Urteil des VG Düsseldorf vom 24.05.2005
VG Düsseldorf: mehrarbeit, vertrag über die europäische union, recht der europäischen union, verbot der diskriminierung, besoldung, finanzielles interesse, eugh, vergütung, verordnung, genehmigung
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 5973/04
Datum:
24.05.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 5973/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 50,00 Euro abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger stand bis zum 30. September 2004 aktiv als Studienrat (A 13) im Dienst des
beklagten Landes und versah seinen Dienst als teilzeitbeschäftigter Lehrer am
Gymnasium L in X. Zum 1. Oktober 2004 ist der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den
vorzeitigen Ruhestand getreten. Die regelmäßige Arbeitszeit war für den Kläger im
Anschluss an eine Beurlaubung seit dem 13. August 2000 auf 13 Unterrichtsstunden pro
Woche festgesetzt. Die regelmäßige Arbeitszeit für vollzeitbeschäftigte Gymnasiallehrer
betrug in den Jahren 2003 und 2004 25,5 Unterrichtsstunden pro Woche. In der Zeit von
September 2003 bis Februar 2004 leistete der Kläger auf Anordnung der Schulleitung
elf Stunden Unterricht mehr. Davon entfielen auf die Monate September 2003,
Dezember 2003 und Januar 2004 jeweils eine, auf den Monat November 2003 fünf und
auf den Monat Februar 2004 drei Unterrichtsstunden.
2
Mit Antrag vom 27. Februar 2004 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 30. Juni
2003 - 6 A 4424/01 - bei der Bezirksregierung E die Zahlung einer zeitanteiligen
Besoldung aus der Besoldungsgruppe A 13 für diese zusätzlich geleisteten elf
Unterrichtsstunden.
3
Mit Schreiben vom 17. Juni 2004 teilte die Schulleitung des Gymnasiums L der
Bezirksregierung auf Anfrage mit, dass das Volumen der Ausfallstunden des Kläger seit
dem letzten Unterrichtstag der Abiturienten am 23. April 2004 durch den Wegfall des
Grundkurses Mathematik in der Jahrgangsstufe 13 mit drei Wochenstunden das
Volumen der geleisteten Mehrarbeitsstunden auch unter Berücksichtigung von drei
geleisteten Vertretungsstunden erheblich übersteige.
4
Mit Bescheid vom 18. Juni 2004 lehnte die Bezirksregierung E den Antrag des Klägers
auf zeitanteilige Besoldung der 11 mehr geleisteten Unterrichtsstunden ab. Nach den
einschlägigen Rechtsvorschriften werde eine Vergütung für geleistete Mehrarbeit im
Schuldienst nur in Höhe der in § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von
Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVerGV) aufgeführten Stundensätze gewährt. Die
Rechtsauffassung des OVG NRW werde nicht geteilt. Ein Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung bestehe aber auch bereits deshalb nicht, weil durch das
vorzeitige Ende des Unterrichts in der Jahrgangsstufe 13 ab dem 23. April 2004
wöchentlich drei Unterrichtsstunden im Grundkurs Mathematik entfallen seien. Damit
seien sämtliche vom Kläger geleisteten Mehrarbeitsstunden durch Freizeitausgleich
abgegolten.
5
Mit Schreiben vom 16. Juli 2004 legte der Kläger gegen den Bescheid der
Bezirksregierung E vom 18. Juni 2004 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus,
dass der vorgeschlagene Freizeitausgleich zur Abgeltung der geleisteten
Mehrarbeitsstunden nicht erfolgen könne, da er seit dem 23. April 2004 dienstunfähig
erkrankt sei. Ein Freizeitausgleich stehe im Hinblick auf seinen Antrag auf Versetzung in
den Ruhestand auch für das Schuljahr 2004/2005 in Frage.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2004 wies die Bezirksregierung E den
Widerspruch des Klägers aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Ergänzend führte sie aus, dass eine Vergütung von Mehrarbeit nur erfolge, wenn die
Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres
ausgeglichen werden könne. Aus der Person des Beamten folgende Gründe, wie etwa
die Dienstunfähigkeit des Klägers seit 23. April 2004, seien keine solchen zwingenden
dienstlichen Gründe und könnten daher eine Geldvergütung nicht rechtfertigen.
7
Der Kläger hat am 10. September 2004 die vorliegende Klage erhoben und ergänzend
zu seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren ausgeführt, dass sich sein
Besoldungsanspruch unter Berücksichtigung des o.g. Urteils des OVG NRW aus Art.
141 EGV ergebe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe zwischenzeitlich
außerdem darauf hingewiesen, dass Art. 141 EGV i.V.m. Art. 1 der Richtlinie 75/117 so
auszulegen seien, dass sie einer nationalen Regelung, nach der teilzeitbeschäftigten -
ebenso wie vollzeitbeschäftigten - Lehrkräften keine Vergütung für Mehrarbeit gewährt
werde, wenn die Mehrarbeit drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat nicht übersteige,
entgegenstünden, wenn diese Ungleichbehandlung erheblich mehr Frauen betreffe als
Männer und nicht objektiv gerechtfertigt sei.
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Der Kläger beantragt,
9
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 18. Juni
2004 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 20. August 2004 zu
verpflichten, ihm für in der Zeit von September 2003 bis Februar 2004 geleistete 11
10
Unterrichtsstunden eine zeitanteilige Besoldung in Höhe von 399,71 Euro, hilfsweise
eine Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 272,14 Euro zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung wiederholt und vertieft es die Ausführungen in den angefochtenen
Bescheiden der Bezirksregierung E und weist nochmals darauf hin, dass die geleistete
Mehrarbeit innerhalb eines Jahres durch Dienstbefreiung ausgeglichen worden sei.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Bezirksregierung E
(Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
16
Der Kläger hat für die von ihm im Zeitraum von September 2003 bis Februar 2004
zusätzlich zu seiner individuellen Pflichtstundenzahl geleisteten elf Unterrichtsstunden
weder einen Anspruch auf zeitanteilige Besoldung aus der Besoldungsgruppe A 13 (II.)
noch auf die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung nach dem Stundensatz des § 4
Abs. 3 Nr. 4 der Verordnung über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für
Beamte (MVergV) in der Fassung vom 13. März 1992 - BGBl. I S. 528 -, zuletzt geändert
durch Art. 11 des Gesetzes vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798) (I.). Der Bescheid
der Bezirksregierung E vom 18. Juni 2004 und der Widerspruchsbescheid derselben
Behörde vom 20. August 2004 sind rechtmäßig, § 113 Abs. 5 S. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
17
I.
18
Für die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung an Beamte des beklagten Landes sind
die Vorschriften des § 78a Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG), § 48 Abs.
1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) i.V.m. den Vorschriften der MVergV maßgeblich.
Die Vorschriften der genannten Verordnung sind im vorliegenden Fall grundsätzlich
anwendbar:
19
Der Kläger gehört als verbeamteter Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes mit
aufsteigenden Dienstbezügen nach der Besoldungsgruppe A 13 zu den von § 2 Abs. 1
MVergV erfassten Personengruppen, denen grundsätzlich Mehrarbeitsvergütung
zugestanden werden kann - hier nach Nr. 6 „Lehrer im Schuldienst" -.
20
Der Kläger hat auch dem Grunde nach vergütbare Mehrarbeit im Sinne von §§ 2 Abs. 1,
3 Abs. 1 MVergV erbracht. Eine Mehrarbeitsvergütung darf für Beamte nur in solchen
Bereichen vorgesehen werden, in denen die Mehrarbeit messbar ist. Die Arbeitsleistung
von Lehrern ist aber nur im Bereich ihrer jeweiligen Unterrichtserteilung messbar.
Dementsprechend nimmt Nr. 2.2.2 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 11.
Juni 1979 „Mehrarbeit und nebenamtlicher Unterricht im Schuldienst" (GABl. NRW S.
296), zuletzt geändert durch Runderlass vom 26. Oktober 1981 (BASS 21-22 Nr. 21)
auch alle anderen dienstlichen Leistungen, die keine Unterrichtstätigkeit darstellen, vom
21
Anwendungsbereich der Regelungen über die Mehrarbeit aus. Der Kläger begehrt aber
Mehrarbeitsvergütung für elf von ihm in den Monaten September 2003 bis Februar 2004
zusätzlich zu seinem individuellen Pflichtstundenumfang geleistete Unterrichtsstunden
und damit für messbare Mehrarbeit i.S. der MVergV.
Der Kläger unterliegt als Lehrer auch i.S.v. § 3 Abs. 1 MVergV der Arbeitszeitregelung
für Beamte. Zwar fallen Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst nicht in den
Anwendungsbereich der allgemein für Beamte geltenden Arbeitszeitverordnung
Nordrhein-Westfalen (ArbZV NW), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 der ArbZV NW. Für verbeamtete
Lehrer ergibt sich jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hiervon abweichend
in Gestalt der wöchentlichen Pflichtstundenzahl unter Berücksichtigung der jeweiligen
Schulform aus § 2 der Verordnung zu § 5 Abs. 1 Schulfinanzgesetz (SchulFG) vom 22.
April 2002 (SGV.NRW Gliederungs-Nr. 223).
22
Die vom Kläger geleisteten zusätzlichen elf Unterrichtsstunden sind auch i.S.v. § 3 Abs.
1 Nr. 1 MVergV schriftlich angeordnet bzw. genehmigt worden. Dabei ist nach
allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter dem Begriff einer schriftlichen Anordnung die vor
der Erbringung der Leistung erfolgende Anweisung zur Leistung von Mehrarbeit, unter
dem Begriff der schriftlichen Genehmigung dagegen die nachträgliche Zustimmung zu
bereits geleisteter Mehrarbeit zu verstehen. Der Kläger leistete die in Rede stehenden
zusätzlichen elf Unterrichtsstunden zwar auf jeweilige vorherige Anordnung des
Schulleiters. Diese Anordnungen erfolgten nach den Erkenntnissen des Gerichts im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch nur mündlich und genügen bereits daher
nicht den Erfordernissen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV an eine vorherige schriftliche
Anordnung. Die Mehrarbeit wurde jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV schriftlich
genehmigt. Die schriftliche Genehmigung liegt in Gestalt der durch die Schulleitung am
27. Februar 2004 unterschriebenen Formulare „Nachweisung über geleistete Mehrarbeit
im Schuldienst" gemäß der Anlage zu Ziffer 4.1 des Runderlasses des
Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 (BASS 21-22 Nr. 21) für September 2003 bis
Februar 2004 vor. Diese tagesgenauen Aufstellungen der Ist- und Sollstunden (vgl. Bl. 2
und 3 der Beiakte Heft 1) weisen die vom Kläger beanspruchten elf Mehrarbeitsstunden
aus. Zwar ist gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 der Verordnung über beamtenrechtliche
Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des für den Schulbereich zuständigen
Ministeriums vom 17. April 1994 - BASS 10-32 Nr. 44 - (SGV.NRW Gliederungs-Nr.
2030) für die dienstrechtlichen Entscheidungen der Gymnasiallehrer - also auch für die
Anordnung von Mehrarbeit gegenüber dem Kläger - grundsätzlich die obere
Schulaufsichtsbehörde zuständig. Dies ist gemäß § 15 Abs. 2 S. 1
Schulverwaltungsgesetz (SchulVG) die Bezirksregierung E. Gemäß Ziffer 3.1.2 des o.g.
Runderlasses des Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 (BASS 21-22 Nr. 21) wurde
die Zuständigkeit für die Anordnung oder Genehmigung gelegentlicher Mehrarbeit bei
notwendiger Unterrichtsvertretung jedoch auf den Schulleiter weiterübertragen und nur
für regelmäßige Mehrarbeit bei der oberen Schulaufsichtsbehörde belassen. Bei den
vorliegenden Mehrarbeitsstunden handelt es sich aber um gelegentliche Mehrarbeit zur
notwendigen Unterrichtsvertretung. Der Kläger wurde jeweils nur für sporadisch
anfallende einzelne Vertretungsstunden herangezogen. Mit der Unterzeichnung der o.g.
Nachweise über die Mehrarbeit hat die Schulleitung aber im für eine Genehmigung
erforderlichen nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der Mehrarbeit für die
Monate September 2003 bis Februar 2004,
23
vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2005 - 1 A 2122/03 -,
24
dieser Mehrarbeit schriftlich nachträglich zugestimmt. Mit der Nachweisung der
geleisteten Mehrarbeitsstunden wollte die Schulleitung die Voraussetzungen des
Anspruchs des Klägers auf eine Mehrarbeitsvergütung für die dokumentierten
zusätzlichen Unterrichtsstunden schaffen und hat daher mit der Unterzeichnung dieser
Formulare rechtserheblich die geleistete Mehrarbeit schriftlich genehmigt.
25
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV setzt die Mehrarbeitsvergütung
darüber hinaus voraus, dass die Mehrarbeit die regelmäßige Arbeitszeit im
Kalendermonat um fünf Stunden - bei Lehrern um drei Unterrichtsstunden - übersteigt.
Der Kläger hat jedoch lediglich im Monat November 2003 Mehrarbeit in einem diese
Mindeststundengrenze überschreitenden Umfang von fünf zusätzlichen
Unterrichtsstunden erbracht.
26
Die in §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV festgelegte Mindeststundenzahl ist im
vorliegenden Fall auch anwendbar, weil sie mit den gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften des Art. 141 EG-Vertrag und Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates
vom 10. Februar 1975 (ABl. Nr. L 045 S. 19) sowie der Richtlinie 97/81/EG des Rates
vom 15. Dezember 1997 (ABl. Nr. L 014 S. 9) i.V.m. § 78g Landesbeamtengesetz
Nordrhein-Westfalen (LBG) vereinbar ist,
27
a.A. Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 16. Februar 2005 - 4 K 123/01 -.
28
Nach den vorgenannten Bestimmungen gilt für Arbeitnehmer der Grundsatz des
gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher und gleichwertiger Arbeit sowie
das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter.
29
Der Kläger fällt zunächst in den Anwendungsbereich der genannten Vorschriften. Nach
ständiger Rechtsprechung wenden sich die Vorschriften des Art. 141 EG- Vertrag und
der Richtlinie 75/117/EWG nicht nur an die Mitgliedstaaten, sondern finden auch im
Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern innerhalb der Mitgliedstaaten
unmittelbar Anwendung, auch auf Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst - wie das
Beamtenverhältnis des Klägers,
30
vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 1976, 43/75 „Defrenne II", Sammlung der Rechtsprechung
(Slg. d. Rsprg.) 1976, S. 00455; Urteil vom 2. Oktober 1997 - C 1/95 - „Hellen Gerster",
Slg. d. Rsprg. 1997, S. I-05253; Urteil vom 27. Mai 2004 - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg",
NVwZ 2004, 1103; BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 -, NVwZ 2005,
594; Langenfeld in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand
Januar 2005, Art. 141 Rn 46 mwNw; Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 141 Rn 3;
Rust in: von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage 2003, Art. 141 Rn 256 f., 259.
31
Das Diskriminierungsverbot der Richtlinie 98/71/EG findet in seiner Umsetzung durch §
78g LBG auf den Kläger ebenfalls unmittelbar Anwendung.
32
Die nach den nationalen Bestimmungen des § 78a LBG, des § 48 BBesG und der
Vorschriften der MVergV zu zahlende Mehrarbeitsvergütung ist eine vom beklagten
Land an die betroffenen Lehrkräfte aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses gezahlte
Vergütung und damit Entgelt i.S. des Gemeinschaftsrechts,
33
vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - C 285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO; Urteil vom 26.
34
Juni 2001 - C-381/99 - „Brunnhofer", Slg. d. Rsprg. 2001, S. I-04961; Urteil vom 17. Mai
1990 - C 262/88 - „Barber"; OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -.
Der Kläger kann sich auf diese Vorschriften auch berufen, obwohl der Männeranteil in
der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zur Gruppe der Vollzeitbeschäftigten
nach den Feststellungen des Gerichts und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht
überwiegt,
35
vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2003 - 6 A 4424/01 -; VG Minden, Urteil vom 15.
Februar 2005 - 4 K 123/01 -; VG E, Urteil vom 24. Mai 2005 - 26 K 7463/04 -.
36
Denn der Grundsatz des gleichen Entgelts verbietet nicht nur eine unmittelbare oder
mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern des anderen Geschlechts bei gleicher oder
gleichwertiger Arbeit. Vielmehr bildet die Richtlinie 75/117/EWG zugleich auch die
Grundlage für den Grundsatz der gleichen Bezahlung innerhalb der Geschlechter,
37
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 -, NVwZ 2005, S. 594.
38
Der Kläger hat daher grundsätzlich auch einen Anspruch darauf, nicht gegenüber den
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern des eigenen Geschlechts benachteiligt zu werden.
Hinzu kommt, dass der Kläger sich unmittelbar auch auf den der Umsetzung der
Richtlinie 97/81/EG dienenden § 78g LBG berufen kann, der das Verbot einer
ungerechtfertigten Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten unabhängig vom
Geschlecht in nationales Recht transferiert hat.
39
Zwar werden teilzeitbeschäftigte Lehrer, weil die Zahl der zusätzlichen
Unterrichtsstunden, die sie leisten müssen, um einen Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung zu erhalten, nicht proportional zur Arbeitszeit vermindert wird,
gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrern in Bezug auf die Vergütung für die zusätzlichen
Unterrichtsstunden ungleich behandelt,
40
vgl. bereits EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004, - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO.
41
Die nach diesen Regelungen vorgesehene Ungleichbehandlung ist aber durch ein Ziel
gerechtfertigt, das nichts mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht zu tun
hat. Das erkennende Gericht ist zur Feststellung einer solchen objektiven
Rechtfertigung auch in eigener Zuständigkeit berufen,
42
vgl. EuGH, Urteil vom 27. Mai 2004 - C-285/02 - „Elsner-Lakeberg", aaO.
43
Die Einführung einer „fixen" Mindeststundenzahl, deren Erreichen Voraussetzung für die
Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung ist und die unabhängig von der konkreten
Dienstverpflichtung des Beamten im jeweiligen Monat für alle Beamten stets gleich ist,
ist durch das Gebot der Rechtsklarheit sowie zur Vermeidung eines hohen vor allem
kostenintensiven Verwaltungsaufwandes objektiv gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich
um Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun
haben. Die Abwicklung der Besoldung der Landesbeamten, zu der im weiteren Sinne
auch die Gewährung und Auszahlung der Mehrarbeitsvergütung nach § 78a LBG i.V.m.
den Vorschriften der MVergV gehört, ist angesichts der großen Zahl der Landesbeamten
zum Bereich der Massenverwaltung zu rechnen. Würde man in diesem Bereich für
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Teilzeitbeschäftigte die Mehrstundengrenze unter Berücksichtigung der jeweils
individuell verringerten Dienstverpflichtung festsetzen, so würde dies in jedem Einzelfall
eine gesonderte Berechnung dieser sog. Bagatellgrenze erforderlich machen. Denn die
Regelungen der §§ 78b ff. LBG über die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung lassen
- wie die entsprechenden Vorschriften für Bundes- und andere Landesbeamte - eine
individuell völlig unterschiedliche Teilzeitstundenzahl zu. Es kommt daher nicht etwa
die Festlegung einer speziellen - aber für alle Teilzeitbeschäftigten wiederum
einheitlichen - Mehrstundengrenze in Betracht. Es müsste vielmehr für jeden
Teilzeitbeschäftigten, der Mehrarbeitsvergütung beansprucht, die maßgebliche
Bagatellgrenze im Verhältnis zur reduzierten Arbeitszeit jeweils gesondert berechnet
werden. Angesichts der erheblichen Zahl von Teilzeitbeschäftigten würde dies
einerseits zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen, andererseits aber auch
eine unklare Rechtslage herbeiführen, da der einzelne teilzeitbeschäftigte Beamte der
MVergV nicht mehr unmittelbar entnehmen könnte, ab welchem Mehrarbeitsumfang ihm
ein Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. Mehrarbeitsvergütung zusteht. Neben den
Fällen der verringerten Arbeitszeit durch eine Teilzeitbeschäftigung müsste die
Mindeststundengrenze darüber hinaus aber auch immer dann neu angepasst werden,
wenn ein Beamter nur während eines Teils eines Monats beschäftigt war, z.B. wegen
Dienstantritts erst im Laufe eines Monats oder wegen einer Dienstunfähigkeit infolge
einer Erkrankung während eines Monats. Die „starre" Mindeststundenzahl der §§ 3 Abs.
1 Nr. 2, 5 Abs. 2 MVergV dagegen verhindert diese Unsicherheit und hohe Kosten, in
dem sie von vorneherein festlegt, ab welchem Umfang eine im Einzelfall geleistete
Mehrarbeit zu einer erheblichen und damit grundsätzlich ausgleichspflichtigen
Mehrbeanspruchung eines Beamten führt.
Hinter diesen gewichtigen Interessen tritt das Interesse der teilzeitbeschäftigten
Beamten an einer Gleichbehandlung mit den vollzeitbeschäftigten Beamten, das hier im
übrigen ein rein finanzielles Interesse ist, zurück. Dies ergibt sich aus den
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und den rechtlichen Grundlagen
der MVergV. Beamte sind nach § 78a LBG und den vergleichbaren Regelungen im
Bundesrecht und den Beamtengesetzen der anderen Länder grundsätzlich verpflichtet,
in gewissem Umfang Mehrarbeit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne
zusätzliche Besoldung zu leisten. Dies folgt aus den das Beamtenverhältnis prägenden
Strukturprinzipien, wonach sich der Beamte durch die Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verpflichtet, sich voll für den Dienstherrn einzusetzen
und diesem seine gesamte Persönlichkeit, Arbeitskraft und Lebensleistung zur
Verfügung zu stellen. Im Gegenzug zu dieser umfassenden Dienstverpflichtung und
Dienstleistung gewährt der Dienstherr dem Beamten auf Lebenszeit eine
amtsangemessene Alimentation,
45
vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83, BVerfGE 71, 39; Beschluss
vom 15. Mai 1985 - 2 BvL 24/82 -, BVerfGE 70, 69, mwNw.
46
Im Rahmen dieses gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses ist der Beamte
grundsätzlich verpflichtet - ohne dass dies in irgendeiner Form einen Anspruch auf
Leistungen des Dienstherrn auslösen würde - Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende
dienstliche Verhältnisse dies erfordern. Die Mehrarbeitsvergütung nach der MVergV ist
ihrerseits dazu bestimmt, sofern die zu leistende Mehrarbeit zu einer erheblichen
Mehrbeanspruchung führt und diese nicht durch die Gewährung von Freizeit
ausgeglichen werden kann, für diese fehlende Kompensation einen finanziellen
Ausgleich zu leisten. Dabei hat die Mehrarbeitsvergütung aber nicht den Charakter einer
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Besoldung oder gar eines stundenbezogenen Entgelts für geleistete Arbeitsstunden,
sondern gleicht lediglich den Verlust an Freizeit durch die aus zwingenden dienstlichen
Gründen nicht mögliche Kompensation aus. Denn die Zahlung einer
„Überstundenvergütung" nach der allein arbeitsrechtlichen Grundvorstellung, dass das
Gehalt anteilig jede Arbeitsstunde abgelte, ist mit den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums unvereinbar,
vgl. Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand Februar 2005, § 72
(enthält die zu §§ 78, 78a LBG vergleichbaren Regelungen für Bundesbeamten) Rn 22
mwNw zur Rsprg.
48
Die Mehrarbeitsvergütung hat daher im rechtlichen Gefüge des Beamtenverhältnisses
erkennbar nicht die hervorgehobene Bedeutung, die ihr der Kläger als Bestandteil
seiner Besoldung zumisst.
49
Schließlich steht die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für den Fall eines
fehlenden Freizeitausgleichs ihrerseits gemäß § 72 Abs. 2 S. 3 Bundesbeamtengesetz
(BBG), § 78a Abs. 2 S. 1 LBG im Ermessen des Besoldungsgesetzgebers. Besteht aber
auf Grund der geltenden Rechtslage nicht einmal die Verpflichtung, eine solche
Mehrarbeitsvergütung für Beamte vorzusehen, so hat der Gesetzgeber, wenn er sich zur
Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung entscheidet, einen weiten
Gestaltungsspielraum, der auch die Einführung einer solchen starren
Mindeststundenzahl für alle Beamten deckt. Die hieraus folgende Ungleichbehandlung
der teilzeitbeschäftigten Beamten ist im Ergebnis objektiv durch das überwiegende
öffentliche Interesse an Rechtsklarheit und der Minimierung des Verwaltungsaufwandes
gerechtfertigt. Der Kläger hat daher auch unter Berücksichtigung des
gemeinschaftsrechtlichen Entgeltgleichheitsgrundsatzes und des
Diskriminierungsverbots für Teilzeitbeschäftigte dem Grunde nach nur Anspruch auf
Mehrarbeitsvergütung für die fünf im November 2003 geleisteten, die Bagatellgrenze
überschreitenden Unterrichtsstunden, sofern die weiteren Voraussetzungen der MVergV
vorliegen.
50
Dem Anspruch auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung steht aber die Möglichkeit
der Kompensation gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV entgegen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3
MVergV besteht Anspruch auf die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung nur dann, wenn
die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung
innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann. Die Mehrarbeit konnte im Falle des
Klägers nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen, sondern nur aus persönlichen
Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden.
Diese die Kompensation verhindernden persönlichen Gründe stehen aber einem
Mehrarbeitsvergütungsanspruch entgegen. Die tatsächliche Unterrichtsverpflichtung des
Klägers war vom 23. April 2004 - dem letzten Schultag der Abiturienten - bis zum
Schuljahresende um drei Unterrichtsstunden pro Woche durch den Wegfall des
Grundkurses Mathematik der Jahrgangsstufe 13, den der Kläger zuvor unterrichtet hatte,
tatsächlich reduziert. Die hierdurch bedingten Ausfallstunden standen zur
Kompensation der in den vorangegangenen Monaten geleisteten Mehrarbeit des
Klägers zur Verfügung. Nach Auskunft der Schulleitung vom 17. Juni 2004 belief sich
die Zahl dieser Ausfallstunden bereits im Juni 2004 auf 22. Diese überschritten also die
Summe der vom Kläger geltend gemachten Mehrarbeitsstunden - sei es die von 5 oder
von 11 Stunden - erheblich. Dass dieser Stundenausfall faktisch nicht zu einer
Kompensation des Klägers geführt hat, beruht nicht auf zwingenden dienstlichen
51
Gründen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV. Der Kläger war in der Zeit vom 23. April
2004 bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand mit Wirkung zum 1.
Oktober 2004 dienstunfähig erkrankt und kam allein deshalb nicht in den Genuss dieser
Ausfallstunden. Eine Erkrankung ist aber ein in der Person des Beamten liegender und
allein seiner Risikosphäre zuzurechnender Grund,
vgl. Plog/Wiedow, aaO, § 72 Rn 29, 25; BVerwG vom 24. Mai 1985 - 2 B 45/85 -,
Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 26,
52
der im Ergebnis dem Anspruch auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung entgegen
steht.
53
II.
54
Mangels vergütbarer Mehrarbeit im Sinne der MVergV kann hier dahin stehen, ob der
Kläger über den Stundensatz des § 4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV hinaus Anspruch auf
zeitanteilige Besoldung der von ihm geltend gemachten elf zusätzlichen
Unterrichtsstunden wegen eines Verstoßes dieser Regelung gegen den
gemeinschaftsrechtlichen Entgeltgleichheitsgrundsatz hätte.
55
Die Zulassung der Berufung ist gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Sache erfolgt.
56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung (ZPO).
57
58