Urteil des VG Düsseldorf vom 12.02.2010
VG Düsseldorf (bvo, land, versorgung, beihilfe, höhe, fürsorgepflicht, grund, umfang, verwaltungsgericht, rechnung)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 3534/09
Datum:
12.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 3534/09
Schlagworte:
Beihilfe Implantate Implantatgestützter Zahnersatz Freiendlücke
einseitige Freiendlücke
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100, EUR
abwenden, wenn nicht das beklagte Land zuvor Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die am 00. März 1955 geborene Klägerin, Steueroberamtsrätin im in E ausgeübten
Dienst des beklagten Landes, begehrt weitere Beihilfe zu einer Rechnung der
Gemeinschaftspraxis für Mund und Kieferchirurgie Dr. G in N vom 17. November 2008,
mit der ihr für das Einbringen von drei ennosalen Implantaten in regio 37, 36 und 47 am
15. September 2008 und weiteren damit im Zusammenhang stehenden Leistungen
insgesamt 3.032,30 EUR in Rechnung gestellt wurden.
2
Auf ihren Beihilfeantrag vom 21. Dezember 2008 erkannte das Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) mit Beihilfebescheid vom
20. Januar 2009 die Implantatversorgung als nicht nach § 4 Abs. 2 b BVO NRW indiziert
und damit nicht beihilfefähig an. Als beihilfefähig anerkannt wurde pauschalierend ein
Aufwand von 450, EUR pro Implantat und der Klägerin hierauf (1.350, EUR) nach ihrem
persönlichen Bemessungssatz (50%) eine Beihilfe in Höhe von 675, EUR gewährt.
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Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 8. Februar 2009 Widerspruch und berief sich auf
ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
15. August 2008, welches die Handhabung für rechtwidrig erklärt habe. Mit formlosem
Schreiben vom 18. Februar 2009 erläuterte das LBV der Klägerin die Regelung in § 4
Abs. 2 lit. b BVO NRW erneut. Das von der Klägerin erwähnte Urteil beziehe sich auf
eine nicht mehr gültige Rechtslage, nach der insbesondere die Aufwendungen für
Suprakonstruktionen nicht beihilfefähig gewesen seien, und sei daher auf aktuelle
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Sachverhalte nicht anzuwenden. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom
26. April 2009 erklärte hatte, an ihrem Widerspruch festhalten zu wollen, wies das LBV
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2009 unter Wiederholung der
Erwägungen aus dem Schreiben vom 18. Februar 2009 als unbegründet zurück.
Am 22. Mai 2009 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter
verfolgt und ausführt, das Urteil des OVG Münster sei weiterhin einschlägig. Ergänzend
trägt sie vor, bei ihr liege auch eine sogenannte einseitige Freieindlücke vor, welche
nach der Rechtsprechung der erkennenden Kammer die Beihilfefähigkeit begründe.
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Die Klägerin beantragt,
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das beklagte Land unter Abänderung des Beihilfebescheides des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom
20. Januar 2009 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides
desselben vom 6. Mai 2009 zu verpflichten, ihr auf die Rechnung der
Gemeinschaftspraxis für Mund und Kieferchirurgie Dr. G in Moers vom
17. November 2008 eine weitere Beihilfe in Höhe von 814,15 EUR zu
gewähren und das beklagte Land zu verurteilen, den Betrag in Höhe von
814,15 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22. Mai 2009
an sie zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
10
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat über die gewährte
Beihilfe hinaus keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu der hier streitigen
Rechnung vom 17. November 2008, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, und daher auch keinen
Zahlungsanspruch.
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Allerdings steht der Beihilfefähigkeit nicht bereits die Sonderregelung betreffend
implantatgestützten Zahnersatz in § 4 Abs. 2 lit b. BVO NRW entgegen. Die mit
Änderungsverordnung vom 12. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 756) in die BVO NRW
eingeführte Regelung in § 4 Abs. 2 lit. b Satz 1 BVO NRW, wonach Aufwendungen nach
Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses der GOZ nur bei den fünf dort genannten, hier
ersichtlich nicht vorliegenden, Indikationen beihilfefähig sind, ist unwirksam; die
Kammer wendet sie daher nicht an. Die Unwirksamkeit folgt daraus, dass die Vorschrift
mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unvereinbar ist. Zur weiteren Begründung wird
auf die den Beteiligten bekannten rechtskräftigen Urteile des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen
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vom 15. August 2008, 6 A 4309/05 und 6 A 2861/06 , beide Juris,
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verwiesen, denen sich die Kammer
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mit Urteil vom 16. Januar 2009, Aktenzeichen 26 K 4142/07, NRWE und Juris
16
angeschlossen hat. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen beanspruchen für die seither und bis zum 31. März 2009 in ihrem
Wesenskern unveränderte Vorschrift weiterhin Geltung. Soweit sich das beklagte Land
darauf beruft, die Entscheidungen beträfen nicht mehr gültige Regelungen, trifft dies
nicht zu. Für den Beihilfeberechtigten verbindliche Regelungen werden allein in der
insoweit sogar nachteilig geänderten BVO NRW getroffen und nicht in den
Verwaltungsvorschriften hierzu. Eine "Reparatur" der unverhältnismäßigen Regelungen
der BVO durch Verwaltungsvorschriften, wie es dem beklagten Land vorschwebt, ist
schon deshalb nicht möglich, weil die Verwaltungsvorschriften in § 4 Abs. 2 lit. b BVO
keine Grundlage finden.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O. (6 A 4309/05),
Randziffer 75 der Juris-Veröffentlichung.
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Insbesondere nachdem der Verordnungsgeber der BVO (mit Wirkung ab dem
1. Januar 2007 durch 21. Änderungsverordnung vom 22. November 2006, GV. NRW.
S. 596) den Wortlaut des § 4 Abs. 2 lit. b Satz 1 BVO NRW um die Passage "... sowie
der Suprakonstruktionen ..." ergänzt hat, kann im Ansatz nicht zweifelhaft sein, dass
nach dem Willen des Verordnungsgebers der BVO NRW bei Nichtvorliegen der
entsprechenden Indikationen nicht nur die Implantate im engeren Sinne (Leistungen
insbesondere nach den Ziffern 900 ff GOZ), sondern auch die darauf verankerten
Suprakonstruktionen nicht beihilfefähig sein sollen. Diesen Willen kann und darf der
Verfasser der Verwaltungsvorschriften nicht unterlaufen. Daher fehlt den
Verwaltungsvorschriften nicht nur eine formale Ermächtigung (zur Rückausnahme), sie
widersprechen darüber hinaus auch materiell ihnen im Rang vorgehendem Recht. Es
kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Verwaltungsvorschriften schon nach ihrem
Wortlaut (... "bestehen keine Bedenken"...) keinen Leistungsanspruch begründen
können und wollen, wozu sie nach ihrer Rechtsnatur auch nicht in der Lage wären.
Durch eine Änderung der Verwaltungsvorschriften zur BVO NRW kann daher die
fehlende Verhältnismäßigkeit des § 4 Abs. 2 lit. b Satz 1 BVO NRW nicht
wiederhergestellt werden.
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Maßgeblich für die Beihilfefähigkeit ist daher unmittelbar § 3 Abs. 1 Satz 1 BVO NRW,
wonach die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang beihilfefähig sind.
20
Die Kammer geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass bei ihr eine Versorgung mit
Zahnersatz dem Grunde nach notwendig war. Die durch die Wahl eines
implantatgestützten Zahnersatzes entstandenen Aufwendungen sind jedoch der Höhe
nach nicht angemessen i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 BVO NRW i.V.m. § 88 Satz 2 LBG NRW
a.F., weil preisgünstigere Behandlungsalternativen zur Verfügung standen.
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Aufwendungen in Krankheitsfällen sind dem Grunde nach notwendig, wenn sie für eine
medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der
Gesundheit oder der Besserung oder Linderung von Leiden dient. Die Aufwendungen
sind der Höhe nach angemessen, wenn und soweit keine gleich wirksame
preisgünstigere Behandlung zur Verfügung steht.
22
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Februar 2009, 2 C 23.08 , Juris,
23
ebenda Randziffer 9 zu den in der Beihilfeverordnung des Bundes (BhV Bund § 5
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2) entsprechend verwendeten Begriffen.
Mit der Einschränkung der Beihilfefähigkeit durch den Begriff der Angemessenheit bringt
der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Dienstherr nicht uneingeschränkt alle Kosten
für krankheitsbedingte Aufwendungen erstatten muss, zu deren Zahlung der Beamte
sich Dritten gegenüber verpflichtet hat. Der Dienstherr ist lediglich gehalten, eine
medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall zu
gewährleisten.
24
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Januar 2009, 2 C 129.07 , Juris,
unmittelbar zu § 88 Satz 2 LBG NRW und § 3 BVO.
25
Die Klägerin hat die vom beklagten Land durch Berufung auf § 4 Abs. 2 lit. b BVO NRW
bezweifelte und bestrittene Angemessenheit der konkret gewählten
Behandlungsvariante nicht belegt. Im Regelfall steht bei der Versorgung einer aus
welchem Grund auch immer beeinträchtigten Sprech- und Kaufunktion außer der
Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz eine kostengünstigere
Alternativversorgung durch herkömmlichen, nicht implantatgestützten Zahnersatz
insbesondere in Gestalt von Brücken
26
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
15. August 2008, 6 A 2861/06 , Juris, ebenda Randziffer 41 m.w.N.
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oder Prothesen zur Verfügung, mit der eine medizinisch zweckmäßige und
ausreichende Versorgung gewährleist ist. Eine Versorgung mit nicht implantatgestützten
Zahnersatz ist auf Grund des Entfalls der Honorarpositionen der Ziffern 900 GOZ und
auf Grund des Entfalls der erheblichen Kosten für das vorkonfektionierte
Implantatmaterial regelmäßig deutlich preisgünstiger als eine Versorgung mit
implantatgestütztem Zahnersatz. Die wegen der relativen Neuheit der Möglichkeiten der
Implantatversorgung im Vergleich zu konventionellem Zahnersatz (Brücken oder
Prothesen) prinzipiell gerechtfertigte Annahme, dass mittels konventionellem
Zahnersatz eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung möglich
gewesen wäre und damit der Behandlungserfolg kostengünstiger hätte erreicht werden
können, hat die Klägerin nicht erheblich angegriffen. Die Klägerin hat zu keiner Zeit
behauptet, eine Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz sei zahntechnisch
alternativlos gewesen.
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Die Klägerin hat auch zu keiner Zeit behauptet, geschweige denn durch Heil- und
Kostenplan belegt, dass eine herkömmliche, implantatlose Versorgung mit Zahnersatz
in ihrem Fall wegen besonderer Umstände des Einzelfalls teurer gewesen wäre als die
gewählte Versorgungsart mit Implantaten.
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Es liegt auch keine Konstellation vor, in welcher ohne individuelle Glaubhaftmachung
entweder der zahntechnischen Alternativlosigkeit oder der Wahl der kostengünstigsten
Versorgungsart Beihilfe zu den streitigen Aufwendungen gewährt werden kann.
Derartige Konstellationen liegen insbesondere dann vor, wenn die Verweisung des
Beamten auf die preisgünstigere Versorgungsart mit implantatlosem Zahnersatz das
Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzen würde. Die Fürsorgepflicht gebietet es, im
Rahmen des Beihilferechts vor allem solche Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen,
welche die Betroffenen möglichst gering belasten. Aus diesem Grund ist es
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unverhältnismäßig und mit der Fürsorgepflicht unvereinbar, den Beamten in der
Konstellation der von gesunden Zähnen benachbarten Einzelzahnlücke auf eine Brücke
zu verweisen, zu deren Verankerung eben diese gesunden Zähne beschliffen werden
müssten.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
15. August 2008, 6 A 2861/06 , Juris.
31
Eine derartige Konstellation (Einzelzahnlücke) liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor.
Die Kammer sieht darüber hinaus in den Regelungen in Gestalt der vormals geltenden
Ziffer 5.5. der Verwaltungsvorschriften weitere Sachverhalte, in denen der Beamte nicht
auf die Versorgung mit konventionellem Zahnersatz verwiesen werden kann. Vor der
Einführung von § 4 Abs. 2 lit. b BVO NRW in die Beihilfeverordnung (durch die
19. ÄndVO) bestimmte die durch Runderlass des Finanzministeriums vom 23. Mai 1997
B 3100 0.7 IV A 4 (MBL. NRW. S. 700) in die Verwaltungsverordnung zur Ausführung
der BVO NRW eingeführte Nummer 5.5 Satz 1 (nachfolgend VVzBVO alt genannt):
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Aufwendungen für eine Implantatversorgung einschließlich aller damit verbundenen
weiteren Leistungen können nur in folgenden Fällen als notwendig angesehen
werden: a) Versorgung eines atrophischen zahnlosen Unterkiefers mit einer
implantatgestützten Totalprothese; b) einseitige Freiendlücke, wenn mindestens die
Zähne acht, sieben und sechs fehlen; c) Einzelzahnlücke, wenn die benachbarten
Zähne kariesfrei, füllungsfrei und nicht überkronungsbedürftig sind.
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Ungeachtet der darin einheitlich verwendeten Formulierung "notwendig", handelt es
sich bei den geregelten Sachverhalten um vorweggenommene und vereinheitlichende
Regelungen sowohl der Notwendigkeit als auch der Angemessenheit von
Aufwendungen mit unterschiedlichem Schwerpunkt. Während in der Variante a)
sicherlich Notwendigkeitserwägungen eine wesentliche Rolle spielen, überwiegen bei
der Variante c) (Einzelzahnlücke), weil technisch regelmäßig auch eine an
Nachbarzähnen zu verankernde Brücke in Betracht kommt,
Angemessenheitserwägungen. Die Kammer hält daher auch daran fest, dass eine
Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz in allen in Nummer 5.5 Satz 1 VVzBVO
alt genannten Indikationen regelmäßig notwendig und angemessen und damit dem
Grunde nach beihilfefähig ist.
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Eine Indikation nach Nummer 5.5 Satz 1 VVzBVO alt liegt bei der Klägerin jedoch nicht
vor. Insbesondere liegt bei ihr keine einseitige Freiendlücke vor i.S.v. Nr. 5.5 Satz 1
Buchstabe b) VVzBVO vom 9. April 1965 in der Fassung vom 23. Mai 1997 vor. Danach
konnten Aufwendungen für eine Implantatbehandlung bei Vorliegen einer einseitigen
Freiendlücke, wenn mindestens die Zähne acht, sieben und sechs fehlen, als notwendig
angesehen werden. Nach der Definition im zahnmedizinischen Bereich meint der Begriff
"einseitige Freiendlücke" eine Situation, in der ein Seitenzahnbereich eines Kiefers
bezahnt ist und auf der zweiten Seite mindestens die Molaren fehlen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.
Februar 2007, 6 A 440/05 und Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 13. August 2004,
19 K 8973/02 , beide Juris.
36
Eine solche Situation lag bei der Klägerin vor Beginn der Behandlung nicht vor.
Ausweislich des Heil- und Kostenplans der Zahnarztpraxis L fehlten bei der Klägerin
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nicht nur im Unterkiefer links die Zähne 36, 37 und 38, sondern auf der gegenüber
liegenden Seite im Unterkiefer rechts auch die Zähne 47 und 48. Das Fehlen von
Zahn 47 begründete hier auch einen Behandlungsbedarf, da andernfalls der
korrespondierende Zahn 17 im Oberkiefer ohne Gegenpart herauszuwachsen gedroht
hätte, wie der Kammer aus einer Reihe von beihilferechtlichen Verfahren dienstlich
bekannt und durch den Behandler im übrigen auch mit E-Mail vom 11. Februar 2010 an
die Bevollmächtigten der Klägerin bestätigt.
Damit lag bei der Klägerin eine sogenannte beidseitige Freiendlücke im Unterkiefer vor,
die die einschlägige Indikation nicht erfüllt. Sachlicher Grund der Differenzierung ist,
dass sich eine herkömmliche prothetische Versorgung bei fehlender Symmetrie aus
Stabilitätsgründen schwieriger gestaltet als bei doppelseitiger Freiendsituation.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.
Februar 2007, a.a.O. sowie die den Beteiligten im Termin erteilten Hinweise.
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Die Klägerin hätte hier technisch mit einer annähernd symmetrischen Brücke versorgt
werden können, die auch höchstwahrscheinlich auf nach dem Heil- und Kostenplan
bereits vorhandenen Zahnstümpfen in Regio 46, 45 rechts und in Regio 34, 35 links und
daher ohne die Notwendigkeit des erstmaligen Beschleifens gesunder Zähne hätte
verankert werden können. Die Aufwendungen der Klägerin für implantatgestütztem
Zahnersatz sind daher unangemessen und deshalb nicht beihilfefähig.
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Die Klägerin kann einen Beihilfeanspruch auch nicht unmittelbar aus der Fürsorgepflicht
herleiten. Es kann dahinstehen, ob die Fürsorgepflicht verletzt wäre, wenn die Klägerin
bei der hier gegebenen Wahl des zahnmedizinisch sicherlich sinnvollen
implantatgestützten Zahnersatzes die Kosten in vollem Umfang allein tragen müsste.
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Vgl. auch insoweit Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 15. August 2008, a.a.O.
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Denn das beklagte Land beteiligt sich an den Kosten des implantatgestützten
Zahnersatzes in erheblichem Umfang dadurch, dass es zu den Aufwendungen für die
Suprakonstruktion in vollem Umfang Beihilfe gewährt und sich an den Kosten der
Implantate durch Anerkennung erheblicher Pauschalbeträge beteiligt. Im vorliegenden
Zusammenhang (Verletzung der Fürsorgepflicht) unerheblich ist, dass die gewährten
anteiligen Leistungen auf einer vom Wortlaut der BVO NRW abweichenden Regelung in
Verwaltungsvorschriften beruhen. Denn durch die im vorliegenden Verfahren
feststellbare und der Kammer auch aus anderen Verfahren bekannte tatsächliche
Anwendung der Regelung in den Verwaltungsvorschriften ist durch Art. 3 Abs. 1 GG
sicher gestellt, dass die nach der BVO NRW nicht vorgesehenen Rechtsposition
einklagbar sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren
Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711,
709 Satz 2 ZPO.
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