Urteil des VG Düsseldorf vom 23.03.2010

VG Düsseldorf (auf probe, einstellung, kläger, altersgrenze, beamtenverhältnis, probe, berufliche tätigkeit, ex nunc, zeitpunkt, wissenschaft und forschung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 5860/09
Datum:
23.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 5860/09
Leitsätze:
Die Bestimmungen der LVO NRW über die Höchstaltersgrenze für die
Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe in der seit dem
18.07.2009 geltenden Fassung sind mit höherrangigem Recht vereinbar,
werden insbesondere den Anforderungen der Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2009 - 2 C 18.07 - u.a. gerecht.
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Überschreiten der
Höchstaltersgrenze oder eine Ausnahme von dieser zuzulassen ist.
Das Gericht entscheidet über den geltend gemachten Anspruch auf
Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach der im Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung maßgebenden und nicht nach der Sach-
und Rechtslage, die in dem - zwischen den Urteilen des BVerwG vom
19.02.2009 und dem Inkrafttreten der geänderten LVO NRW - gelegenen
Zeitpunkt der erneuten Antragstellung galt.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der am 00. September 1959 geborene Kläger steht als Lehrer im Angestelltenverhältnis
im öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes. Er begehrt die Einstellung in das
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Beamtenverhältnis auf Probe.
Er leistete nach dem Abitur in der Zeit von Juli 1978 bis September 1979 Wehrdienst
und nahm danach ein Lehramtsstudium auf, das er am 9. März 1988 mit der Ersten
Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II mit den Fächern Biologie und
Sport abschloss. Danach durchlief er ein Promotionsverfahren. Im Anschluss an seine
Promotion zum Dr. rer. nat. im Juni 1992 war er als Angestellter bei der L GmbH tätig. Er
trat am 15. Dezember 1994 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt der Sekundarstufe
II an und bestand am 15. November 1996 die Zweite Staatsprüfung. Seit Januar 1997
war er zunächst aufgrund befristeter Arbeitsverträge als Lehrer am N-Berufskolleg in T
tätig. Der Kläger hat drei in den Jahren 1994, 1995 und 1999 geborene Kinder.
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Im Dezember 1997 bewarb er sich um eine am N-Berufskolleg ausgeschriebene
unbefristete Stelle. Die Bezirksregierung E (Bezirksregierung) unterbreitete ihm
daraufhin ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, durch den er mit Wirkung
vom 10. August 1998 auf unbestimmte Zeit als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis
beschäftigt wurde. Der Kläger nahm dieses Angebot an.
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Mit Schreiben vom 4. Mai 2009 forderte der Kläger die Bezirksregierung auf, ihn in das
Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen. Die im Jahr 1998 erfolgte Ablehnung seiner
Übernahme in das Beamtenverhältnis sei rechtswidrig gewesen, weil eine
Höchstaltersgrenze nicht existiert habe. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe mit
Urteilen vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 – u.a. (BVerwGE 133, 143) die Regelungen
der Altersgrenze in § 52 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die
Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen in der Fassung der
Bekanntmachung vom 23. November 1995 (GV. NRW. 1996 S. 1), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 3. Mai 2005 (GV. NRW. S. 498 – nachfolgend: LVO a.F.), als
unwirksam angesehen.
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Die Bezirksregierung teilte dem Kläger daraufhin mit, über den Antrag könne erst
entschieden werden, wenn die Landesregierung die weitere Verfahrensweise festgelegt
habe. Nachdem durch die Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und
anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009 (GV. NRW. S. 381 –
nachfolgend: Änderungsverordnung) mit Wirkung vom 18. Juli 2009 u.a. die
Regelungen der Laufbahnverordnung (nachfolgend: LVO n.F.) über die
Höchstaltersgrenze neu gefasst worden waren, lehnte die Bezirksregierung den
Übernahmeantrag des Klägers durch Bescheid vom 19. Oktober 2009 mit folgender
Begründung ab: Der Kläger habe auch die neue Höchstaltersgrenze von 40 Jahren um
mehr als zehn Jahre überschritten. Ein Ausnahmetatbestand sei nicht gegeben. Dass
der Antrag vor Inkrafttreten des LVO NRW gestellt worden sei, sei unerheblich. Ein
Vertrauen in eine höhere Altersgrenze als 35 Jahre sei vor Ergehen der Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 nicht gegeben gewesen und
hierdurch auch nicht begründet worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe nur die
normtechnische Ausgestaltung, nicht jedoch die Altersgrenze generell für unzulässig
erklärt. Die Neufassung der Laufbahnverordnung begegne keinen rechtlichen
Bedenken.
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Der Kläger hatte bereits am 10. September 2009 die vorliegende Klage – als
Untätigkeitsklage - erhoben. Zur Begründung trägt er nunmehr vor:
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Ihm könne nicht entgegen gehalten werden, dass durch die Änderungsverordnung eine
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neue Sach- und Rechtslage entstanden sei. Vielmehr sei aus den im Urteil des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 31.
August 2007 6 A 4257/05 – dargelegten Erwägungen die Rechtslage maßgebend, die
im Zeitpunkt seines Antrags auf Übernahme in das Beamtenverhältnis (Mai 2009)
gegolten habe. Seinerzeit habe aus den Gründen der Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 hinsichtlich der Höchstaltersgrenze
ein regelungsfreier Zustand bestanden. Auf dieser Rechtsgrundlage hätte nach den
Grundsätzen des Vertrauensschutzes (erneut) über sein Einstellungsbegehren
entschieden werden müssen. Wäre dies unverzüglich geschehen, wäre seine
Einstellung in das Beamtenverhältnis erfolgt. Der Ansicht des Beklagten, ein
schutzwürdiges Vertrauen sei nicht anzuerkennen, sei entgegenzuhalten, dass
angestellte Lehrer in Nordrhein-Westfalen über viele Jahre hinweg deutlich schlechter
gestellt gewesen seien als in anderen Bundesländern und vor 1990 auch in Nordrhein-
Westfalen.
Selbst wenn man dem nicht folge, habe er einen Anspruch auf Verbeamtung. Denn
auch in ihrer neuen Fassung enthalte die Laufbahnverordnung keine wirksame
Regelung der Höchstaltersgrenze. Die Änderungsverordnung leide bereits an einem
durchgreifenden Verfahrensfehler, weil eine ordnungsgemäße Beteiligung der
Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände gemäß §
94 LBG NRW nicht erfolgt sei. Insbesondere habe der Deutsche Gewerkschaftsbund
nicht auf seine (weitere) Beteiligung verzichtet. Dieser Mangel sei auch nicht
nachträglich geheilt worden. Die neue Laufbahnverordnung werde den vom
Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen auch inhaltlich nicht gerecht.
Die Neuregelung sei nicht auf der Grundlage einer plausiblen und nachvollziehbaren
Planung vorgenommen worden. Es fehle insbesondere an Materialien, anhand derer
sich etwa die Überlegungen im Hinblick auf die Schaffung ausgewogener
Altersstrukturen nachvollziehen ließen. Die Regelung des § 6 Abs. 2 LVO n.F.
berücksichtige zudem nicht die vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in den
Blick genommene Gruppe der Bewerber des zweiten Bildungsweges. Diese würden
auch nicht von der viel zu vagen Ermessensbestimmung des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
LVO n.F. erfasst. Die dortige Härtefallregelung sei ferner wegen der zahlreichen
unbestimmten Rechtsbegriffe nicht praktikabel und begründe die Gefahr, dass die
Ausnahmegewährung im Laufe der Zeit wiederum wesentlich vom Ermessensgebrauch
abhänge. § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVO n.F. sei gleichfalls zu wenig konkret gefasst,
nehme insbesondere keine eigene Gruppenbildung vor, sondern überlasse die
Entscheidung auch insoweit wieder der Verwaltungspraxis. Im Übrigen sei über die
Vereinbarkeit der Höchstaltersgrenze mit Gemeinschaftsrecht auch noch nicht vom
Europäischen Gerichtshof entschieden worden.
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Gehe man gleichwohl von der Wirksamkeit der LVO n.F. aus, sei der ablehnende
Bescheid der Bezirksregierung gleichfalls rechtsfehlerhaft. Er habe jedenfalls einen
Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nach § 84 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 LVO n.F., weil sich sein beruflicher Werdegang aus von ihm nicht zu
vertretenden Gründen in einem Maß verzögert habe, das die Anwendung der
Höchstaltersgrenze als unbillig erscheinen lasse. Sowohl die Promotion als auch die
anschließende berufliche Tätigkeit in der freien Wirtschaft kämen seiner Tätigkeit als
Lehrer zugute. Jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen,
dass er Vater dreier Kinder sei.
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Sofern man einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme nicht anerkenne, sei der
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Beklagte jedenfalls zur Neubescheidung seines Antrags auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis zu verpflichten, weil er im Hinblick auf die Gewährung einer
Ausnahme nicht die gebotenen Ermessenserwägungen angestellt habe. Die
Bezirksregierung sei in ihrem Bescheid vom 19. Oktober 2009 – anders als etwa die
Bezirksregierung B in gleichartigen Fällen - mit keinem Wort auf seine im Sinne des §
84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO n.F. beachtlichen persönlichen Verhältnisse eingegangen.
Ein solcher Nichtgebrauch des behördlichen Ermessens führe, wie das erkennende
Gericht bereits mit Urteil vom 14. Januar 1992 – 2 K 1122/90 – entschieden habe, zur
Rechtswidrigkeit des ab-lehnenden Bescheides.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E
vom 19. Oktober 2009 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einstellung in
das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Er nimmt Bezug auf den Inhalt des ablehnenden Bescheides und führt ergänzend aus:
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Der Kläger habe die maßgebliche Höchstaltersgrenze von nunmehr 40 Jahren
überschritten. Dass der Kläger die Übernahme in das Beamtenverhältnis vor
Inkrafttreten der LVO n.F. beantragt habe, sei unerheblich, weil ein Vertrauensschutz auf
das Nichtbestehen einer Höchstaltersgrenze zu keiner Zeit gegeben gewesen sei.
Insoweit verweise er auf die Urteile des erkennenden Gerichts vom 6. Oktober 2009.
Beachtliche Verzögerungszeiten nach § 6 Abs. 2 bis Abs. 5 LVO n.F. mache der Kläger
nicht geltend. Auch gegen die Wirksamkeit der neuen Regelungen der Altersgrenze
bestünden nach der Recht-sprechung des erkennenden Gerichts keine Bedenken.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
18
Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der die Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe ablehnende Bescheid der Bezirksregierung vom 19.
keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte über sein Einstellungsbegehren unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5
Satz 2 VwGO).
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Der Beklagte hat den erneuten Antrag des Klägers vom 4. Mai 2009 auf Einstellung in
das Beamtenverhältnis auf Probe rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Verbeamtung des
Klägers stehen die Bestimmungen über die Höchstaltersgrenze der
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Laufbahnverordnung in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung entgegen (dazu
unter I.). Diese Bestimmungen sind wirksam (dazu unter II.). Maßgebend ist die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der (heutigen) gerichtlichen Entscheidung (dazu unter III.).
Ein Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe scheitert allerdings
nicht schon daran, dass der in der Bewerbung um Einstellung in den Schuldienst aus
Dezember 1997 enthaltene frühere Verbeamtungsantrag des Klägers durch die
damalige Unterbreitung lediglich eines unbefristeten Arbeitsvertrages (konkludent)
abgelehnt worden und diese Entscheidung nach Ablauf eines Jahres (vgl. § 58 Abs. 2
VwGO) bestandskräftig geworden war. Denn die Bezirksregierung hat mit dem
angefochtenen Bescheid eine Entscheidung in der Sache getroffen und somit auch den
Weg zu einer inhaltlichen Überprüfung des Einstellungsbegehrens durch das Gericht
eröffnet. Aus diesem Grund kann letztlich offenbleiben, ob ein weiterer, auf veränderte
Umstände gestützter Einstellungsantrag ohne Rücksicht auf das Vorliegen der
Voraussetzungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW)
ohnehin als Neuantrag sachlich zu bescheiden ist, weil der Regelungsgehalt der
früheren Entscheidung nur die damalige Rechtslage betraf, insbesondere keinen
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellte.
23
So zur abschlägigen Bescheidung eines Einstellungsantrags ausdrücklich:
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 10. Juli 1982 – 2 B 71.80 -, juris;
vgl. auch BVerwG, Urteile vom 14. März 1984 – 6 C 107.82 -, BVerwGE 69, 90, und
vom 3. Februar 1988 – 6 C 49.86 -, BVerwGE 79, 33; VG Aachen, Urteil vom 16. Juli
2009 – 1 K 835/09 -, juris; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 51 Rn. 47 und 49; Kopp/Ramsauer,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2008, § 51 Rn. 7a und 27.
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Gleichfalls kann dahinstehen, ob – sähe man den Weg über das Wiederaufgreifen des
bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens als zwingend an – aufgrund der Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 (a.a.O.)
Wiederaufgreifensgründe gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG NRW vorliegen oder ob es sich
hierbei lediglich um eine Änderung der gerichtlichen Spruchpraxis handelt, die
ungeachtet dessen einer Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG NRW nicht gleichzustellen ist, dass durch diese neue Rechtsprechung zugleich
die der früheren Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtnormen als unwirksam
angesehen worden sind.
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Für Letzteres: BVerwG, EUGH-Vorlage vom 7. Juli 2007 – 6 C 24.03 -, BVerwGE 121,
226; Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 103 ff.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 30.
26
I. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf
Probe, weil er die nach der Laufbahnverordnung in der derzeit geltenden Fassung (LVO
n.F.) einzuhaltende Höchstaltersgrenze überschritten hat.
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Art. 33 Abs. 2 GG und die zur Konkretisierung dieser Norm ergangenen
beamtenrechtlichen Vorschriften,
28
vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen
und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008, BGBl. I S. 1010 - nachfolgend:
BeamtStG – i.V.m. § 9 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 des mit Wirkung vom 1. April 2009 in Kraft
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getretenen Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009,
GV. NRW. S. 224 - nachfolgend: LBG NRW -; inhaltsgleich: § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der
Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW. S. 234, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 18. November 2008, GV. NRW. S. 706 - nachfolgend: LBG a.F. -,
gewähren keinen unmittelbaren Anspruch auf Einstellung oder Übernahme in ein
Beamtenverhältnis. Die Entscheidung hierüber liegt vielmehr im pflichtgemäßen
Ermessen des Dienstherrn, der dabei den Grundsatz gleichen Zugangs zu jedem
öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten hat.
Der Zugang zu einem solchen Amt ist zudem abhängig von der Erfüllung bestimmter
gesetzlicher Anforderungen, zu denen insbesondere auch die laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen gehören. Im Falle des Klägers fehlt es hieran wegen Überschreitens
der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze.
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Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 LVO n.F. darf als Laufbahnbewerber nach § 5
Abs. 1 Buchstabe a LVO n.F. in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder
übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der am
16. September 1959 geborene Kläger hat diese Höchstaltersgrenze im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung aber um rund 10 ½ Jahre überschritten.
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Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO n.F., die eine Überschreitung der Altersgrenze
von 40 Jahren wegen zwingend zu beachtender Verzögerungsgründe ermöglicht, greift
nicht zu Gunsten des Klägers ein. Nach dieser Bestimmung darf dann, wenn sich die
Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe u.a. wegen Ableistung
einer Dienstpflicht nach Art. 12 a GG (Buchstabe a), wegen der Geburt oder Betreuung
eines Kindes unter 18 Jahren (Buchstabe c) oder wegen der tatsächlichen Pflege eines
nach einem Gutachten pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Buchstabe d) verzögert
hat, die jeweilige Altersgrenze im Umfang der Verzögerung überschritten werden. Dabei
kann der Zeitverlust im Zusammenhang mit dem Erwerb der Vorbildung für die
Einstellung in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt, während des
Vorbereitungsdienstes selbst, anlässlich der Laufbahnprüfung oder in dem Zeitraum
danach eingetreten sein. Betreuungs- bzw. Pflegetätigkeiten sind aber zunächst nur
dann beachtlich, wenn sie den Tagesablauf der Betreuungsperson geprägt, d.h. im
Vergleich zu anderen Tätigkeiten in Ausbildung und/oder Beruf deutlich überwogen
haben. Aus der Verwendung des Wortes "wegen" folgt zudem, dass eine beachtliche
Verzögerung nur dann anzuerkennen ist, wenn der Verzögerungstatbestand
(Dienstverpflichtung, Betreuung minderjähriger Kinder, Pflege Angehöriger) ursächlich
dafür gewesen ist, dass die Einstellung in den öffentlichen Dienst erst nach Vollendung
der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze möglich wurde. Daran fehlt es unter
anderem dann, wenn es nach der Betreuungszeit zu vermeidbaren Verzögerungen
gekommen ist.
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Ständige Rechtsprechung zu der insoweit inhaltsgleichen Regelung des § 6 Abs. 1
Satz 3 und 4 LVO a.F., vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 – 2 C 6.98 -, DÖD 1999,
140; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile
vom 16. März 2004 6 A 1524/02 , vom 28. Mai 2003 6 A 510/01 , DÖD 2004, 27, vom
7. September 1994 6 A 3377/93 , ZBR 1995, 113, und vom 6. Juli 1994 6 A 1725/94 ;
Urteile des erkennenden Gerichts vom 23. Mai 2007 2 K 5117/05 , vom
26. September 2006 – 2 K 3325/06 , vom 15. März 2005 2 K 422/03 und vom
18. November 2002 – 2 K 3829/00 .
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Hieran hat sich durch die sprachlich im Wesentlichen unverändert gebliebene
Neufassung der Laufbahnverordnung nichts geändert.
34
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner
Wehrdienstzeit. Der 15-monatige Wehrdienst reicht bereits von seinem zeitlichen
Umfang her nicht aus, um die Überschreitung der Altersgrenze um mehr als zehn Jahre
auszugleichen. Eine Berücksichtigung des Wehrdienstes scheidet zudem deshalb aus,
weil dieser im vorstehend näher dargelegten Sinne nicht ursächlich war für die
Überschreitung der Altersgrenze. Die erforderliche Kausalität ist nämlich zu verneinen,
weil nach dieser Dienstzeit von dem Kläger zu vertretende Umstände beziehungsweise
vermeidbare Verzögerungen die Einstellung hinausgeschoben haben. Eine
Unterbrechung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem in den
Jahren 1978/1979 geleisteten Wehrdienst und der verzögerten Einstellung in den
Schuldienst ist durch nicht auf den Lehrerberuf ausgerichtete Tätigkeiten, wie das
vierjährige Promotionsverfahren und die nachfolgende rund 2 ½-jährige berufliche
Tätigkeit außerhalb des Schuldienstes, eingetreten. Darauf und nicht auf den
Wehrdienst ist es also vor allem zurückzuführen, dass der Kläger vor Erreichen der
Höchstaltersgrenze eine unbefristete Einstellung in den Schuldienst des beklagten
Landes nicht erreichen konnte.
35
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. April 2008 - 6 A 153/06 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil
vom 7. Februar 2008 - 2 K 4767/07 -, jeweils zur Berücksichtigung von
Wehrdienstzeiten nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. in Verbindung mit dem
Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 18. September 1995 -
Z B 1 22/03 - 1157/95 -.
36
Der Dienstherr war auch nicht verpflichtet, auf das Kausalitätserfordernis zu verzichten
und damit zu der auf der Grundlage der Ausnahmevorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
LVO a.F. in Verbindung mit dem Runderlass des Kultusministeriums vom
11. Februar 1993 – Z B 1-22/24-19/93 – vor dem Jahr 1995 praktizierten Handhabung,
37
vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 6 A 1705/94 -,
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zurückzukehren. Zwar ist einzuräumen, dass es einem Bewerber wegen der
üblicherweise großen Zeitspanne zwischen der – regelmäßig kurz nach Schulabschluss
erfolgten – Ableistung der Dienstpflicht nach Art. 12 a GG und der Einstellung in den
Schuldienst schwer fallen dürfte, die Ursächlichkeit eines solchen Dienstes für die
Überschreitung der Altersgrenze aufzuzeigen, zumal diese nunmehr auf 40 Jahre erhöht
worden ist. Es ist aber maßgebend zu berücksichtigen, dass dem Dienstherrn ein
Regelungsspielraum einzuräumen ist, innerhalb dessen er beachtlichen
Verzögerungstatbeständen Rechnung tragen kann. Insoweit hat der Verordnungsgeber
bereits mit der Anhebung der Höchstaltersgrenze von 35 auf 40 Jahre eine generelle -
von Kausalitätserwägungen unabhängige - Vergünstigung geschaffen, die schon als
solche geeignet ist, beachtliche Verzögerungen im beruflichen Werdegang
(insbesondere durch Betreuung von Kindern und von pflegebedürftigen Angehörigen
sowie durch Zeiten des Wehr- oder Wehrersatzdienstes oder des Erwerbs der
erforderlichen Vor- und Ausbildung im sog. zweiten Bildungsweg) ohne weiteres
aufzufangen. Wenn er daneben für bestimmte Verzögerungstatbestände zusätzliche
begünstigende Regelungen schafft, deren praktische Relevanz aufgrund der allgemein
begünstigenden Neuregelung zweifelhaft erscheint, erweist sich das jedenfalls dann als
39
unschädlich, wenn dem betreffenden Personenkreis aufgrund dieses Umstandes keine
unbilligen Nachteile entstehen. Letzteres trifft auf die Wehrdienst- und
Zivildienstleistenden zu. Denn auch ihnen bleibt nach Ableistung des Dienstes
regelmäßig hinreichend Zeit, um vor Vollendung des 40. Lebensjahres ihre (Lehrer-
)Ausbildung abzuschließen. Damit kann der Nachteil, der ihnen zu Beginn ihres
beruflichen Werdeganges im Vergleich zu den vom Dienst befreiten Bewerbern
entstanden war, vernachlässigt werden.
Der Verordnungsgeber konnte es zudem dabei belassen, auch hinsichtlich der
Betreuungstätigkeiten einen Kausalitätsnachweis zu fordern. Zunächst besteht die
praktische Bedeutung der Bestimmungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Buchstaben a) und b)
LVO n.F. ungeachtet der Anhebung der allgemeinen Höchstaltersgrenze fort, weil Zeiten
der Betreuung von Kindern oder von pflegebedürftigen Angehörigen auch noch im
fortgeschrittenen Alter des Bewerbers anfallen und die maßgebende Ursache für die
Überschreitung der Altersgrenze sein können.
40
Auf den Kausalitätsnachweis musste auch nicht deshalb verzichtet werden, weil es sich
für den Bewerber als schwierig erweisen kann nachzuweisen, dass er im Falle einer -
ohne die Betreuungstätigkeit möglich gewesenen - früheren Bewerbung in den
öffentlichen Schuldienst eingestellt worden wäre. Denn ausgehend von dem
allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Nachteil der Beweislosigkeit diejenige
Prozesspartei trifft, für die sich aus dieser Tatsache günstige Rechtsfolgen ergeben
würden, trifft die materielle Beweislast dafür, dass Geburt und Kinderbetreuung oder die
Betreuung pflegebedürftiger Personen ursächlich gewesen sind für die Verzögerung der
Einstellung in den Schuldienst, grundsätzlich den Einstellungsbewerber.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2000 – 2 C 13.99 -, DokBer B 2000, 169, m.w.N.
42
Ihm kommt hierbei allenfalls zugute, dass eine Beweislastüberbürdung auf den
Dienstherrn bezüglich solcher Umstände erfolgt, die sich in dessen Verantwortungs-
und Verfügungsbereich befinden und zu deren Nachweis der Dienstherr grundsätzlich
auch in der Lage ist. Hierzu gehört etwa die Feststellung, ob sich der Kläger im Falle
einer früheren Bewerbung auf einem Ranglistenplatz befunden hätte, der im
Lehrereinstellungsverfahren nach dem sog. (landesweiten) Listenverfahren zum Erfolg
der Bewerbung geführt hätte.
43
BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2000 – 2 C 13.99 -, a.a.O.
44
Zur Aufgabe des Kausalitätserfordernisses zwingt auch nicht der Umstand, dass das
sog. Listenverfahren zwischenzeitlich weitgehend durch das sog.
Ausschreibungsverfahren abgelöst worden ist. Allerdings hat hiermit die vorstehend
dargestellte Beweiserleichterung für den Bewerber an praktischer Bedeutung
eingebüßt. Denn im sog. Ausschreibungsverfahren wird die Auswahl unter den
Personen, die sich auf eine schulscharf ausgeschriebene Stelle beworben haben,
maßgebend auf der Grundlage eines Auswahlgesprächs durch eine wertende
Entscheidung der Auswahlkommission getroffen (vgl. Runderlass des Ministeriums für
Schule und Weiterbildung vom 8. Januar 2007, BASS 2009/2010 Kapitel 21 – 01 Nr.
13). Da es angesichts des Entscheidungsspielraums der Auswahlkommission dem
Dienstherrn - anders als im sog. Listenverfahren - nicht möglich ist, nachträglich eine
Aussage über den Erfolg oder Misserfolg einer (fiktiven) Bewerbung zu treffen, entfällt
der Grund für die (teilweise) Beweislastüberbürdung auf ihn ungeachtet dessen, dass
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die Entscheidungsfindung auch hier eher seiner Sphäre zuzurechnen ist.
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2007 – 2 K 826/07 -.
46
Der Umstand, dass es demnach bei den allgemeinen Beweisgrundsätzen verbleibt und
aus diesem Grund die Bestimmung des § 6 Abs. 2 LVO n.F. auch im Hinblick auf die
Berücksichtigung von Betreuungszeiten an praktischer Bedeutung verliert, lässt die
Wirksamkeit der einschlägigen Bestimmungen jedenfalls deshalb unberührt, weil er
nicht zu unbilligen Nachteile für den betreffenden Personenkreis führt. Denn auch
denjenigen Bewerbern, die sich dazu entschlossen haben, der persönlichen Betreuung
und Erziehung ihrer Kinder oder der Betreuung pflegebedürftiger naher Angehöriger
Vorrang vor ihrer beruflichen Karriere einzuräumen, bleibt angesichts der Anhebung der
Höchstaltersgrenze auf 40 Jahre regelmäßig hinreichend Zeit, um vor Erreichen der
Altersgrenze ihre (Lehrer-) Ausbildung abzuschließen. Vor diesem Hintergrund
erscheint es zumutbar, an dem Erfordernis der Ursächlichkeit der Betreuungstätigkeit für
die verspätete Einstellung festzuhalten.
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf
Berücksichtigung von Kinderbetreuungszeiten. Das gilt schon deshalb, weil er weder
geltend gemacht hat noch sonst ersichtlich ist, dass er sich vollständig oder zumindest
ganz überwiegend der Betreuung und Erziehung seiner Kinder gewidmet hat. Die
beiden älteren Kinder wurden zu Zeiten (1994 und 1995) geboren, als der Kläger als
Angestellter bei der L GmbH berufstätig war bzw. sich im Referendardienst befand,
sodass eine etwaige Betreuungstätigkeit schon aus Zeitgründen den erforderlichen
Umfang nicht erreichen konnte. Das dritte Kind wurde erst zu einer Zeit (1999) geboren,
als der Kläger bereits als Lehrkraft im unbefristeten Beschäftigungsverhältnis stand. Zu
diesem Zeitpunkt konnte also eine (unterstellte) Kinderbetreuung gar nicht mehr kausal
werden für die (bereits erfolgte) verspätete Einstellung in den Schuldienst.
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§ 6 Abs. 2 Satz 5 LVO n.F., wonach sich das Höchstalter erhöht, wenn der Bewerber an
dem Tag, an dem er den Antrag auf Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe gestellt hat, die Höchstaltersgrenze nicht überschritten
hatte und die Einstellung oder Übernahme innerhalb eines Jahres nach der
Antragstellung erfolgt, ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger bei
Antragstellung im Mai 2009
in § 52 Abs. 1 LVO n.F. bestimmte allgemeine Höchstaltersgrenze ist vorliegend
maßgebend. Hierbei kann, da der Kläger - wie vorstehend ausgeführt -
Verzögerungsgründe nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO n.F. nicht mit Erfolg geltend machen
kann, letztlich offen bleiben, ob aufgrund der auf die "jeweilige" Altersgrenze
abstellenden Neufassung dieser Bestimmung die Verzögerungstatbestände nach Satz 1
und der Erhöhungsgrund nach Satz 5 kumuliert werden können, mit anderen Worten, ob
Satz 5 ggfs. an ein – über 40 Jahren liegendes – "individuelles" Höchstalter anknüpft.
49
Verneinend zu der gleichartigen Bestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a.F. die
ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 – 2 C 20.97 -,
ZBR 1999, 22.
50
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze nach § 84 Abs. 2 Satz 1 LVO n.F.
51
Das gilt zunächst für den Ausnahmetatbestand der Nummer 1 dieser Bestimmung.
52
Hiernach können Ausnahmen zugelassen werden "für einzelne Fälle oder Gruppen von
Fällen, wenn der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse daran hat, Bewerber
als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten". Nach Abs. 2 Satz 2 liegt ein solches
erhebliches dienstliches Interesse "insbesondere vor, wenn die Ausnahmeerteilung zur
Sicherstellung der Erledigung der öffentlichen Aufgaben erforderlich ist". Bezogen auf
die Lehrerlaufbahnen werden hiermit allgemein die Fallgestaltungen umschrieben, in
denen mangels ausreichender Zahl von Fachlehrern in bestimmten Fächern
Unterrichtsausfall droht oder gar bereits zu verzeichnen ist und dessen "Bekämpfung"
bislang mittels Verwaltungsvorschriften erfolgte.
Vgl. den Erlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 2000 (Az.: 121 - 22/03 Nr. 1050/00, sog.
Mangelfacherlass), Erlasse über Vorgriffseinstellungen und Weiterqualifizierungen
etc.; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 –, DokBer B
2009, 225, und – 2 C 33.07 -, juris.
53
Der Anwendung dieser Norm steht allerdings nicht entgegen, dass sich der Kläger
bereits in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Lehrkraft befindet. Insoweit
geht die Bestimmung des § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVO n.F. über den Regelungsgehalt
des Mangelfacherlasses hinaus, der eine Ausnahme von der Altersgrenze lediglich für
neu einzustellende Bewerber ermöglichte. Denn sie sieht eine Ausnahme auch für den
Fall vor, dass Bewerber als Fachkräfte "behalten" werden sollen. Damit hat der
Verordnungsgeber offensichtlich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im
Urteil vom 19. Februar 2009 ( 2 C 18.07 Rn 27) Rechnung tragen wollen, wonach es
sich verbiete, "Bewerber um Beamtenstellen bereits deshalb abzulehnen, weil sie
bereits als Tarif-beschäftigte im Schuldienst tätig sind". Die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Nr. 1 sind aber im Übrigen nicht erfüllt. Der Beklagte hat dadurch,
dass er den Mangelfacherlass zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 (sogar vorzeitig)
hat auslaufen lassen, zu erkennen gegeben, dass er ein "dienstliches Interesse" an der
Gewinnung bzw. dem Behalten von Lehrern mit den in dem Mangelfacherlass
aufgeführten Fächern und Fachrichtungen nicht mehr sieht, ein solches Interesse in
Abwägung mit den durch die Verbeamtung älterer Lehrer verbundenen
Versorgungslasten jedenfalls nicht mehr als "erheblich" betrachtet. Es gibt derzeit keine
Anzeichen dafür, dass das beklagte Land auf der Grundlage der Nr. 1 in absehbarer Zeit
erneut ähnliche Ausführungsbestimmungen erlassen wird, die eine Überschreitung
sogar der (auf 40 Jahre) angehobenen Altersgrenze ermöglichen sollen. Da sich der
Kreis der Lehrer, die für eine Verbeamtung in Betracht kommen, mit der neuen
Altersgrenze erweitert hat, dürfte sich auch das "Angebot" an Lehrern mit bevorzugt
benötigten Fakulten erhöht haben. Im Übrigen gehörten die Fächer des Kläger (Biologie
und Sport) niemals zu den Fächern, die der sog. Mangelfacherlass in Abschnitt I Nr. 2
als Mangelfächer für den Bereich der berufs-bildenden Schulen bestimmt hatte.
54
Die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO
n.F. liegen gleichfalls nicht vor. Im Falle des Klägers hat sich der auf den Lehrerberuf
bezogene berufliche Werdegang nicht aus Gründen verzögert, die ein Festhalten an der
Altersgrenze als unbillig erscheinen lassen. Maßgebend dafür, dass der Kläger
"überaltert" ist, ist vielmehr, dass er nach dem Lehramtsstudium zunächst eine andere
berufliche Richtung einschlug. Er durchlief ein für die Ausübung des Lehrerberufs nicht
erforderliches Promotionsverfahren und übte nachfolgend eine Tätigkeit in der freien
Wirtschaft aus. Erst rund 6 ¾ Jahre nach Ablegung der Ersten Lehramtsprüfung wandte
er sich mit der Aufnahme des Vorbereitungsdienstes wieder dem Lehrerberuf zu. Es
55
finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese späte Hinwendung des Klägers
zum Lehrerberuf nicht auf seiner freien Entscheidung beruhte und somit von ihm "nicht
zu vertreten" war. Nach allem erscheint es nicht "unbillig", wenn auch nach der
Neufassung des § 84 LVO im Falle des Klägers eine Ausnahme von der Altersgrenze
nicht in Betracht zu ziehen ist.
Sind mithin bei Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens bereits die
tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften des § 84 Abs. 2 LVO n.F.
nicht gegeben, bestand auch keine Verpflichtung der Bezirksregierung, das
Einstellungsbegehren des Klägers zur Prüfung einer im Ermessenswege zu erteilenden
Ausnahme an die gemäß § 84 Abs. 3 Satz 3 LVO n.F. zuständige oberste
Dienstbehörde weiterzuleiten. Somit erweist sich die ablehnende Entscheidung nach
wie vor auch nicht wegen Ermessensnichtgebrauchs als rechtswidrig.
56
So bereits in gleichartigen Fällen zu § 84 LVO a.F.: VG Düsseldorf, Urteil vom 3.
Februar 1998 2 K 7172/95 , m.w.N.
57
II.
der Neuregelung der Höchstaltersgrenze durch die §§ 52, 6 und 84 LVO in der derzeit
geltenden Fassung.
58
Das Gericht vermag zunächst keine durchgreifenden Verfahrensfehler festzustellen.
Selbst wenn unterstellt wird, dass die Beteiligung der Spitzenorganisationen der zu-
ständigen Gewerkschaften und Berufsverbände bei der Vorbereitung der Änderungs-
verordnung hinter den Anforderungen des § 94 LBG NRW zurückgeblieben ist, hätte
dies nicht die Nichtigkeit der Verordnung zur Folge, weil das Beteiligungsrecht lediglich
im Vorfeld des eigentlichen Rechtssetzungsverfahrens angesiedelt ist und nicht in das
Rechtssetzungsverfahren selbst hineinreicht.
59
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1979 – 2 N 1/78 -, BVerwGE 59, 48; VG
Aachen, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 1 K 1286/07 -, juris; Schnellenbach,
Rechtsgutachten von Juli 2009 für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, S.
17 (Fn 1).
60
Die Neufassung der Laufbahnverordnung ist materiell rechtmäßig. Sie wird
insbesondere den vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Februar
2009 (- 2 C 18.07 -, a.a.O.) aufgestellten Anforderungen gerecht, wonach dann keine
grundsätzlichen materiell-rechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung einer
Altersgrenze für die Einstellung in das Beamtenverhältnis bestehen, wenn die
Altersgrenze und ihre Ausnahmetatbestände normativ hinreichend geregelt sind. Das ist
vorliegend der Fall.
61
Zum einen bildet die Verordnungsermächtigung in § 5 Abs. 1 LBG NRW ungeachtet
dessen, dass sie die Bestimmung von Altersgrenzen nicht ausdrücklich erwähnt, eine
ausreichende gesetzliche Grundlage zur Regelung von laufbahnrechtlichen
Altersgrenzen durch den Verordnungsgeber, weil Altersgrenzen zu den Regelungen
gehören, durch die herkömmlicherweise das Laufbahnwesen der Beamten gestaltet
wird (BVerwG a.a.O., Rn 11, zur gleichartigen Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 LBG
a.F.).
62
Zum anderen erweisen sich die einschlägigen Bestimmungen der geänderten
63
Laufbahnverordnung als solche als rechtmäßig.
Der Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) gebietet keinen Verzicht auf eine
Höchstaltersgrenze. Laufbahnrechtliche Altersgrenzen für Einstellung und Übernahme
in das Beamtenverhältnis werden zudem weder durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz noch durch Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 2000/79/EG)
ausgeschlossen (BVerwG a.a.O., Rn 9 und 10 bzw. Rn 11 bis 23). Das erkennende
Gericht sieht sich angesichts dieser Ausführungen nicht veranlasst, die Entscheidung
des EuGH abzuwarten oder gar diese Frage selbst dem EuGH vorzulegen.
64
Auch dass der Verordnungsgeber die Altersgrenze nunmehr gerade auf 40 Jahre
festgesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit
keine bestimmten Vorgaben gemacht. Es hat vielmehr betont, dass dem Normgeber bei
der Wahl der Mittel, mit denen er ein legitimes Ziel erreichen will, ein
Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, bei dem politische, wirtschaftliche, soziale,
demografische und auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden
können (a.a.O., Rn 18). Besondere Bedeutung gewinnt hierbei das im Lebenszeitprinzip
begründete Interesse an möglichst langen aktiven Dienstzeiten und an der Vermeidung
einer übermäßigen Belastung durch Versorgungspflichten (BVerwG, a.a.O., Rn 16, 21).
Zwar muss in die Überlegungen einbezogen werden, dass Altersgrenzen eine
empfindliche Beeinträchtigung des Leistungsgrundsatzes darstellen; auch wird die
Angemessenheit der Altersgrenze davon abhängen, in welchem Umfang Ausnahmen
vorgesehen werden. Angesichts der in § 6 Abs. 2 und § 84 Abs. 2 LVO n.F. aufgeführten
zahlreichen Fallgruppen, in denen eine Überschreitung der Altersgrenze obligatorisch
oder im Ermessensweg zugelassen wird, sowie angesichts des Umstandes, dass
nunmehr eine Anhebung der Altersgrenze von 35 auf 40 Jahre erfolgt ist, hat der
Verordnungsgeber mit der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 aber eine
insgesamt ausgewogene, jedenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstandende
Neuregelung der Altersgrenze getroffen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht
den Zweck von Altersgrenzen nicht nur in der Sicherstellung eines angemessenen
Verhältnisses von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sieht, sondern darauf
verweist, dass "daneben" dem Interesse des Dienstherrn an ausgewogenen
Altersstrukturen Bedeutung beigemessen werden "kann" (a.a.O., Rn 12) und die
Berücksichtigung dieses Interesses "nur auf der Grundlage einer plausiblen und
nachvollziehbaren Planung" zulässig sei (a.a.O., Rn 21), ergeben sich keine
durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Neuregelung der
Höchstaltersgrenze. Es besteht keine Verpflichtung, bei der Festlegung einer
Altersgrenze in jedem Fall auch auf diesen Aspekt tragend abzustellen und ihn
eingehend zu prüfen. Beabsichtigt der Verordnungsgeber, wie hier, eine Anhebung der
Höchstaltersgrenze, tritt der Gesichtspunkt der "ausgewogenen Altersstruktur" in den
Hintergrund. Denn die Festlegung einer höheren Altersgrenze ist nicht geeignet, zu
einer Verjüngung eines eher überalterten Lehrkörpers, wie er (gerichtsbekannt) in
Nordrhein-Westfalen anzutreffen ist, und in diesem Sinne zu einer ausgewogeneren
Altersstruktur beizutragen. Demnach erscheint es als unschädlich, dass sich sowohl in
der allgemeinen Begründung zur Neuregelung der Laufbahnverordnung als auch in der
Einzelbegründung zu §§ 52 und 6 LVO n.F. keine Ausführungen zur Bedeutung der
Höchstaltersgrenze für die Altersstruktur in der Lehrerschaft finden, hier vielmehr allein
auf die Zielsetzung abgestellt wird, "ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsleistung
und Versorgungsansprüchen sicherzustellen".
65
Der Verordnungsgeber
66
mit 40 Jahren eine als solche unbedenkliche neue Altersgrenze festgelegt, sondern
auch die Sonder- und Ausnahmefälle nunmehr in ausreichendem Maße selbst
bestimmt:
Der Katalog des § 6 Abs. 2 Satz 1 Buchstaben a) bis d) LVO n.F. führt die zwingend -
also ohne ein behördliches Ermessen - zu beachtenden Überschreitungsgründe auf.
Waren dort bisher bereits die Betreuung minderjähriger Kinder und die Pflege naher
Angehöriger geregelt, sind nunmehr früher im Ermessensbereich (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 LVO a.F.) angesiedelte weitere Verzögerungstatbestände hinzugetreten (Dienstpflicht
nach Art. 12a GG, freiwilliges soziales Jahr). Hier (in Satz 5) verortet worden ist nunmehr
auch die Bestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a.F., wonach die für die Bearbeitung
der Bewerbung aufzuwendende Zeit nicht zu Lasten des Bewerbers gehen soll.
67
Die Zulassung von Ausnahmen im Ermessenswege ist nun nicht mehr
voraussetzungslos möglich, sondern von dem Vorliegen der in § 84 Abs. 2 Nr. 1 und Nr.
2 LVO n.F. näher umschriebenen Voraussetzungen abhängig. Mit der hier erfolgten
Festlegung tatbestandlicher Voraussetzungen für die (im übrigen) in das Ermessen
gestellten Ausnahmen von der Altersgrenze ist der vom Bundesverwaltungsgericht
(a.a.O., Rn 25 ff.) an den Verordnungsgeber gerichteten Aufforderung, die Bestimmung
von Ausnahmetatbeständen nicht der Verwaltung zu überlassen, diese vielmehr im
Wesentlichen selbst zu regeln, in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden.
68
In Nr. 1 ist mit dem Abstellen auf das erforderliche (erhebliche) dienstliche Interesse zum
einen deutlich gemacht worden, dass eine solche Ausnahme nicht dem persönlichen,
etwa wirtschaftlichen Interesse des Bewerbers dient. Zugleich erfährt das zu fördernde
öffentliche Interesse dadurch eine weitere Präzisierung, dass es in Bezug gesetzt wird
zu dem Erfordernis der Gewinnung von Fachkräften. Der Umstand allein, dass die
Neuregelung inhaltlich an die bisher durch Erlasse bestimmten Ausnahmeregelungen
(Mangelfacherlass etc.) anknüpft, spricht als solcher jedenfalls nicht gegen die
Tragfähigkeit der Regelung. Maßgebend ist vielmehr, ob der Regelungsgehalt des
Ausnahmetatbestandes, gemessen an den vom Bundesverwaltungsgericht
aufgestellten Anforderungen, hinreichend bestimmt ist. Das ist durch die Aufstellung von
tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Zielrichtung der Norm zweifelsfrei
erkennen lassen, geschehen. Von dem Verordnungsgeber eine zusätzliche "Gruppen"-
Bildung, d.h. eine weitergehende Typisierung der angesprochenen Fallgruppen, zu
fordern
69
- so wohl Schnellenbach, a.a.O., S. 22 f., 49 f., der die inhaltliche Substanz als "zu
dürftig" kritisiert -,
70
bedeutete nach Ansicht der Kammer eine Überspannung der an eine abstrakt-generelle
Rechtnorm zu stellenden Anforderungen. Eine solche Rechtsnorm muss jedenfalls nicht
ins Detail gehen. Zu berücksichtigen ist namentlich, dass die fraglichen Bestimmungen
der Laufbahnverordnung Regelungen für sämtliche betroffenen Laufbahnen treffen
müssen, so dass regelmäßig nicht die Notwendigkeit besteht, in einer bestimmten
Laufbahn auftretende spezifische Fragestellungen einer eingehenden Regelung zu
unterziehen. Sofern das beklagte Land zur Umsetzung der Norm in der Praxis
Ausführungsbestimmungen erlassen wird, bleibt deren Bedeutung zudem hinter den
bisherigen Erlassregelungen zurück. Denn künftig wird sich der Dienstherr hierbei
angesichts der tatbestandlich festgelegten Ausnahmevoraussetzungen im Wesentlichen
lediglich im Bereich norminterpretierender und nicht ermessenlenkender
71
Verwaltungsvorschriften bewegen, so dass die verordnungsrechtliche Altersgrenze nicht
mehr "in weitem Umfang und für einen erheblichen Bewerberkreis durch
Behördenentscheidungen überlagert" (so zur früheren Rechtslage BVerwG a.a.O., Rn
27) werden wird.
Mit dem Ausnahmetatbestand der Nr. 2 ist eine Härtefallregelung getroffen worden, die
gleichfalls durch die Bezeichnung bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen
("beruflicher Werdegang", "aus ... nicht zu vertretenden Gründen", "nachweislich",
"unbillig") die Zielrichtung selbst deutlich macht. Zwar mag die Verwendung mehrerer
unbestimmter Rechtsbegriffe die Handhabung dieser Ausnahmebestimmung
erschweren.
72
Vgl. Schnellenbach, a.a.O., S. 23.
73
Durchgreifende rechtliche Bedenken wären unter diesem Gesichtspunkt aber nur dann
zu erheben, wenn die Regelung völlig unpraktikabel wäre. Davon ist jedoch nicht
auszugehen, zumal sie sich auch ansonsten gebräuchlicher Rechtsbegriffe
als Auslegungshilfen die in der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze
herangezogen werden können. So knüpft die Härtefallregelung erkennbar an die
bislang schon im Rahmen des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. geübte und von der
Rechtsprechung
74
- vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 24. September 2008 – 6 A 1586/07 -, juris -
75
geforderte Praxis an, mit dem Instrument der Ausnahmebewilligung besonders
gelagerten Einzelfällen gerecht zu werden, insbesondere wenn der Bewerber aus einer
besonderen Ausnahmesituation herrührende Gesichtspunkte anführt, die nicht
offenkundig hinter dem öffentlichen Interesse an einer Begrenzung der
Versorgungslasten zurückstehen müssen.
76
Schließlich erweist sich die LVO n.F. nicht deshalb als unwirksam, weil die
Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 bezüglich der Höchstaltersgrenze keine
Übergangsregelungen enthält, insbesondere nicht die - angesichts des Verdikts der
bisherigen Regelung durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom
19. Februar 2009 (a.a.O.) ohnehin fern liegende – Bestimmung trifft, dass in den noch
nicht abgeschlossenen Antragsverfahren statt der Neuregelung eine abweichende (z.B.
die frühere) Regelung gelten soll. Soweit für den Fall des Fehlens entsprechender
Übergangsbestimmungen geltend gemacht wird, die Neufassung der Bestimmungen
über die Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Rückwirkung von
Gesetzen, folgt das erkennende Gericht dem nicht. Eine grundsätzlich unzulässige
echte Rückwirkung liegt nur dann vor, wenn ein bereits abgewickelter, in der
Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu geregelt wird. Erforderlich
ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur
begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung bereits abgeschlossen war. Dem
gegenüber liegt eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung vor, wenn eine
Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene
Rechtsposition nachträglich entwertet.
77
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 2 C 4.05 , DVBl 2006, 648.
78
Die Anwendung des neuen Laufbahnrechts begründet keinen Fall einer echten
Rückwirkung, da der betroffene Tatbestand vor Inkrafttreten der LVO n.F. am 18. Juli
2009 noch nicht abgeschlossen war. Die hierbei erfolgte – bei Annahme einer zuvor
"Altersgrenzen freien" Rechtslage erstmalige - Festlegung der Höchstaltersgrenze greift
nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt - d.h. hier: ein bestehendes
Beamtenverhältnis auf Probe – ein, wirkt sich vielmehr allenfalls für die Zukunft
(nachteilig) auf das derzeit im Klagewege verfolgte Einstellungsbegehren aus. Geht
man von einem Fall der unechten Rückwirkung aus, erweist sich diese als zulässig, weil
"Bestandsinteressen" nicht die Veränderungsgründe des Verordnungsgebers
überwiegen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, in den Genuss der
durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
kurzzeitig eröffneten Möglichkeit einer von einer Höchstaltersgrenze unabhängigen
Einstellung in das Beamtenverhältnis zu kommen, ist nicht anzuerkennen. Jedenfalls
müssen die insoweit bestehenden Erwartungen des Klägers hinter das gewichtige
Interesse des Dienstherrn zurücktreten, in Anbetracht der Dauerhaftigkeit des
Beamtenverhältnisses ein angemessenes Verhältnis von Arbeitsleistung und
Versorgungsansprüchen sicherzustellen.
79
III. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das erkennende Gericht über den geltend
gemachten Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach den
Bestimmungen der Laufbahnverordnung in der ab dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung
zu entscheiden.
80
Aus § 113 Abs. 5 VwGO folgt, dass einer Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage nur
dann stattgegeben werden darf, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt hat.
Allerdings ergibt sich nicht aus dem Prozessrecht, sondern ausschließlich aus dem
materiellen Recht, ob der vom Kläger mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte
Anspruch besteht und welcher Beurteilungszeitpunkt maßgebend ist. Ändert sich
während des Verfahrens das materielle Recht, so ist auf der Grundlage dieser Änderung
zu entscheiden, ob das neue Recht einen durch das alte Recht begründeten Anspruch
beseitigt bzw. verändert oder unberührt lässt. Entscheidend ist, ob sich das geänderte
Recht nach seinem zeitlichen und inhaltlichen Geltungsanspruch auf den festgestellten
Sachverhalt erstreckt oder ob das alte Recht Anwendung findet.
81
Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 -, DokBer B 1999, 206, und
vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 -, BVerwGE 120, 246.
82
Letzteres ist dann der Fall, wenn das neue Recht eine Übergangsregelung enthält, die
bestimmt, dass eine frühere Rechtslage für in der Vergangenheit liegende Sachverhalte
weitergelten soll. Hiervon hat aber der Verordnungsgeber, wie bereits ausgeführt,
rechtsfehlerfrei abgesehen.
83
Das Abstellen auf eine frühere Rechtslage ist auch nicht aus sonstigen Gründen
geboten. Es kommt zwar bei solchen begünstigenden Verwaltungsakten in Betracht, bei
denen das Gesetz
in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt anknüpft, und wenn dem Gesetz nicht zu
entnehmen ist, dass ein solcher Anspruch wegen einer späteren Veränderung der Sach-
oder Rechtslage untergehen soll.
84
Vgl. Kopp, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 113 Rn 221; ferner Schnellenbach
85
a.a.O., S. 29.
Vorliegend schreibt das einschlägige Fachrecht derartiges aber nicht vor. Die
Einstellung in das Beamtenverhältnis ist nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen
grundsätzlich nur dann möglich, wenn sämtliche beamten- und laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen, zu denen neben (fachlicher, persönlicher und gesundheitlicher)
Eignung und Befähigung auch die Einhaltung der Altersgrenze gehört, im Zeitpunkt der
Begründung des Beamtenverhältnisses vorliegen. Insbesondere ist die Begründung
eines Beamtenverhältnisses nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft
(ex nunc) möglich (§ 8 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG).
86
Zwar kann die frühere Rechtslage zudem dann heranzuziehen sein, wenn die
Ermessensregelung es auch jetzt noch zulässt, dass dem Kläger die begehrte Leistung
bewilligt wird. So darf dem Kläger allein wegen der Dauer des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes kein - jedenfalls kein gesetzlich
ausdrücklich gewollter - Nachteil erwachsen. Wäre das geltend gemachte Begehren zu
einem früheren Zeitpunkt als dem der Entscheidung des Gerichts berechtigt gewesen,
"könnte" (bzw. müsste) dies auch jetzt noch berücksichtigt werden.
87
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 - 2 C 4.98 -, a.a.O.; vgl. ferner das eine
Klage auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe betreffende Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1998 - 2 C 20.97 -, ZBR 1999, 22, in dem
die Berücksichtigung der früheren Rechtslage unter Hinweis auf die
Ausnahmemöglichkeit des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. zugelassen wurde.
88
Auch in diesem Fall erfolgt zwar die Verbeamtung mit Wirkung ex nunc, maßgebend für
die Beantwortung der Frage, ob die Höchstaltersgrenze der Verbeamtung entgegen
steht, ist aber die in dem (in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt der Begründung
des Dauerbeschäftigungsverhältnisses gültig gewesene Rechtslage.
89
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hätte allerdings die
Einstellung des Klägers in das Beamtenverhältnis nicht aus Altersgründen abgelehnt
werden können, wenn man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts folgt, dass nicht
nur die auf § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. gestützte Verwaltungspraxis bei der
Einstellung von Lehrern mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG durchgreifenden Bedenken
begegnete, sondern auch die Ausnahmebestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
a.F. als solche und darüber hinaus sogar die Bestimmung der Höchstaltersgrenze von
35 Jahren in § 52 Abs. 1 LVO a.F. unwirksam waren.
Zeitpunkt der erneuten Antragstellung im Mai 2009 überhaupt keine (wirksame)
Altersgrenze gegeben. Im hier zu entscheidenden Fall ist aber ein Abweichen von dem
Grundsatz der Maßgeblichkeit der derzeitigen Rechtslage aus den vorstehenden
Gründen weder gerechtfertigt noch gar geboten. Bei den zur Begründung der
Anwendbarkeit alten Rechts herangezogenen dogmatischen Ansätzen handelt es sich
im weitesten Sinne um mit der Dauer des Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahrens
begründete Billigkeitserwägungen sowie um die Beseitigung der Folgen rechtswidrigen
Verwaltungshandelns. Derartige Erwägungen gebieten vorliegend nicht das Abstellen
auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der geänderten Laufbahnverordnung am 18. Juli
2009. Es begegnet insbesondere keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass
über den erneuten Einstellungsantrag des Klägers vom 4. Mai 2009 nicht vor dem
Inkrafttreten der LVO n.F. entschieden wurde. Nachdem die Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 den Beteiligten am bzw. ab dem
90
8. April 2009 zugestellt und anhand der Urteilsgründe die Auswirkungen der Ent-
scheidungen auf die Wirksamkeit der einschlägigen Bestimmungen der Lauf-
bahnverordnung deutlich geworden waren, konnte zunächst dem Verordnungsgeber
Gelegenheit gegeben werden, die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
umzusetzen. Das ist schließlich innerhalb eines angemessenen Zeitraums von rund drei
Monaten geschehen. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass nicht nur eine politische
Grundsatzentscheidung über die Einführung einer (neuen) Höchstaltersgrenze zu treffen
war, sondern die nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) hierbei zu
beachtenden und abzuwägenden Umstände den Erlass einer Änderungsverordnung
nicht von heute auf morgen zuließen. Das Abwarten der vom Beklagten angekündigten
Neuregelung der Höchstaltersgrenze durch den Verordnungsgeber war vor allem
deshalb tunlich, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 19. Februar
2009 nicht den eigentlichen materiellen Gehalt der früheren laufbahnrechtlichen
Regelung verworfen, vielmehr die Höchstaltersgrenze auch vor dem Hintergrund des in
Art. 33 Abs. 2 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten Leistungsgrundsatzes als
grundsätzlich zulässiges Mittel zur Gewährleistung des beamtenrechtlichen
Lebenszeitprinzips anerkannt hatte.
Ebenso Schnellenbach, a.a.O., S. 35 f., zum berechtigten Zuwarten mit der
Behördenentscheidung, sowie S. 31: "Sofern die Behörde dem (der Rechtswidrigkeit)
nicht durch eine (rückwirkende) Aufhebung des fraglichen Bescheides und eine
Neubescheidung unter Zugrundelegung des neuen
gewärtigen, dass sie in einem Verwaltungsstreitverfahren zu einer Neubescheidung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts – d.h. (unter anderem) zu einer
Orientierung am neuen Laufbahnrecht – verpflichtet wird."
91
Ist somit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
abzustellen und erweist sich hiernach die Ablehnung des Antrags auf Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe als rechtmäßig, ist die Klage mit der Kostenfolge aus §
154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
92
Ebenso zu Klagen, die bereits vor Februar 2009 rechtshängig waren: VG Düsseldorf,
Urteile vom 6. Oktober 2009 – 2 K 7399/08 – u.a. und vom 5. Januar 2010 – 2 K
3851/08 -, VG Aachen, Urteil vom 8. Oktober 2009 – 1 K 1286/07 –,
vom 2. November 2009 4 K 205/05 , jeweils juris.
93
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
94
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
Die Rechtssache hat nach Auffassung des erkennenden Gerichts grundsätzliche
Bedeutung, weil es noch keine obergerichtlichen Entscheidungen über Klagen auf
Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Ergehen der Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 und Inkrafttreten der Verordnung zur
Änderung der Laufbahnverordnung und anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom
30. Juni 2009 gibt und die Beantwortung der hierbei auftretenden Rechtsfragen für
Entscheidungen in zahlreichen weiteren gerichtlichen Verfahren mit dem selben oder
einem gleichartigen Streitgegenstand von Bedeutung ist.
95