Urteil des VG Düsseldorf vom 21.02.2007

VG Düsseldorf: satzung, familie, stadt, gebühr, kindergarten, eltern, erlass, höchstbetrag, besuch, autonomie

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 5 K 762/06
Datum:
21.02.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 762/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern
wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Kläger sind die Eltern des G, welcher die offene Ganztagsgrundschule U Straße in
E besucht und der G1, welche die Tageseinrichtung für Kinder, S Straße in N, besucht.
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Mit Gebührenbescheid vom 14. Oktober 2005 setzte der Beklagte gegenüber den
Klägern gestützt auf §§ 2 und 5 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die
Teilnahme an der Offenen Ganztagsgrundschule im Primarbereich der Stadt E (im
Folgenden: Satzung) in Verbindung mit § 17 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für
Kinder (GTK) wegen des Besuchs der Offenen Ganztagsgrundschule durch ihren Sohn
G für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 30. November 2005 eine Gebühr von
195,00 Euro und für jeden Folgemonat eine Gebühr von 65,00 Euro fest.
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Der Bescheid ging den Klägern am 18. Oktober 2005 zu.
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Die Kläger erhoben hiergegen am 18. November 2005 Widerspruch, mit dem sie
geltend machten: Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung sei die Gebühr für alle Kinder, die
zeitgleich an der offenen Ganztagsgrundschule teilnähmen, nur einmal zu entrichten.
Die Vorschrift entspreche § 17 Abs. 2 Satz 2 GTK, welche die gleiche Regelung treffe,
wenn zeitgleich zwei Kinder einer Familie den Kindergarten besuchten. Für den
Kindergartenbesuch ihrer Tochter sei nach § 17 GTK ebenfalls der Höchstbetrag
festgesetzt worden. Sowohl das Kindergartengesetz des Landes NRW als auch die
Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Teilnahme an der Offenen
Ganztagesgrundschule regelten in § 17 Abs. 2 GTK bzw. § 2 Abs. 2 der Satzung den
Fall des gleichzeitigen Besuchs von Familienkindern in der Weise, dass der
Elternbeitrag nur einmal zu entrichten sei. Insoweit gingen das Gesetz wie auch die
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Satzung einheitlich davon aus, dass eine Mehrfacherhebung von Beiträgen für weitere
Familieninder nicht in Betracht komme. Nicht geregelt sei dagegen der Fall, wenn
Familienkinder zeitgleich den Kindergarten bzw. die Offene Ganztagesgrundschule
besuchten. Das Gleichbehandlungsgebot gebiete jedoch eine Gleichbehandlung der
Fälle, wo zwei oder mehrere Familienkinder entweder gleichzeitig den Kindergarten
oder gleichzeitig die offene Ganztagsschule besuchten. Land wie Kommune hätten die
Familien privilegieren wollen, die mehr als nur ein Kind zum gleichen Zeitpunkt in
öffentlichen Einrichtungen hätten fördern lassen wollen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2006 wies der Beklagte den Widerspruch der
Kläger zurück. Gemäß § 2 Abs. 2 der Gebührensatzung sei die Gebühr für alle Kinder,
die zeitgleich an der offenen Ganztagsschule teilnähmen, nur einmal pro Familie zu
entrichten. Die Feststellung des Jahreseinkommens erfolge gemäß § 2 Abs. 3 der
Gebührensatzung analog der Regelung zur Feststellung des
Familienbruttoeinkommens im GTK. Die Regelung des § 17 Abs. 2 GTK über die
Beitragsfreiheit beim gleichzeitigen Besuch mehrerer Betreuungsangebote gelte
ausschließlich für die vom GTK erfassten Betreuungsformen. Die offene
Ganztagsgrundschule falle nicht hierunter. Der Rat der Stadt habe die Beitragsfreiheit
bewusst auf den Kreis der Kinder einer Familie beschränkt, die gleichzeitig die offene
Ganztagsgrundschule besuchten. Sofern Kinder einer Familie zeitgleich eine
Einrichtung nach dem GTK besuchten (z.B. Kindergarten, Hort), seien hierfür
gesonderte Beträge zu entrichten. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes
gemäß Art. 3 GG scheide aus, da die Betreuungsangebote nach dem GTK und nach der
Satzung auf zwei verschiedenen Rechtsgrundlagen fußten. Auch wenn die
Betreuungsangebote der Natur nach inhaltliche Ähnlichkeiten aufwiesen, so handele es
sich doch nicht um gleich zu behandelnde Sachverhalte im Sinne des Art. 3 GG. Das
Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gestatte es den
Kommunen, ihre Satzungen auf der Grundlage der finanziellen Eigenverantwortung zu
beschließen.
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Die Kläger haben am 22. Februar 2006 Klage erhoben. Sie rügen, dass der Beklagte mit
seiner Praxis gegen Art. 3 GG verstoße. Die Frage des anhängigen Rechtsstreits sei
von der Stadt N zwischenzeitlich dahingehend geregelt, dass unabhängig davon, ob
sich weitere Kinder der Familie in einer Tageseinrichtung für Kinder oder in der Offenen
Ganztagsschule befänden, künftig nur noch ein Kind beitragspflichtig sei. Das Gericht
möge außerdem prüfen, ob für die Gebührenerhebung für die Offene Ganztagesschule
überhaupt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage im Gesetz bestehe.
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Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
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1. den Gebührenbescheid vom 14.10.2005 und den Widerspruchsbescheid
des Beklagten vom 09.02.2006, zugegangen am 13.02.2006, aufzuheben,
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2. festzustellen, dass sie keine Gebühren für die Offene
Ganztagsgrundschule nach der Gebührensatzung der Stadt E vom
20.06.2005 schulden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die durch den Satzungsgeber vorgesehenen Ermäßigungen (in § 2 Abs. 1 und § 2 Abs.
2 der Satzung) seien sämtlich fakultativ und daher in das politische Ermessen des Rates
gestellt. Hierbei dürften sozialpolitische und ordnungspolitische Erwägungen bzw.
Praktikabilitätserwägungen Berücksichtigung finden. Gebührenermäßigungen dürften
zwar nicht den übrigen Gebührenschuldnern angelastet werden. Dies sei hier allerdings
auch nicht der Fall. Dies ergebe sich bereits daraus, dass auch der in der Satzung
vorgesehene Höchstbeitrag nicht kostendeckend sei. Für die Teilnahme an der Offenen
Ganztagsschule im Primarbereich entstünden pro Schuljahr und Kind Kosten von
1.025,00 Euro. Je nach Jahreseinkommen zahlten die Eltern jedoch maximal 780,00
Euro pro Jahr. Die übrigen Kosten würden vom Land und von der Stadt E getragen.
Ergänzend sei noch vorzutragen, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
auch nicht darin zu sehen sei, dass die Stadt N die Ermäßigung anders geregelt habe.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz binde nur den jeweiligen Satzungsgeber. Aufgrund
der gemeindlichen Autonomie dürfe in den einzelnen Gemeinden unterschiedliches
Ortsrecht bestehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend der Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge in Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte gemäß § 87a Abs. 3 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche
Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit
einverstanden erklärt haben.
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Der als Feststellungsantrag formulierte Klageantrag zu 2. ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGO
unzulässig, da die Kläger das durch sie geltend gemachte Recht, keine Gebühren für
den Besuch der offenen Ganztagesgrundschule U Straße in E durch ihren Sohn G
zahlen zu müssen, bereits mit dem durch sie zulässigerweise erhobenen
Anfechtungsantrag (Klageantrag zu 1.) verfolgen können.
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Die Klage mit dem Klageantrag zu 1. ist aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten
vom 14. Oktober 2005 und sein Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2006 sind
rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für die erhobenen Elternbeiträge sind §§ 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 der
Satzung. Nach diesen Vorschriften haben die Erziehungsberechtigten des Kindes
entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit monatlich Gebühren zu den
jährlichen Betriebskosten des außerunterrichtlichen Angebots der Offenen
Ganztagsschule zu entrichten, wobei die Höhe der monatlichen Gebühren nach dem
Jahreseinkommen gestaffelt ist.
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Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung sind nicht gegeben.
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Diese findet ihre Rechtsgrundlagen in § 41 Abs. 1 f) der Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen (GO) und §§ 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (KAG). Gemäß § 41 f) GO ist der Rat der Gemeinde für den
Erlass, die Änderung und die Aufhebung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen
Bestimmungen zuständig. Nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 KAG können Gemeinden und
Gemeindeverbände Gebühren erheben; gemäß § 4 Abs. 2 KAG sind Gebühren
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Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung – Amtshandlung
oder sonstige Tätigkeit – der Verwaltung (Verwaltungsgebühren) oder für die
Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen (Benutzungsgebühren)
erhoben werden. Benutzungsgebühren sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG zu erheben,
wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder
Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird.
Vorliegend bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass der Rat der Stadt E gemäß §
41 Abs. 1 f) GO für den Erlass der Satzung zuständig war und es sich bei der offenen
Ganztagsschule U Straße in E um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 2
KAG handelt, die dem Vorteil der Schüler dient, welche die außerschulischen Angebote
der Ganztagsschule in Anspruch nehmen.
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Soweit die Satzung in § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 eine Gebührenstaffelung nach dem
Elterneinkommen bzw. einen "Geschwisterrabatt" enthält, sind diese Regelungen
rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie in ihrer Anwendung im Einzelfall zu einer
abweichenden Festsetzung von Abgaben aus Billigkeitsgründen nach der Vorschrift des
§ 163 AO, die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG auf das hier in Frage stehende
Gebührenschuldverhältnis anwendbar ist, führen, und diese Regelungen auch nicht zu
einer unzulässigen sogenannten "Quersubventionierung" führen. Eine solche
unzulässige "Quersubventionierung" liegt nur dann vor, wenn Gebührenermäßigungen
den übrigen Gebührenschuldnern angelastet werden.
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Vgl. hierzu Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2006, §
4 Rnr. 143.
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Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte hat dargelegt, dass auch der in der
Satzung vorgesehene Höchstbetrag von 65,00 Euro/Monat, den die Kläger bezahlen
sollen, nicht kostendeckend ist. Für die Teilnahme an der offenen Ganztagsschule im
Primarbereich entstehen pro Schuljahr und Kind Kosten von 1.025,00 Euro, je nach
Jahreseinkommen zahlen die Eltern jedoch maximal 780,00 Euro pro Jahr. Der Rest
wird aus allgemeinen Deckungsmitteln finanziert.
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Die Satzung verstößt auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sie keinen
"Geschwisterrabatt" für den Fall enthält, dass, wie hier, ein Kind eine Tageseinrichtung
für Kinder im Sinne des Gesetzes für Tageseinrichtungen für Kinder und ein weiteres
Kind die offene Ganztagsschule besucht, gegen den allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Dieser gebietet es grundsätzlich, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart
entsprechend verschieden zu behandeln.
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Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953, 1 – BvR
147,52 -, BVerfGE 3, 59 (135).
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Nach Maßgabe dieser Regel ist eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aber nicht
gegeben. Gegenüber den Fällen, wo zwei Kinder aus einer Familie eine offene
Ganztagsschule bzw. zwei Kinder einer Familie eine Kindertagesstätte besuchen und
damit die Eltern nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 der Satzung bzw. § 17 Abs. 1 Satz 2 GTK
einen "Geschwisterrabatt" genießen, weist der vorliegende Fall, bei dem ein Kind eine
Tageseinrichtung für Kinder im Sinne des § 1 Abs. 1 GTK und ein Kind eine offene
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Ganztagsschule besucht, zwar eine Ungleichbehandlung auf, weil die Kläger vorliegend
nicht in den Genuss einer Gebührenbefreiung für das zweite Kind kommen. Es handelt
sich insoweit aber auch um einen anderen Sachverhalt, weshalb es gerechtfertigt ist,
diesen verschieden zu behandeln. Denn die offene Ganztagsschule einerseits und
Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 GTK sind unterschiedliche Einrichtungen,
weswegen der Fall, dass ein Kind einer Familie die offene Ganztagsschule und ein Kind
derselben Familie eine Kindertagesstätte im Sinne von § 1 Abs. 1 GTK besucht, nicht
mit dem Fall gleichzusetzen ist, in dem mehrere Kinder einer Familie die offene
Ganztagsschule bzw. mehrere Kinder einer Familie eine Kindertagesstätte im Sinne von
§ 1 Abs. 1 GTK besuchen.
Dass die Stadt N demgegenüber in Fällen der vorliegenden Art einen Geschwisterrabatt
einräumt, führt ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, da aufgrund der Autonomie in den unterschiedlichen
Gemeinden unterschiedliches Ortsrecht bestehen darf,
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BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1966 – 1 BvR 33,64 -, DVBl. 1967, 230;
BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1970 – VII B 188.65 -, KStZ 1970, 175,
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und der Gleichbehandlungsgrundsatz damit nur den jeweiligen Satzungsgeber bindet.
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Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Gebührenforderung sind nicht
geltend gemacht und auch nicht sonst wie ersichtlich.
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Nach alledem war die Klage mit dem Klageantrag zu 1) als unbegründet abzuweisen.
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Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es den Klägern freisteht, wegen der
vorliegenden Konstellation gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V.m. § 227 AO hinsichtlich
der mit den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzten Forderungen einen Erlass
zu beantragen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4
VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
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