Urteil des VG Düsseldorf vom 06.10.2009

VG Düsseldorf (auf probe, einstellung, beamtenverhältnis, altersgrenze, probe, zeitpunkt, echte rückwirkung, ex nunc, unechte rückwirkung, rückwirkung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 3655/08
Datum:
06.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3655/08
Schlagworte:
Einstellung; Beamtenverhältnis; Höchstaltersgrenze; Wirksamkeit der
Laufbahnverordnung; maßgebliche Sach- und Rechtslage
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die am 00. Juni 1963 geborene Klägerin steht als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im
öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes. Sie begehrt die Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe.
2
Die Klägerin nahm nach einer Ausbildung zur Schneiderin und entsprechender
Berufstätigkeit im Jahr 1988 das Studium der Sozialarbeit auf, das sie im Jahr 1992 mit
der Diplomprüfung abschloss. Danach war sie bis Januar 2005 in sozialen Berufen tätig.
Während dieser Zeit legte sie im März 1998 in dem Ergänzungsstudiengang
Erziehungswissenschaft die Diplomprüfung ab und brachte im Januar 1999 ihren Sohn
zur Welt.
3
Nachdem ihr Diplom in Erziehungswissenschaft am 1. April 2004 als Erste
Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen in den Fächern
Sozialwissenschaften und Pädagogik anerkannt worden war, bewarb sich die Klägerin
unter dem 12. Juli 2004 erfolgreich um Einstellung in den Vorbereitungsdienst für ein
Lehramt ab dem 1. Februar 2005. Sie bestand am 2. November 2006 die Zweite
Staatsprüfung und bewarb sich nachfolgend um Einstellung in den Schuldienst.
4
Die Bezirksregierung E (Bezirksregierung) teilte ihr durch Schreiben vom 16. April 2007
mit, sie habe in Aussicht genommen, sie zum 6. August 2007 am B-Gymnasium in L in
den öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes einzustellen. Sofern die Klägerin die
laufbahn- und sonstigen dienstrechtlichen Voraussetzungen erfülle, erfolge die
Einstellung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe, anderenfalls in ein
unbefristetes Beschäftigungsverhältnis nach TV-L. Unter dem 21. Juni 2007
unterzeichneten die Beteiligten einen entsprechenden Arbeitsvertrag.
5
Mit Schreiben vom 27. März 2008 stellte die Klägerin unter Berufung auf ein Urteil des
erkennenden Gerichts vom 20. November 2007 – 2 K 1313/07 – einen Antrag auf
Verbeamtung "aufgrund des Mangelfacherlasses". Sie habe seinerzeit im Vertrauen auf
den Mangelfacherlass, der eine Verbeamtung bis zum 45. Lebensjahr ermöglicht habe,
eine feste Stelle für eine Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben.
6
Die Bezirksregierung lehnte den Antrag durch Bescheid vom 16. April 2008 unter
Hinweis auf die Überschreitung der maßgebenden Höchstaltersgrenze von 35 Jahren
ab. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Mangelfacherlass im Zeitpunkt ihrer
Einstellung in den Schuldienst noch gültig sei, sei nicht anzuerkennen, da derartige
Regelungen nur ausnahmsweise und befristet bestanden hätten.
7
Die Klägerin hat am 17. Mai 2008 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie zunächst
ergänzend vorgetragen hat: Sie hätte das gut dotierte Beschäftigungsverhältnis mit den
Diakoniewerken E1 nicht aufgelöst, wenn sie vom beklagten Land als
Seiteneinsteigerin nicht mit dem Versprechen einer späteren Verbeamtung auch noch
bis zum 45. Lebensjahr angeworben worden wäre. Der Erlass vom 23. Juni 2006, mit
dem die Gültigkeitsdauer des Mangelfacherlasses um ein Jahr abgekürzt worden sei,
sei mit den Geboten des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Das habe das erkennende
Gericht bezüglich der Bewerber, die den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst nach
OVP-B durchlaufen hätten, bereits festgestellt. Die dortigen Ausführungen müssten nach
dem Gleichbehandlungsgebot auch in ihrem Fall gelten, zumal das beklagte Land bei
der Anwerbung der Lehrer nicht nach der Art des Vorbereitungsdienstes differenziert
habe.
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Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07
– u.a. (NWVBl 2009, 300) die Regelungen der Altersgrenze in § 52 Abs. 1, § 84 Abs. 1
Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-
Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. November 1995 (GV. NRW.
1996 S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2005 (GV. NRW. S. 498 –
nachfolgend: LVO a.F.), als unwirksam angesehen hat, weil sie von der
Verordnungsermächtigung nicht gedeckt seien, und durch die Verordnung zur Änderung
der Laufbahnverordnung und anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009
(GV. NRW. S. 381 – nachfolgend: LVO n.F.) mit Wirkung vom 18. Juli 2009 u.a. die
Höchstaltersgrenze auf 40 Jahre angehoben worden ist, macht die Klägerin geltend:
9
Die bisher maßgebliche laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze von 35 Jahren stehe
ihrer Verbeamtung nicht entgegen, da die betreffenden Normen nichtig seien. Da bei ihr
die übrigen Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis,
insbesondere die gesundheitliche Eignung, vorlägen, habe sie auf jeden Fall bis zum
17. Juli 2009 einen Anspruch auf Verbeamtung gehabt. Es wäre mit Treu und Glauben
und dem Vertrauensschutzgrundsatz nicht in Einklang zu bringen, wenn sich der
Beklagte nunmehr auf die durch § 52 LVO n.F. geschaffene Höchstaltersgrenze berufen
10
könnte, zumal er die Bescheidung ihres Übernahmeantrags seit Bekanntwerden der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bis zur Neufassung der
Laufbahnverordnung bewusst hinausgezögert habe. Aus diesem Grunde sei im
gegebenen Fall nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung, sondern auf die bis zum 17. Juli 2009 geltende Rechtslage abzustellen.
Die Klägerin beantragt,
11
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E
vom 16. April 2008 zu verpflichten, sie in das Beamtenverhältnis auf Probe
einzustellen,
12
hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung E vom 16. April 2008 zu verpflichten, über ihren Antrag auf
Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Er hat zunächst ergänzend ausgeführt: Die Klägerin habe zu dem Zeitpunkt, als sie sich
entschlossen habe, den Beruf des Lehrers anzustreben, nicht darauf vertrauen können,
dass sie nach Erwerb der Lehramtsbefähigung auf der Grundlage des
Mangelfacherlasses noch verbeamtet würde. Denn seinerzeit sei die Gültigkeit des
Mangelfacherlasses bis zum Beginn des Schuljahres 2004/2005 befristet gewesen. Bei
Aufnahme des Vorbereitungsdienstes sei der Mangelfacherlass lediglich bis zum 31.
Juli 2007 verlängert gewesen. Es sei jedenfalls nicht glaubhaft, dass die Klägerin den
Vorbereitungsdienst nicht aufgenommen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass eine
spätere Verbeamtung nicht möglich sei. Auf einen Vertrauensschutz, wie ihn das
erkennende Gericht den Seiteneinsteigern nach OVP-B zuerkannt habe, könne sich die
Klägerin nicht mit Erfolg berufen, da sie nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung nicht
unmittelbar in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis übernommen worden sei, sondern
sich erst in einem Auswahlverfahren habe behaupten müssen.
16
Im Hinblick auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 und
die nachfolgenden Änderungen der Laufbahnverordnung trägt der Beklagte nunmehr
vor: Maßgebend seien die Bestimmungen der LVO n.F. Hiernach scheitere das
Klagebegehren gleichermaßen an der Überschreitung der Höchstaltersgrenze.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
18
Entscheidungsgründe:
19
Die Klage hat keinen Erfolg.
20
Sie ist zwar als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der die Einstellung
in das Beamtenverhältnis auf Probe ablehnende Bescheid der Bezirksregierung vom
21
16. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113
Abs. 5 VwGO). Diese hat weder einen Anspruch auf Einstellung in das
Beamtenverhältnis noch darauf, dass der Beklagte über ihr Einstellungsbegehren unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet.
Das Gericht kann dahingestellt sein lassen, ob der mit dem Hauptantrag gemäß § 113
Abs. 5 Satz 1 VwGO begehrten Verpflichtung des Beklagten zur Einstellung der
Klägerin in das Beamtenverhältnis bereits entgegensteht, dass die Sache mangels
aktuellen Nachweises der sonstigen für die Einstellung in das Beamtenverhältnis
erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere der gesundheitlichen Eignung, nicht
spruchreif ist. Denn die Klage ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Klägerin aus
sonstigen Gründen keinen Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf
Probe hat: Ein solcher ergibt sich zunächst nicht aus einer Zusicherung (dazu unter I.).
Der Verbeamtung der Klägerin stehen die Bestimmungen über die Höchstaltersgrenze
der Laufbahnverordnung in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung entgegen
(dazu unter II.). Diese Bestimmungen sind wirksam (dazu unter III.). Maßgebend ist die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (heutigen) gerichtlichen Entscheidung (dazu
unter IV.).
22
I. Ein Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Schuldienst im Beamtenverhältnis
besteht nicht aufgrund einer verbindlichen Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1
VwVfG NRW. Die Bezirksregierung hat eine derartige schriftliche Erklärung, welche die
verbindliche Selbstverpflichtung enthält, die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf
Probe einzustellen, nicht abgegeben. Maßgeblich ist insoweit der objektive
Erklärungswert der behördlichen Erklärung, der durch Auslegung zu ermitteln ist. Dafür
ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung
verstehen konnte. Bloße Auskünfte, Erklärungen, Hinweise oder sonstige behördliche
Erklärungen, bei denen die Verwaltung eine Maßnahme ohne Bindungswillen in
Aussicht stellt, können nicht als Zusicherung gewertet werden. Auch das bloße Wecken
von Erwartungen in Bezug auf ein künftiges Verhalten der Behörde reicht für eine
Zusicherung nicht aus, selbst wenn berechtigtes Vertrauen geschaffen wird.
23
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 – 5 C 10.05 –, BVerwGE 126, 33; ferner
BVerwG, Urteil vom 26. September 1996 – 2 C 39.95 , BVerwGE 102, 81, 84;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 38 Rn. 11.
24
Hiernach liegt eine Zusicherung im Vorfeld der Begründung des unbefristeten
Beschäftigungsverhältnisses nicht vor. Insbesondere enthält auch das Schreiben vom
16. April 2007 keine Formulierungen, aus denen sich die verbindliche Absicht der
Bezirksregierung entnehmen ließe, die Klägerin trotz Überschreitens der
Höchstaltersgrenze zu verbeamten. Vielmehr wurde ihr eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis ausdrücklich nur bei Vorliegen der laufbahn- und sonstigen
dienstrechtlichen Voraussetzungen in Aussicht gestellt, zu denen nun einmal die
Einhaltung der Höchstaltersgrenze gehört.
25
II. Art. 33 Abs. 2 GG und die zur Konkretisierung dieser Norm ergangenen
beamtenrechtlichen Vorschriften,
26
vgl. § 9 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 des mit Wirkung vom 1. April 2009 in Kraft getretenen
Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009, GV. NRW. S.
224 – nachfolgend: LBG NRW - i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung
27
des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008,
BGBl. I S. 1010 – nachfolgend: BeamtStG -; inhaltsgleich: § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der
Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW. S. 234, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 18. November 2008, GV. NRW. S. 706 - nachfolgend: LBG a.F. -,
gewähren keinen unmittelbaren Anspruch auf Einstellung oder Übernahme in ein
Beamtenverhältnis. Die Entscheidung hierüber liegt vielmehr im pflichtgemäßen
Ermessen des Dienstherrn, der dabei den Grundsatz gleichen Zugangs zu jedem
öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten hat.
Der Zugang zu einem solchen Amt ist zudem abhängig von der Erfüllung bestimmter
gesetzlicher Anforderungen, zu denen insbesondere auch die laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen gehören. Im Falle der Klägerin fehlt es hieran wegen Überschreitens
der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze.
28
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 LVO n.F. darf als Laufbahnbewerber nach § 5
Abs. 1 Buchstabe a LVO n.F. in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder
übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die am 10. Juni
1963 geborene Kläger hat diese Höchstaltersgrenze im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung aber um mehr als sechs Jahre überschritten.
29
Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO n.F., die eine Überschreitung der Altersgrenze
von 40 Jahren wegen zwingend zu beachtender Verzögerungsgründe ermöglicht, greift
nicht zu Gunsten der Klägerin ein. Nach dieser Bestimmung darf dann, wenn sich die
Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe u.a. wegen Ableistung
einer Dienstpflicht nach Art. 12a GG (Buchstabe a), wegen der Geburt oder Betreuung
eines Kindes unter 18 Jahren (Buchstabe c) oder wegen der tatsächlichen Pflege eines
nach einem Gutachten pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Buchstabe d) verzögert
hat, die jeweilige Altersgrenze im Umfang der Verzögerung überschritten werden. Dabei
kann der Zeitverlust im Zusammenhang mit dem Erwerb der Vorbildung für die
Einstellung in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt, während des
Vorbereitungsdienstes selbst, anlässlich der Laufbahnprüfung oder in dem Zeitraum
danach eingetreten sein. Betreuungs- bzw. Pflegetätigkeiten sind aber nur dann
beachtlich, wenn sie den Tagesablauf der Betreuungsperson geprägt, d.h. im Vergleich
zu anderen Tätigkeiten in Ausbildung und/oder Beruf deutlich überwogen haben. Aus
der Verwendung des Wortes "wegen" folgt zudem, dass eine beachtliche Verzögerung
nur dann vorliegt, wenn der Verzögerungstatbestand (Dienstverpflichtung, Betreuung
minderjähriger Kinder, Pflege Angehöriger) ursächlich dafür gewesen ist, dass die
Einstellung in den öffentlichen Dienst erst nach Vollendung der laufbahnrechtlichen
Höchstaltersgrenze möglich wurde. Daran fehlt es unter anderem, wenn es nach der
Betreuungszeit zu vermeidbaren Verzögerungen gekommen ist.
30
Ständige Rechtsprechung zu der insoweit inhaltsgleichen Regelung des § 6 Abs. 1
Satz 3 und 4 LVO a.F., vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Juni
1998 – 2 C 6.98 -, DÖD 1999, 140; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 16. März 2004 6 A 1524/02 , vom 28. Mai 2003
6 A 510/01 , DÖD 2004, 27, vom 7. September 1994 6 A 3377/93 , ZBR 1995, 113,
und vom 6. Juli 1994 6 A 1725/94 ; Urteile des erkennenden Gerichts vom 23. Mai
2007 – 2 K 5117/05 -, vom 26. September 2006 – 2 K 3325/06 , vom 15. März 2005
2 K 422/03 und vom 18. November 2002 – 2 K 3829/00 .
31
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin zunächst keinen Anspruch auf
Berücksichtigung von Kinderbetreuungszeiten. Sie hat zwar einen im Jahr 1999 und
somit vor Vollendung ihres 40. Lebensjahres geborenen Sohn. Sie selbst hat aber nicht
einmal geltend gemacht, dass Geburt und Betreuung ihres Kindes kausal für ihre
verspätete Einstellung in den Schuldienst waren. Eine derartige Feststellung ist auch
tatsächlich nicht möglich. Die erforderliche Kausalität zwischen der Kinderbetreuung
und der verspäteten Einstellung in den Schuldienst ist nur dann gegeben, wenn es zu
Verzögerungen der für die Einstellung relevanten Ausbildung, bei einer Lehrkraft also
des Erwerbs des für das Studium erforderlichen schulischen Abschlusses sowie der
nachfolgenden Ausbildung für den Lehrerberuf, gekommen ist. Das lässt sich hier aber
nicht feststellen. Die später als Erste Staatsprüfung für ein Lehramt anerkannte
Diplomprüfung hatte die Klägerin bereits 1998 und somit vor der Geburt ihres Sohnes
abgelegt. Auch danach ging sie bei dem Diakoniewerk E1 – wenn auch zeitweilig mit
halber Stelle – sowie als Kursleiterin an der Katholischen Familienbildungsstätte einer
beruflichen Tätigkeit nach, die nicht im Zusammenhang stand mit dem späteren
Schuldienst. Den Vorbereitungsdienst für das Lehramt nahm sie erst im Februar 2005
und somit nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres auf. Sie hat auch nicht etwa den
Vorbereitungsdienst erst deshalb so spät begonnen, weil sie zuvor hierzu wegen der
Betreuung ihres Kindes nicht in der Lage gewesen wäre. Dem steht bereits entgegen,
dass sie ab Februar 2002 bis zur Aufnahme des Vorbereitungsdienstes bei dem
Diakoniewerk E1 wieder mit einer ¾-Stelle einer beruflichen Tätigkeit nachging.
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§ 6 Abs. 2 Satz 5 LVO n.F., wonach sich das Höchstalter erhöht, wenn der Bewerber an
dem Tag, an dem er den Antrag auf Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe gestellt hat, die Höchstaltersgrenze nicht überschritten
hatte und die Einstellung oder Übernahme innerhalb eines Jahres nach der
Antragstellung erfolgt, ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil die Kläger bei
Antragstellung das 40. Lebensjahr schon überschritten hatte. Diese in § 52 Abs. 1 LVO
n.F. bestimmte allgemeine Höchstaltersgrenze ist vorliegend maßgebend. Hierbei kann,
da die Klägerin - wie vorstehend ausgeführt - Verzögerungsgründe nach § 6 Abs. 2 Satz
1 LVO n.F. nicht mit Erfolg geltend machen kann, letztlich offen bleiben, ob aufgrund der
auf die "jeweilige" Altersgrenze abstellenden Neufassung dieser Bestimmung die
Verzögerungstatbestände nach Satz 1 und der Erhöhungsgrund nach Satz 5 kumuliert
werden können, mit anderen Worten, ob Satz 5 ggfs. an ein – über 40 Jahren liegendes
– "individuelles" Höchstalter anknüpft.
33
Verneinend zu der gleichartigen Bestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a.F. die
ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 – 2 C 20.97 -,
ZBR 1999, 22.
34
Sowohl der mit der Bewerbung vom 25. November 2006 incidenter als auch der mit
Schreiben vom 27. März 2008 ausdrücklich gestellte Antrag der Klägerin auf Einstellung
in das Beamtenverhältnis erfolgten nicht vor, sondern deutlich - und zwar mehr als drei
bzw. vier Jahre - nach Vollendung des 40. Lebensjahres (10. Juni 2003).
35
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze nach § 84 Abs. 2 Satz 1 LVO n.F.
36
Das gilt zunächst für den Ausnahmetatbestand der Nummer 1 dieser Bestimmung.
Hiernach können Ausnahmen zugelassen werden "für einzelne Fälle oder Gruppen von
Fällen, wenn der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse daran hat, Bewerber
37
als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten". Nach Abs. 2 Satz 2 liegt ein solches
erhebliches dienstliches Interesse "insbesondere vor, wenn die Ausnahmeerteilung zur
Sicherstellung der Erledigung der öffentlichen Aufgaben erforderlich ist". Bezogen auf
die Lehrerlaufbahnen werden hiermit allgemein die Fallgestaltungen umschrieben, in
denen mangels ausreichender Zahl von Fachlehrern in bestimmten Fächern
Unterrichtsausfall droht oder gar bereits zu verzeichnen ist und dessen "Bekämpfung"
bislang mittels Verwaltungsvorschriften erfolgte.
Vgl. den Erlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 2000 (Az.: 121 - 22/03 Nr. 1050/00, sog.
Mangelfacherlass), Erlasse über Vorgriffseinstellungen und Weiterqualifizierungen
etc.; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 –, DokBer B
2009, 225, und – 2 C 33.07 -, juris.
38
Der Anwendung dieser Norm steht allerdings nicht entgegen, dass sich die Klägerin
bereits in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Lehrkraft befindet. Insoweit
geht sie über den Regelungsgehalt des Mangelfacherlasses hinaus, der eine
Ausnahme von der Altersgrenze lediglich für neu einzustellende Bewerber ermöglichte.
Denn § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVO n.F. sieht eine Ausnahme auch für den Fall vor, dass
Bewerber als Fachkräfte "behalten" werden sollen. Damit hat der Verordnungsgeber
offensichtlich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom
19. Februar 2009 ( 2 C 18.07 - Rn 27) Rechnung tragen wollen, wonach es sich
verbiete, "Bewerber um Beamtenstellen bereits deshalb abzulehnen, weil sie bereits als
Tarifbeschäftigte im Schuldienst tätig sind". Die tatbestandlichen Voraussetzungen der
Nr. 1 sind aber im übrigen nicht erfüllt. Der Beklagte hat dadurch, dass er den
Mangelfacherlass zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 (sogar vorzeitig) hat auslaufen
lassen, zu erkennen gegeben, dass er ein "dienstliches Interesse" an der Gewinnung
bzw. dem Behalten von Lehrern mit den in dem Mangelfacherlass aufgeführten Fächern
und Fachrichtungen nicht mehr sieht, ein solches Interesse in Abwägung mit den durch
die Verbeamtung älterer Lehrer verbundenen Versorgungslasten jedenfalls nicht mehr
als "erheblich" betrachtet. Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass das beklagte
Land auf der Grundlage der Nr. 1 in absehbarer Zeit erneut ähnliche
Ausführungsbestimmungen erlassen wird, die eine Überschreitung sogar der (auf 40
Jahre) angehobenen Altersgrenze ermöglichen sollen. Da sich der Kreis der Lehrer, die
für eine Verbeamtung in Betracht kommen, mit der neuen Altersgrenze erweitert hat,
dürfte sich auch das "Angebot" an Lehrern mit bevorzugt benötigten Fakulten erhöht
haben.
39
Die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVO
n.F. liegen gleichfalls nicht vor. Im Falle der Klägerin hat sich der auf den Lehrerberuf
bezogene berufliche Werdegang nicht aus Gründen verzögert, die ein Festhalten an der
Altersgrenze als unbillig erscheinen lassen. Maßgebend dafür, dass die Klägerin bei
Einstellung in den Schuldienst "überaltert" war, war vielmehr, dass sie anfänglich einen
völlig anderen beruflichen Werdegang verfolgte. Sie nahm nach einer Ausbildung zur
Schneiderin und entsprechender Berufstätigkeit im Jahr 1988 das Studium der
Sozialarbeit auf, das sie im Jahr 1992 mit der Diplomprüfung abschloss. Danach war sie
bis Januar 2005 in sozialen Berufen tätig. Erst im Jahr 2004 vollzog sie eine berufliche
Neuorientierung hin zum Lehrerberuf. Sie ließ ihr Diplom in Erziehungswissenschaft als
Erste Staatsprüfung für ein Lehramt anerkennen und bewarb sich um Einstellung in den
Vorbereitungsdienst für ein Lehramt ab dem 1. Februar 2005. Mangels gegenteiliger
Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die anfängliche Berufsplanung der Klägerin
40
auf ihrer freien Entscheidung beruhte und die verspätete Einstellung in den Schuldienst
somit von ihr "zu vertreten" ist. Nach allem erscheint es auch nicht "unbillig", wenn auch
nach der Neufassung des § 84 LVO im Falle der Klägerin eine Ausnahme von der
Altersgrenze nicht in Betracht zu ziehen ist.
Liegen mithin bei Zugrundlegung des klägerischen Vorbringens bereits die
tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften des § 84 Abs. 2 LVO n.F.
nicht vor, bestand auch keine Verpflichtung der Bezirksregierung, das
Einstellungsbegehren der Klägerin zur Prüfung einer im Ermessenswege zu erteilenden
Ausnahme nachträglich an die gemäß § 84 Abs. 3 Satz 3 LVO n.F. zuständige oberste
Dienstbehörde weiterzuleiten. Somit erweist sich die ablehnende Entscheidung nach
wie vor auch nicht wegen Ermessensnichtgebrauchs als rechtswidrig.
41
So bereits in gleichartigen Fällen zu § 84 LVO a.F.: VG E, Urteil vom 3. Februar 1998
2 K 7172/95 , m.w.N.
42
III.
Wirksamkeit der Neuregelung der Höchstaltersgrenze durch die §§ 52, 6 und 84 LVO in
der derzeit geltenden Fassung. Die Neufassung der Laufbahnverordnung wird
insbesondere den vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Februar
2009 (- 2 C 18.07 -, a.a.O.) aufgestellten Anforderungen gerecht, wonach dann keine
grundsätzlichen materiell-rechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung einer
Altersgrenze für die Einstellung in das Beamtenverhältnis bestehen, wenn die
Altersgrenze und ihre Ausnahmetatbestände normativ hinreichend geregelt sind. Das ist
vorliegend der Fall.
43
Zum einen bildet die Verordnungsermächtigung in § 5 Abs. 1 LBG NRW ungeachtet
dessen, dass sie die Bestimmung von Altersgrenzen nicht ausdrücklich erwähnt, eine
ausreichende gesetzliche Grundlage zur Regelung von laufbahnrechtlichen
Altersgrenzen durch den Verordnungsgeber, weil Altersgrenzen zu den Regelungen
gehören, durch die herkömmlicherweise das Laufbahnwesen der Beamten gestaltet
wird (BVerwG a.a.O., Rn 11, zur gleichartigen Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 LBG
a.F.).
44
Zum anderen erweisen sich die einschlägigen Bestimmungen der geänderten
Laufbahnverordnung als solche als rechtmäßig.
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Der Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) gebietet keinen Verzicht auf eine
Höchstaltersgrenze. Laufbahnrechtliche Altersgrenzen für Einstellung und Übernahme
in das Beamtenverhältnis werden zudem weder durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz noch durch Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 2000/79/EG)
ausgeschlossen (BVerwG a.a.O., Rn 9 und 10 bzw. Rn 11 bis 23).
46
Auch dass der Verordnungsgeber die Altersgrenze nunmehr gerade auf 40 Jahre
festgesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit
keine bestimmten Vorgaben gemacht. Es hat vielmehr betont, dass dem Normgeber bei
der Wahl der Mittel, mit denen er ein legitimes Ziel erreichen will, ein
Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, bei dem politische, wirtschaftliche, soziale,
demografische und auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden
können (a.a.O., Rn 18). Besondere Bedeutung gewinnt hierbei das im Lebenszeitprinzip
begründete Interesse an möglichst langen aktiven Dienstzeiten und an der Vermeidung
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einer übermäßigen Belastung durch Versorgungspflichten (BVerwG, a.a.O., Rn 16, 21).
Zwar muss in die Überlegungen einbezogen werden, dass Altersgrenzen eine
empfindliche Beeinträchtigung des Leistungsgrundsatzes darstellen; auch wird die
Angemessenheit der Altersgrenze davon abhängen, in welchem Umfang Ausnahmen
vorgesehen werden. Angesichts der in § 6 Abs. 2 und § 84 Abs. 2 LVO n.F. aufgeführten
zahlreichen Fallgruppen, in denen eine Überschreitung der Altersgrenze obligatorisch
oder im Ermessensweg zugelassen wird, sowie angesichts des Umstandes, dass
nunmehr eine Anhebung der Altersgrenze von 35 auf 40 Jahre erfolgt ist, hat der
Verordnungsgeber mit der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 aber eine
insgesamt ausgewogene, jedenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstandende
Neuregelung der Altersgrenze getroffen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht
den Zweck von Altersgrenzen nicht nur in der Sicherstellung eines angemessenen
Verhältnisses von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sieht, sondern darauf
verweist, dass "daneben" dem Interesse des Dienstherrn an ausgewogenen
Altersstrukturen Bedeutung beigemessen werden "kann" (a.a.O., Rn 12) und die
Berücksichtigung dieses Interesses "nur auf der Grundlage einer plausiblen und
nachvollziehbaren Planung" zulässig sei (a.a.O., Rn 21), ergeben sich keine
durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Neuregelung der
Höchstaltersgrenze. Es besteht keine Verpflichtung, bei der Festlegung einer
Altersgrenze in jedem Fall auch auf diesen Aspekt tragend abzustellen und ihn
eingehend zu prüfen. Beabsichtigt der Verordnungsgeber, wie hier, eine Anhebung der
Höchstaltersgrenze, tritt der Gesichtspunkt der "ausgewogenen Altersstruktur" in den
Hintergrund. Denn die Festlegung einer höheren Altersgrenze ist nicht geeignet, zu
einer Verjüngung eines eher überalterten Lehrkörpers, wie er (gerichtsbekannt) in
Nordrhein-Westfalen anzutreffen ist, und in diesem Sinne zu einer ausgewogeneren
Altersstruktur beizutragen. Demnach erscheint es als unschädlich, dass sich sowohl in
der allgemeinen Begründung zur Neuregelung der Laufbahnverordnung als auch in der
Einzelbegründung zu §§ 52 und 6 LVO n.F. keine Ausführungen zur Bedeutung der
Höchstaltersgrenze für die Altersstruktur in der Lehrerschaft finden, hier vielmehr allein
auf die Zielsetzung abgestellt wird, "ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsleistung
und Versorgungsansprüchen sicherzustellen".
Der Verordnungsgeber
mit 40 Jahren eine als solche unbedenkliche neue Altersgrenze festgelegt, sondern
auch die Sonder- und Ausnahmefälle nunmehr in ausreichendem Maße selbst
bestimmt:
48
Der Katalog des § 6 Abs. 2 Satz 1 Buchstaben a) bis d) LVO n.F. führt die zwingend
also ohne ein behördliches Ermessen – zu beachtenden Überschreitungsgründe auf.
Waren dort bisher bereits die Betreuung minderjähriger Kinder und die Pflege naher
Angehöriger geregelt, sind nunmehr früher im Ermessensbereich (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 LVO a.F.) angesiedelte weitere Verzögerungstatbestände hinzugetreten (Dienstpflicht
nach Art. 12a GG, freiwilliges soziales Jahr). Hier (in Satz 5) verortet worden ist nunmehr
auch die Bestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a.F., wonach die für die Bearbeitung
der Bewerbung aufzuwendende Zeit nicht zu Lasten des Bewerbers gehen soll. Die
Zulassung von Ausnahmen im Ermessenswege ist nun nicht mehr voraussetzungslos
möglich, sondern von dem Vorliegen der in § 84 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LVO n.F. näher
umschriebenen Voraussetzungen abhängig. Mit der hier erfolgten Festlegung
tatbestandlicher Voraussetzungen für die (im übrigen) in das Ermessen gestellten
Ausnahmen von der Altersgrenze ist der vom Bundesverwaltungsgericht (a.a.O., Rn 25
ff.) an den Verordnungsgeber gerichteten Aufforderung, die Bestimmung von
49
Ausnahmetatbeständen nicht der Verwaltung zu überlassen, diese vielmehr im
Wesentlichen selbst zu regeln, in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden.
In Nr. 1 ist mit dem Abstellen auf das erforderliche (erhebliche) dienstliche Interesse zum
einen deutlich gemacht worden, dass eine solche Ausnahme nicht dem persönlichen,
etwa wirtschaftlichen Interesse des Bewerbers dient. Zugleich erfährt das zu fördernde
öffentliche Interesse dadurch eine weitere Präzisierung, dass es in Bezug gesetzt wird
zu dem Erfordernis der Gewinnung von Fachkräften. Der Umstand allein, dass die
Neuregelung inhaltlich an die bisher durch Erlasse bestimmten Ausnahmeregelungen
(Mangelfacherlass etc.) anknüpft, spricht als solcher jedenfalls nicht gegen die
Tragfähigkeit der Regelung. Maßgebend ist vielmehr, ob der Regelungsgehalt des
Ausnahmetatbestandes, gemessen an den vom Bundesverwaltungsgericht
aufgestellten Anforderungen, hinreichend bestimmt ist. Das ist durch die Aufstellung von
tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Zielrichtung der Norm zweifelsfrei
erkennen lassen, geschehen. Von dem Verordnungsgeber eine zusätzliche "Gruppen"-
Bildung, d.h. eine weitergehende Typisierung der angesprochenen Fallgruppen, zu
fordern
50
- so wohl Schnellenbach, Rechtsgutachten von Juli 2009 für die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft, S. 22 f. und 49 f., der die inhaltliche Substanz als "zu
dürftig" kritisiert -,
51
bedeutete nach Ansicht der Kammer eine Überspannung der an eine abstrakt-generelle
Rechtnorm zu stellenden Anforderungen. Eine solche Rechtsnorm muss jedenfalls nicht
ins Detail gehen. Zu berücksichtigen ist namentlich, dass die fraglichen Bestimmungen
der Laufbahnverordnung Regelungen für sämtliche betroffenen Laufbahnen treffen
müssen, so dass regelmäßig nicht die Notwendigkeit besteht, in einer bestimmten
Laufbahn auftretende spezifische Fragestellungen einer eingehenden Regelung zu
unterziehen. Sofern das beklagte Land zur Umsetzung der Norm in der Praxis
Ausführungsbestimmungen erlassen wird, bleibt deren Bedeutung zudem hinter den
bisherigen Erlassregelungen zurück. Denn künftig wird sich der Dienstherr hierbei
angesichts der tatbestandlich festgelegten Ausnahmevoraussetzungen im Wesentlichen
lediglich im Bereich norminterpretierender und nicht ermessenlenkender
Verwaltungsvorschriften bewegen, so dass die verordnungsrechtliche Altersgrenze nicht
mehr "in weitem Umfang und für einen erheblichen Bewerberkreis durch
Behördenentscheidungen überlagert" (so zur früheren Rechtslage BVerwG a.a.O., Rn
27) werden wird.
52
Mit dem Ausnahmetatbestand der Nr. 2 ist eine Härtefallregelung getroffen worden, die
gleichfalls durch die Bezeichnung bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen
("beruflicher Werdegang", "aus ... nicht zu vertretenden Gründen", "nachweislich",
"unbillig") die Zielrichtung selbst deutlich macht. Zwar mag die Verwendung mehrerer
unbestimmter Rechtsbegriffe die Handhabung dieser Ausnahmebestimmung
erschweren.
53
Vgl. Schnellenbach, a.a.O., S. 23.
54
Durchgreifende rechtliche Bedenken wären unter diesem Gesichtpunkt aber nur dann
zu erheben, wenn die Regelung völlig unpraktikabel wäre. Davon ist jedoch nicht
auszugehen, zumal sie sich auch ansonsten gebräuchlicher Rechtbegriffe bedient und
als Auslegungshilfen die in der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze
55
herangezogen werden können. So knüpft die Härtefallregelung erkennbar an die
bislang schon im Rahmen des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. geübte und von der
Rechtsprechung
- vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 24. September 2008 – 6 A 1586/07 -, juris -
56
geforderte Praxis an, mit dem Instrument der Ausnahmebewilligung besonders
gelagerten Einzelfällen gerecht zu werden, insbesondere wenn der Bewerber aus einer
besonderen Ausnahmesituation herrührende Gesichtspunkte anführt, die nicht
offenkundig hinter dem öffentlichen Interesse an einer Begrenzung der
Versorgungslasten zurückstehen müssen.
57
Schließlich erweist sich die LVO n.F. nicht deshalb als unwirksam, weil die
Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 bezüglich der Höchstaltersgrenze keine
Übergangsregelungen enthält, insbesondere nicht die - angesichts des Verdikts der
bisherigen Regelung durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar
2009 (a.a.O.) ohnehin fern liegende – Bestimmung trifft, dass in den noch nicht
abgeschlossenen Antragsverfahren statt der Neuregelung eine abweichende (z.B. die
frühere) Regelung gelten soll. Soweit für den Fall des Fehlens entsprechender
Übergangsbestimmungen geltend gemacht wird, die Neufassung der Bestimmungen
über die Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Rückwirkung von
Gesetzen, folgt das erkennende Gericht dem nicht. Eine grundsätzlich unzulässige
echte Rückwirkung liegt nur dann vor, wenn ein bereits abgewickelter, in der
Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu geregelt wird. Erforderlich
ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur
begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung bereits abgeschlossen war. Dem
gegenüber liegt eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung vor, wenn eine
Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene
Rechtsposition nachträglich entwertet.
58
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 2 C 4.05 , DVBl 2006, 648.
59
Die Anwendung des neuen Laufbahnrechts begründet keinen Fall einer echten
Rückwirkung, da der betroffene Tatbestand vor Inkrafttreten der LVO n.F. am 18. Juli
2009 noch nicht abgeschlossen war. Die hierbei erfolgte – bei Annahme einer zuvor
"Altersgrenzen freien" Rechtslage erstmalige - Festlegung der Höchstaltersgrenze greift
nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt - d.h. hier: ein bestehendes
Beamtenverhältnis auf Probe – ein, wirkt sich vielmehr allenfalls für die Zukunft
(nachteilig) auf das derzeit im Klagewege verfolgte Einstellungsbegehren aus. Geht
man von einem Fall der unechten Rückwirkung aus, erweist sich diese als zulässig, weil
"Bestandsinteressen" nicht die Veränderungsgründe des Verordnungsgebers
überwiegen. Weder konnte der Kläger - wie noch näher darzustellen sein wird - in dem
Zeitpunkt, als er sich entschloss, den Lehrerberuf zu ergreifen und den
Vorbereitungsdienst aufzunehmen, darauf vertrauen, dass er nach (erfolgreichem)
Abschluss dieser Ausbildung unter Begründung gerade eines Beamtenverhältnisses in
den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt werden würde, noch ist – wie
gleichfalls auszuführen sein wird - ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf
anzuerkennen, in den Genuss der durch die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 kurzzeitig eröffneten Möglichkeit
einer von einer Höchstaltersgrenze unabhängigen Einstellung in das Beamtenverhältnis
60
zu kommen. Jedenfalls müssen die insoweit bestehenden Erwartungen der Klägerin
hinter das gewichtige Interesse des Dienstherrn zurücktreten, in Anbetracht der
Dauerhaftigkeit des Beamtenverhältnisses ein angemessenes Verhältnis von
Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sicherzustellen. Eine abweichende
Interessenabwägung ist auch nicht angesichts dessen geboten, dass mit der
Bewerbung um Einstellung in den Schuldienst besondere Pflichten des potenziellen
Dienstherrn aus einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung begründet werden und
diese verletzt sind, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung die Sach- und Rechtslage
schuldhaft fehlerhaft geprüft hat.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 – 6 A 1054/05 -, ZBR 2009, 271.
61
Denn Letzteres lässt sich hier gerade nicht festzustellen. Vielmehr hatte die
Bezirksregierung die ablehnende Entscheidung aufgrund einer tatsächlichen und
rechtlichen Prüfung getroffen, die – wie auszuführen sein wird – mit der damaligen
Rechtsprechung auch des erkennenden Gerichts in Einklang stand und daher jedenfalls
als vertretbar anzusehen war.
62
IV. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das erkennende Gericht über den geltend
gemachten Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach den
Bestimmungen der Laufbahnverordnung in der ab dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung
zu entscheiden.
63
Aus § 113 Abs. 5 VwGO folgt, dass einer Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage nur
dann stattgegeben werden darf, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt hat.
Allerdings ergibt sich nicht aus dem Prozessrecht, sondern ausschließlich aus dem
materiellen Recht, ob der vom Kläger mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte
Anspruch besteht und welcher Beurteilungszeitpunkt maßgebend ist. Ändert sich
während des gerichtlichen Verfahrens das materielle Recht, so ist auf der Grundlage
dieser Änderung zu entscheiden, ob das neue Recht einen durch das alte Recht
begründeten Anspruch beseitigt bzw. verändert oder unberührt lässt. Entscheidend ist,
ob sich das geänderte Recht nach seinem zeitlichen und inhaltlichen Geltungsanspruch
auf den festgestellten Sachverhalt erstreckt oder ob das alte Recht Anwendung findet.
64
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 -, DokBer B 1999, 206.
65
Letzteres ist dann der Fall, wenn das neue Recht eine Übergangsregelung enthält, die
bestimmt, dass eine frühere Rechtslage für in der Vergangenheit liegende Sachverhalte
weitergelten soll. Hiervon hat aber der Verordnungsgeber, wie bereits ausgeführt,
rechtsfehlerfrei abgesehen.
66
Das Abstellen auf eine frühere Rechtslage ist auch nicht aus sonstigen Gründen
geboten. Es kommt zwar bei solchen begünstigenden Verwaltungsakten in Betracht, bei
denen das Gesetz
in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt anknüpft, und wenn dem Gesetz nicht zu
entnehmen ist, dass ein solcher Anspruch wegen einer späteren Veränderung der Sach-
oder Rechtslage untergehen soll.
67
Vgl. Kopp, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 113 Rn 221; ferner Schnellenbach
a.a.O., S. 29.
68
Vorliegend schreibt das einschlägige Fachrecht derartiges aber nicht vor. Die
Einstellung in das Beamtenverhältnis ist nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen
grundsätzlich nur dann möglich, wenn sämtliche beamten- und laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen, zu denen neben (fachlicher, persönlicher und gesundheitlicher)
Eignung und Befähigung auch die Einhaltung der Altersgrenze gehört, im Zeitpunkt der
Begründung des Beamtenverhältnisses vorliegen. Insbesondere ist die Begründung
eines Beamtenverhältnisses nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft
(ex nunc) möglich (§ 8 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG).
69
Zwar kann die frühere Rechtslage zudem dann heranzuziehen sein, wenn die
Ermessensregelung es auch jetzt noch zulässt, dass dem Kläger die begehrte Leistung
bewilligt wird. So darf dem Kläger allein wegen der Dauer des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes kein - jedenfalls kein gesetzlich
ausdrücklich gewollter - Nachteil erwachsen. Wäre das geltend gemachte Begehren zu
einem früheren Zeitpunkt als dem der Entscheidung des Gerichts berechtigt gewesen,
müsste dies auch jetzt noch berücksichtigt werden.
70
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 -, a.a.O.; vgl. ferner das eine
Klage auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe betreffende Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1998 – 2 C 20.97 -, ZBR 1999, 22, in dem
die Berücksichtigung der früheren Rechtslage unter Hinweis auf die
Ausnahmemöglichkeit des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. zugelassen wurde.
71
Auch in diesem Fall erfolgt zwar die Verbeamtung mit Wirkung ex nunc, maßgebend für
die Beantwortung der Frage, ob die Höchstaltersgrenze der Verbeamtung entgegen
steht, ist aber die in dem (in der Vergangenheit liegenden) Zeitpunkt der Begründung
des Dauerbeschäftigungsverhältnisses gültig gewesene Rechtslage. Bei Anwendung
dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall wäre also bezüglich der
Höchstaltersgrenze auf die vor Inkrafttreten der LVO n.F. geltende Rechtslage
abzustellen mit der Folge, dass jedenfalls dem Bescheidungsantrag stattzugeben wäre,
weil dann die Einstellung der Klägerin in das Beamtenverhältnis seinerzeit (August
2007) mangels (wirksamer) Altergrenze nicht aus Altersgründen hätte abgelehnt werden
können.
72
Im hier zu entscheidenden Fall ist aber ein Abweichen von dem Grundsatz der
Maßgeblichkeit der derzeitigen Rechtslage aus den vorstehenden Gründen weder
gerechtfertigt noch gar geboten. Bei den zur Begründung der Anwendbarkeit alten
Rechts herangezogenen dogmatischen Ansätzen handelt es sich im weitesten Sinne
um mit der Dauer des Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahrens begründete
Billigkeitserwägungen sowie um die Beseitigung der Folgen rechtswidrigen
Verwaltungshandelns. Derartige Erwägungen gebieten aber vorliegend nicht das
Abstellen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der geänderten Laufbahnverordnung am
18. Juli 2009. Effektiver Rechtsschutz würde mit dem Abstellen auf die heutige Sach-
und Rechtslage nur dann verwehrt und eine Folgenbeseitigung wäre nur dann geboten,
wenn der Klägerin im Falle einer früheren (gerichtlichen) Entscheidung ein
Übernahmeanspruch zuerkannt worden wäre. Das ist aus den nachstehenden Gründen
jedoch nicht der Fall.
73
Bis zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
(a.a.O.) wäre die Klage abgewiesen worden, weil nach ständiger, auch
74
höchstrichterlicher Rechtsprechung
- vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 20.97 -, a.a.O., und vom 13. Juli
2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32 -
75
von der Wirksamkeit der die Höchstaltersgrenzen betreffenden Bestimmungen
ausgegangen wurde und bei Zugrundelegung der Bestimmungen der LVO a.F. sowie
der hierzu ergangenen Erlasse ein Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis
auf Probe nicht bestand:
76
Die Überschreitung der Altersgrenze nach § 52 Abs. 1 LVO a.F. von 35 Jahren wäre aus
den im Zusammenhang mit den entsprechenden Bestimmungen der LVO n.F.
dargelegten Gründen weder nach § 6 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 5 LVO a.F. unschädlich
gewesen noch durch eine nach § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a.F. zwingend zu erteilende
Ausnahme überwunden worden. Ein Anspruch auf Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe war auch nicht über eine Ausnahmegenehmigung nach §
84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a.F. in Verbindung mit dem eine
Überschreitung der Altersgrenze um bis zu zehn Jahren zulassenden Mangelfacherlass
gegeben. Die Klägerin unterfiel zwar mit ihrem Lehramt an Gymnasien und
Gesamtschulen in dem Fach Sozialwissenschaften dem sachlichen
Anwendungsbereich des Erlasses. Dieser galt in dem maßgebenden Zeitpunkt der
Begründung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses am 6. August 2007 aber
nicht mehr. Die Geltungsdauer des Mangelfacherlasses vom 22. Dezember 2000 war
durch Erlass vom 23. April 2001 (Az. 121-24/03 Nr. 297/01) zunächst bis zum Abschluss
des Einstellungsverfahrens für das Schuljahr 2004/2005 und durch Erlass vom
16. November 2004 (Az. 211-1.12.03.03-973) weiter bis zum 31. Juli 2007 verlängert
worden. Mit weiterem Erlass vom 15. Juni 2005 (Az. 211-1.12.03.03-973) hatte das
Schulministerium klargestellt, dass die Verlängerung des Mangelfacherlasses mit Blick
auf die Seiteneinsteiger, die zum 15. August 2005 eingestellt würden, bis zum
Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 gelte. Mit
Erlass vom 23. Juni 2006 (Az. 211-1.12.03.03-973) wurde dann der zeitliche
Geltungsbereich der Mangelfachregelung um ein Jahr verkürzt. Diese galt nunmehr
letztmalig für den Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres
2006/2007. Die Klägerin ist aber nicht bis zu diesem Zeitpunkt, sondern erst ein
Schuljahr später eingestellt worden.
77
Gegen die mit dem "Aufhebungserlass" vom 23. Juni 2006 vorgenommene Verkürzung
der Geltungsdauer des Mangelfacherlasses (MFE), die zur Folge hatte, dass die
Klägerin zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 nicht mehr in den Genuss der
Anhebung der Altersgrenze kam, sind durchgreifende rechtliche Bedenken nicht zu
erheben. Das erkennende Gericht hat mit Urteil vom 29. Juli 2008 – 2 K 1637/07 -, juris,
hierzu ausgeführt:
78
Die Verkürzung der Geltungsdauer des MFE durch den Aufhebungserlass kann
dem Einstellungsbegehren des Klägers entgegengehalten werden, denn darin liegt
im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. (...)
79
Entscheidend ist, ob die erfolgte Verkürzung der Geltungsdauer des MFE in
materieller Hinsicht mit dem Gebot des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Das ist zu
bejahen. (...) Ein möglicher Anspruch des Klägers auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis, dem die Überschreitung der Altersgrenze auf Grund der
80
damaligen Mangelfach-Regelung zunächst nicht entgegenstand, konnte (...) durch
den Aufhebungserlass wirksam beseitigt werden, weil die von diesem angestrebte
nachträgliche Änderung der Rechtslage sich nach den Grundsätzen über die
Rückwirkung von Normen nicht als unzulässiger Eingriff in die Rechtsstellung des
Klägers erweist. (...)
Vorliegend handelt es sich (...) weder um den Fall einer echten noch um den einer
unechten Rückwirkung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung.
81
Eine echte Rückwirkung weist der Aufhebungserlass vom 23. Juni 2006 deshalb
nicht auf, weil er die Abkürzung der Geltungsdauer des MFE gerade nicht
rückwirkend, sondern für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, nämlich den
Abschluss des Einstellungsverfahrens zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 im
Sommer bzw. Herbst 2006 vorsah. Der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand -
die Einstellung von über 35 Jahre alten Bewerbern in ein Probebeamtenverhältnis -
war also im Zeitpunkt der Neuregelung noch nicht abgeschlossen. Das
Einstellungsverfahren dauerte im Erlasszeitpunkt noch an.
82
Es handelt sich bei der Verkürzung der Laufzeit des MFE durch den
Aufhebungserlass im Fall des Klägers auch nicht um eine unechte Rückwirkung.
Regelungen mit unechter Rückwirkung sind grundsätzlich innerhalb der sich aus
einer Abwägung zwischen dem verursachten Vertrauensschaden und der
Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl ergebenden
Grenze zulässig. (...)
83
Indes kommt es im Rahmen der Prüfung einer unechten Rückwirkung zu einer
solchen Abwägung nur dann, wenn überhaupt in eine Rechtsposition des
Betroffenen eingegriffen worden ist. Die beanstandete Regelung muss auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen
für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition
nachträglich entwertet haben. (...)
84
Hieran fehlt es im Fall des Klägers. Er verfügte im Zeitpunkt des
Aufhebungserlasses am 23. Juni 2006 nicht über eine rechtlich verfestigte Position,
in die durch den Erlass eingegriffen worden ist.
85
Zwar befand er sich am 23. Juni 2006 noch im Vorbereitungsdienst, der erst am
31. Januar 2007 endete. In dieses Rechtsverhältnis griff der Aufhebungserlass
jedoch nicht ein. Gemäß § 1 Satz 1 der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der
Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP) vom 11. November 2003
(BASS 20 03 Nr. 11) besteht das Ziel des Vorbereitungsdienstes darin, die
Auszubildenden auf die eigenverantwortliche Unterrichts- und Erziehungstätigkeit
an Schulen vorzubereiten. Er wird durch die Zweite Staatsprüfung abgeschlossen
und führt dazu, dass die Auszubildenden die Lehramtsbefähigung erwerben und
berechtigt sind, Unterricht an den entsprechenden Schulformen und Schulstufen zu
erteilen (vgl. § 6 Abs. 1, §§ 7, 8, 9 und 10 des Gesetzes über die Ausbildung für
Lehrämter an öffentlichen Schulen). Ob sie dies an Privatschulen oder an
öffentlichen Schulen tun, ob im Angestellten- oder Beamtenverhältnis, zeigt sich erst
nach dem Vorbereitungsdienst. Die Ausbildung selbst lässt alle Möglichkeiten offen.
In dieses Ziel den Erwerb der Lehramtsbefähigung - hat der Aufhebungserlass nicht
eingegriffen. Er betraf allein die Frage, ob Bewerber, die die Höchstaltersgrenze von
86
35 Jahren überschritten hatten, ausnahmsweise in ein Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt werden konnten.
Hiervon war der Kläger im Juni 2006 aber noch weit entfernt. Vor einer Übernahme
in ein Beamtenverhältnis musste er sich zunächst noch für den öffentlichen
Schuldienst bewerben und in den sich anschließenden Auswahlverfahren sodann
gegen die Mitbewerber - ob im schulscharfen Auswahlverfahren oder im
Listenverfahren - durchsetzen. Damit verfügte der Kläger also am 23. Juni 2006,
dem Tag des Aufhebungserlasses, nicht über eine Rechtsposition, die ihn seinem
Ziel, der Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe, näher gebracht hätte.
Daher konnte der Aufhebungserlass in eine solche Rechtsposition auch nicht
eingreifen.
87
Dem stehen die Entscheidungen der Kammer vom 20. November 2007 (2 K
1313/07, 2604/07, 2741/07 und 3106/07) nicht entgegen. Seinerzeit war in allen vier
Verfahren dem Übernahmebegehren der Kläger stattgegeben worden, weil das
Gericht wegen der vorzeitigen Aufhebung des MFE die Grundsätze des
Vertrauensschutzes verletzt sah. In Anwendung der Grundsätze der unechten
Rückwirkung war dem betätigten Vertrauen der Kläger in die Fortgeltung des MFE
ein höherer Stellenwert beigemessen worden als dem Interesse des Dienstherrn an
einem früheren Auslaufen der Ausnahmeregelung. Indes sind diese Überlegungen
auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Er unterscheidet sich von den im
November 2007 entschiedenen in einem wesentlichen Punkt: Dort befanden sich
die Kläger im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst nach der OVP-B (Ordnung
des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für
Lehrämter an Schulen vom 24. Juli 2003, BASS 20 – 03 Nr. 15) und waren im
Hinblick auf eine spätere Festeinstellung bereits ausgewählt und eingestellt. Der
Vorbereitungsdienst nach der OVP-B war darauf ausgerichtet, die Seiteneinsteiger
in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen und in derjenigen
Schule und mit denjenigen Aufgaben weiterzubeschäftigen, an der und mit denen
sie auch während des Vorbereitungsdienstes schon beschäftigt waren. Ein weiteres
Bewerbungsverfahren vor der Festeinstellung war nicht mehr vorgesehen, sodass
sich die Kläger auch nicht mehr gegen Mitbewerber durchsetzen mussten. Aus ihren
Arbeitsverträgen ergab sich, dass ihnen bei Bewährung während der gesamten
Vertragsdauer und nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung ein
Dauerbeschäftigungsverhältnis angeboten werden sollte. Damit hatten sie nach
Auffassung der Kammer eine weitgehend gesicherte Rechtsposition erhalten, in die
mit der Aufhebung des MFE eingegriffen wurde. Demgegenüber befand sich der
Kläger des vorliegenden Verfahrens jedoch im "klassischen" Vorbereitungsdienst
nach der OVP. Weder vor noch nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung hatte er
eine mit den OVP-B-Seiteneinsteigern vergleichbare Rechtsposition, sondern
musste sich erst einmal um Einstellung bemühen. Mit dem Ende des klassischen
Referendariats hatte er lediglich die Befähigung errungen, ein Lehramt auszuüben.
Allein hierauf war sein Vorbereitungsdienst ausgerichtet. Die Frage einer späteren
Festeinstellung bzw. Verbeamtung blieb davon unberührt.
88
Eine rechtlich verfestigte Position, in die durch den Aufhebungserlass eingegriffen
worden sein könnte, ergibt sich auch nicht aus der Werbung des beklagten Landes
in Presse und Internet, wo durch Inaussichtstellung der Verbeamtung
Seiteneinsteiger für den Lehrerberuf gewonnen werden sollten. Auch hierdurch
wurden bloße Einstellungserwartungen begründet, die noch kein konkretes
89
Rechtsverhältnis darstellen.
Hat nach alledem die vorzeitige Aufhebung des Mangelfacherlasses im Fall des
Klägers nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen, weil bereits
kein Fall einer Rückwirkung vorlag, ist die Klage schon aus diesem Grunde
abzuweisen.
90
Diese Rechtsprechung hat die Kammer in nachfolgenden Entscheidungen bekräftigt
(vgl. Urteile vom 22. August 2008 – 2 K 1836/08 –, 18. September 2008 – 2 K 2179/08 -,
11. Dezember 2008 – 2 K 4673/07 – und 23. Januar 2009 – 2 K 5277/08 -). Das
Vorbringen der Klägerin bietet keinen Anlass, hiervon abzuweichen, zumal die
vorgenannten Entscheidungen bereits auf ihre Einwände eingehen.
91
Die Klägerin wäre somit auch bei Anwendung der LVO a.F. nicht in das
Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt worden.
92
Es ist auch nicht mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unvereinbar,
dass nach Ergehen der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
(a.a.O.) über die vorliegende Klage zunächst nicht entschieden wurde. Nachdem die
Urteile am bzw. ab dem 8. April 2009 den Beteiligten zugestellt worden waren und
anhand der Urteilsgründe die Auswirkungen der Entscheidungen auf die Wirksamkeit
der einschlägigen Bestimmungen der Laufbahnverordnung deutlich geworden waren,
war es nicht geboten, die zahlreichen bei der Kammer anhängigen, auf Einstellung in
das Beamtenverhältnis gerichteten Klageverfahren unverzüglich zu terminieren.
Vielmehr konnte zunächst dem Verordnungsgeber Gelegenheit gegeben werden, die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen. Das ist schließlich
innerhalb eines angemessenen Zeitraums von rund drei Monaten geschehen. Zu
berücksichtigen ist insoweit, dass nicht nur eine politische Grundsatzentscheidung über
die Einführung einer (neuen) Höchstaltersgrenze zu treffen war, sondern die nach den
Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) hierbei zu beachtenden und
abzuwägenden Umstände den Erlass einer Änderungsverordnung nicht von heute auf
morgen zuließen. Das Abwarten der vom Beklagten angekündigten Neuregelung der
Höchstaltersgrenze durch den Verordnungsgeber war vor allem deshalb tunlich, weil die
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 nicht den
eigentlichen materiellen Gehalt der früheren laufbahnrechtlichen Regelung verworfen
haben, das Bundesverwaltungsgericht vielmehr die Höchstaltersgrenze auch vor dem
Hintergrund des in Art. 33 Abs. 2 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten
Leistungsgrundsatzes als grundsätzlich zulässiges Mittel zur Gewährleistung des
beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzips anerkannt hat.
93
Ebenso Schnellenbach, a.a.O., S. 35 f., zum berechtigten Zuwarten mit der
Behördenentscheidung, sowie S. 31: "Sofern die Behörde dem (der Rechtswidrigkeit)
nicht durch eine (rückwirkende) Aufhebung des fraglichen Bescheides und eine
Neubescheidung unter Zugrundelegung des
neuen
gewärtigen, dass sie in einem Verwaltungsstreitverfahren zu einer Neubescheidung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts – d.h. (unter anderem) zu einer
Orientierung am
neuen
das Gericht.)
94
Ist somit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
abzustellen und erweist sich hiernach die Ablehnung des Antrags auf Einstellung in das
95
Beamtenverhältnis auf Probe als rechtmäßig, ist die Klage mit der Kostenfolge aus §
154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
96
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
Die Rechtssache hat nach Auffassung des erkennenden Gerichts grundsätzliche
Bedeutung, weil es sich bei den aufgrund der mündlichen Verhandlung vom heutigen
Tag ergangenen Urteilen – soweit ersichtlich – um die ersten verwaltungsgerichtlichen
Entscheidungen über Klagen auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach
Ergehen der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 und
Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und anderer
dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juli 2009 handelt und die Beantwortung der
hierbei auftretenden Rechtsfragen für Entscheidungen in zahlreichen weiteren
gerichtlichen Verfahren mit dem selben oder einem gleichartigen Streitgegenstand von
Bedeutung ist.
97