Urteil des VG Düsseldorf vom 29.12.2009

VG Düsseldorf (kürzung, bfa, betrag, antrag, höhe, bundesrepublik deutschland, auf lebenszeit, auskunft, verzicht, ehemann)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 23 K 2223/08
Datum:
29.12.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 2223/08
Schlagworte:
Kürzung Versorgungsausgleich Härtefallregelung Wiederaufgreifen
Rechtsschutzbedürfnis
Normen:
BeamtVG § 57 VAHRG § 4 Abs 2
Leitsätze:
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine auf ein Wiederauf-
greifen des Verwaltungsverfahrens über einen Antrag gemäß § 4 Abs. 2
VAHRG gerichtete Klage, wenn die Versorgungsbezüge der klagenden
Ruhestandsbeamtin überhaupt nicht nach § 57 BeamtVG gekürzt
worden sind.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig voll-
streckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-
tung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages ab-
wenden, wenn nicht das be¬klagte Land vor der Vollstreckung Sicher-
heit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens im Hinblick
auf einen Antrag der Klägerin gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten
im Versorgungsausgleich (VAHRG).
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Die 1945 geborene Klägerin stammt aus dem rumänischen Siebenbürgen und ist als
Heimatvertriebene anerkannt. Noch in Siebenbürgen heiratete sie im Jahr 1972 Herrn
C, mit dem sie gemeinsam im Februar 1978 als Spätaussiedler in die Bundesrepublik
Deutschland ausreiste. Hier trat sie im August 1979 in den Schuldienst des beklagten
Landes ein und war bis zu ihrer Zurruhesetzung seit dem Jahr 1982 Beamtin auf
Lebenszeit. Die Ehe mit C, aus der zwei Töchter hervorgegangen waren, wurde durch
Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 11. Februar 1998 geschieden. Hierbei ordnete das
Familiengericht einen Versorgungsausgleich zugunsten ihres Ehemannes an, durch
den im Wege des Quasi-Splitting Rentenanwartschaften in der gesetzlichen
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Rentenversicherung begründet wurden. Der geschiedene Ehemann der Klägerin
verstarb am 19. November 1999.
Mit Schreiben vom 15. April 2000 wandte sich die Klägerin an das Landesamt für
Besoldung und Versorgung NRW (LBV) und bat neben anderem um Auskunft, ob der
Versorgungsausgleich unwirksam werde, da ihr Ex-Mann als Begünstigter innerhalb
von zwei Jahren nach Wirksamkeit des Scheidungsurteils verstorben sei. Daraufhin
teilte das LBV ihr mit Schreiben vom 5. Mai 2000 mit, dass ihrem Antrag zurzeit nicht
entsprochen werden könne. Es seien zulasten ihrer Versorgungsanwartschaften im
Rahmen des Versorgungsausgleichs für den geschiedenen Ehemann
Rentenanwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in
Berlin begründet worden. Deshalb sei grundsätzlich mit Beginn des Ruhestandes das
Ruhegehalt um den aktualisierten Betrag des Versorgungsausgleichs zu kürzen, es sei
denn, § 4 VAHRG finde Anwendung. Zu den insofern zu berücksichtigenden
Rentenzahlungen würden auch die aus der Rentenanwartschaft gezahlten
Hinterbliebenenrenten zählen. Aus dem ihrem verstorbenen Ehemann übertragenen
Anrecht würden seit dem 1. Dezember 1999 Hinterbliebenenrenten gezahlt. Da zurzeit
noch nicht absehbar sei, in welchem Umfang künftig Leistungen an die Hinterbliebenen
erbracht würden, könne eine Entscheidung gemäß § 4 VAHRG derzeit nicht getroffen
werden.
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Auf Antrag der Klägerin wurde sie mit Ablauf des 31. Oktober 2000 wegen
Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt. Die ab 1. November 2000 zustehenden
Versorgungsbezüge hatte das LBV mit Versorgungsbescheid vom 30. Oktober 2000
geregelt. In diesem Bescheid nicht anerkannte Zeiten einer Tätigkeit der Klägerin als
Lehrerin in Rumänien in den Jahren 1965 bis 1968 bzw. ein Antrag auf
Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf deren Anerkennung ist Gegenstand
des derzeit beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW) anhängigen Klageverfahrens VG Düsseldorf 23 K 5487/06 bzw.
OVG 3 A 2280/07. In dem genannten Bescheid setzte das LBV die Versorgungsbezüge
der Klägerin unter Zugrundelegung von ruhegehaltfähigen Dienstbezügen von
DM 7.183,84 und einem Ruhegehaltssatz von 50,78 v.H. auf DM 3.647,96 fest. Diese
Zahlen sind den Anlagen zum Versorgungsbescheid zu entnehmen (insbesondere
Anlage 0, Seite 2). Der Bescheid selbst enthält den folgenden Absatz:
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"Sind Sie geschieden und wurden zugunsten Ihres geschiedenen Ehegatten im Wege
des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften zu Lasten Ihrer
Versorgungsanwartschaften begründet, so sind Ihre Versorgungsbezüge und die Ihrer
Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und
Anrechnungsvorschriften zu kürzen (§ 57 BeamtVG). Kürzungsbetrag ist der vom
Familiengericht festgesetzte, um die seit Ehezeitende eingetretenen
besoldungsrechtlichen Erhöhungen fortgeschriebene Betrag. (...) Die Kürzung der
Versorgungsbezüge ist auch rückwirkend durchzuführen, wenn eine Rente für einen
zurückliegenden Zeitraum bewilligt wird."
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In der dem Bescheid beigefügten Anlage 0, Seite 1 findet sich bei der Festsetzung der
Versorgungsbezüge unter der Überschrift "Familienstand" die Information: "Geschieden
seit 28.03.1998 - Öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich wurde durchgeführt." Eine
Kürzung der Brutto-Versorgungsbezüge von 3.647,96 DM um einen Betrag wegen des
Versorgungsausgleichs ist in den gesamten Anlagen zum Versorgungsbescheid nicht
ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Bescheids sowie der Anlagen wird
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auf diesen verwiesen (Beiakte 1, Blatt 17 ff.). Zugleich mit der Festsetzung der
Versorgungsbezüge erfolgte mit gesondertem Bescheid vom 30. Oktober 2000 auf
Antrag der Klägerin eine vorübergehende Erhöhung ihres Ruhegehaltssatzes nach
§ 14 a BeamtVG im Hinblick auf Anwartschaften in der gesetzlichen
Rentenversicherung. Hierdurch erhöhte sich ihr Ruhegehaltssatz auf 59,78 v.H. Auch
dort ist eine Kürzung wegen des Versorgungsausgleichs nicht ersichtlich.
Tatsächlich kürzte das LBV die Versorgungsbezüge der Klägerin bei der Auszahlung
um einen Betrag von zunächst 528,66 DM ab November 2000 wegen des
Versorgungsausgleichs. Wegen der Einzelheiten wird auf ein "Stammblatt für
Versorgung" in der Versorgungsakte verwiesen (Beiakte 5, Blatt 49). In allen folgenden
Versorgungsstammblättern ist unter Feld 70 eine "Kürzung Versorgungsausgleich"
aufgeführt. Die Zahlungen an die Klägerin erfolgten dementsprechend seit ihrem Eintritt
in den Ruhestand in um den Betrag des Versorgungsausgleichs gekürzter Höhe.
8
Zeitgleich mit der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin hatte sich das LBV
wegen der Frage des Versorgungsausgleichs an die BfA in Berlin gewandt. Mit
Schreiben vom 4. Dezember 2000 erteilte die BfA dem LBV die gewünschte Auskunft zu
§ 4 VAHRG. Darin errechnete die BfA den Grenzbetrag im Sinne von § 4 Abs. 2 VAHRG
und gab diesen mit DM 12.495,12 an. Weiterhin ermittelte die BfA im Einzelnen die
Summe der bisher aus der im Wege des Versorgungsausgleichs begründeten
Rentenanwartschaft des geschiedenen Ehemannes der Klägerin, teilweise geleistet als
Hinterbliebenenrente. Bis zum Ablauf des Monats November 2000 waren bis zum Tod
des geschiedenen Ehemannes DM 48.431,65 erbracht worden, wovon DM 10.991,82
auf die im Wege des Versorgungsausgleichs begründeten Rentenanwartschaften
entfielen. Nach dem Tod des geschiedenen Ehemannes der Klägerin waren nach den
Angaben der BfA an Hinterbliebene (C1 und C2) Leistungen im Umfange von
DM 8.092,52 erbracht worden, wovon wiederum DM 1.111,29 auf den Anteil aus dem
Versorgungsausgleich entfielen. Insgesamt ermittelte die BfA auf die wegen des
Versorgungsausgleichs begründeten Rentenanwartschaften des geschiedenen
Ehemannes der Klägerin entfallende Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
im Umfang von DM 12.214,70. Die BfA kam somit zum Stichtag 30. November 2000 zu
dem Ergebnis, dass der Grenzbetrag gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG zu diesem Zeitpunkt
noch nicht überschritten war, wies zugleich aber darauf hin, dass der Grenzbetrag mit
der Zahlung der Halbwaisenrente für den Monat Mai 2001 überschritten werden würde.
Es sei insofern ein Verzicht des berechtigten Hinterbliebenen zulässig, der jedoch nur
für die Zukunft und keinesfalls für zurückliegende Zeiten möglich sei. Die BfA wies
weiter auf eventuell bestehende Beratungspflichten des LBV gegenüber der Klägerin
hin und hob hervor, dass der mögliche Verzicht auf die Waisenrente von der
Rentenberechtigten selbst schriftlich gegenüber der BfA zu erklären sei und es
entscheidend auf den Eingang der Verzichtserklärung bei der BfA ankomme.
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Das LBV teilte der Klägerin die maßgeblichen Umstände aus dem Schreiben der BfA
mit einem an sie gerichteten Schreiben vom 8. Dezember 2000 mit und wies darauf hin,
dass nach der Mitteilung der BfA der Grenzbetrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG mit der
Zahlung der Waisenrente an ihre Tochter für den Monat Mai 2001 überschritten werden
würde. Es sei ein Verzicht auf die Waisenrente für die Zukunft, keinesfalls aber für
zurückliegende Zeiten zulässig.
10
Ein Verzicht auf die Halbwaisenrente ist in der Folgezeit weder bei der BfA noch beim
LBV aktenkundig.
11
Erhebliche Zeit später meldete sich für die Klägerin unter dem 28. November 2005 die
Rentenberaterin N beim LBV und beantragte, die Festsetzung der Versorgungsbezüge
und deren Zahlung zu prüfen, korrigierend zu erhöhen und von einer Kürzung der
Bezüge hinsichtlich des Malus durch Versorgungsausgleich Abstand zu nehmen.
Letzteres begründete die Rentenberaterin damit, dass die DRV am 4. Dezember 2000
mitgeteilt habe, dass der Grenzbetrag nicht überschritten sei; weiter verwies sie auf ein
Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 94/00 R – sowie
einen Schriftsatz der Klägerin vom 11. Januar 2001.
12
Auf ein daraufhin ergangenes Auskunftsersuchen des LBV zu § 4 VAHRG an die
Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund; die frühere BfA) teilte diese unter dem
30. Januar 2006 mit, dass der Grenzbetrag im Sinne des § 4 Abs. 2 VAHRG
6.510,96 Euro betrage, jedoch aus der im Wege des Versorgungsausgleichs
begründeten Rentenanwartschaften des geschiedenen Ehemannes der Klägerin an
diesen und seine Hinterbliebenen Leistungen in Höhe von 6.793,89 Euro erbracht
worden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Auskunft und insbesondere der
darin enthaltenen Berechnungen zum Grenzbetrag bzw. der Darstellung der gewährten
Rentenleistungen wird auf Beiakte 1, Blatt 36 ff. verwiesen.
13
Auf der Grundlage der Auskunft der DRV Bund lehnte das LBV den Antrag der Klägerin,
gemäß § 4 VAHRG von der Kürzung ihrer Versorgungsbezüge nach § 57 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG abzusehen, mit Bescheid vom 6. Februar 2006 ab, da der maßgebliche
Grenzbetrag überschritten worden sei.
14
Die Rentenberaterin N erhob dagegen für die Klägerin unter dem 27. Februar 2006
Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Betrag des
Versorgungsausgleichs im familiengerichtlichen Verfahren zu hoch angesetzt worden
sei, sowie aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles, schweren Misshandlungen
der Klägerin durch ihren verstorbenen Ehemann und einer infolgedessen eingetretenen
psychischen Erkrankung, die auch zur Dienstunfähigkeit und Frühpensionierung geführt
habe, der Klägerin nicht zuzumuten sei, dass im Hinblick auf ihren verstorbenen
Ehemann auch noch ihre Pension gekürzt werde.
15
Das LBV wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Mai 2006 zurück, weil der
Grenzbetrag nach der Auskunft der DRV Bund vom 30. Januar 2006 überschritten sei,
ein Verzicht auf die Rente durch die Hinterbliebenen trotz Hinweises nicht
ausgesprochen worden sei, und eine Korrektur der Höhe des
Versorgungsausgleichsbetrages nicht in der Entscheidungsbefugnis des LBV liege.
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Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin keine Klage. Jedoch machte
die Rentenberaterin N für sie im Zusammenhang mit einem Widerspruch in Bezug auf
die Anerkennung von Vordienstzeiten mit Schreiben vom 13. Juni 2006 neben einem
Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf den Betrag der Kürzung wegen
Versorgungsausgleichs bis zu einer Entscheidung des Familiengerichts nach § 10 a
VAHRG Verschiedenes geltend, insbesondere zur Höhe des Versorgungsausgleichs.
Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 13. Juni 2006 wird auf Beiakte 1,
Blatt 50 ff. verwiesen. Der auf den Widerspruch ergangene Widerspruchsbescheid des
LBV vom 25. September 2006, mit dem ein Wiederaufgreifen des
Verwaltungsverfahrens in Bezug auf streitige Vordienstzeiten der Klägerin in Rumänien
zurückgewiesen wurde, ist Gegenstand des beim OVG NRW anhängigen o.g.
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Berufungsverfahrens.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2007 beantragte die aktuelle Prozessbevollmächtigte der
Klägerin beim LBV, dieser zu gestatten, den durchgeführten Versorgungsausgleich
rückgängig zu machen, in dem die aus dem Versorgungsausgleich gezahlten
Erwerbsminderungs- und Halbwaisenrentenanteile von ihr ratenweise zurückgezahlt
werden. Dies begründete sie damit, dass der von der DRV errechnete Grenzbetrag nur
um 293,- Euro, also 4,35 %, überschritten worden sei. In Anbetracht dessen sei die
dauerhafte Kürzung der Versorgungsbezüge (um derzeit monatlich 288,92 Euro) eine
unzumutbare Härte. Nach dem aktuellen Stand entspreche damit der aus der
Rentenanwartschaft insgesamt aufgrund des Versorgungsausgleichs gezahlte Betrag
von 6.793,89 Euro weniger als 2 Jahren der aktuellen Kürzung. Deshalb sei das
VAHRG entsprechend anzuwenden. Dieser Antrag sei erneut zu bescheiden, weil mit
der Rentenberaterin N im vorherigen Verwaltungsverfahren eine nach dem
Rechtsberatungsgesetz (RBerG) nicht zur Vertretung befugte Bevollmächtigte
aufgetreten sei.
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Das LBV teilte der Klägerin mit Verweis auf den Bescheid vom 6. Februar 2006 unter
dem 8. August 2007 mit, dass die Voraussetzungen nach § 4 VAHRG nicht vorlägen.
Ein diesbezüglicher Widerspruch der Klägerin sei bereits mit Bescheid vom
17. Juni 2006 zurückgewiesen worden. Da keine Änderung der Sach- und Rechtslage
vorliege, bestehe keine Veranlassung, die bestandskräftige Entscheidung erneut zu
überprüfen. Der Hinweis auf die fehlende Befugnis der Rentenberaterin zur
Rechtsberatung ändere daran nichts, da eine nach dem RBerG erteilte Erlaubnis für die
Durchführung eines Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens nicht vorgesehen sei.
19
Die Klägerin erhob gegen den "Bescheid vom 8. August 2007" Widerspruch, den das
LBV mit Bescheid vom 25. Februar 2008 zurückwies und dies damit begründete, die
Klägerin habe keine neuen Aspekte vorgetragen.
20
Die Klägerin hat am 19. März 2008 diese Klage erhoben, mit der sie ihr auf das
Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens zu ihrem Antrag gemäß § 4 Abs. 2
VAHRG gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft
sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und führt im
Wesentlichen aus: Die grob unverhältnismäßige Kürzung ihrer Versorgungsbezüge um
288,92 Euro auf Dauer hätte schon in einem früheren Stadium abgewandt werden
können, in dem die gemeinsame Tochter der Klägerin und ihres verstorbenen
geschiedenen Ehemannes auf die Halbwaisenrente verzichtet hätte. Die Klägerin sei
jedoch aufgrund ihrer psychischen Erkrankung mit dem Verfahren völlig überfordert
gewesen und habe ihre Rechte nicht in angemessener Form wahrnehmen können. Die
Rentenberaterin habe dann aufgrund ihrer mangelnden Sachkenntnisse auf diesem
Gebiet das angestrengte Verwaltungsverfahren nicht ordnungsgemäß unter Wahrung
der Rechte der Klägerin durchgeführt, wodurch der angegriffene Bescheid zustande
gekommen sei. Dieser könne deshalb keinen Bestand haben; vielmehr sei es der
Klägerin zu gestatten, den durchgeführten Versorgungsausgleich rückgängig zu
machen, in dem die aus dem Versorgungsausgleich gezahlten Erwerbsminderungs-
und Halbwaisenrentenanteile von ihr ratenweise zurückgezahlt würden.
21
Die Klägerin hat zur Stützung ihres Begehrens die folgenden Unterlagen eingereicht:
22
Erklärung ihrer Tochter C2 vom 30. Juli 2008, wonach sie ihrer Mutter im
Februar 2001 ein Schreiben per Post geschickt habe, in dem sie der BfA mitteilte,
dass sie ab März 2001 auf ihre Hinterbliebenenrente verzichte;
Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. T vom
8. August 2008, in dem dieser das Vorliegen einer psychischen Erkrankung in der
Zeit zwischen dem 5. November 1996 und dem 14. September 2000 bescheinigte,
die es der Klägerin erschwert habe, ihre Angelegenheiten selber zu besorgen,
Termine einzuhalten und sich entsprechend zu organisieren und zu konzentrieren;
Bescheid des Versorgungsamtes Köln vom 16. März 1997, in dem ein Grad der
Behinderung (GdB) festgestellt wurde, u.a. wegen einer psychischen
Behinderung.
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24
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
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das beklagte Land zu verpflichten, den Bescheid des LBV vom 6. Februar 2006 in
Form des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2006 aufzuheben und die
Klägerin unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
26
Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,
27
die Klage abzuweisen.
28
Das LBV hält die Klage zunächst für unzulässig, da gegen den Widerspruchsbescheid
vom 17. Mai 2006 nicht innerhalb der Klagefrist Klage erhoben worden sei. Zudem sei
die Klage auch unbegründet, da die Voraussetzungen der Härtefallregelung des § 4
VAHRG nicht vorlägen; insbesondere sei ein rückwirkender Verzicht auf
Halbwaisenrente und eine Rückzahlung des den Grenzbetrag übersteigenden Betrages
laut Auskunft der DRV Bund nicht möglich.
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Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die
Gerichtsakte dieses Verfahrens, die beigezogene Versorgungsakte des LBV und die
Personalakten der Bezirksregierung Köln Bezug genommen.
30
Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich
hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
32
Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch
Beschluss der Kammer vom 16. April 2009 gemäß § 6 VwGO dem Berichterstatter als
Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
33
Die Klage ist unzulässig. Es mangelt am Rechtsschutzbedürfnis.
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Dies ergibt sich aus Folgendem: Mit der Klage will die Klägerin im Ergebnis ein
Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens über ihren Antrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG
erreichen. Das LBV soll erneut darüber entscheiden, ob von einer Kürzung der
Versorgungsbezüge der Klägerin gemäß § 57 BeamtVG wegen des bei der
Ehescheidung von ihrem verstorbenen früheren Ehemann erfolgten
Versorgungsausgleichs abzusehen ist. Dieses Begehren hat überhaupt nur Sinn, wenn
eine Kürzung nach § 57 BeamtVG vorliegt, von der das LBV gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG
absehen könnte. Eine solche Kürzung der Versorgungsbezüge der Klägerin ist hier
nach der Überzeugung des Einzelrichters aber überhaupt nicht erfolgt. Die
Versorgungsbezüge sind lediglich tatsächlich in zu geringer (gekürzter) Höhe
ausgezahlt worden, ohne dass in rechtlicher Hinsicht eine Kürzung nach § 57 BeamtVG
vorgenommen worden wäre. Es liegt rechtlich betrachtet ein Fall der Unterzahlung vor,
aufgrund dessen die Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung des (im Verhältnis zur
Festsetzung) zu wenig gezahlten Betrages hat.
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Die Versorgungsbezüge der Klägerin sind mit dem Bescheid vom 30. Oktober 2000
festgesetzt worden. Die Festsetzung enthält keine Kürzung um den Betrag des
Versorgungsausgleichs, wie sie § 57 BeamtVG vorsieht. Auch wenn dem LBV
anscheinend bewusst war, dass ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden war,
wie die Angabe beim Familienstand in Anlage 0, Seite 1 "geschieden seit 28.03.98 –
öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt" zeigt, ist eine Kürzung nicht
geregelt worden. In den auf Anlage 0, S. 2 (Beiakte 1, Bl. 22) enthaltenen Berechnungen
wird, ausgehend von ruhegehaltfähigen Dienstbezügen von DM 7183,84 und einem
Ruhegehaltssatz von 50,78 %, ein Gesamtruhegehalt von DM 3647,96 angegeben
(ohne die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG). Hier müsste die
Kürzung nach § 57 BeamtVG erscheinen, wenn sie bei der Bearbeitung des Falles
mittels elektronischer Datenverarbeitung (EDV) durch korrektes und vollständiges
Anklicken oder Auswählen entsprechender Kästchen oder Felder vorgenommen
worden wäre. Dies ist offensichtlich (wohl versehentlich) unterblieben.
36
Der Einzelrichter folgt dem LBV nicht in seiner Auffassung, die Zahlenangaben und
Berechnungen in den Anlagen zum Festsetzungsbescheid würden nur nachrichtlich
erfolgen und unterlägen dem Vorbehalt der Änderung, die Kürzung nach § 57 BeamtVG
ergäbe sich jedoch aus dem dritten Absatz auf S. 2 des Bescheides vom 30. Oktober
2000 (Beiakte 1, Bl. 18: "Sind Sie geschieden..."). Das allein lässt sich nicht als
Kürzungsregelung im Sinne von § 57 BeamtVG auslegen. Dieser abstrakt gehaltene
Absatz gibt in etwas anderer Formulierung die Regelung des § 57 BeamtVG wieder,
ohne jedoch eine Regelung eines Einzelfalles im Sinne von § 35 Satz 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG) zu enthalten. Ein feststellender oder
festsetzender Verwaltungsakt soll gerade die abstrakten Regelungen eines Gesetzes
auf den Einzelfall anwenden und dem Adressaten konkret mitteilen, was für ihn gilt, hier
also: welche Versorgung in welcher Höhe die Klägerin erhält. Der mit den Worten "Sind
Sie geschieden..." eingeleitete Absatz überlässt es hingegen dem Betroffenen, seine
eigene Situation hierunter zu subsumieren. Das reicht für die Feststellung der Regelung
eines Einzelfalls – auch als Regelung dem Grunde nach – nicht aus. Dass dieser
Absatz nach Angabe des LBV der damals immer in Fällen des § 57 BeamtVG
verwendete Textbaustein gewesen sein soll, steht dem nicht entgegen. Wenn die
Berechnung der Versorgungsbezüge in den Anlagen (insbesondere Anlage 0, S. 2) die
Kürzung um den Betrag des Versorgungsausgleichs ausweisen würde, so hätte dies (in
Verbindung mit dem Textbaustein) dem Einzelrichter genügt, da die Formulierungen in
den Begründungen der Versorgungsbescheide des LBV regelmäßig eher allgemein
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gehalten sind und ihre Konkretisierung in den Anlagen erfahren. Da hier den Anlagen
aber gerade keine Kürzung nach § 57 BeamtVG zu entnehmen ist, ist eine solche nicht
geregelt. Die dort auffindbare Information, dass die Klägerin geschieden und ein
öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei, reicht ebenfalls
nicht aus, da das Zahlenwerk, welches regelmäßig die Regelung des Bescheides
konkretisiert und allein die den Betroffenen interessierenden Einzelheiten seiner
Versorgungsbezüge enthält, eine Kürzung nicht erkennen lässt.
Die Kürzung ist damit allein in tatsächlicher Hinsicht durchgeführt worden. Die
Auszahlung in geringerer (gekürzter) Höhe, die soweit ersichtlich genau dem unter
Berücksichtigung einer Kürzung nach § 57 BeamtVG zu zahlenden Betrag entsprach,
enthält ebenfalls keine Regelung der Kürzung im Sinne von § 57 BeamtVG. Die
Auszahlung ist nämlich ein tatsächlicher Vorgang, dem keine Regelung innewohnt,
dass der gezahlte Betrag auch rechtlich festgesetzt bzw. geschuldet sein soll. Diese
vom LBV in allen Fällen der Überzahlung und daraufhin erfolgender Rückforderung von
Dienst- oder Versorgungsbezügen regelmäßig vertretene Auffassung, die der ständigen
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte entspricht, muss auch dann gelten, wenn dem
Beamten weniger ausgezahlt worden ist als im Versorgungsbescheid festgesetzt.
Gleiches gilt für die an die Klägerin versandten Mitteilungen über ihre
Versorgungsbezüge, die die Kürzung ausweisen. Auch diese enthalten keine
Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG NRW.
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Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Betrag des Versorgungsausgleichs und die
deshalb gekürzte Auszahlung den sogenannten "Stammblättern für Versorgung" in der
Versorgungsakte in Feld 70 für die Zeit ab November 2000 zu entnehmen ist. Diese
Stammblätter sind verwaltungsinterne Berechnungen ohne Außenwirkung, die
insbesondere weder an den Ruhestandsbeamten gerichtet sind, noch ihm bekannt
gegeben werden.
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Nach alledem ist es so, dass die Versorgungsbezüge der Klägerin rechtlich nicht nach
§ 57 BeamtVG gekürzt sind. Dieses Klageverfahren, welches allein das Ziel hat, eine
Klärung der Frage herbeizuführen, ob das LBV erneut über die Frage der Kürzung,
insbesondere unter dem Blickwinkel des § 4 Abs. 2 VAHRG, zu entscheiden hat, ist
damit im Ergebnis überflüssig, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
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