Urteil des VG Düsseldorf vom 18.01.2007

VG Düsseldorf: krankenversicherung, universität, zuschuss, studiengebühr, australien, bestätigung, form, handschriftlich, privatversicherung, vorverfahren

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 11 K 3718/05
Datum:
18.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 3718/05
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 11. April 2005 und der
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums H vom 21. Juli 2005
werden insoweit aufgehoben, als darin die ​sonstigen Zusatzleistungen"
für die ausländische Krankenversicherung auf 23,75 Euro festgesetzt
wurden.
Der Beklagte wird verurteilt, einen Zuschuss zur ausländischen
Krankenversicherung des Klägers in Höhe von 47,-- Euro monatlich im
Bewilligungszeitraum Februar 2005 bis September 2005 zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Der 1976 geborene Kläger erlangte im Juli 2001 die Fachhochschulreife und begann
zum Wintersemester 2001/2002 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der
Universität X, für das er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
(BAföG) erhielt.
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Im Juni 2004 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Ausbildungsförderung für sein
Studium in Australien in der Zeit von Februar 2005 bis November 2005. Die University
of T in R bestätigte, dass für Studenten die Verpflichtung einer Krankenversicherung
bestehe und sich die Kosten für diese Versicherung auf 329,-- Australische Dollar (AD)
beliefen.
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Mit Bescheid vom 31. Januar 2005 bewilligte der Beklagte Ausbildungsförderung für das
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Auslandsstudium, berücksichtigte allerdings weder die Studiengebühr noch die
Auslandskrankenversicherung.
Der Kläger erhob unter dem 3. Februar 2005 per Telefax Widerspruch und übersandte
eine Bestätigung der P über eine Premium Versicherung für die Dauer seines
Aufenthaltes in Australien zum Preis von 662,-- AD. Außerdem legte er Belege über die
Zahlung der Studiengebühr vor.
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Am 28. Februar 2005 erließ der Beklagte einen neuen Förderungsbescheid, der in
Ergänzung zu den bisher bewilligten Leistungen auch die Studiengebühr, nicht aber die
Kosten für die Auslandskrankenversicherung beinhaltete. Auch gegen diesen Bescheid
erhob der Kläger per Telefax am 17. März 2005 „Einspruch" und führte aus, da er nichts
mehr gehört habe, habe er davon ausgehen müssen, dass die Belege über die
Auslandskrankenversicherung ausreichend seien und die Kosten übernommen würden.
Ferner wies er darauf hin, dass er die im Bescheid ausgewiesenen Beträge nicht
nachvollziehen könne und bis zur endgültigen Klärung seine Widersprüche aufrecht
erhalte.
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Am 11. April 2005 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen neuen
Förderungsbescheid, in dem er 23,75 Euro als „sonstige Zusatzleistungen" für die
Auslandskrankenversicherung bewilligte und in der Anlage zum Bescheid ausführte,
dass die Erstattung der Kosten für die Auslandskrankenversicherung aufgrund der
vorgelegten Bestätigung der P möglich sei, allerdings nur in der von der Universität als
erforderlich bescheinigten Höhe von 329,-- AD (190,02 Euro). Dieser Betrag sei auf die
acht Monate des Bewilligungszeitraums aufgeteilt worden. Auf dem Bescheid war
handschriftlich vermerkt, dass damit dem Widerspruch vom 3. Februar und vom 17. März
2005 abgeholfen worden sei.
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Mit Mail vom 8. Mai 2005 fragte der Kläger nach, aus welchem Grund ihm nicht der
komplette Betrag der P Krankenversicherung erstattet werde. Der Beklage führte aus, es
komme nur eine Erstattung der Pflichtversicherung von 329,-- AD in Betracht. Der Kläger
legte in weiteren Mails dar, dass die Versicherung, deren Höhe von der Universität mit
329,-- AD angegeben worden sei, nur 85 % der etwa entstehenden Krankheitskosten
übernehme und er mit seiner Versicherung diese Lücke habe schließen wollen. Ein
gesundheitlicher Zwischenfall dürfe sein Studium nicht gefährden. Mit Mail vom 16. Mai
2005 bat der Kläger um eine schriftliche Nachricht auf Papier für den Fall, dass eine
100%ige Versicherung nicht anerkannt werde. Mit einer weiteren Mail vom 31. Mai 2005
legte der Kläger dar, dass im Falle der Versicherung über die Universität die
Zahnbehandlung nicht versichert sei. Für den Fall, dass auch dies kein Grund für eine
Kostenübernahme sei, bat er erneut dringend um schriftliche Benachrichtigung. Diese
Mail schickte der Kläger unter dem 1. Juni 2005 auch per Telefax. Der Beklagte wies mit
Mail vom 1. Juni 2005 noch einmal darauf hin, dass keine andere Sachentscheidung
möglich sei und dass dem Kläger der Weg des Widerspruches offen stehe. Am 7. Juni
2005 erhob der Kläger dann per Telefax Widerspruch, den er damit begründete, dass
die Leistungen, die über die Universität angeboten würden, nicht ausreichend seien.
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Das Regierungspräsidium H wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.
Juli 2005 zurück und führte aus, der Widerspruch sei unzulässig, die Widerspruchsfrist
des am 11. April 2005 abgesandten Bescheides sei am 14. Mai 2005 abgelaufen. Der
erst am 7. Juni 2005 per Fax eingegangene Widerspruch sei nach Ablauf der
Widerspruchsfrist eingegangen. Unabhängig davon sei der Widerspruch aber auch in
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der Sache unbegründet, da nach §§ 13 Abs. 4 BAföG, § 5 BAföG-
Auslandszuschlagsverordnung in Verbindung mit § 13 a Abs. 1 BAföG nur tatsächlich
pflichtige Beiträge erstattet werden könnten. Die pflichtige
Auslandskrankenversicherung habe lediglich die anerkannten 329,-- AD gekostet.
Der Kläger hat am 22. August 2005 unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen
Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11. April 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums H vom 21. Juli 2005 insoweit,
als darin die „sonstigen Zusatzleistungen" für die ausländische Krankenversicherung
auf 23,75 Euro festgesetzt wurden, zu verurteilen, für die ausländische
Krankenversicherung einen Zuschuss in Höhe von 47,-- Euro monatlich für den
Bewilligungszeitraum von Februar bis September 2005 zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen
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und nimmt Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Regierungspräsidiums H.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 11. April 2005
und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums H vom 21. Juli 2005 sind
insoweit rechtswidrig, als darin für die Auslandskrankenversicherung lediglich ein
Betrag von 23,75 Euro monatlich festgesetzt wird und verletzen den Kläger in eigenen
Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat Anspruch auf einen Zuschuss zur
Auslandskrankenversicherung in Höhe von 47,00 Euro.
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I.
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Die Klage ist zulässig. Auch das erforderliche Vorverfahren ist ordnungsgemäß
durchgeführt worden. Der Widerspruch war insbesondere nicht verfristet. Zwar ist das
ausdrücklich als Widerspruch gekennzeichnete Schreiben des Kläger per Telefax am 7.
Juni 2005 und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist des Bescheides vom 11. April
2005 - die Widerspruchsfrist des nicht förmlich zugestellten Bescheides endete
allerdings nicht am Samstag, den 14. Mai 2005, sondern erst mit Ablauf des nächsten
Werktages, dem 16. Mai 2005 - bei dem Beklagten eingegangen. Der Kläger musste
aber gar keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. April 2005 erheben. Denn er
hatte bereits am 3. Februar 2005 per Telefax form- und fristwahrend gegen den
ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2005 Widerspruch erhoben und
unter anderem die Nichtberücksichtigung der Kosten für die
Auslandskrankenversicherung gerügt. Auch gegen den Bescheid vom 28. Februar
2005, mit dem der Beklagte die Studiengebühr, nicht aber die
Auslandskrankenversicherung in die Berechnung des Bedarfes einbezog, hatte der
Kläger per Telefax form- und fristwahrend Widerspruch erhoben. Mit dem angefochtenen
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Bescheid vom 11. April 2005 hat der Beklagte den Widersprüchen des Klägers gegen
die Ablehnung der Anerkennung von Krankenversicherungskosten im Ausland teilweise
abgeholfen; er hat insoweit nämlich 329,-- AD (190,02 Euro) anerkannt und eine
monatliche Zusatzleistung in Höhe von 23,75 Euro festgesetzt. Die Bewilligung ist aber
hinter dem Antrag des Klägers auf vollständige Erstattung seiner Kosten für die
Auslandskrankenversicherung in Höhe von 662,-- AD zurückgeblieben. Ein
Teilabhilfebescheid erledigt das Vorverfahren - anders als von dem Beklagten
handschriftlich auf dem streitgegenständlichen Bescheid vermerkt - nicht. Es bedarf
keines erneuten Widerspruches. Der Teilabhilfebescheid wird vielmehr Gegenstand des
weiteren Widerspruchsverfahrens.
Vgl. Rennert, in:Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 72 Rdnr. 6.
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Mithin bedurfte es keines weiteren Widerspruches gegen den streitgegenständlichen
Bescheid vom 11. April 2005. Die Fragen, ob eine der Mails als Widerspruch
auszulegen wäre und ob eine Mail die Schriftform i.S.d. § 70 VwGO wahrt, können
mithin offen bleiben.
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II.
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Die Klage ist auch begründet. Ein Anspruch des Klägers folgt aus §§ 13 Abs. 4, 5 Abs. 2
und 3 BaföG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 5 BAföG-
Auslandszuschlagsverordnung und § 13 a Abs. 1 BAföG.
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Nach § 13 Abs. 4 BAföG wird bei einer Ausbildung im Ausland nach § 5 Abs. 2 und 3
BAföG, soweit die Lebens- und Ausbildungsverhältnisse im Ausbildungsland dies
erfordern, bei dem Bedarf ein Zu- oder Abschlag vorgenommen, dessen Höhe die
Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 der BAföG-Auslandszuschlagsverordnung wird ein Zuschlag zu
dem Bedarf für die Aufwendungen für die Krankenversicherung geleistet. § 5 BAföG-
Auslandszuschlagsverordnung legt fest, dass zu den Aufwendungen der
Krankenversicherung des Auszubildenden monatlich ein Zuschuss in Höhe des
Betrages nach § 13 a Abs. 1 BAföG geleistet wird, wenn der Auszubildende das
Bestehen eines Krankenversicherungsschutzes nachweist.
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Der Kläger hat durch die Bescheinigung der P unstreitig das Bestehen des
Krankenversicherungsschutzes nachgewiesen. Die Höhe des Zuschusses bestimmt
sich mithin nach § 13 a Abs. 1 BAföG. Danach erhöht sich der Bedarf für diejenigen
Auszubildenden um monatlich 47,00 Euro, die ausschließlich beitragspflichtig versichert
sind in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 oder 10 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch oder als Freiwilliges Mitglied (Nr. 1) oder bei einem
Krankenversicherungsunternehmen, das die in § 257 Abs. 2 1 und 2 b des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen erfüllt, und aus dieser
Versicherung Leistungen beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen des
fünften Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Kranken- und Mutterschaftsgeldes
entsprechen (Nr. 2).
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Der Kläger war in einer Privatversicherung versichert. Für den Fall einer
Privatversicherung während eines studienbedingten Auslandsaufenthaltes sieht Ziff. 13
a 1.3. BAföGVwV ausdrücklich vor, dass die im Falle einer Privaten Inlandsversicherung
erforderlichen Prüfungen des Versicherungsunternehmens und der Art der
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Versicherungsleistungen unterbleiben. Dies dient der Verwaltungsvereinfachung, da die
für die Auslandsförderung zuständigen Stellen andernfalls in eine umfangreiche Prüfung
einzutreten hätten. Ziff. 13 a 1.3. Satz 2 BaföGVwV besagt, dass der Zuschuss
unabhängig von den Versicherungskosten geleistet wird, wenn eine beitragspflichtige
Vollversicherung vorliegt. Eine Kürzung kommt nur bei Vorliegen einer Teilversicherung
in Betracht. Da es sich bei der vom Kläger abgeschlossenen Versicherung bei der P um
eine Vollversicherung handelt, ist der Zuschuss in Höhe von 47,00 Euro unabhänig von
den Versicherungskosten zu leisten. Es ist daher unerheblich, dass die Kosten der vom
Kläger abgeschlossenen Versicherung sich auf 662,-- AD beliefen, während die
Universität die Kosten für eine Versicherung mit 329,-- AD angab.
Soweit der Beklagte dahingehend argumentiert, dass nur die Kosten einer
Pflichtversicherung erstattet werden könnten, geht dies fehl. § 13 a Abs. 1 BAföG knüpft
gerade nicht (mehr) an den Tatbestand der Pflichtversicherung an. Entscheidend ist
vielmehr das Vorliegen einer beitragspflichtigen Versicherung.
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Vgl. Wilts, in Rothe/Blanke, BaföG, § 13 a Rdnr. 5, Stand: 1/06.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 701 Nr. 11, 711 ZPO.
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