Urteil des VG Düsseldorf vom 11.07.2008

VG Düsseldorf: kündigung zur unzeit, beitragspflicht, eltern, vwvg, vollstreckung, abmeldung, entstehung, mahngebühr, förster, satzung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 2634/08
Datum:
11.07.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
24 K 2634/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Si¬cherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Kläger und Frau T sind die Eltern des am 00.0.2000 geborenen Kindes O. Zum 1.
August 2003 wurde das Kind in die katholische Kindertageseinrichtung U in P
aufgenommen.
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In der Folgezeit wurden der Kläger und Frau T vom Beklagten zu Elternbeiträgen
herangezogen, zuletzt durch Bescheid vom 1. August 2006 für die Zeit vom
1. August 2006 bis 31. Juli 2007 nach der Einkommensstufe "bis 24.542 Euro" in Höhe
von 26,08 Euro monatlich.
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Mit Erfassungsbogen vom 16. Mai 2007 teilte die Leiterin des Kindergartens dem
Beklagten mit, dass O zum 30. Juni 2007 bzw. 1. August 2007 von der Tageseinrichtung
abgemeldet worden seien. Hierauf hob der Beklagte durch an den Kläger und Frau T
gerichteten, mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom
21. Mai 2007 seinen Bescheid vom 1. August 2006 auf und setzte den Elternbeitrag für
die Zeit vom 1. August 2006 bis 30. Juni 2007 auf 26,08 Euro monatlich fest.
Widerspruch wurde nicht erhoben.
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Mit als Vollstreckungsvorankündigung bezeichneter Mahnung vom 19. November 2007
forderte die Stadtkasse des Beklagten den Kläger zur Zahlung der ausstehenden
Elternbeiträge für die Monate Januar bis Juni 2007 (156,48 Euro) sowie Mahngebühren
(7,00 Euro) und Kosten des Verwaltungszwangsverfahrens (0,55 Euro), insgesamt
164,03 Euro, auf.
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Daraufhin teilte der Kläger dem Beklagten unter Berufung auf einen bereits erhobenen
Widerspruch mit Schreiben vom 22. November 2007 mit, dass O bereits seit März 2006
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den Kindergarten nicht mehr besuche, weshalb insoweit auch keine Elternbeiträge
gezahlt werden müssten.
Ausweislich eines darüber gefertigten Aktenvermerks vom 3. Dezember 2007 teilte die
Kindergartenleiterin dem Beklagten telefonisch mit, dass O von seiner Mutter mündlich
wegen Umzugs abgemeldet worden sei. Die Mutter sei aufgefordert worden, sich an den
Vertrag zu halten (Kündigungszeiten, schriftliche Kündigung). Sie sei der Aufforderung
jedoch nicht gefolgt.
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Der Beklagte sah das Schreiben des Klägers vom 22. November 2007 als gegen die
Mahnung (Vollstreckungsvorankündigung) vom 19. November 2007 gerichteten
Widerspruch an, wies diesen durch Bescheid vom 11. März 2008 (am selben Tage
abgesandt) zurück und "setzte die Zeit einer Platzbelegung vom 1. August 2003 bis zum
30. Juni 2007 fest". Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass die Elternbeiträge
nicht für die tatsächliche pädagogische Betreuung des Kindes, sondern für die
Beteiligung an den Kosten der Einrichtung, bedingt durch die Platzzuteilung, zu
entrichten seien.
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Mit seiner am 4. April 2008 erhobenen Klage macht der Kläger geltend: Nach mehreren
telefonischen Versuchen der Abmeldung sei "ca. im Monat Januar 2007" durch
einfachen Brief an den Kindergarten eine schriftliche Abmeldung erfolgt, was Frau T
bezeugen könne. Dass der Kindergartenplatz nicht habe neu vergeben werden können,
werde bestritten. Da Kindergartenplätze begehrt seien, sei vielmehr davon auszugehen,
dass vor dem 30. Juni 2007 eine Vergabe erfolgt sei.
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Der Kläger beantragt,
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"festzustellen, dass der Bescheid vom 19. November 2007 in Form des
Widerspruchsbescheides vom 11. März 2008 aufgehoben wird."
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Eine Kündigung des Betreuungsvertrages sei für die öffentlich-rechtliche
Beitragspflicht unbeachtlich, solange der Kindergartenplatz nicht neu belegt werde.
Andernfalls würde die ausfallende Beteiligung an den Betriebskosten der Allgemeinheit
aufgebürdet. Hier sei der Kindergartenplatz bis zum 30. Juni 2007 nicht neu vergeben
worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht kann gemäß § 84 VwGO durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die
Kläger hierzu gehört wurden und die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO
vorliegen.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Ungeachtet des vom Kläger und Frau T als Gesamtschuldner nicht angefochtenen und
deshalb gegenüber beiden in Bestandskraft erwachsenen Beitragsbescheides vom
21. Mai 2007 hat der Beklagte dem Kläger durch seinen Widerspruchsbescheid vom
11. März 2008 mit der darin enthaltenen neuen sachlichen Bescheidung seines
Begehrens, als das die Festsetzung der Zeit einer Platzbelegung vom 1. August 2003
bis zum 30. Juni 2007 zu sehen ist, den Klageweg auch in Bezug auf die Überprüfung
des genannten Beitragsbescheides eröffnet.
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Der mit anwaltlicher Hilfe gestellte Feststellungsantrag ist allerdings unzulässig (§ 43
Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das Gericht legt ihn im Interesse des Klägers als Antrag aus, die
Bescheide des Beklagten vom 21. Mai 2007 und 19. November 2007 sowie dessen
Widerspruchsbescheid vom 11. März 2008 aufzuheben.
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Die Klage ist aber unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig,
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zum Elternbeitrag ist § 17
GTK in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung (§ 17 GTK n. F.) in Verbindung
mit der Satzung der Stadt P über die Erhebung von Elternbeiträgen in
Tageseinrichtungen für Kinder (Elternbeitragssatzung – EBS -) vom 28. Juni 2006.
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Nach dem mit § 17 Abs. 1 Satz 1 GTK in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung
(§ 17 GTK a. F.) im Wesentlichen gleichlautenden § 1 Abs. 1 EBS haben die Eltern
entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit monatlich öffentlich-rechtliche
Beiträge zu den Jahresbetriebskosten zu entrichten. Die danach und der Anlage zur
Satzung zu zahlenden Elternbeiträge sollen zur Deckung der Jahresbetriebskosten
eines Kindergartens beitragen.
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Entscheidend für die Entstehung der Beitragspflicht ist die Bereithaltung des
Kindergartenplatzes. Dies hat zur Folge, dass die Pflicht zur Entrichtung der
Elternbeiträge für ein in der Tageseinrichtung angemeldetes Kind
solange
für dieses Kind ein Platz in der Tageseinrichtung vorgehalten wird
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. März
1996 16 A 275/95 -; Urteil der Kammer vom 18. Mai 1998 - 24 K 7157/95 -,
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und
sobald
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in diesem Sinne bereits Gerichtsbescheid des Gerichts vom 27. Februar 2003 - 24 K
7385/01- .
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Dies setzt neben der (konkludenten) Anmeldung
27
vgl. Beschluss des Gerichts vom 16. September 2002 - 24 L 866/02 -
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lediglich eine "Reservierung" des Platzes voraus, die ausschließt, dass der Platz durch
ein anderes Kind besetzt werden kann und wird,
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Urteil des Gerichts vom 18. Mai 1998 - 24 K 7157/95-; Moskal/Förster, Gesetz über
Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen § 17 I Anm. 3.
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Für die Entstehung der Beitragspflicht ist - dem Wesen eines Beitrags entsprechend -
weder die tatsächliche Nutzung des Platzes erforderlich noch die dauernde Öffnung der
Kindertageseinrichtung während des Beitragszeitraums. Letzteres stellt § 4 Satz 3 EBS
klar. D.h. die Beitragspflicht dauert auch während der Ferienmonate an,
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vgl. Moskal/Förster, Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-
Westfalen § 17 I Anm. 3.
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Hierdurch wird das grundsätzliche Recht der Personensorgeberechtigten nicht
beschnitten, einen Kindergartenvertrag form- und fristgerecht zu kündigen. Es kann
dabei allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch in der Zeit nach Kündigung
des Betreuungsvertrages, in der der Platz für ein Kind in der Tageseinrichtung
vorgehalten wird, die Kosten der Einrichtung, wie zum Beispiel Personalkosten oder
Mieten, weiterlaufen. Erfolgt eine Kündigung z. B. kurz vor Ende des
Kindergartenjahres, das gemäß § 3 EBS dem Schuljahr entspricht, so erfolgt sie zur
Unzeit, weil regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine
Neubelegung des Kindergartenplatzes für die restliche Laufzeit des Kindergartenjahres
noch möglich ist. Eine Kündigung des Betreuungsvertrages zur Unzeit hat nicht zur
Folge, dass Elternbeiträge dann für den Rest des Kindergartenjahres nicht mehr zu
zahlen sind,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. März 1996 - 16 A 275/95 -.
34
Das Gericht sieht keine Veranlassung, von diesen zu § 17 GTK a. F. entwickelten
Grundsätzen hier abzuweichen, weil die auf der Grundlage des § 17 GTK n. F.
ergangene Elternbeitragssatzung der Stadt P im Wesentlichen der bisherigen
Rechtslage nachgebildet ist.
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Von einer Kündigung zur Unzeit mag zwar hier nicht die Rede sein.
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Der Platz wurde für den Sohn des Klägers aber jedenfalls bis zum 30. Juni 2007 im
vorbeschriebenen Sinne vorgehalten, weil er solange für das Kind "reserviert" und nicht
neu besetzt war. Das Gericht sieht keine Veranlassung, diese Angaben des Beklagten
in Zweifel zu ziehen. Durch bloßes Bestreiten kann der Kläger solche Zweifel auch nicht
wecken. Angesichts der nach Auffassung des Trägers der Tageseinrichtung bis dahin
nicht wirksam erfolgten Kündigung des Betreuungsvertrages dürfte er auch kein
Interesse an einer vorzeitigen Neubelegung des Platzes von O gehabt haben.
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Vgl. auch Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2003 -24 K 7385/01 -; Beschluss vom
16. September 2002 - 24 L 866/02 -; auf den Zeitpunkt der tatsächlichen
Neubesetzung hat der Beklagte, der hier nicht gleichzeitig der Träger der Einrichtung
ist, keinen Einfluss.
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"Vorgehalten" ist unter anderem auch der Kindergartenplatz, der durch eine Kündigung
nicht mehr besetzt ist,
39
Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2003 -24 K 7385/01 -
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mit der Folge, dass die Beitragspflicht grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt des Eintritts
eines Nachrückerkindes entfällt,
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vgl. Beschluss der Kammer vom 16. September 2002 – 24 L 866/02 -.
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An diesen Grundsätzen hält das Gericht auch in Ansehung der Umstände des
vorliegenden Falles aus folgenden Erwägungen fest:
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Das Dreieck Eltern/Einrichtungsträger/Jugendamt erfordert in der rechtlichen
Handhabung eine faire und praktikable Verteilung der auftretenden Risiken; Maßstab für
deren vernünftige Verteilung ist die Möglichkeit der Beeinflussung.
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Vor diesem Hintergrund kann es nicht dem Beklagten aufgebürdet werden, für etwaige
Fehler oder rechtliche Differenzen einzustehen, die im Verhältnis der Vertragspartner
des privatrechtlichen Betreuungsvertrages untereinander auftreten. An diesem
Vertragsverhältnis ist der Beklagte nicht beteiligt; über dessen Ausgestaltung ist er
oftmals im Einzelnen auch gar nicht informiert. Umgekehrt verfügen die Vertragspartner
– aber auch nur diese - untereinander über das volle rechtliche Instrumentarium des
BGB zur Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes oder zur Abwicklung der sich
aus Vertragswidrigkeiten ergebenden Folgen. Deshalb müssen diese Folgen auch in
diesem Verhältnis, nach Maßgabe der dafür einschlägigen Normen und im
entsprechenden Rechtsweg behandelt werden,
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vgl. Beschluss der Kammer vom 16. September 2002 – 24 L 866/02 - ; in dem
entschiedenen Fall war seitens des Trägers überhaupt keine Abmeldung des Kindes
und eine Beitragsheranziehung für ein ganzes Kindergartenjahr erfolgt; Urteil vom 29.
Mai 2008 – 24 K 1450/08 -.
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Ob und zu welchem Zeitpunkt der Betreuungsvertrag vom Kläger und Frau T wirksam
gekündigt wurde, muss deshalb mit dem Vertragspartner des Betreuungsvertrages
geklärt werden. Falls der Betreuungsvertrag tatsächlich vom Kläger und Frau T im
Januar 2007 schriftlich, aber ohne Zustellungsnachweis (Einschreiben, ggfls. mit
Rückschein) gekündigt worden wäre, wäre jedenfalls die Einholung einer Bestätigung
bei der Einrichtung unschwer möglich gewesen.
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Diesbezügliche - möglicherweise zu Schadenseratzansprüchen führende -
Fehleinschätzungen auf Seiten der Eltern oder des Trägers des Kindergartens als
Parteien des Betreuungsvertrages können nicht zu Lasten des Beklagten und damit der
Allgemeinheit gehen, die den Beitragsausfall durch Steuermittel auszugleichen hätte.
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Die Beitragshöhe von monatlich 26,08 Euro (Jahreseinkommen: 24.542 Euro) wird vom
Kläger nicht in Frage gestellt und beruht auf seinen gegenüber dem Beklagten
gemachten Angaben.
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Die Festsetzung der Mahngebühr ist nicht zu beanstanden.
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Da der Beitragsbescheid des Beklagten vom 21. Mai 2007 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar und zudem bestandskräftig geworden war, durfte der
Beklagte gemäß §§ 1, 6 Abs. 1, Abs. 3 VwVG NRW die Vollstreckung der
Beitragsforderung einleiten und den Kläger gemäß § 19 VwVG NRW mahnen.
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Die Mahngebühr in Höhe von 7,00 Euro beruht auf § 2 Abs. 1, Abs. 2 der
Kostenordnung zum VwVG (KostO NRW). Die Festsetzung der Kosten in Höhe von 0,55
Euro beruht auf § 20 Abs. 1 VwVG NRW i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 KostO NRW.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 84 Abs. Satz 3, 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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