Urteil des VG Düsseldorf vom 03.12.2010

VG Düsseldorf (der rat, sanierung, höhe, satzung, stadt, grundstück, firma, kläger, bekanntmachung, abschluss)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 3881/10
Datum:
03.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Grund- und Teilurteil
Aktenzeichen:
25 K 3881/10
Tenor:
Die Bescheide des Beklagten vom 25. Mai 2010 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zur Zahlung von
sanierungsbedingten Ausgleichsbeträgen für die Sanierungsmaßnahme "T" in P.
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Die Kläger sind jeweils hälftige Miteigentümer von 72/1000 und 24/1000
Miteigentumsanteilen an dem Grundstück Gemarkung G1, Flurstück 230, postalisch
T1straße 172, 174, das innerhalb des ehemaligen Sanierungsgebiets "T" liegt und eine
Größe von 845 m² aufweist.
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Der Rat der Stadt P beschloss am 12. September 1977 die Einleitung vorbereitender
Untersuchungen für die Ausweisung des Sanierungsgebiets T; die fehlerfreie
Bekanntmachung dieses Ratsbeschlusses erfolgte am 6. Dezember 1977.
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Mit der Durchführung der vorbereitenden Untersuchungen wurde die Firma B
Aktiengesellschaft für Entwicklungsplanung (im Folgenden: B) beauftragt, die im Mai
1978 ihren umfassenden Schlussbericht vorlegte. Zu den wesentlichen städtebaulichen
Missständen im Untersuchungsgebiet gehörten entsprechend der Ausführungen im
Schlussbericht die Lage der Firma G KG (im Folgenden: G), einer Metall- und
Eisengießerei, in der QStraße 68-76 im Blockinnenbereich nördlich der I-Straße und
östlich der Q-Straße sowie die Lage der Firma D KG (im Folgenden: D) im
Blockinnenbereich südlich der Hstraße, westlich der M Straße, nördlich der Xstraße und
östlich der T1straße. Als störend wurde auch die Spedition Firma I1 oHG (im Folgenden:
Spedition I) im rückwärtigen Bereich in der T1straße 170 bewertet. Zuletzt wurde der auf
dem im Zentrum des Untersuchungsgebiets liegenden Gelände des Tes stattfindende
Großmarkt als städtebaulicher Missstand qualifiziert, da die Mischnutzung durch
5
Großhandel und Wohnnutzung eine Minderung der Wohnqualität mit sich bringe.
In ihrem Schlussbericht führte die B unter anderem im Einzelnen aus, dass in dem
untersuchten Gebiet Altbausubstanz überwiege, dass 38 Gebäude - das heißt 21% der
Gesamtgebäude - einer durchgreifenden Modernisierung bedürften und 17 Gebäude
hiervon im Klassifikationsbereich "südlich der Hstraße" lägen. Die Wohngebäude
würden zum Teil keine Badezimmer in den Wohnungen und damit eine unzumutbare
sanitäre Ausstattung aufweisen.
6
Weiterhin wurde erläutert, die Blockinnenbereiche müssten freigelegt und störende
Betriebe verlagert werden, um Belichtungs- und Belüftungsprobleme zu lösen und
Immissionen durch störende Betriebe zu verringern. Defizite an öffentlichen Grünflächen
müssten abgebaut werden und eine Verlagerung der im nördlichen Bereich des
Untersuchungsgebiets gelegenen Firma G sei dringend notwendig.
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Zu den städtebaulichen Missständen aufgrund der Lage der Firma D im
Blockinnenbereich (dieser Bereich wird im weiteren Sanierungsverlauf als Bereich
"südlich der Hstraße" bezeichnet) wurde ausgeführt, der Wohnwert der Wohngebäude
in der Umgebung sei aufgrund der Nähe zur Fabrik reduziert. Das entscheidende
städtebauliche Problem liege in der Tatsache begründet, dass im Betrieb
explosionsgefährliche Stoffe verwendet und gelagert würden; nahezu sämtliche
Rohstoffe und Fertigwaren seien feuergefährlich. Aufgrund der erhöhten Brandgefahr
sei zum einen ein besonderer Schutz der elektrischen Anlagen erforderlich, zum
anderen seien Schutzabstände zur Wohnbebauung wünschenswert. Letzteres könne
am Standort im Blockinnenbereich aufgrund des Bestandsschutzes des Betriebes nicht
gewährleistet werden. Zudem ergäben sich erhebliche Auswirkungen des Betriebes
durch Luftverunreinigungen und Geruchsbildung auf die Anwohner im Nahbereich;
emittiert würden Staub und Abgase. Im Nahbereich seien erhebliche
Geruchsbelästigungen festgestellt worden. Hinzu kämen Geräuschimmissionen durch
LKW-Verkehr mit 20 bis 25 LKW-An- und Abfahrten pro Tag. Als Fazit wird festgehalten,
dass der Betrieb störend innerhalb eines Mischgebiets mit überwiegender Wohnnutzung
sei, obwohl die Grenzwerte der TA-Luft nicht überschritten würden. Die Freilegung des
Betriebsgrundstücks sei zudem aufgrund des hohen Verdichtungsgrades und des
Defizits an Grünflächen wünschenswert.
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Des weiteren wurde dargelegt, im Bereich "südlich der Hstraße" müsse auch die
Verlagerung der Spedition I erwogen werden.
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Hinsichtlich der städtebaulichen Missstände durch den auf dem T stattfindenden
Großmarkt stellte der Schlussbericht eine Beeinträchtigung der Wohnqualität durch die
Mischnutzung fest. Eine Beeinträchtigung der Wohnnutzung ergebe sich daraus, dass
der Großmarkt morgens um vier Uhr beginne und ständige An- und Abfahrten von
LKW`s mit sich bringe. Weiterhin wurde festgestellt, die großen, ungenutzten Freiflächen
könnten einer anderen Nutzung zugeführt werden. Verbesserungen der defizitären
Ausstattung des Gebiets mit Grünflächen und Spielplätzen u.a. würden die Wohnqualität
des Gebiets nachhaltig steigern.
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Aufgrund der festgestellten städtebaulichen Missstände empfahl der Schlussbericht
abschließend die Durchführung folgender Ordnungsmaßnahmen: Die Betriebe der
Firmen G, D und der Spedition I sollten verlagert werden. Die frei werdenden Flächen
sollten als Grünflächen genutzt werden. Die Großmarkt-Hallen auf dem T sollten
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abgebrochen werden und die frei werdende Fläche als Park gestaltet werden,
angrenzend sollte neue Wohnbebauung errichtet werden (hinsichtlich des Bereichs T
einschließlich der Neuerrichtung von Wohnbebauung im weiteren Sanierungsverlauf als
"Modellvorhaben T" bezeichnet).
In der dem Schlussbericht beigefügten Tabelle 70 "Kosten der Ordnungsmaßnahmen,
Erlöse aus Ausgleichsbeträgen in TDM" ging die B von Erlösen aus
Ausgleichsbeträgen in Höhe von 10 DM pro m² aufgrund einer Wertsteigerung der
Privatgrundstücke von 120 auf 130 DM pro m² aus. Die B legte in diesem
Zusammenhang eine Dauer der Sanierungsmaßnahme von neun Jahren zuzüglich
eines Jahres für die Durchführung der Abrechnung der Ausgleichsbeträge zugrunde.
12
Aufgrund der im Schlussbericht beschriebenen und zusammengefassten
vorbereitenden Untersuchungen beschloss der Rat der Stadt P am 26. Juni 1978 die
Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "T" mit Beschreibung der
Umgrenzung des Sanierungsgebiets und Auflistung aller betroffener Flurstücke unter
Beifügung eines die Umgrenzung darstellenden LBes. Auf diesen wird Bezug
genommen.
13
Die Sanierungssatzung wurde mit Bescheid des Regierungspräsidenten Düsseldorf
vom 18. Oktober 1978 genehmigt.
14
Die öffentliche Bekanntmachung der Sanierungssatzung und der Genehmigung des
Regierungspräsidenten Düsseldorf erfolgte auf Anordnung des Oberbürgermeisters vom
12. Dezember 1978 unter dem 3. Januar 1979. Unter dem 13. Januar 1979 erfolgte die
Berichtigung der öffentlichen Bekanntmachung hinsichtlich unzutreffend aufgeführter
Flurstücke.
15
Grundlage für die Durchführung der Sanierung war hinsichtlich des "Modellvorhabens
T" der Bebauungsplan Nr. 176 A vom 4. März 1982. Der unter anderem den Bereich
"südlich der Hstraße" umfassende Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 176 B wurde nicht
in Kraft gesetzt.
16
Die wesentlichen Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der Sanierung erfolgten in den
Jahren 1979 bis 1985. So wurde die Firma D Ende des Jahres 1982 ausgelagert.
Anfang des Jahres 1983 wurden deren ehemalige Betriebsgebäude abgebrochen. Im
Jahr 1985 wurden die Maßnahmen hinsichtlich des "Modellvorhabens T" auf der
Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 176 A im wesentlichen abgeschlossen.
17
Entsprechend der Schlussverwendungsnachweise des Beklagten vom 27. September
1989 und 2. März 1990 wurden im Jahr 1989 die geplanten, restlichen
Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen. So wurden unter anderem ergänzende Pflanz-
und Pflasterarbeiten durchgeführt und es erfolgte der Verkauf des ehemaligen
Verwaltungsgebäudes der Firma D in der M Str. 119 im Wege der Reprivatisierung am
26. Oktober 1989.
18
Mit dem Schlussverwendungsnachweis des Beklagten vom 27. September 1989
rechnete der Beklagte mit den aufgrund von Zuwendungsbescheiden des
Regierungspräsidenten Düsseldorf erhaltenen Zuwendungen für das "Modellvorhaben
T" in Höhe von insgesamt 6.132.599,- DM ab. Mit dem Schlussverwendungsnachweis
des Beklagten vom 2. März 1990 rechnete der Beklagte mit den aufgrund von
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Zuwendungsbescheiden des Regierungspräsidenten Düsseldorf erhaltenen
Zuwendungen für die Maßnahmen "südlich der Hstraße" in Höhe von insgesamt
8.063.196,- DM ab. Es wird in diesem Schlussverwendungsnachweis ferner ausgeführt,
dass hinsichtlich des Bereichs "südlich der Hstraße" mit Ausnahme der Verlagerung der
Spedition I alle Sanierungsziele realisiert werden konnten. Mit dem
Schlussverwendungsnachweis des Beklagten vom 11. März 1992 rechnete der
Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf über die aufgrund von
Zuwendungsbescheiden der Stadt P, der Oberstadtdirektor, Amt für Wohnungswesen,
erhaltenen Zuwendungen für die Maßnahmen "Sanierungsmaßnahme T-
Modellvorhaben; Be- und Entlüftung der Hochbunker" in Höhe von insgesamt
9.330.900,- DM ab. Mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident
Düsseldorf das Modellvorhaben T I (städtebaulicher Teil) für haushalts- bzw.
zuwendungsrechtlich abgeschlossen.
Unter dem 23. Mai 2006 fertigte das zuständige Dezernat des Beklagten eine
Beschlussvorlage hinsichtlich der Aufhebung der Sanierungssatzung "T". Mit Datum
vom 9. Juni 2005 (gemeint: 2006) findet sich folgender Vermerk in den die
Aufhebungssatzung betreffenden Verwaltungsvorgängen des Beklagten:
20
"1. Der Rat der Stadt soll am 19.6.2006 die Satzung zur Aufhebung der Satzung
der Stadt P über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "T" vom 12.
Dezember 1978 beschließen. Diese Satzung soll am 29.6.2006 im Amtsblatt
öffentlich bekannt gemacht werden. Da die Abgabe der Unterlagen für dieses
Amtsblatt am 16.6.2006 erfolgen muss, wurde die Bekanntmachungsanordnung
vordatiert
21
Unter Ziffer 2 folgt der bekanntzumachende Satzungstext und die durch den Beklagten
unterzeichnete Bekanntmachungsanordnung mit dem maschinenschriftlich
vorgegebenen Unterschriftsdatum des 20. Juni 2006.
22
In den Verwaltungsvorgängen des Beklagten findet sich ferner ein Schreiben vom 12.
Juni 2006 mit "Ab-Vermerk" gleichen Datums an die Pressestelle, in dem um
Veröffentlichung der "in der Anlage beigefügten öffentlichen Bekanntmachungen" - u.a.
auch der Aufhebungssatzung - in einer Sonderausgabe des Amtsblattes am 29. Juni
2006 gebeten wird. Es wird ausgeführt, die Satzung zur Aufhebung des
Sanierungsgebietes "T" solle so früh wie möglich veröffentlicht werden, um aus
städtebaulicher Sicht gegen die Ansiedlung eines Vorhabens (Table-Dance-Bar) die
entsprechenden Rechtsfolgen einleiten zu können.
23
Unter dem 19. Juni 2006 beschloss der Rat der Stadt P die Aufhebung der Satzung der
Stadt P über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets T vom 12. Dezember
1978 unter Beifügung eines den Aufhebungsbereich darstellenden LBes. Auf den LB
wird Bezug genommen.
24
Die Aufhebungssatzung wurde im Sonderamtsblatt der Stadt P vom 29. Juni 2006
öffentlich bekannt gemacht.
25
Mit Beschluss vom 18. Februar 2010, ausgefertigt am 18. März 2010, erstattete der
Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt P auf Antrag des Beklagten vom
29. Januar 2008 Wertgutachten betreffend die im Sanierungsgebiet gelegenen
Grundstücke. Die Gutachten sind auf den 29. Juni 2006 als Wertermittlungsstichtag
26
bezogen und liegen der Erhebung der Ausgleichsbeträge zugrunde. Die Gutachten sind
einheitlich gegliedert in einerseits einen allgemeinen, das gesamte Sanierungsgebiet
betreffenden Teil, eine Erläuterung des Wertermittlungsverfahrens im Allgemeinen und
des gewählten Niedersachenverfahrens im Besonderen sowie die Einteilung des
Gebietes in die Klassifikationsbereiche I bis VI und andererseits die konkrete
Ausgleichsbetragsermittlung für den Klassifikationsbereich I. Der Klassifikationsbereich
wird im Wertgutachten wie folgt beschrieben:
"Der Klassifikationsbereich I wird von der Stöckmannstraße, der Hstraße, der
Lothringer Straße und der Wachstraße eingeschlossen. Bzgl. der Missstände
wurde er hauptsächlich von der Firma D geprägt, die in seinem Innenbereich
gelegen war. Auf deren ehemaligem Gelände wurde im Zuge der Sanierung eine
Grünanlage mit Kinderspielplatz errichtet."
27
Bei der Einordnung der städtebaulichen Missstände und der durchgeführten
städtebaulichen Maßnahmen in den dem Niedersachsenverfahren zugrunde liegenden
Klassifikationsrahmen sind die Komplexe "Bebauung" und "Struktur,
Eigentumsverhältnisse, Erschließung" jeweils mit 0 bewertet worden, da diesbezügliche
Maßnahmen im Sanierungsgebiet nicht durchgeführt wurden. Der Komplex "Nutzung,
Verdichtung, Gemengelage" wurde sowohl hinsichtlich der städtebaulichen Missstände
als auch der städtebaulichen Maßnahmen in der Tabelle in dem der Zahl 8
zugeordneten Feld "hohe Verdichtung und störende Gemengelage, Beeinträchtigung
durch Altbausubstanz" (bzgl. Missstände) bzw. "Anpassung hinsichtlich Art und Maß der
baulichen Nutzung und Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen, Freilegung von
Grundstücken" (bzgl. Maßnahmen) grau unterlegt. Der Komplex "Umfeld, Verkehr,
Infrastruktur" wurde sowohl hinsichtlich der städtebaulichen Missstände als auch der
städtebaulichen Maßnahmen in der Tabelle in dem der Zahl 5 zugeordneten Feld
"Infrastruktur insgesamt ergänzungsbedürftig" (bzgl. Missstände) bzw. "Ergänzung und
Verbesserung der Infrastruktur" (bzgl. Maßnahmen) grau unterlegt. Am Ende der Tabelle
sind jedoch nicht die Zahlen 0, 0, 8, 5 aufgeführt, sondern die Zahlen 0, 0, 9, 3. Im
Rahmen der anschließend durchgeführten Berechnung des Arithmetischen Mittels der
Eingruppierungen wird demgegenüber wiederum 0+0+8+5 durch 4 dividiert, was zu
einem arithmetischen Mittel von jeweils 3,25 führt.
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Im Folgenden ist die Matrix "Anfangswert von mehr als 100 bis 200 Euro pro m²"
abgedruckt und folgendes erklärt:
29
"Nach dem Niedersachsenmodell erhält man nach Interpolation für den
Klassifikationsbereich I eine prozentuale Bodenwertsteigerung von 9 %."
30
Im Anschluss hieran finden sich unter Ziffer 4.3 eines jeden Wertgutachtens
grundstücksbezogene Ausführungen und die konkrete Ermittlung des jeweiligen
Ausgleichsbetrages.
31
Das Wertgutachten für das Grundstück T1straße 172, 174 geht von einer tatsächlichen
wirtschaftlichen Ausnutzung von drei Geschossen aus; die Geschossflächenzahl wurde
mit 1,3 berechnet und ergibt sich aus einer Division der Geschossflächen von 1.101 m²
und der Grundstücksfläche von 845 m². Ausgehend von dem zum
Wertermittlungsstichtag als Endwert beschlossenen besonderen Bodenrichtwert für die
Xstraße 16-20 in Höhe von 215,- €/m² wird ein Abschlag aufgrund des Nachteils der
ungünstigeren Lage im Vergleich zur Bodenrichtwertlage und der gewerblichen
32
Nutzung im rückwärtigen Bereich in Höhe von rund 10 % auf rund 195 €/m² gemacht.
Sodann wird ein Zuschlag wegen des Vorteils der höheren baulichen Ausnutzung in
Höhe von 14 % gemacht. Aus dem so errechneten Bodenendwert in Höhe von rund 220
€/m² ergibt sich nach Multiplikation mit der Grundstücksgröße von 845 m² ein Endwert
für das gesamte Grundstück in Höhe von 185.900,- Euro.
Sodann wird der Anfangswert aus dem Endwert rückgerechnet, indem von 220 €/m² 9 %
Bodenwertsteigerung abgezogen werden; dies führt laut Gutachten zu gerundet 200
€/m² Anfangswert. Nach Multiplikation mit der Grundstücksgröße von 845 m² ergibt sich
ein Anfangswert von insgesamt gerundet 169.000,- Euro. Der
Sanierungsausgleichsbetrag ergibt sich entsprechend den Ausführungen im
Wertgutachten aus der Differenz von Endwert und Anfangswert, die für das Grundstück
insgesamt mit 16.900,- Euro beziffert wird.
33
Der Beklagte teilte den Klägern mit Schreiben vom 30. März 2010 unter Übersendung
des maßgeblichen Wertgutachtens mit, dass beabsichtigt sei, sie als hälftige
Miteigentümer von 72/1.000 Miteigentumsanteil am Grundstück T1straße 172, 174 zur
Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe von jeweils 608,40 € (16.900,- € x 72/1.000
x 1/2) und als hälftige Miteigentümer von 24/1.000 Miteigentumsanteil zur Zahlung eines
Ausgleichsbetrages in Höhe von jeweils 202,80 € (16.900,- € x 24/1.000 x 1/2)
heranzuziehen und gab den Klägern gemäß § 154 Abs. 4 BauGB vor der Festsetzung
der Ausgleichsbeträge Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 16. April
2010 äußerten sich die Kläger zu ihrer beabsichtigten Inanspruchnahme.
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Mit Bescheiden vom 25. Mai 2010 zog der Beklagte die Kläger sodann zur Zahlung von
Ausgleichsbeträgen in Höhe von jeweils 608,40 € und 202,80 € heran. Hierbei legte er
unter Übernahme der Berechnung aus dem zugrunde liegenden Wertgutachten einen
(rückgerechneten) Anfangswert von 200,- €/m² und einen Endwert von 220,- €/m²
zugrunde.
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Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 17. Juni 2010 fristgerecht Klage erhoben.
Zur Klagebegründung wird in diesem und in Parallelverfahren umfassend dazu
vorgetragen, die Heranziehung der Kläger zu Ausgleichsbeträgen im Jahr 2010 sei
aufgrund des großen Zeitabstandes zum Inkrafttreten der Sanierungssatzung im Jahr
1979 bzw. dem Abschluss der Sanierungsarbeiten im Jahr 1989 verwirkt bzw. der
Anspruch des Beklagten auf Erhebung von Ausgleichsbeträgen sei verjährt. Die Firma
D sei nicht so störend gewesen, dass dies zu einer Bodenwerterhöhung in Höhe von 9
% geführt hätte. Insbesondere hätte es keine erhebliche Lärm- und Geruchsbelästigung
gegeben und die Grenzwerte der TA-Luft seien nicht überschritten worden. Die im
Blockinnenbereich angesiedelte Grünanlage sei eine Fehlplanung, da sie als
"Hundetoilette" und "Aufenthaltsort für nicht Sesshafte" diene. Zudem sei von der im
Jahr 1989 gegebenenfalls vorhanden gewesenen Verbesserung nicht mehr viel übrig
geblieben. Die Anwendung des Niedersachsenverfahrens sei nicht sachgerecht und die
konkrete Wertberechnung nicht nachvollziehbar. Die Wertberechnung müsse auf den
Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung im Jahr 1989 bezogen werden.
Der Bodenanfangswert von 200,- Euro sei beliebig, da heute der Bodenrichtwert im
Gebiet bei 170,- Euro liege. Auch die Festlegung des Sanierungsgebiets sei nicht
nachvollziehbar.
36
Die Kläger beantragen,
37
die Bescheide des Beklagten vom 25. Mai 2010 aufzuheben.
38
Der Beklagte hält das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Wertgutachten
des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt P für zutreffend und
beantragt,
39
die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
41
Entscheidungsgründe:
42
Die Klage ist zulässig und begründet.
43
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 25. Mai 2010 sind rechtswidrig und
verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
44
Gemäß § 154 Abs. 1 S. 1 BauGB hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten
Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die
Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung
bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Gemäß § 154 Abs.
1 S. 2 BauGB sind bei Wohnungseigentum die einzelnen Wohnungseigentümer nur
entsprechend ihres Miteigentumsanteils heranzuziehen. Die durch die Sanierung
bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht gemäß § 154 Abs. 2
BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück
ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden
wäre (Anfangswert) und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die
rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets
ergibt (Endwert). Der Ausgleichsbetrag ist gemäß § 154 Abs. 3 S. 1 BauGB "nach
Abschluss der Sanierung (§§ 162, 163)" zu entrichten.
45
Die Voraussetzungen zur Erhebung von Ausgleichsbeträgen gemäß § 154 Abs. 1 S. 1,
Abs. 3 S. 1 BauGB durch den Beklagten liegen aus drei selbständig tragenden Gründen
nicht vor.
46
Zunächst hat die Aufhebungssatzung des Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem
Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 162
BauGB geführt, da die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel unwirksam ist. Die
Aufhebungssatzung wurde weder ausgefertigt noch ordnungsgemäß bekannt gemacht
(1.).
47
Unabhängig hiervon ist der Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 S. 1
BauGB nicht erst mit der – ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung des Beklagten
aus dem Jahr 2006, sondern schon wesentlich früher eingetreten, da die
Sanierungssatzung mit Aufgabe der gemeindlichen Absicht zur (weiteren)
Verwirklichung der Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden
ist. Damit ist die Erhebung von Ausgleichsbeträgen durch den Beklagten im Jahr 2010
gemäß § 155 Abs. 5 BauGB i.d.F. vom 8. Dezember 1986 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 KAG
NRW i.d.F. vom 21. Oktober 1969, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.d.F. vom 16. März 1976
48
NRW i.d.F. vom 21. Oktober 1969, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.d.F. vom 16. März 1976
festsetzungsverjährt (2.).
Zuletzt hält die Ermittlung der konkreten Sanierungsausgleichsbeträge einer
gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Die angefochtenen Bescheide erfüllen nicht die
Anforderungen, die an eine nachvollziehbare und methodengerechte Ermittlung der
sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung zu stellen sind. Die der
Ausgleichsbetragserhebung zugrunde liegenden Wertgutachten des
Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt P beruhen auf einer
fehlerhaften Anwendung des Niedersachsenverfahrens, sind in sich widersprüchlich
und führen nicht zu nachvollziehbaren Ergebnissen (3.).
49
1. Gemäß § 154 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 162 BauGB ist der
Ausgleichsbetrag nach Abschluss der Sanierung zu entrichten. Die "Satzung zur
Aufhebung der Satzung der Stadt P über die förmliche Festlegung des
Sanierungsgebietes "T" vom 12. Dezember 1978" ist mangels Ausfertigung und
aufgrund des Fehlens einer wirksamen, dem Ratsbeschluss zeitlich nachfolgenden
Bekanntmachungsanordnung aus formellen Gründen unwirksam und konnte daher nicht
zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne der vorgenannten Vorschriften führen.
50
Die am 29. Juni 2006 bekanntgemachte Satzung zur Aufhebung der Sanierungssatzung
vom 12. Dezember 1978 wurde nicht ausgefertigt. Für die Ausfertigung bestätigt der
Oberbürgermeister gemäß § 2 Abs. 3 Bekanntmachungsverordnung (BekanntmVO)
schriftlich, dass der Wortlaut der Satzung mit dem Ratsbeschluss übereinstimmt und
dass nach § 2 Abs. 1 und 2 BekanntmVO verfahren worden ist, insbesondere, dass
geprüft wurde, ob der Ratsbeschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) erweist sich die
Ausfertigung als ein Verfahrensschritt, der der Bekanntmachung vorauszugehen hat,
51
vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 1996 – 4 B 60/96 -; OVG NRW, Beschluss vom
14. Juli 2010 – 2 B 637/10.NE; OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2010 – 10 D 42/06.NE -;
OVG NRW, Urteil vom 13. November 2006 – 7 D 74/05.NE -.
52
Zur Ausfertigung führt das OVG NRW in seinem Urteil vom 18. Mai 2010 – 10 D
42/06.NE – maßgeblich aus, entscheidend für die Ausfertigung einer aus
zeichnerischen und textlichen Festsetzungen bestehenden Entwicklungssatzung sei die
Herstellung einer Originalurkunde, hinsichtlich derer dokumentiert werde, dass sie den
Inhalt der vom Rat beschlossenen Festsetzungen wiedergebe. Insoweit sei es
ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Oberbürgermeister als Vorsitzender des
Rates zeitlich nach dem Satzungsbeschluss, aber vor der Bekanntmachung der
Satzung schriftlich bestätige, dass der Rat an einem bestimmten Tag diese Satzung
beschlossen habe.
53
Eine derartige Bestätigung ist vorliegend nicht erfolgt und konnte auch gar nicht nach
dem Ratsbeschluss und vor der Anordnung der Bekanntmachung durch den
Oberbürgermeister erfolgen, da die Bekanntmachung bereits vor Beschluss des Rates
der Stadt P über die Aufhebungssatzung durch den Oberbürgermeister angeordnet
worden war und eine Übereinstimmung zwischen beschlossener und
bekanntzumachender Satzung daher mangels Satzungsbeschlusses (noch) gar nicht
überprüft werden konnte.
54
Bei den Vorschriften der BekanntmVO handelt es sich nicht nur um bloße
Ordnungsvorschriften, sondern um wesentliche Verfahrensvorschriften, deren
Verletzung grundsätzlich die Ungültigkeit der Satzung zur Folge haben,
55
vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2009 – OVG 10 A 4.08 -.
56
Das Unterbleiben einer Ausfertigung stellt darüber hinaus als Verstoß gegen ein
verfassungsrechtliches Gültigkeitserfordernis einen stets beachtlichen Mangel dar, auf
den auch fachgesetzliche Unbedenklichkeitsregelungen keine Anwendung finden
können,
57
vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 15. Januar 2010 – 1 D 26/07 -.
58
Zu den grundlegenden Geboten des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit gehört es,
dass die auszufertigende Norm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber
gewollten Inhalt erlassen wird. Nur durch die Ausfertigung der Satzung ist sichergestellt,
dass der textliche und zeichnerische Gegenstand der Satzung mit dem Willen des
Satzungsgebers im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung übereinstimmt. Sie ist zugleich
die Grundlage für die Verkündung der Norm als letztem Akt ihrer Hervorbringung,
59
vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 15. Januar 2010 – 1 D 26/07 -.
60
Dieser Mangel kann daher nur durch Neuausfertigung und Neubekanntmachung geheilt
werden,
61
vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2009 – OVG 10 A 4.08 -.
62
In formeller Hinsicht fehlt es darüber hinaus auch an einer ordnungsgemäßen
Anordnung der Bekanntmachung der Aufhebungssatzung gemäß § 2 Abs. 3
BekanntmVO. Die Anordnung der Bekanntmachung der Aufhebungssatzung wurde
ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Beklagten vordatiert und die
Bekanntmachung daher zu einem Zeitpunkt angeordnet, zu dem die
bekanntzumachende Satzung noch gar nicht vom Rat beschlossen worden war.
Aufgrund der auf den 20. Juni 2006 vordatierten Bekanntmachungsanordnung des
Beklagten wurde die Aufhebungssatzung bereits unter dem 12. Juni 2006 – sieben
Tage vor dem tatsächlichen Beschluss der Aufhebungssatzung durch den Rat der Stadt
P - an die Pressestelle mit der Bitte um Veröffentlichung in der Sonderausgabe des
Amtsblattes am 29. Juni 2006 übersandt. Die Bekanntmachungsanordnung ging daher
zu diesem Zeitpunkt mangels Beschlusses der bekanntzumachenden Satzung ins
Leere. Nach Vorliegen des Satzungsbeschlusses am 19. Juni 2006 wurde die
Aufhebungssatzung weder (erstmalig) ausgefertigt noch wurde die Bekanntmachung
der nunmehr beschlossenen Satzung (erneut) angeordnet. Da die
Bekanntmachungsanordnung nicht nur eine notarielle Funktion, sondern
Entscheidungscharakter hat - hierdurch wird u.a. festgelegt, zu welchem genauen
Zeitpunkt die Satzung bekanntgemacht wird -,
63
vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2009 – OVG 10 A 4.08 -,
64
kann auch dieser Mangel entsprechend der Regelung des § 7 Abs. 6 lit. b)
Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) nur durch Neuausfertigung und
Neubekanntmachung geheilt werden.
65
2. Unabhängig von der Unwirksamkeit der Satzung zur Aufhebung der
Sanierungssatzung des Beklagten ist die Erhebung von Ausgleichsbeträgen spätestens
seit dem Jahr 1997 gemäß §§ 155 Abs. 5 BauGB, 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW,
§ 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO festsetzungsverjährt, da der rechtliche Abschluss
der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 162
BauGB schon spätestens im Jahr 1992 mit Funktionslosigkeit der Sanierungssatzung
eintrat. Der Beklagte hatte spätestens im Jahr 1992 die weitere Verwirklichung der
Sanierungssatzung endgültig aufgegeben. Damit wurde die Sanierungssatzung des
Beklagten vom 4. Januar 1979 funktionslos und unwirksam.
66
In der einschlägigen Rechtsprechung zu dieser Thematik ist anerkannt, dass eine
Sanierungssatzung ebenso wie ein Bebauungsplan funktionslos werden und dadurch
ihre Rechtswirkungen verlieren kann,
67
vgl. OVG Saarland, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 1 A 387/08 -; Nds. OVG,
Beschluss vom 7. März 2003 – 1 ME 341/02 -; Hess. VGH, Urteil vom 28. Oktober
1993 – 4 UE 884/90 -; OVG Bremen, Urteil vom 30. Oktober 1979 – II BA 90/78 –; das
OVG Saarland, der Hessische VGH und das OVG Bremen hatten eine
Funktionslosigkeit der jeweiligen Sanierungssatzung im jeweils entschiedenen Fall
aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, weil die jeweilige Gemeinde die Verwirklichung
der Sanierungssatzung in den maßgeblichen Verfahren nicht gänzlich aufgegeben
hatte, sondern die Sanierung - in langsamerem Tempo - fortführte; vgl. zur
Funktionslosigkeit von Sanierungssatzungen auch Krautzberger,
Städtebauförderungsrecht, Kommentar und Handbuch, 49. Ergänzungslieferung, Mai
2010, § 142 Rn. 24.
68
Während ein Bebauungsplan dann funktionslos wird, wenn und soweit die tatsächlichen
Verhältnisse, auf die er sich bezieht, seine Verwirklichung auf unabsehbare Zeit
ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in seine Fortgeltung
gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient,
69
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 4 B 22/10 -,
70
wird eine Sanierungssatzung auch dann funktionslos, wenn die Gemeinde ihre
Verwirklichung nicht nur in langsamem Tempo vorantreibt, sondern endgültig
aufgegeben hat,
71
vgl. OVG Saarland, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 1 A 387/08 -.
72
Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Insoweit kann
dahinstehen, ob zugleich die Gründe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 7. Juni 1996 tragend sind, die He der Sozialbindung sei überschritten, wenn die
Sanierung nicht mehr sachgemäß und nicht hinreichend zügig durchgeführt werde; in
diesem Fall entfalle die Rechtsgültigkeit der Sanierungssatzung,
73
vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 1996 – 4 B 91/96 -.
74
Jedenfalls ist die Sanierungssatzung tatsächlich funktionslos geworden, weil der
Beklagte die vollständige Verwirklichung der Sanierungssatzung spätestens im Jahr
1992 aufgegeben hatte.
75
Die Sanierungsmaßnahmen waren entsprechend des übereinstimmenden Vortrags der
Parteien und ausweislich der vom Beklagten vorgelegten
Schlussverwendungsnachweise des Beklagten vom 27. September 1989 und 2. März
1990 im Jahr 1989 abgeschlossen. So wurden einerseits im Jahr 1989 noch
ergänzende Pflanz- und Pflasterarbeiten durchgeführt und es erfolgte am 26. Oktober
1989 der Verkauf des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma D in der M Straße
119 im Wege der Reprivatisierung.
76
Andererseits wurden im Sanierungsgebiet die im Schlussbericht der B empfohlenen
Maßnahmen der Auslagerung der Firma G und der Spedition I sowie der Abbruch der
Gebäude G2-Straße 140, 142 und Hstraße 88 ebenso wie die eigentümerseitige
Durchführung dringend für notwendig erachteter Gebäudemodernisierungen aus
finanziellen und/oder tatsächlichen Gründen nicht verwirklicht.
77
Die Tatsache, dass im Jahr 1989 schon alle aus Sicht des Beklagten durchführ- und
finanzierbaren Sanierungsarbeiten abgeschlossen waren und der Beklagte sodann mit
Schlussverwendungsnachweisen die erhaltenen Zuwendungen für die Durchführung
der Sanierungsmaßnahmen endgültig gegenüber dem Regierungspräsidenten
Düsseldorf abgerechnet hatte, zeigt, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits die
weitere Verwirklichung des Sanierungskonzepts endgültig aufgegeben hatte. Es spricht
daher einiges dafür, dass die Sanierungssatzung wegen der endgültigen Aufgabe der
gemeindlichen Absicht, das Sanierungskonzept weiter zu verwirklichen, bereits im Jahr
1989 funktionslos geworden war. Eine Funktionslosigkeit ist jedenfalls spätestens mit
Erteilung des letzten Schlussverwendungsnachweises vom 11. März 1992 bzw. mit dem
Schreiben des Regierungspräsidenten Düsseldorf vom 15. Juni 1992, in dem dieser das
Modellvorhaben T I (städtebaulicher Teil) für haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich
abgeschlossen erklärt hatte, eingetreten. Der genaue Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe
des Willens des Beklagten zur vollständigen Verwirklichung des Sanierungskonzepts
kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Spätestens im Jahr 1992 hatte
der Beklagte die vollständige Verwirklichung der Sanierung endgültig aufgegeben.
78
Mit dem Wegfall der Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 waren gemäß § 154
Abs. 3 S. 1 des BauGB i.d.F. vom 8. Dezember 1986 die Ausgleichsbeträge zu
entrichten. Soweit diese Norm hinsichtlich des Abschlusses der Sanierung nur auf die
Vorschriften der §§ 162, 163 BauGB i.d.F. vom 8. Dezember 1986 verweist, ist diese
Verweisung hinsichtlich des Tatbestandes, der zum rechtlichen Abschluss der
Sanierung führt, nicht abschließend. Auch die Funktionslosigkeit führt zum Wegfall der
Sanierungssatzung und damit zum Abschluss der Sanierung im Sinne dieser Norm. Die
vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist gemäß § 155 Abs. 5 BauGB i.d.F. vom 8.
Dezember 1986 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 KAG NRW i.d.F. vom 21. Oktober 1969, § 169
Abs. 2 Nr. 2 AO i.d.F. vom 16. März 1976 begann daher spätestens mit Ablauf des 31.
Dezember 1992 und endete spätestens am 31. Dezember 1996. Demnach ist die
vorliegend erfolgte Festsetzung von Ausgleichsbeträgen im Jahr 2010
festsetzungsverjährt.
79
3. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen sind die angefochtenen Bescheide
auch aus dem Grund rechtswidrig, weil die Ausgleichsbeträge gemessen an den
Vorschriften der §§ 154, 155 BauGB und den Vorgaben der – zum
Wertermittlungsstichtag gültigen - Wertermittlungsverordnung in der Fassung vom 18.
August 1997 (WertV) methodisch unzutreffend und zu Lasten der Kläger berechnet
80
wurden. Das den Bescheiden zugrunde liegende Wertgutachten beruht auf einer
methodisch falschen Anwendung des Niedersachsenverfahrens, da die Anfangswerte
der im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke nicht feststehen, beinhaltet
widersprüchliche Angaben in den jeweiligen Klassifikationstabellen und rechtfertigt
damit die konkrete Höhe der von den Klägern verlangten Ausgleichsbeträge – auch
unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dem Beklagten grundsätzlich ein
Wertermittlungsermessen zusteht - nicht.
Die mit dem Ausgleichsbetrag abzuschöpfende sanierungsbedingte
Bodenwerterhöhung im Sinne des § 154 Abs. 1 S. 1 BauGB ist der Unterschied
zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine
Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert) und dem
Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche
Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert, § 154 Abs. 2
BauGB). Bei der Ermittlung der Bodenwerte sind gemäß § 199 Abs. 1 BauGB die – für
den Gutachterausschuss bindenden - Vorschriften der WertV anzuwenden. Der Wert der
Bebauung bleibt ebenso wie die allgemeine Wertentwicklung auf dem
Grundstücksmarkt außer Ansatz. Abzustellen ist allein auf den Bodenwert (§ 28 Abs. 3
S. 1 WertV). Anfangs- und Endwerte sind daher gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 WertV auf
denselben Zeitpunkt zu ermitteln. Regelverfahren für die Bodenwertermittlung bebauter
und unbebauter Grundstücke ist das in den §§ 13 ff. WertV geregelte
Vergleichwertverfahren (§§ 28 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 26 Abs. 1, 15 Abs. 2, 21 Abs. 2
WertV). Der vom Beklagten mit der Ermittlung der Bodenwerterhöhung beauftragte
Gutachterausschuss hat die Anwendung des Vergleichswertverfahrens für das
Sanierungsgebiet "T" mit der Begründung abgelehnt, dass sowohl im Sanierungsgebiet
als auch in den Gebieten, die zum Vergleich herangezogen werden, Vergleichskauffälle
nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen (Seite 10 des Wertgutachtens).
Vorliegend besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ausreichende Daten für diese
Vergleichswertberechnung vorgelegen haben könnten.
81
Kann das Vergleichswertverfahren mangels ausreichender Daten für die Ermittlung des
Bodenwerts nicht angewandt werden, ist eine andere geeignete Methode zu wählen. Zu
verlangen ist hierbei jedoch, dass die Bodenwerterhöhung aufgrund einer rationalen,
die Gegebenheiten des Grundstücksverkehrs plausibel nachvollziehenden Methode
ermittelt wird,
82
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1996 – 4 B 69/95 -,
83
und diese Methode auch richtig angewendet wurde. An der zweiten Voraussetzung fehlt
es vorliegend. Der Gutachterausschuss berechnete die Höhe der Bodenwertsteigerung
nach seinen eigenen Ausführungen (Seite 12 ff. des Wertgutachtens) mit Hilfe des sog.
Niedersachsenverfahrens. Bei diesem Verfahren, bei dem es sich um eine allgemein
anerkannte, mathematisch-statistische Wertermittlungsmethode handelt,
84
vgl. OVG Saarland, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 1 A 387/08 -; Sächsisches OVG,
Beschluss vom 5. März 2009 – 1 A 374/08 – zum auf dem Niedersachsenverfahren
basierenden sog. "Chemnitzer Modell"; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.
November 2005 – 8 S 496/05; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Juli 2001 –
1 M 22/00 -; VG Arnsberg, Urteil vom 18. August 2008 – 14 K 2627/07 -; VG
Braunschweig, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 2 A 480/06 -,
85
wird der Endwert aus dem Anfangswert hergeleitet, indem unter Berücksichtigung der
Intensität der vorgefundenen Missstände und der zu deren Beseitigung durchgeführten
Maßnahmen nach dem von Kanngießer/Bodenstein entwickelten Klassifikationsmodell
die prozentuale Bodenwertsteigerung mit Hilfe einer von der konkreten Höhe des
Anfangswerts abhängigen Matrix bestimmt wird,
86
vgl. Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Kommentar und Handbuch, 6.
Auflage 2010, S. 2609 ff.; ausführlich: OVG Saarland, Urteil vom 9. Dezember 2009 –
1 A 387/08 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Januar 2005 – 8 S 722/04.
87
Das Niedersachsenverfahren stellt sich als ein Verfahren dar, bei dem der Endwert aus
dem Anfangswert mit Hilfe einer auf der Grundlage empirischer Untersuchungen
modellhaft berechneten sanierungsbedingten Wertsteigerung errechnet wird. Es beruht
auf den empirisch gewonnenen Erkenntnissen zum mathematisch-statistischen
Zusammenhang zwischen der Höhe der Anfangswerte und dem Ausmaß der
städtebaulichen Missstände in Relation zu den Sanierungsmaßnahmen auf der einen
Seite und der prozentualen Bodenwertsteigerung auf der anderen Seite. Im Hinblick auf
die Abhängigkeit der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung vom Wertniveau des
Anfangswertes stehen hierfür insgesamt fünf Tabellen zur Verfügung: Matrix A:
Anfangswerte bis 100 €/m²; Matrix B: Anfangswerte über 100 €/m² bis 200 €/m²; Matrix
C: Anfangswerte über 200 €/m² bis 300 €/m²; Matrix D: Anfangswerte über 300 €/m² bis
400 €/m²; Matrix E: Anfangswerte über 400 €/m². Die Höhe der sich aus der jeweiligen
Matrix ergebenden prozentualen Bodenwertsteigerung sinkt mit steigenden
Anfangswerten. Zwingende Voraussetzung für die Anwendung des Verfahrens ist also,
dass der Anfangswert ermittelt worden und dem Gutachter bekannt ist,
88
vgl. Kleiber, aaO, S. 2609,
89
da Untersuchungen ergeben haben, dass die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung
vor allem auch von der absoluten Höhe des Anfangswerts abhängig ist,
90
vgl. Kleiber, aaO.
91
Abweichend von den vorstehend dargestellten Grundsätzen zur Ermittlung der
sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung anhand des Niedersachsenverfahrens
beschloss der Gutachterausschuss vorliegend jedoch zunächst Endwerte als besondere
Bodenrichtwerte gemäß § 196 Abs. 1 S. 5 BauGB zum Wertermittlungsstichtag 29. Juni
2006 für fünf verschiedene Lagen im Sanierungsgebiet "T" unter Zugrundelegung des
Bodenrichtwerts "Wohngebiet Hstraße zwischen X1- und B1straße". Auf der Grundlage
dieser fünf besonderen Bodenrichtwerte wurden dann die jeweiligen Endwerte der
einzelnen Grundstücke nach dem Vergleichswertverfahren abgeleitet. Abweichungen
des jeweils zu bewertenden Grundstücks von dem maßgeblichen
Bodenrichtwertgrundstück in den wertbestimmenden Eigenschaften wie Lage, Art der
baulichen Nutzung, der tatsächlich realisierbaren bzw. realisierten
Geschossflächenzahl, Erschließungszustand und Grundstücksgestaltung wurden
entsprechend den Ausführungen in den Wertgutachten durch angemessene Zu- oder
Abschläge berücksichtigt. Der Werteinfluss der GFZ wurde anhand der Anlage 11
Wertermittlungsrichtlinien ("Umrechnungskoeffizienten für das Wertverhältnis von
gleichartigen Grundstücken bei unterschiedlicher baulicher Nutzung") erfasst.
Ausgehend von dem solchermaßen für jedes Grundstück gefundenen Endwert wurde
sodann der jeweilige Anfangswert durch Rückrechnung aus dem Endwert abgeleitet.
92
Hinsichtlich aller Grundstücke des Klassifikationsbereichs I – südlich der Hstraße -
wurde hierfür eine Bodenwerterhöhung von 9 % aufgrund eines arithmetischen Mittels
der Klassifikationswerte der städtebaulichen Missstände und der städtebaulichen
Maßnahmen von jeweils 3,25 unter Anwendung der "Matrix B: Anfangswerte über 100
€/m² bis 200 €/m²" ermittelt.
Dieses Vorgehen ist zunächst schon methodisch unrichtig. Das
Niedersachsenverfahren kann nur dann methodisch korrekt angewendet werden und zu
nachvollziehbaren Ergebnissen führen, wenn die Anfangswerte der im
Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke feststehen und dem Gutachter bekannt sind.
Diese Prämisse ist beispielsweise dann erfüllt, wenn entsprechend dem der
Entscheidung des OVG Saarland zugrunde liegenden Sachverhalt der historische
Anfangswert schon vor Beginn der Sanierungsmaßnahme festgestellt und unter
Berücksichtigung der allgemeinen Wertsteigerung fortgeschrieben wird. Alternativ
können auch zu Beginn der Sanierungsmaßnahme besondere Bodenrichtwerte
hinsichtlich des Werts des unbeeinflussten Zustandes der im zukünftigen
Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke beschlossen werden,
93
vgl. das Beispiel eines Wertgutachtens in Kleiber/Simon, Verkehrswertermittlung von
Grundstücken, 5. Auflage 2007, S. 2219.
94
Vorliegend wurden jedoch nicht die Anfangswerte vor Beginn der Sanierung ermittelt
und fortgeschrieben, sondern die Endwerte nach durchgeführter Sanierung als
besondere Bodenrichtwerte festgelegt und hieraus die Anfangswerte rückgerechnet.
Dies ist aufgrund der Abhängigkeit der konkreten prozentualen Bodenwertsteigerung
vom Anfangswert unzulässig.
95
Hinzu kommt, dass das Gutachten schon in seinen allgemeinen Ausführungen zum
Klassifikationsbereich I erklärt, dass die Bodenwerterhöhung in diesem Bereich 9 %
betrage, ohne überhaupt den konkreten Anfangswert des jeweils zu bewertenden
Grundstücks zu berücksichtigen (Seite 25 des Wertgutachtens). Bei Anfangswerten von
mehr als 200 €/m² – wie sie durchaus auch schon nach den Wertgutachten des
Gutachterausschusses vorkommen – ist unter Anwendung der einschlägigen Matrix C
jedoch nur eine geringere Bodenwerterhöhung anzunehmen. Schon die generelle
Festlegung einer prozentualen Bodenwerterhöhung von 9 % für den gesamten
Klassifikationsbereich I ist daher methodisch fehlerhaft. Die Wahl der richtigen Matrix,
aus der sich die jeweilige Bodenwerterhöhung ergibt, richtet sich gerade nach dem für
jedes Grundstück gesondert zu ermittelnden Anfangswert. Sind die Anfangswerte – wie
vorliegend - unbekannt, so kann nur eine Matrix "geschätzt" werden, die wohl
anwendbar sein könnte – dementsprechend hat der Gutachterausschuss für den
gesamten Klassifikationsbereich I die Matrix B zugrunde gelegt. Jede Matrix führt jedoch
zu unterschiedlichen prozentualen Bodenwertsteigerungen - je höher der Anfangswert,
desto niedriger ist die Bodenwertsteigerung bei gleichbleibend klassifizierten
städtebaulichen Missständen und städtebaulichen Maßnahmen.
96
Die Unkenntnis der tatsächlichen Anfangswerte der im Sanierungsgebiet gelegenen
Grundstücke führt bei der Anwendung des Niedersachsenverfahrens durch den
Gutachterausschuss auch im vorliegenden Fall zu einem nicht nachvollziehbaren und
auch unzutreffenden Ergebnis. Für das Grundstück T1straße 172, 174 wurde im
Wertgutachten ein Endwert von 220,- € ermittelt. Nach Abzug einer durch Anwendung
der Matrix B: "Anfangswert mehr als 100 bis 200 €/m²" ermittelten Bodenwertsteigerung
97
in Höhe von 9% vom Endwert soll der Anfangswert laut Gutachten bei rund 200,- €
liegen. 220,- €/m² abzüglich 9% ergibt jedoch nicht 200,- €, sondern 201,82 €. Bei einem
Anfangswert von mehr als 200 €/m² wäre dann aber die Matrix C "Anfangswert von mehr
als 200 bis 300 €/m²" anwendbar, die nur zu einer Bodenwerterhöhung von 7,75%
führen würde. Zieht man aber von einem Endwert von 220,- €/m² nur 7,75 %
Bodenwerterhöhung ab, so beträgt der Anfangswert schon 204,18 €/m². Demnach wäre
aber eindeutig die Matrix C: "Anfangswerte über 200 €/m² bis 300 €/m²" anzuwenden
und nicht die vom Gutachterausschuss im Klassifikationsbereich I stets zugrunde
gelegte Matrix B.
Eine noch geringere Bodenwerterhöhung würde sich vorliegend ergeben, wenn man bei
den klassifizierten städtebaulichen Missständen und Maßnahmen – aufgrund der
widersprüchlichen Angaben in den Klassifikationstabellen - nicht von den Werten
0+0+8+5, sondern von den – in den Klassifizierungstabellen unten unter "Summe"
angegebenen – Werten 0+0+9+3 ausgehen würde. Das arithmetische Mittel hieraus
wäre nicht jeweils 3,25, sondern jeweils 3.
98
Bei Anwendung der richtigen Matrix C: "Anfangswerte mehr als 200 €/m² bis 300 €/m²"
würde die Bodenwerterhöhung für das Grundstück Stöckmannstraße 172, 174 nach
Interpolation bei einem zugrunde liegenden arithmetischen Mittel der städtebaulichen
Missstände und der städtebaulichen Maßnahmen von jeweils 3,25 bei 7,75%, d.h. bei
13.410,15 € liegen. Unter Zugrundelegung eines arithmetischen Mittels der
klassifizierten städtebaulichen Missstände und der städtebaulichen Maßnahmen von
jeweils 3 würde die Bodenwerterhöhung nur bei 7%, d.h. bei 12.193,35 € liegen.
99
Das Wertgutachten führt auf der Grundlage einer angenommenen Bodenwerterhöhung
von 9 % zu einer Bodenwerterhöhung des Grundstücks Stöckmannstraße 172, 174 von
16.900,- €. Im erheblichsten Fall liegt die Differenz der sich aus einer – abgesehen von
der methodisch falschen Rückrechnung der Anfangs- aus den Endwerten - "korrekteren"
Anwendung des Niedersachsenverfahrens ergebenden zur im Gutachten tatsächlich
ermittelten Bodenwertsteigerung des Grundstücks bei 4.706,65 €. Im erheblichsten Fall
würden die auf die Kläger insgesamt entfallenden Ausgleichsbeträge demzufolge nicht
1.622,40 €, sondern lediglich 1.170,56 € betragen.
100
Angesichts der ausgeführten grundsätzlichen methodischen und konkreten
rechnerischen Zweifel an dem den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden
Wertgutachten entsprechen die Bescheide nicht den Voraussetzungen, die an eine
nachvollziehbare und methodengerechte Ermittlung der sanierungsbedingten
Bodenwerterhöhung zu stellen sind und sind damit auch aus diesem Grund aufzuheben.
101
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
102