Urteil des VG Düsseldorf vom 06.01.2004
VG Düsseldorf: einstweilige verfügung, versetzung, hauptsache, rüge, mitbewerber, verweigerung, stellenausschreibung, diplom, physiker, software
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 34 L 4528/03.PVL
Datum:
06.01.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
34. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
34 L 4528/03.PVL
Tenor:
Die Beteiligte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet,
das Mitbestimmungsverfahren zu der Abordnung mit dem Ziel der
Versetzung von G aus dem M1 an den M zum Zweck der Besetzung
einer Referentenstelle in der IT-Abteilung des M fortzuführen.
Gründe:
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I.
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Die Beteiligte schrieb, nachdem sie den Antragsteller im Wege der Mitwirkung beteiligt
hatte, im August 2003 die Stelle eines Referenten/einer Referentin für die
Informationstechnologiestelle des M dienststellenübergreifend aus. Die Stelle ist nach
den Besoldungsgruppen A13 h.D. bis A15 bewertet. Vorgesehen war sie für einen
Diplominformatiker. Als besondere Anforderungen waren in dem Ausschreibungstext
unter anderem überdurchschnittliche Staatsexamina oder ein überdurchschnittliches
Examensergebnis in einem Hochschul- oder Fachhochschulstudium im Ingenieurwesen
(z.B. Kommunikationstechnik oder Informatik), und gute Kenntnisse und Erfahrungen in
Netzwerktechniken und mit Microsoft Produkten (Betriebssystem, Büroanwendungen)
genannt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausschreibungsvorgang verwiesen.
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Von den fünf Bewerbern, die sämtlich nicht aus dem M stammten, wurde einer, G, zu
einem Vorstellungsgespräch am 29. Oktober 2003 eingeladen. G ist Diplom-Physiker
und hat die erste Staatsprüfung für die Lehrämter für die Sekundarstufe I und II in den
Fächern Physik und Mathematik absolviert. Er war zur Zeit der Bewerbung seit Oktober
2001 als Regierungsrat z.A. als Dezernent bei dem M1 beschäftigt.
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Nach dem Ergebnis des Vorstellungsgesprächs beabsichtigte die Beteiligte, G die
ausgeschriebene Stelle zu übertragen. Unter dem 30. Oktober 2003 beantragte sie bei
dem Antragsteller die Zustimmung zur Abordnung von G aus dem M1 an den M für die
Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung.
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Der Antragsteller äußerte unter dem 11. November 2003 Bedenken und lehnte es nach
Erörterung mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 ab, die Zustimmung zu dieser
Maßnahme zu erteilen. Wegen der Begründung wird auf die genannten Schreiben
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verwiesen.
Die Beteiligte schrieb dem Antragsteller unter dem 5. Dezember 2003, die Ablehnung
der Zustimmung zu der getroffenen Auswahlentscheidung weise keinen Bezug zu dem
Mitbestimmungstatbestand auf und sei deshalb unbeachtlich. Sie, die Beteiligte, werde
das Abordnungsverfahren G fortführen.
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Am 9. Dezember 2003 hat der Antragsteller in der Hauptsache (34 K 8579/03.PVL) die
Feststellung beantragt, seine Ablehnung der Zustimmung zur Abordnung von G aus
dem M1 an den M sei beachtlich.
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Am gleichen Tag hat er um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er beantragt,
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die Beteiligte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, das
Mitbestimmungsverfahren zur Abordnung von G aus dem M1 an den M zum Zweck der
Besetzung einer Referentenstelle in der IT-Abteilung vorläufig fortzuführen.
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Die Beteiligte beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
beigezogenen Ausschreibungsvorgang und den Bewerbungsvorgang G sowie auf den
Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
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II.
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Der Antragsteller hat für sein Antragsbegehren im Beschlussverfahren einen
Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 79 Abs. 2 LPVG NRW, 85 Abs. 2 ArbGG,
935, 936, 940, 920 Abs. 2 ZPO).
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1. Der Anspruch des Antragstellers auf ordnungsgemäße Durch- und Fortführung eines
Mitbestimmungsverfahrens kann grundsätzlich durch eine einstweilige Verfügung
gesichert werden (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Februar 2003, 1 B
2544/02.PVL, PersR 2003, 202). Gerade im Fall des Abbruchs eines
Mitbestimmungsverfahrens wegen angeblich rechtsgrundlos verweigerter Zustimmung
kommt diese Form des vorläufigen Rechtsschutzes zum Zuge.
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2. Die Abordnung von G an den M ist gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LPVG NRW
mitbestimmungspflichtig, weil sie für mehr als drei Monate beabsichtigt ist. Der
Antragsteller als Personalrat der aufnehmenden und die Versetzung wesentlich
betreibenden Dienststelle kann das Mitbestimmungsrecht ausüben. Darüber streiten die
Beteiligten nicht.
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3. Der Beteiligte hat das Mitbestimmungsverfahren zu Unrecht abgebrochen. Die
Verweigerung der Zustimmung durch den Antragsteller ist offensichtlich beachtlich. Der
Antragsteller macht (auch) Gründe geltend, die er allgemein und zum Schutz der von
ihm kollektiv vertretenen Beschäftigten gegen die von der Dienststelle beabsichtigte
Maßnahme ins Feld führen darf.
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3.1 Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 11. November 2003 die Verweigerung
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seiner Zustimmung angekündigt und schon damals darauf hingewiesen, dass G aus
seiner, des Antragstellers, Sicht das in der Ausschreibung vorgegebene
Anforderungsprofil nicht erfülle. Dieses Vorbringen hat er in der endgültigen Ablehnung
der Zustimmung in Bezug genommen und damit sinngemäß wiederholt. In der Sache
trifft die Auffassung des Antragstellers offensichtlich zu. G ist gemessen am Inhalt der
Ausschreibung ungeeignet. Er kann kein Studium oder keine Berufsausbildung als
Informatiker vorweisen. Er ist Physiker und Inhaber der Lehrbefähigung für Physik und
Mathematik an den Sekundarstufen des nordrhein-westfälischen Schuldienstes. Er hat
kein überdurchschnittliches Examen in einem ingenieurfachlichen Studiengang
abgelegt. Er verfügt nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers nicht über
nennenswerte Erfahrungen im Betrieb von computergestützten Netzwerken. Schließlich
kann er auch keine belegten besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in der Welt der
Microsoft Produkte vorweisen. Aus seiner Bewerbung ergibt sich, dass er sich mit Java-
Programmierung unter der Regie der Firma T und mit Netzwerktechnik auf der Basis von
Unix-Rechnern beschäftigt hat. Das qualifiziert ihn nicht in besonderer Weise für den
Umgang mit Microsoft Software und den daraus entstehenden
Programmierungsaufgaben.
3.2 Der Antragsteller kann die offensichtlich mangelnde Übereinstimmung der Eignung
und der Fähigkeiten des Bewerbers mit dem in der Stellenausschreibung enthaltenen
Anforderungsprofil bei der Ausübung seiner Mitbestimmungsbefugnis geltend machen.
Das liegt innerhalb der durch den Mitbestimmungstatbestand geschützten Interessen.
Sie beziehen sich dabei über den engen Abordnungstatbestand hinaus schon jetzt auf
einen Dauereinsatz von G. Die - vorübergehende - Abordnung ist ausdrücklich mit dem
Ziel einer Versetzung beabsichtigt.
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3.3 Schutzzweck der Mitbestimmung bei Abordnungen der hier betroffenen Art sind die
kollektiven Interessen der Beschäftigten der aufnehmenden Dienststelle, aber auch das
allgemeine Interesse an einer strikt nach Eignungs- und Leistungsgesichtspunkten
vorgenommenen Stellenbesetzung und an der Einhaltung der von der Dienststelle
aufgestellten Auswahlgrundsätze. Dabei kann und muss sich die Personalvertretung an
den Anforderungen orientieren, die die Dienststelle bei der Absicht, die Stelle zu
besetzen, selbst vorgegeben hat. Das gilt insbesondere dann, wenn eine unter
Mitwirkung des Personalrates erfolgte Ausschreibung stattgefunden hat. Die Rüge des
Personalrats, G vermöge die Anforderungen der Ausschreibung nicht zu erfüllen, zielt in
den Kern des personalvertretungsrechtlichen Schutzbereichs. Die Beteiligte wählt einen
Bewerber aus, der anders als einige der Mitbewerber, offensichtlich kein
Ingenieurstudium nachweisen kann und der, ebenfalls anders als Mitbewerber, keine
Berufserfahrungen als Netzwerkadministrator hat. Die Dienststelle löst sich mit ihrer
Personalentscheidung deutlich von den Vorgaben, die sie zuvor selbst für die
einzurichtende Stelle aus wohl erwogenen sachlichen Gründen aufgestellt hat. Noch in
der Erläuterung zur Stellenausschreibung vom 17. Juli 2003 an den Antragsteller hatte
die Beteiligte darauf hingewiesen, es werde bewusst ein Personenkreis angesprochen,
der über eine einschlägige akademische Ausbildung verfüge; es solle gerade
vermieden werden, dass der Stelleninhaber gezwungen sei, sich die notwendigen
Fachkenntnisse im Selbststudium anzueignen. Davon rückt die Dienststelle im
Verfahren ab, selbst wenn die Verwendung eines Diplom-Physikers fachnäher ist, als
die bisherige Praxis, die Aufgaben durch Juristen des höheren Dienstes wahrnehmen
zu lassen. Mit dem Einsatz eines nicht gerade völlig fachfremden, aber doch einschlägig
nicht ausgebildeten und noch weniger erfahrenen Mitarbeiters sind außerdem
unausweichlich Mehrbelastungen der in der Dienststelle vorhandenen Angehörigen
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verbunden.
3.4 In der von dem Antragsteller beschlossenen Zustimmungsverweigerung liegt kein
Übergriff in die allein der Dienststelle zustehende Auslese aus einem Bewerberfeld und
den der Dienststelle dabei zustehenden Beurteilungsspielraum. Es geht nicht um eine
von der Einschätzung der Dienststelle abweichende Bewertung der Qualifikation des
Bewerbers, sondern um die Frage, ob der Bewerber überhaupt und von vorn herein die
Anforderungen erfüllt.
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3.5 Es kann offen bleiben, ob die weitere Rüge des Antragstellers, er sei im Vorfeld des
Auswahlgesprächs durch die Dienststelle nicht ausreichend informiert worden,
beachtlich ist. Darauf kommt es nicht an. Eine mitbestimmungsrelevante Einwendung
unter einer Mehrzahl genügt.
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3.6 Nicht entscheidend ist, ob die Einwendungen des Antragstellers dazu führen
müssen, dass die Abordnung und spätere Versetzung von G letztlich unterbleibt. Das
hängt vom Ausgang des Mitbestimmungsverfahrens ab. Gegenwärtig ist lediglich von
Bedeutung, ob der Antragsteller die Zustimmung aus völlig sachfremden Erwägungen
rechtsmissbräuchlich verweigert. Das ist nicht der Fall.
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4. Es besteht auch ein Verfügungsgrund, obwohl die einstweilige Verfügung sich
jedenfalls zum Teil als Vorwegnahme der Hauptsache auswirkt. Ohne einstweilige
Verfügung werden die Rechte des Antragstellers gesetzwidrig übergangen, ohne dass
sich das in einem späteren Stadium nach rechtskräftigem Abschluss der Hauptsache
effektiv rückgängig machen oder ausgleichen ließe. Durch den Zeitablauf während des
Hauptsacheverfahrens verfestigt sich zudem die Personalmaßnahme, sodass sie auch
dann kaum noch korrigierbar ist, wenn sich später die Beachtlichkeit der
Zustimmungsverweigerung herausstellt. Der Dienststelle ist eine Fortführung des
Mitbestimmungsverfahrens ohne weiteres zuzumuten. Da es sich um die personelle
Angelegenheit eines Beamten handelt, endet ein Einigungsstellenverfahren lediglich
mit einer Empfehlung (§ 66 Abs. 7 Satz 4 LPVGNW).
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In personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren wird keine Kostenentscheidung
getroffen.
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