Urteil des VG Düsseldorf vom 04.09.2002

VG Düsseldorf: verwertung, sinn und zweck der norm, eugh, verordnung, gefährliche stoffe, europäischer gerichtshof, abfallrecht, hauptsache, behörde, kraftwerk

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 L 1789/02
Datum:
04.09.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 1789/02
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung unter
Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Februar 2002 in Gestalt der
weiteren Schreiben vom 12. März 2002 und 24. April 2002 und des
Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2002 verpflichtet, in dem
Notifizierungsverfahren DE0000000000 ihre Zustimmung nach Art. 7
Abs. 5 S. 1 VO (EWG) 259/93 zur grenzüberschreitenden Verbringung
von Reaktionsabfällen auf Kalziumbasis aus der
Rauchgasentschwefelung der T AG, Kraftwerk X, G Straße, W, zu
erteilen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 EURO festgesetzt.
Gründe:
1
A.
2
Der Antrag,
3
1. einstweilen festzustellen, dass der beabsichtigten im Verfahren DE0000000000
notifizierten Verbringung von Reaktionsabfällen auf Kalziumbasis aus der
Rauchgasentschwefelung der T AG, Kraftwerk X, G Straße, W, keine Einwände der
Antragsgegnerin als zuständiger Behörde des Versandortes entgegenstehen,
4
2. hilfsweise die Antragstellerin einstweilen zu verpflichten, im Notifizierungsverfahren
DE0000000000 ihre Zustimmung zur grenzüberschreitenden Verbringung von
Reaktionsabfällen auf Kalziumbasis aus der Rauchgasentschwefelung der T AG,
Kraftwerk X, G Straße, W, zu erteilen,
5
ist hinsichtlich des Hauptantrages unzulässig, in Bezug auf den Hilfsantrag hingegen
zulässig und begründet.
6
I.
7
Der Antrag, einstweilen festzustellen, dass der beabsichtigten im Verfahren
DE0000000000 notifizierten Verbringung von Reaktionsabfällen auf Kalziumbasis aus
der Rauchgasentschwefelung der T AG, Kraftwerk X, G Straße, W, keine Einwände der
Antragsgegnerin als zuständiger Behörde des Versandortes entgegenstehen, ist
unzulässig. Der Antragstellerin fehlt in Bezug auf eine in der Sache nach Maßgabe des
§ 123 Abs. 1 VwGO zu treffende Sachentscheidung das erforderliche
Rechtsschutzinteresse, da das entsprechende Begehren in der Hauptsache jedenfalls
mit Blick auf die in § 43 Abs. 2 VwGO angeordnete Subsidiarität der allgemeinen
Feststellungsklage gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen offensichtlich
unzulässig ist. Die Antragstellerin kann ihr Begehren nämlich im Wege einer insoweit
vorrangigen, zugleich mit besonderen Sachurteilsvoraussetzungen versehenen
Gestaltungs- oder Leistungsklage, hier in Gestalt einer Verpflichtungsklage, verfolgen.
Die Feststellungsklage stellt sich insoweit auch nicht als rechtsschutzintensiver dar,
sodass es weiterer Ausführungen zu der Problematik, unter welchen Voraussetzungen
eine Ausnahme von dem Grundsatz der Subsidiarität vorzusehen ist, nicht bedarf.
8
Die in der Hauptsache zu verfolgende Verpflichtungsklage erweist sich auch als die
gegenüber einer Anfechtungsklage rechtsschutzintensivere Klageform, erstrebt die
Antragstellerin in der Sache doch die Verurteilung der Antragsgegnerin zum Erlass
eines Verwaltungsaktes;
9
zur rechtlichen Einstufung von Einwänden der streitgegenständlichen Art als
Verwaltungsakt ausdrücklich etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein -
Westfalen (OVG NRW), Beschl. v. 26. April 1995 - 20 B 3057/94 -, BA S. 3;
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2000 - 11 K 3595/98 -, UA S. 8; a. A.
noch Hoppe/Beckmann - Rechtliche Möglichkeiten des internationalen Austausches
von Abfällen und Recycling-Produkten, DVBl. 1995, 817 (818).
10
Die Erhebung von Einwänden in einem Notifizierungsverfahren gemäß der Verordnung
(EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der
Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft
11
EG-Abfallverbringungsverordnung [VO (EWG) 259/93]
12
wirkt nämlich für die notifizierende Person nicht lediglich belastend,
13
in diesem Sinne aber OVG NRW, Beschl. v. 26. April 1995 - 20 B 3057/94 -, BA S.
3;Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Beschl. v. 23. März 1999 - 10
S 3242/98 -, DÖV 1999, 612 f.; implizit auch Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 18. Juli
2000 - 13 K 3216/98 -, UA S. 6 f.; ausdrücklich offen lassend hingegen OVG NRW,
Beschl. v. 3. Juli 1996 - 20 B 1768/95 -, BA S. 2 f.; ferner Schlüter - Europrecht im
deutschen Verwaltungsprozess (14): Abfallrecht, VBlBW 2001, 385 (393),
14
sondern enthält zugleich auch die Versagung einer Begünstigung;
15
in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Köln, Beschl. v. 29. Mai 1995 - 4 L 99/95 -, BA
S. 10-19; Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 5. Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3)
-, BA S. 2-4; Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20. August 1999 - 7
16
K 1562/99.NW -, UA S. 12-15; Verwaltungsgericht Darmstadt, Urt. v. 10. Mai 2000 - 8 E
1344/97 -, UA S. 10 f.; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2000 - 11 K
3595/98 -, UA S. 8-12; implizit auch Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschl. v. 18. Juli
1997 - B 1 K 440/97 -, NVwZ 1998, 1214; ferner von Köller/Klett/Konzak - EG-
Abfallverbringungsverordnung (Berlin 1994), Art. 7, Anm. 3, S. 95; Dieckmann -
Anmerkung EuGH, Urt. v. 10. Mai 1995 - C 422/92 (Kommission ./. Bundesrepublik
Deutschland) -, NuR 1995, 576; Scherer-Leydecker - Europäisches Abfallrecht, NVwZ
1999, 590 (595).
Dies gilt unbeschadet sowohl der jeweiligen Einstufung des zu verbringenden Abfalls
als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung als auch der diesbezüglich
divergierenden Regelungen des Notifizierungsverfahrens. Während die Verbringung
von Abfällen zur Beseitigung gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a) S. 1, Abs. 5, Art. 5 Abs. 1 VO
(EWG) 259/93 stets der Genehmigung der Behörde am Bestimmungsort bedarf, die
diese wiederum nur erteilen darf, wenn seitens der übrigen zuständigen Behörden keine
Einwände erhoben werden, ist im Falle der Verbringung von Abfällen zur Verwertung
eine ausdrückliche Genehmigung nicht in jedem Fall zu erteilen. So kann die
Verbringung von Abfällen der so genannten „Gelben Liste" gemäß den Art. 8 Abs. 1 S. 1
u. 2 i.V.m. 7 Abs. 2 VO (EWG) 259/93 auch dann erfolgen, wenn innerhalb einer
dreißigtägigen Frist seitens der zuständigen Behörden keine Einwände erhoben
werden. Diese stillschweigende Zustimmung gilt gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 2 VO (EWG)
259/93 nur für ein Jahr. Erteilen die Behörden ihre Zustimmung vorab schriftlich, so ist
auch deren Geltungsdauer gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 6 VO (EWG) 259/93 auf ein
Kalenderjahr beschränkt. Gleiches gilt für die von Art. 10 VO (EWG) 259/93 erfassten
Abfälle zur Verwertung. Das Festhalten der EG -Abfallverbringungsverordnung an dem
Erfordernis der - stillschweigenden oder schriftlichen - Zustimmung widerstreitet der
überdies weder vom Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der EG-
Abfallverbringungsverordnung - in Bezug auf die ausdrückliche Zustimmung spricht Art.
7 Abs. 2 S. 6 VO (EWG) 259/93 von der „Genehmigung"- noch von der
Entstehungsgeschichte des Regelungswerkes
17
vgl. zum Ganzen auch Verwaltungsgericht Köln, Beschl. v. 29. Mai 1995 - 4 L 99/95 -,
BA S. 10-19; zu § 7 der Verordnung über grenzüberschreitende Verbringung von
Abfällen vom 18. November 1988 (Abfallverbringungs- Verordnung) (BGBl. 1988 I,
2126) und der darin getroffenen Festlegungen hinsichtlich der Entsprechung des in der
Richtlinie 84/631/EWG verwendeten Begriffs des „Einwandes" und parallelen Terminus
des ablehnenden Bescheides EuGH, Urt. v. 10. Mai 1995 - C-422/92 (Kommission ./.
Bundesrepublik Deutschland) -, NVwZ 1995, 885 (887), und Engel -
Grenzüberschreitende Abfallverbringung nach EG-Recht (1999), S. 116, Fn. 403,
18
getragenen Einschätzung, die Zustimmung sei als stillschweigender Verzicht auf eine
Einwandserhebung zu werten;
19
VGH BW, Beschl. v. 23. März 1999 - 10 S 3242/98 -, DÖV 1999, 612 f.
20
Die Annahme des Bestehens einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt liefe ferner der
Überwachungs- und Kontrollfunktion der EG-Abfallverbringungsverordnung zuwider. In
diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das System der vorherigen
Notifizierung der Verbringung von Abfällen insbesondere dem Zweck zu dienen
bestimmt ist, die zuständigen Behörden angemessen insbesondere über Art,
Beförderung und Beseitigung oder Verwertung der Abfälle zu informieren und diesen
21
damit die Möglichkeit zu eröffnen, alle für den Schutz der menschlichen Gesundheit und
der Umwelt erforderlichen präventiven Maßnahmen zu treffen;
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urt. v. 13. Dezember 2001 - C-324/99 (Daimler-
Chrysler AG ./. Land BW), DVBl. 2002, 246 (247).
22
Die EG-Abfallverbringungsverordnung verfolgt primär das Ziel, durch die Bereitstellung
eines harmonisierten Systems von Verfahren, mit denen der Umlauf von Abfällen
begrenzt werden kann, den Schutz der Umwelt sicherzustellen;
23
EuGH, Urt. v. 13. Dezember 2001 - C-324/99 (Daimler-Chrysler AG ./. Land BW), DVBl.
2002, 246 (247); vgl. in diesem Zusammenhang auch bereits EuGH, Urt. v. 10. Mai 1995
- C-422/92 (Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland) -, NVwZ 1995, 885 (887).
24
Den schutzwürdigen Belangen der Warenverkehrsfreiheit wird in diesem
Zusammenhang weniger auf der Ebene des Verfahrensrechts als auf
materiellrechtlicher Ebene über die Ausklammerung der Abfälle zur Verwertung aus
dem Geltungsbereich der in Art. 4 Abs. 3 lit. a) i) VO (EWG) 259/93 Grundsatzes der
Entsorgungsautarkie und der Nähe Rechnung getragen;
25
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2000 - 11 K 3595/98 -, UA S. 11, mit
Blick auf EuGH, Urt. v. 25. Juni 1998 - C 203/98 (Düsseldorf) -, ZUR 1998, 311 (312 f.).
26
II.
27
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, im
Notifizierungsverfahren DE0000000000 ihre Zustimmung zur grenzüberschreitenden
Verbringung von Reaktionsabfällen auf Kalziumbasis aus der Rauchgasentschwefelung
der T AG, Kraftwerk X, G Straße, W, zu erteilen, ist zulässig und begründet.
28
1. Der nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 VwGO statthafte Antrag ist auch im Übrigen
zulässig.
29
Insbesondere verfügt die Antragstellerin über das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
Das in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsbegehren ist insbesondere nicht
offensichtlich unzulässig. Insbesondere ist das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß
abgeschlossen worden. Einer Erörterung der sich in diesem Zusammenhang stellenden
Problematiken einer fristgerechten Widerspruchserhebung und der
Verwaltungsaktsqualität der Schreiben der Beklagten vom 12. Februar 2002, 12. März
2002 und 24. April 2002 bedarf es nicht, da die Beklagte über den Widerspruch der
Klägerin vorbehaltlos sachlich entschieden und damit den Weg zu einer
verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnet hat.
30
2. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist überdies begründet, da
die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches wie auch eines
Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht hat.
31
Der diesbezügliche Rechtsanspruch der Klägerin folgt auf dem
Regelungszusammenhang der Art. 7 Abs. 2 S. 1 und 4 i.V.m. Abs. 4 lit. a) i.V.m. Abs. 5
S. 1 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1 VO (EWG) 259/93;
32
in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20.
August 1999 - 7 K 1562/99.NW, UA S. 15; Verwaltungsgericht Köln, Beschl. v. 29. Mai
1995 - 4 L 99/95 -, BA S. 12; a. A. Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 5.
Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3), BA S. 4.
33
Gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 1 VO (EWG) 259/93 darf die Verbringung nach Ablauf einer
dreißigtägigen Frist erfolgen, wenn keine Einwände erhoben worden sind. Nach § 7
Abs. 2 S. 1 und 4 VO (EWG) 259/93 können die zuständigen Behörden am Versandort
und am Bestimmungsort innerhalb einer Frist von dreißig Tagen nach der Absendung
der Empfangsbestätigung Einwände nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 lit. a) VO (EWG)
259/93 gegen die Verbringung erheben oder vor Ablauf der dreißigtägigen Frist ihre
Zustimmung schriftlich erteilen. Wird den zuständigen Behörden innerhalb der Frist
nach § 7 Abs. 2 VO (EWG) 259/93 nachgewiesen, dass die Probleme, die zu den
Einwänden geführt hatten, gelöst sind und dass die Auflagen für die Beförderung erfüllt
werden, so teilen sie dies gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 VO (EWG) 259/93 unverzüglich der
notifizierenden Person schriftlich mit.
34
Die Bestimmungsortbehörde hat der Verbringung zugestimmt. Die Klägerin hat die von
der Beklagten erbetenen Unterlagen und Angaben nachgereicht und damit die
Probleme, die zur Erhebung von Einwänden geführt haben, gelöst. Soweit die Beklagte
darüber hinaus beanstandet, die Klägerin sei ihrer Verpflichtung nicht in der
erforderlichen Weise nachgekommen, mangelt es ihr in Bezug auf die Aufrechterhaltung
ihrer Einwände an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
35
Obgleich die Antragsgegnerin zur Prüfung und Erhebung von Einwände befugt ist (a)),
stehen der Erteilung der Zustimmung weder der Einwand der fehlenden
Notifizierungsberechtigung der Antragstellerin (b)) noch der Einwand des falschen
Verfahrens (c)) entgegen. Vielmehr ist die Antragsgegnerin verpflichtet, der
Antragstellerin die beantragte Zustimmung zu erteilen (d)).
36
a) Als Versandortbehörde ist die Antragsgegnerin ebenso wie auch die
Bestimmungsortbehörde zur umfassenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der
beantragten Verbringung befugt. Beide Behörden sind berechtigt, die Voraussetzungen
der betreffenden Einwände unabhängig voneinander zu überprüfen. Dieser Befugnis
kann nicht die Gefahr unterschiedlicher Einstufungen desselben
Verbringungsvorganges entgegengehalten werden. Eine solche Gefahr ist dem von der
EG -Abfallverbringungsverordnung eingeführten System vielmehr inhärent. Dieses
differenziert nicht zwischen den Prüfungskompetenzen der Versandortbehörde
einerseits und der Bestimmungsortbehörde andererseits. Vielmehr verpflichtet Art. 30
Abs. 1 S. 1 VO (EWG) 259/93 die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu
treffen, um sicherzustellen, dass die Verbringung von Abfällen in Übereinstimmung mit
den Vorschriften dieser Verordnung erfolgt. Infolgedessen ist die Versandortbehörde
nicht etwa auf die Erhebung unmittelbar den Transport betreffender Einwände
beschränkt;
37
EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl. 2002, 539 (541), sowie
Schlussanträge des Generalanwalts vom 15. November 2001 in demselben Verfahren,
Ziff. 69; in diesem Sinne auch bereits Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 5.
Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3) -, BA S. 8-11; Hessischer Verwaltungsgerichtshof
(Hess. VGH), Beschl. v. 2. März 1999 - 8 TZ 197/98 -, BA S. 3; Verwaltungsgericht
Stuttgart, Urt. v. 18. Juli 2000 - 13 K 3216/98 -, UA S. 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe,
38
Urt. v. 1. August 2000 - 11 K 3595/98 -, UA S. 15 f.; vgl. zum Ganzen auch Engels -
Grenzüberschreitende Abfallverbringung nach EG-Recht (1999), S. 121-124; von
Köller/Klett/Konzak, Art. 7, Rn. 2 u. 5; offen lassend Klett/Kaminski/Konzak - Erste
Erfahrungen bei der Anwendung der EG-Abfallverbringungsverordnung, WiVerw 1995,
40 (49); Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 591 (595); Winter - Die Steuerung
grenzüberschreitender Abfallströme, DVBl. 2000, 657 (660); a. A. Giesberts -
„Konkurrenz um Abfall": Rechtsfragen der Abfallverbringung in der Europäischen Union,
NVwZ 1996, 949 (954).
b) Die Antragsgegnerin vermag zunächst nicht mit dem Einwand der fehlenden
Notifizierungsberechtigung durchzudringen. Zwar ist sie berechtigt, diesen zu erheben.
Die Antragstellerin ist indes zur Notifizierung der in Aussicht genommenen
Abfallverbringung befugt.
39
aa) Die Berechtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung des Einwandes der fehlenden
Notifizierung steht nicht in Widerspruch zu der grundsätzlich abschließenden
40
in diesem Sinne von Köller/Klett/Konzak, Art. 7, Rn. 5,
41
Aufführung der zulässigen Einwände in Art. 7 Abs. 4 lit. a) VO (EWG) 259/93. Sie ist aus
einem Erst-recht-Schluss aus Art. 7 Abs. 4 lit. a), 3. Spiegelstrich VO (EWG) 259/93
abzuleiten, der die zuständige Versandortbehörde zur Erhebung des Einwandes
ermächtigt, wenn die notifizierende Person sich in der Vergangenheit illegale
Transporte hat zu Schulden kommen lassen: Ist die Behörde zur Erhebung des
Einwandes der Unzuverlässigkeit der notifizierenden Person berechtigt, so kann es ihr
nicht versagt bleiben, vorab zu prüfen, ob die betreffende Person überhaupt
notifizierungsberechtigt ist. Diese Einschätzung steht einerseits in Einklang mit Art. 30
Abs. 1 S. 1 VO (EWG) 259/93, demzufolge die Mitgliedstaaten die erforderlichen
Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Verbringung von Abfällen in
Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Verordnung, mithin auch in
Übereinstimmung mit Art. 2 lit. g) VO (EWG) 259/93, erfolgt, und trägt andererseits auch
dem aus Art. 26 Abs. 2 VO (EWG) 259/93 abzuleitenden Gebot Rechnung, der illegalen
Verbringung von Abfällen entgegenzuwirken;
42
in diesem Sinne auch EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl.
2002, 539 (541).
43
bb) Art. 2 lit. g) VO (EWG) 259/93 führt diejenigen Personen auf, die beabsichtigen,
Abfälle zu verbringen oder verbringen zu lassen, und trifft hinsichtlich der Frage der
jeweiligen Notifizierungsverpflichtung eine Rangfolgeregelung. Art. 2 lit. g) i) VO (EWG)
259/93 nennt insoweit zunächst den Abfallerzeuger. Gemäß Art. 2 lit. g) ii) VO (EWG)
259/93 ist die in Aussicht genommene Abfallverbringung, wenn „dies nicht möglich ist",
von einem Mitgliedstaat zugelassenen Einsammler oder eingetragenen oder
zugelassenen Händler oder Makler vorzunehmen, der für die Beseitigung oder
Verwertung von Abfällen sorgt;
44
vgl. in diesem Zusammenhang auch Szelinski/Schneider - Grenzüberschreitende
Abfallverbringungen (Hamburg 1995), Art. 2 VO (EWG) 259/93, Anm. 6, S. 29; Winter -
Die neue Abfallverbringungs-Verordnung der EG, UPR 1994, 161; differenzierend
Klett/Kaminski/Konzak, WiVerw 1995, 40 (44).
45
Art. 2 lit. g) VO (EWG) 259/93 verhält sich indes nicht zur Frage der
Notifizierungsberechtigung. Vielmehr führt die Norm ausschließlich die Problematik, in
welchen Situationen auch andere Personen als der Abfallerzeuger zur Notifizierung
einer in Aussicht genommenen Abfallverbringung verpflichtet sind, einer gestuften
Regelung zu. Eine abweichende Betrachtung rechtfertigt sich auch nicht aus Sinn und
Zweck der Norm. Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin verfügt der
Abfallerzeuger keineswegs immer über die besten Erkenntnisse hinsichtlich der
Zusammensetzung und sonstigen Eigenschaften des Abfalles. Es ist stattdessen in
gleicher Weise denkbar, dass ein mit der Abfallverbringung beauftragtes
Spezialunternehmen über ein Fachwissen verfügt, das dem vornehmlich mit seinem
Geschäftsgegenstand vertrauten Abfallerzeuger gänzlich oder jedenfalls in weiten
Bereichen fehlt. Eine Gestattung der Notifizierung durch die in Art. 2 lit. g) ii) VO (EWG)
259/93 bezeichneten Personen läuft schließlich nicht der in den Art. 30 Abs. 1 S. 1, 26
Abs. 2 VO (EWG) 259/93 zum Ausdruck gelangenden gefahrenabwehrrechtlichen
Zielsetzung, einer ordnungswidrigen Verbringung entgegenzuwirken, zuwider;
46
in diesem Sinne auch Szelinski/Schneider - Grenzüberschreitende Abfallverbringungen
(Hamburg 1995), Art. 2 VO (EWG) 259/93, Anm. 6, S. 29.
47
Gründe, die im Übrigen Veranlassung böten, der Antragstellerin, die als Unternehmen,
welches gewerbsmäßig für die Entsorgung von Abfällen für andere sorgt, unstreitig als
Händlerin beziehungsweise Maklerin im Sinne des Art. 2 lit. g) ii) VO (EWG) 259/93
anzusehen ist,
48
vgl. in diesem Zusammenhang auch Köller/Klett/Konzak, Art. 2, Anm. 21, S. 71,
49
die Berechtigung zur Notifizierung abzusprechen, sind weder von der Antragsgegnerin
vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
50
c) Des weiteren vermag die Antragsgegnerin auch nicht mit der Erhebung des so
genannten „Einwandes des falschen Verfahrens" durchzudringen. Der Einwand ist zwar
statthaft, jedoch in der Sache unbegründet.
51
aa) Der Einwand, die Notifizierung der Verbringung von Abfällen zur Verwertung sei
falsch, da es sich bei den zur Verbringung vorgesehenen Abfällen um solche zur
Beseitigung handele, steht, obgleich in Art. 7 Abs. 4 lit. a) VO (EWG) 259/93 nicht
ausdrücklich und unmittelbar vorgesehen, im Einklang mit der EG -
Abfallverbringungsverordnung. Insoweit mag es auf sich beruhen, ob dieser Einwand
unter Art. 7 Abs. 4 lit. a), 1., 4. oder 5. Spiegelstrich VO (EWG) 259/93 zu subsumieren
ist. Die zuständige Behörde am Versandort ist, wenn sie zu der Auffassung gelangt,
dass der Verbringungszweck in der Notifizierung falsch eingestuft wurde, jedenfalls
unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm berechtigt, ihren Einwand
gegen die Verbringung auf diese unzutreffende Zuordnung zu stützen. Nur auf diese Art
und Weise kann sichergestellt werden, dass es sich bei den betreffenden Abfällen
tatsächlich um solche zur Verwertung handelt, und zugleich einer fälschlichen
Umdeklarierung entgegengewirkt werden;
52
zum Ganzen EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl. 2002, 539
(541 f.), sowie Schlussanträge des Generalanwalts vom 15. November 2001 in
demselben Verfahren, Ziff. 62; in diesem Sinne auch bereits Verwaltungsgericht
Darmstadt, Beschl. v. 5. Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3) -, BA S. 7; Verwaltungsgericht
53
Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20. August 1999 - 7 K 1562/99.NW -, BA S. 17;
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 18. Juli 2000 - 13 K 3216/98 -, UA S. 8 f.;
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2000 - 11 K 3595/98 -, UA S. 13-15;
VGH BW, Urt. v. 25. Januar 2001 - 10 S 822/99 -, NVwZ 2001, 577 (578); Engels, S. 158
f.; Szelinski/Schneider, S. 51; a. A. Giesberts, NVwZ 1996, 949 (954).
bb) Dessen ungeachtet beruft sich die Antragsgegnerin zu Unrecht auf die fehlerhafte
Notifizierung der zur Verbringung vorgesehenen Abfälle. Entgegen ihrer Einschätzung
handelt es sich bei den in dem Feststoffabscheider der
Rauchgasentschwefelungsabwasser-Aufbereitungsanlage gesammelten Schlämmen
nicht um Abfälle zur Beseitigung, sondern um solche zur Verwertung.
54
(1) Unstreitig unterfallen die Schlämme dem in Art. 1 lit. a) der Richtlinie über Abfälle
55
Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (75/442/EWG, ABl. Nr. L 194, S. 47),
geändert durch Entscheidung der Kommission vom 24. Mai 1996 (96/350/EG, ABl. Nr. L
135/32) - Abfallrahmenrichtlinie -,
56
definierten Begriff des Abfalles;
57
vgl. hierzu etwa EuGH, Urt. v. 15. Juni 2000 - C-418/97 u. C-419/97 (ARCO Chemie
Nederland Ltd ./. Minister van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieubeheer
(C -418/97); Vereniging Dorpsbelang Hees, Stichting Werkgroep Weurt+ und Vereniging
Stedelijk Leefmilieu Nijmegen ./. Directeur van de dienst Milieu en Water van de
provincie Gelderland (C-419/97)), NVwZ 2000, 1156 (1157- 1159), u. 18. April 2002 - C-
9/00 (Palin Granit Oy und Vehmassalon kansanterveystyön kuntayhtymän hallitus), Ziff.
22-39.
58
(2) Sie sollen einem Verwertungsverfahren nach Abschnitt B der EG -
Abfallverbringungsverordnung und nicht einem Beseitigungsverfahren nach Abschnitt A
derselben Verordnung zugeführt werden.
59
Allerdings enthalten weder die EG-Abfallverbringungsverordnung noch die
Abfallrahmenrichtlinie eine allgemeine Definition der Begriffe der Beseitigung und der
Verwertung von Abfällen. Eine genaue und abschließende Aufzählung sämtlicher
Abfallverwertungs- und -beseitigungsverfahren findet sich auch nicht in den Anhängen II
A und II B zur Abfallrahmenrichtlinie. Diese beinhalten vielmehr lediglich eine
Zusammenstellung der am häufigsten vorkommenden Beseitigungs- und
Verwertungsverfahren. Lässt sich ein Verfahren der Abfallbehandlung nicht einem
einzigen Verfahren oder einer einzigen Verfahrenskategorie der Anhänge II A oder II B
zuordnen, ist die gleichwohl erforderliche Einstufung als Beseitigung oder Verwertung
im Lichte der Ziele der Richtlinie und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles
vorzunehmen;
60
EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl. 2002, 539 (542 f.).
61
Eine Abgrenzung beziehungsweise Konkretisierung unter Rekurs auf die
Abgrenzungskriterien des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG verbietet sich, da ein solcher die
einheitliche Anwendung der in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbaren EG -
Abfallverbringungsverordnung und des ihr zu Grunde liegenden weiten
Verwertungsbegriffes nachhaltig in Frage stellte. Die Begriffe der Verwertung und der
62
Beseitigung bestimmen den Anwendungsbereich der streitgegenständlichen
Vorschriften der EG-Abfallverbringungsverordnung. Ihr Inhalt kann durchaus von
demjenigen abweichen, der diesen Begriffen in den nationalen Rechtsordnungen
beigelegt wird. Diese an der Wahrung der Rechtseinheit orientierte Auslegung des
Gemeinschaftsrecht findet ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass der Anspruch nach
einheitlicher Geltung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten in Frage gestellt
wäre, wenn jeder Mitgliedstaat über die Festlegung der Begriffsinhalte den
Anwendungsbereich einer Gemeinschaftsvorschrift selbst bestimmen könnte;
vgl. insoweit etwa Borchardt, in: Lenz (Hrsg.) - EG-Vertrag (Köln, Basel, Wien 1994), Art.
164, Rn. 16.
63
Eine Auslegung des Verwertungsbegriffes unter Rückgriff auf das jeweilige nationale
Recht der einzelnen Mitgliedstaaten liefe demnach nicht nur dem Grundsatz der
einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuwider, sondern
hätte auch zur Folge, dass der Regelungsansatz der Verordnung verschoben würde und
die Erfüllung der Anforderungen an den Begriff der Verwertung maßgeblich von durch
das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates bestimmten Interpretationen
abhinge;
64
im Ergebnis ebenso Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20. August
1999 - 7 K 1562/99.NW -, UA S. 19 f., m.w.N.; Verwaltungsgericht Darmstadt, Urt. v. 10.
Mai 2000 - 8 E 1344/97 -, UA S. 14; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 18. Juli 2000 -
13 K 3216/98 -, UA S. 10 f.; VGH BW, Urt. v. 25. Januar 2001 - 10 S 822/99 -, NVwZ
2001, 577 (578 f.); Engels, S. 114; Giesberts, NVwZ 1996, 949 (950) m.w.N.; a. A.
Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 5. Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3) -, BA S.
11 f.; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urt. v. 1. August 2000 - 11 K 3595/98 -, UA S. 17-
22; Dolde/Vetter - Verwertung und Beseitigung bei der Verbringung von Abfällen zur
Verbrennung zwischen EU-Mitgliedstaaten, UPR 2002, 288 (291-293). Vgl. ferner
Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590 (596); Winter, DVBl. 2000, 657 (662 f.).
65
(a) Mit dem Begriff der Verwertung ist regelmäßig eine Vorbehandlung der Abfälle
verbunden. Allerdings ist eine solche keine notwendige Voraussetzung für die
Einstufung einer Maßnahme als Verwertung im Sinne der Art. 2 lit. k) VO (EWG) 259/93
i. V. m. 1 lit. f) RL 75/442/EWG. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist vielmehr, ob
der Hauptzweck der Abfallbehandlungsmaßnahme darauf gerichtet ist, dass die Abfälle
eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für
diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, und dadurch zur Erhaltung natürlicher
Rohstoffquellen beitragen;
66
EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl. 2002, 539 (543); in
diesem Sinne auch Engels, S. 114.
67
Die Einbringung der Reaktionsabfälle in den Prozess der Herstellung eines als Zusatz
und Regulator zur zeitlichen Verfestigung in der Zementproduktion eingesetzten Sulfat -
Granulates stellt eine Verwertung dar, da ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, eine eben
solche sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Der spezifische Anteil an kalziumbasierten Stoffen
in den RAA-Filterschlämmen ermöglicht die Granulierbarkeit der Sulfat-Mischung und
damit eine bessere Dosierbarkeit des unter Verwendung der Abfälle hergestellten und
der Aushärtung des Zementes nach Zugabe von Wasser dienenden Regulators. In
diesem Zusammenhang ist es nicht erheblich, dass im Rahmen des
68
Produktionsprozesses eine Schadstoffentfrachtung nicht stattfindet, bedarf es einer
solchen doch im Falle der Erfüllung einer sinnvollen Aufgabe nicht. Das von der U s.a.
betriebene Verfahren trägt zudem zur Schonung natürlicher Ressourcen bei, vermögen
die zur Verbringung vorgesehenen Reaktionsabfälle doch Naturgips, gegebenenfalls
auch natürliches Anhydrit, zu ersetzen. Dass hierfür auch andere Stoffe zur Verfügung
stünden, vermag keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, da die Sinnhaftigkeit
dieser Entsorgungsmaßnahme nicht voraussetzt, dass die Verwendung der RAA-
Schlämme in der praktizierten Art und Weise notwendiger Bestandteil der
Produktgewinnung ist. Maßgeblich ist vielmehr nach der insoweit zu berücksichtigenden
vierten Begründungserwägung der Abfallrahmenrichtlinie die Erhaltung der natürlichen
Rohstoffquellen.
(b) Der Einwand der Antragsgegnerin, dass, wäre die ihrer Wertung zufolge der
Verminderung der jeweiligen Schadstoffkonzentrationen zu dienen bestimmte
Vermischung der Filterschlämme mit Abfallprodukten anderer Herstellungsprozesse als
Verwertungsmaßnahme zu werten, jeder noch so schadstoffhaltige und wenig zur
Verwertung geeignete Abfall letztlich einer Verwertung zugeführt werden könnte, trägt
nicht.
69
Das europäische Abfallrecht kennt ebenso wenig wie das deutsche Recht
70
vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urt. v. 15. Juni 2000 - 3 C 4.00 -, NVwZ
2000, 1178 (1179); Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Bay. VGH), Urt. v. 30.
November 1999 - 20 B 99.1068 -, AbfallPrax 2000, 55-57; Verwaltungsgericht
Düsseldorf, Urt. v. 11. Dezember 2001 - 17 K 8739/98, 17 K 8740/98, 17 K 885/00 -;
Klages, ZfW 2001, 1 (9). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Cancik - Das Sortieren
von Abfallgemischen und die Unterscheidung von 'Verwertung - Beseitigung' nach dem
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, BayVBl. 2000, 711 (712 f., 716 f.); Giesberts -
Vermischung von Abfällen: Verbote und Gebote im deutschen und
gemeinschaftsrechtlichen Abfallrecht, NVwZ 1999, 600 (602 f.); Kersting - Ist die
Verwertung von Abfallgemischen rechtlich unmöglich?, NVwZ 1998, 1153 (1154 f.);
Klages - Praktisch bedeutsame Entwicklungen im Abfallrecht einschließlich des
Abfallgebührenrechts, ZfW 2001, 1 (10).
71
ein generelles Vermischungsverbot. Abfall im Sinne des Art. 1 lit. a) RL 75/442/EWG
kann vielmehr auch ein Abfallgemisch sein. Auch das europäische Abfallrecht
verpflichtet nicht zur generellen Getrennthaltung von Abfällen. Vielmehr impliziert Art. 7
Abs. 4 lit. a), 5. Spiegelstrich VO (EWG) 259/93, der auf den Anteil an verwertbarem und
nicht verwertbarem Abfall abhebt, die Existenz von Fallgestaltungen, denen eine
Vermischung von Abfällen zugrundeliegt. Hiervon geht auch Art. 29 VO (EWG) 259/93
aus, der ein Vermischungsverbot für die Zeit der Verbringung in Bezug auf solche
Abfälle statuiert, die verschieden notifiziert worden sind;
72
in diesem Sinne auch VGH BW, Urt. v. 25. Januar 2001 - 10 S 822/99 -, NVwZ 2001,
577 (580); Giesberts - Vermischung von Abfällen: Verbote und Gebote im deutschen
und gemeinschaftsrechtlichen Abfallrecht, NVwZ 1999, 600 (602 f.); Petersen - „Mit der
Kreislaufwirtschaft Ernst machen" - Überlegungen zur Konkretisierung des deutschen
Abfallrechts, ZUR 2000 (Sonderheft), 61 (67).
73
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vermischung verschiedener
Abfälle im Rahmen einer stofflichen Verwertung zulässig ist beziehungsweise ob in
74
diesem Zusammenhang ein Getrennthalten von Abfällen zur Beseitigung und Abfällen
zur Verwertung etwa nur verlangt werden kann, wenn das Vermischen von Abfällen
nach den konkreten Umständen gegen die sich aus Art. 4 RL 75/442/EWG ergebende
Grundpflicht des Erzeugers oder Besitzers zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung
verstieße, bedarf keiner Klärung im Rahmen des vorliegenden Notifizierungsverfahrens.
Ihre Beantwortung hat vielmehr mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie über
gefährliche Abfälle
Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle (91/689/EWG,
ABl. Nr. L 377/20), geändert durch Richtlinie 94/31/EG vom 27. Juni 1994 (ABl. Nr. L
168/28)
75
nach den einschlägigen Vorschriften desjenigen Mitgliedstaates zu erfolgen, in dem die
Vermischung mehrerer gefährlicher Abfälle miteinander beziehungsweise gefährlicher
Abfälle mit nichtgefährlichen Abfällen erfolgen soll;
76
so auch Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590 (596); a.A. Dolde/Vetter, UPR 2002, 288
(294).
77
In diesem Zusammenhang stellt es sich als unerheblich dar, ob die einer Vermischung
entgegenstehenden Vorschriften nationalen oder europäischen Ursprunges sind.
Maßgeblich ist insoweit allein das Territorialitätsprinzip, das einer Ausdehnung der
Prüfungsbefugnis der Versandortbehörde über die Prüfung der Zweckrichtung der
Entsorgungsmaßnahme hinaus entgegensteht. Ein etwaiges Vermischungsverbot
könnte nach alledem nicht im Rahmen des streitgegenständlichen
Verbringungsverfahrens durchgesetzt werden. Gegenstand dieses Verfahrens sind
allein die notifizierten Abfälle, sei es, dass diese - wie vorliegend - aus Einzelabfällen
bestehen, sei es, dass es sich insoweit um ein Abfallgemisch handelt;
78
VGH BW, Urt. v. 25. Januar 2001 - 10 S 822/99 -, NVwZ 2001, 577 (580); Petersen, ZUR
2000 (Sonderheft), 61 (67); vgl. zum nationalen Recht auch Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG), Urt. v. 15. Juni 2000 - 3 C 4.00 -, NVwZ 2000, 1178 (1179); Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof (Bay. VGH), Urt. v. 30. November 1999 - 20 B 99.1068 -,
AbfallPrax 2000, 55-57; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urt. v. 11. Dezember 2001 - 17
K 8739/98, 17 K 8740/98, 17 K 885/00 -; Klages, ZfW 2001, 1 (9). Vgl. in diesem
Zusammenhang auch Cancik, BayVBl. 2000, 711 (712 f., 716 f.); Giesberts, NVwZ 1999,
600 (602 f.); Kersting, NVwZ 1998, 1153 (1154 f.); Klages, ZfW 2001, 1 (10).
79
(c) Schließlich erweist sich auch der Aspekt der Gefährlichkeit beziehungsweise des
Schadstoffpotenzials des Abfalles für die Frage der Einstufung desselben als Abfall zur
Verwertung beziehungsweise zur Beseitigung als unerheblich. Dies ergibt sich auch
aus Art. 16 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang V VO (EWG) 259/93, demzufolge die Ausfuhr
von Abfällen zur Verwertung nur in Drittstaaten in Bezug auf gefährliche Abfälle
reglementiert wird. Dem widerstreitet nicht Art. 4 S. 1 RL 75/442/EWG, demzufolge die
Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die
Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit
gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die
Umwelt schädigen können. Denn diese Norm ist nicht der Definition des Begriffs der
Verwertung zu dienen bestimmt, sondern begründet eine von der Einstufung der Abfälle
als solche zur Beseitigung oder zur Verwertung unabhängige Verpflichtung der
Mitgliedstaaten;
80
zum Ganzen EuGH, Urt. v. 27. Februar 2002 - C-6/00 (ASA ./. BMU) -, DVBl. 2002, 539
(543): „Wie der Generalanwalt ferner in Randnummer 84 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, ergibt sich weder aus Art. 3 Absatz 1 Buchstabe b noch aus irgendeiner
anderen Vorschrift der Richtlinie, dass die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit der
Abfälle als solche entscheidend für die Frage wäre, ob ein Verfahren der
Abfallbehandlung als Verwertung im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie
einzustufen ist. Dagegen liegt das entscheidende Merkmal für eine
Abfallverwertungsmaßnahme nach Art 3 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie sowie
nach ihrer vierten Begründungserwägung darin, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet
ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere
Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch
natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können.", sowie Schlussanträge des
Generalanwalts vom 15. November 2001 in demselben Verfahren, Ziff. 84: „Die
Einstufung von Abfällen als gefährlich oder ungefährlich unterscheidet sich von der
Einstufung einer Maßnahme als Verwertung oder Beseitigung. Es ist möglich, dass
ungefährliche Abfälle in einer Weise beseitigt oder verwertet werden, die die Umwelt
schädigt; genauso ist es möglich, dass gefährliche Abfälle auf umweltfreundliche Weise
beseitigt oder verwertet werden."; in diesem Sinne auch bereits Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20. August 1999 - 7 K 1562/99.NW -, UA S. 19, 21 f.;
Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 10. Mai 2000 - 8 E 1344/97 -, BA S. 16;
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 18. Juli 2000 - 13 K 3216/98 -, UA S. 10 f.; VGH BW,
Urt. v. 25. Januar 2001 - 10 S 822/99 -, NVwZ 2001, 577 (580); Petersen, ZUR 2000
(Sonderheft), 61 (67); Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590 (596); a. A. Hess. VGH,
Beschl. v. 2. März 1999 - 8 TZ 197/98 -, BA S. 3 f.; Dolde/Vetter, UPR 2002, 288 (293 f.).
81
In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die seitens der Antragstellerin zur
Verbringung vorgesehenen RAA-Schlämme als Reaktionsabfälle auf Calciumbasis aus
der Rauchgasentschwefelung in Form von Schlämmen im Sinne des § 2 Abs. 1 der
Verordnung über das Europäisches Abfallverzeichnis (AVV) in Verbindung mit
Schlüsselnummer 10 01 07, als Schlämme aus der betriebseigenen
Abwasserbehandlung, die gefährliche Stoffe enthalten, im Sinne des § 2 Abs. 1 AVV in
Verbindung mit den Schlüsselnummern 10 01 20 oder 06 05 02 oder als Schlämme aus
der betriebseigenen Abwasserbehandlung mit Ausnahme derjenigen, die unter 10 01 20
beziehungsweise 06 05 02 fallen, im Sinne des § 2 Abs. 1 AVV in Verbindung mit den
Schlüsselnummern 10 01 21 oder 06 05 03 zu qualifizieren sind. Ebenso wenig bedarf
es der Beantwortung der hiermit einhergehenden Frage, ob die RAA-Schlämme als
gefährlich im Sinne des Art. 1 Abs. 4, 1. Spiegelstrich RL 91/689/EWG anzusehen sind.
Ergänzend sei angemerkt, dass der abschließende Charakter des Art. 7 Abs. 4 VO
(EWG) 259/93 der Annahme eines Einwandes der „fehlerhaften Schlüsselnummer"
entgegenstünde. Im Übrigen ist den von der Antragstellerin eingereichten
Notifizierungsunterlagen, insbesondere dem Vertrag zwischen der Antragstellerin und
der U s.a. vom 29. Januar 2002, der Verfahrensbeschreibung der U s.a. vom 17. März
1995, aber auch dem Notifizierungsbogen vom 8. Januar 2002, mit auch für die
Bestimmungsortbehörde hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, aus welchen
Verfahren die RAA- Filterschlämme stammen.
82
Es wird nicht verkannt, dass die entgegenstehende Auffassung der Antragsgegnerin von
dem Bestreben eines möglichst hohen grenzüberschreitenden Umweltschutzniveaus
getragen wird. Dieser Wunsch rechtfertigt es indes nicht, bei der Anwendung unmittelbar
geltenden und autonom auszulegenden Gemeinschaftsrechts einseitig auf
83
abweichendes nationales Recht zurückzugreifen. Den betreffenden Belangen ist indes
nicht im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der Verbringung, sondern bei der
Überprüfung der Zulässigkeit der stofflichen Verwertung der Abfälle Rechnung zu
tragen. Diese nach dem jeweiligen nationalem Recht durchzuführende Bewertung der
Produktionsprozesse obliegt allein den insoweit zuständigen Behörden des
Empfängerstaates. Sie kann demgemäß von der Versandortbehörde nicht zum
Gegenstand der Erhebung von Einwänden im Rahmen des Notifizierungsverfahrens
gemacht werden;
Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590 (596).
84
d) Da der Antragsgegnerin die Erhebung von Einwänden mithin versagt ist, war sie
verpflichtet, der Verbringung der notifizierten Abfälle zuzustimmen. Raum für die
Ausübung eines Entschließungsermessens lassen die Art. 7 und 8 VO (EWG) 259/93
der Versandortbehörde nicht;
85
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urt. v. 20. August 1999 - 7 K
1562/99.NW -, UA S. 15 f.; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 18. Juli 2000 - 13 K
3216/98 -, UA S. 8.
86
2. Die Antragstellerin hat auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes glaubhaft
gemacht. Die von ihr erstrebte Regelung ist notwendig, um die Vertiefung wesentlicher
Nachteile, die aus der anderweitig nicht zu realisierenden Abwicklung des mit der U s.a.
geschlossenen Entsorgungsvertrages resultieren würden, zu verhindern.
87
3. Einer stattgebenden Entscheidung steht schließlich auch nicht der Grundsatz des
Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen, wenngleich es sich insoweit um
eine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Diese ist indes zur
Gewährung effektiven Rechtsschutzes zulässig und erforderlich. Anderenfalls würden
nämlich allein durch Zeitablauf zu Lasten der Antragstellerin vollendete Tatsachen
geschaffen, da die Verbringung nach Ablauf der vom 15. März 2002 datierenden und
gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 6 VO (EWG) 259/93 befristeten Zustimmung des Office Wallon
des Déchets nicht mehr gestattet wäre;
88
vgl. in diesem Zusammenhang auch Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschl. v. 5.
Dezember 1997 - 8 G 1343/97 (3) -, BA S. 5.
89
Dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung konnte auch nicht durch eine lediglich
vorläufige Regelung - etwa im Sinne der Zustimmung zu der Verbringung eines Teiles
der Reaktionsabfälle - Rechnung getragen werden, da es der Antragstellerin überlassen
bleiben muss, in welcher Art und Weise sie die Verbringung der Abfälle technisch
abwickeln will. In Ansehung des Bestehens einer hohen Wahrscheinlichkeit des
Obsiegens in der Hauptsache war es angezeigt, von dem grundsätzlichen Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise abzusehen.
90
II.
91
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Dabei war bei der Ermittlung der
Kostenquote mit Blick auf § 19 Abs. 1 S. 3 GKG das Unterliegen des Antragsgegnerin
bezüglich des wertmäßig gleichwertigen Hilfsantrages maßgeblich;
92
Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.) - Verwaltungsgerichtsordnung (München;
Stand: Januar 2002), § 155, Rn. 4; Neumann, in: Sodan/Ziekow - Kommentar zur
Verwaltungsgerichtsordnung (Baden-Baden; Stand: Dezember 2001), § 155 VwGO, Rn.
54.
93
B.
94
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf den §§ 13 Abs. 1 S. 1,
19 Abs. 1 S. 3 GKG in Verbindung mit Ziffer 7 S. 2 des von einer aus Richtern der
Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammengesetzten Arbeitsgruppe erarbeiteten
Streitwertkataloges in der Fassung vom Januar 1996
95
abgedruckt bei Kopp/Schenke - VwGO, 12. Aufl. (München 2000), § 189.
96
Das Gericht geht bei der Wertfestsetzung von einem durch den Wert der vertraglichen
Vereinbarung mit der U s.a. in Höhe von [5.000 t x 10 EURO/t =] 50.000,00 EURO
geprägten wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin aus.
97
98