Urteil des VG Düsseldorf vom 31.08.2006

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 4892/05
Datum:
31.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 4892/05
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der am 00. 00. 0000 in L1 geborene Kläger erwarb am 28. März 1979 in N1 die
polnische Fahrerlaubnis der Klasse B. Seit dem 27. Dezember 1985 hält er sich im
Bundesgebiet auf und erhielt den Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge A.
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Am 26. Februar 1986 erhielt er einen deutschen Führerschein der alten Klasse 3 mit
dem darauf enthaltenen Zusatz: „Die Fahrerlaubnis der Klasse -3- wurde auf Grund
eines Polnischen Führerscheines Klasse -B- erteilt."
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Am 30. August 2004 beantragte der Kläger die Umstellung seiner bisherigen
Fahrerlaubnis in eine Fahrerlaubnis nach den seit dem 1. Januar 1999 geltenden
Fahrerlaubnisklassen. Der Beklagte erteilte sodann einen Kartenführerschein der neuen
Klasse B nach § 6 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Den Antrag des Klägers,
ihm auch die Fahrerlaubnis der Klasse A1 für Krafträder der Klasse A von nicht mehr als
125 cm³ Hubraum zu erteilen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2005 ab
mit der Begründung, durch Rechtsverordnung sei bestimmt gewesen, dass jeder
Fahrerlaubnisinhaber, der vor dem 1. April 1980 im Besitz einer deutschen
Fahrerlaubnis der alten Klassen 2, 3 und 4 gewesen sei, auch die Berechtigung
besessen habe, Leichtkrafträder bis 125 cm³ zu führen. Der Kläger sei an dem Stichtag
nicht im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis gewesen, sondern habe seinen
polnischen Führerschein erst im Jahr 1986 in eine deutsche Fahrerlaubnis der alten
Klasse 3 umgetauscht. Nicht entscheidend sei, dass der Kläger Heimatvertriebener sei,
denn es werde eine Fahrerlaubnis des Staates Polen umgeschrieben; die Herkunft des
Fahrerlaubnisinhabers sei ohne Belang. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des
Klägers wies die Bezirksregierung E mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 als
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unbegründet zurück und führte aus, die Erteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 1986 sei
fehlerfrei erfolgt. Die deutsche Fahrerlaubnis sei eine neue, eigenständige, nicht etwa
die inländische Fortsetzung der ausländischen Fahrerlaubnis, die nur zum Vergleich der
Fahrerlaubnisklassen herangezogen werde. Die Pflicht nach § 10 Abs. 2
Bundesvertriebenengesetz (BVFG) sei bereits 1986 erfüllt worden.
Mit seiner am 11. November 2005 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er habe seine
Fahrerlaubnis bereits 1979 erworben. Wäre er schon vor dem 1. April 1980 in das
damalige Bundesgebiet gekommen, wäre ihm eine Fahrerlaubnis der alten Klasase 3
unter Einschluss der Berechtigung, Kleinkrafträder zu führen erteilt worden. Deshalb
müsse er bei der jetzt beantragten Umstellung so behandelt werden, wie ein
Fahrerlaubnisinhaber, der im damaligen Bundesgebiet vor diesem Stichtag die
Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 erworben habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Juni 2005 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 13. Dezember 2005 zu
verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 30. August 2004 eine Fahrerlaubnis auch der
Klasse A1 zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben zu der Frage, ob die vom Kläger am 28. März 1979
erworbene polnische Fahrerlaubnis der Kategorie B auch zum Führen von Krafträdern
der Klasse A1 im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV berechtigt, durch Einholen einer
amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes, die dieses unter dem 25. Juli 2006 durch
das Vizekonsulat der Bundesrepublik Deutschland in P erteilt hat; wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf diese amtliche Auskunft, wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte, den vom
Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang und den Widerspruchsvorgang der
Bezirksregierung E Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Fahrerlaubnis der Klasse A1 und Ausstellung
eines entsprechenden Führerscheins auf seinen Antrag vom 30. August 2004.
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Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 7 FeV in Verbindung mit Abschnitt I
der Anlage 3 (zu § 6 Abs. 7). Danach werden auf Antrag Fahrerlaubnisse und
Führerscheine, die bis zum 31. Dezember 1998 nach der Straßenverkehrs- Zulassungs-
Ordnung erteilt worden sind, auf die neuen Fahrerlaubnisklassen nach Maßgabe des
Abschnitts I umgestellt, wobei eine vor dem 1. April 1980 erteilte Fahrerlaubnis der alten
Klasse 3 unter anderem die neue Klasse A1 umfasst. Der Kläger besitzt indes keine
Fahrerlaubnis, die ihm nach den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
erteilt worden wäre. Hierauf ist er bereits mit der gerichtlichen Verfügung vom 7. Februar
2006 hingewiesen worden:
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„Entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde ist mit der Ausstellung des
deutschen Führerscheins nur die Anerkennung seiner im N1/OS erteilten polnischen
Fahrerlaubnis nach dem früheren § 92 BVFG dokumentiert. In solchen Fällen ist die
Person, die den Status nach dem Bundesvertriebenengesetz hat, kraft Gesetzes Inhaber
einer Fahrerlaubnis, deren Umfang sich nach dem Umfang der Fahrerlaubnis des
Herkunftslandes richtet; eine Neuerteilung einer deutschen Fahrerlaubnis ist mit der
Ausstellung des Führerscheins nicht erfolgt.
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Vgl. Bouska, Die Bedeutung des Bundesvertriebenengesetzes für das
Fahrerlaubnisrecht, VD 1977 S. 267 (269)."
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Nach erneuter Überprüfung der Rechtslage bleibt der Einzelrichter bei dieser
Auffassung, zumal auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) der
Anerkennung einer Fahrerlaubnis nach § 92 BVFG „nicht die Bedeutung der Erteilung
einer neuen inländischen Fahrerlaubnis zukommt".
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Vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1985 - 3 StR 66/85 -, NJW 1985 S. 2654 (2655).
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Dementsprechend besitzt der Kläger ausschließlich die in Oberschlesien erworbene
polnische Fahrerlaubnis. § 6 Abs. 7 FeV und die dazu erlassene Anlage 3 sind auf die
Fahrerlaubnis des Klägers nicht anwendbar; auf den Stichtag des 1. April 1980 kommt
es in seinem Fall nicht an.
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Auch aus § 10 Abs. 2 BVFG kann der Kläger den Anspruch auf die Fahrerlaubnis auch
der Klasse A1 nicht herleiten. Nach dieser Vorschrift sind Prüfungen oder
Befähigungsnachweise, die Spätaussiedler in den Aussiedlungsgebieten abgelegt oder
erworben haben, anzuerkennen, wenn sie den entsprechenden Prüfungen oder
Befähigungsnachweisen gleichwertig sind. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 92 Abs. 2 BVFG ist bei der Anerkennung
einer Prüfung oder eines Befähigungsnachweises, für die kein besonderes Verfahren
vorgesehen ist, dem Befähigungsnachweis als dem Gegenstand der Anerkennung - hier
der polnischen Fahrerlaubnis der Kategorie „B" - diejenige Befähigung
gegenüberzustellen, hinsichtlich der sie gleichgestellt werden soll.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 1986 - 9 C 2.86 -, Buchholz 412.3 § 92 BVFG Nr. 6.
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Das ist vorliegend der beantragte EU-Führerschein. Nach der amtlichen Auskunft des
Vizekonsulats P umfasst die Kategorie „B" des polnischen Führerscheins des Klägers
nicht die Fahrerlaubnis für Krafträder bis 125 cm³; dementsprechend ist die
Anerkennung als Fahrerlaubnis der neuen Klasse A1 ausgeschlossen.
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Das Gleiche gilt für eine Umschreibung nach § 30 FeV. Handelt es sich nämlich bei der
ausländischen Fahrerlaubnis wie vorliegend um eine nicht harmonisierte
Fahrerlaubnisklasse, so wird nur insoweit prüfungsfrei „umgeschrieben", als die
ausländische Fahrerlaubnis einer deutschen (harmonisierten) Fahrerlaubnisklasse
entspricht.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11,
§ 711 Zivilprozessordnung.
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