); Urteil
vom 26. Januar 1999 - 9 C 617.98 -, NVwZ 1999, S. 668-669
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Im Hinblick darauf, dass der Kläger in einem halben Jahr 18 Jahre alt wird, ist jedenfalls
zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr davon auszugehen, dass er in
Moldawien bei seiner Rückkehr schwerste Nachteile erleiden würde. Zwar würde sich
der Kläger dort wohl allein durchschlagen müssen, im Hinblick auf sein Alter ist aber
davon auszugehen, dass ihm das gelingt.
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Schließlich hat das Bundesamt zu Recht den nach § 42 Abs. 1 AuslG
ausreisepflichtigen Kläger, der nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist, zur
Ausreise aufgefordert und ihm nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 1 und 2
AuslG die Abschiebung nach Moldawien angedroht; der Hinweis auf die Möglichkeit der
Abschiebung in einen anderen Staat beruht auf § 50 Abs. 2 AuslG. Die gesetzte Frist
beruht auf § 36 AsylVfG und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b Abs. 1 AsylVfG.
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Wegen des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf § 83b Abs. 2
AsylVfG verwiesen.
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