Urteil des VG Düsseldorf vom 23.01.2009

VG Düsseldorf: bezirk, stadt, gemeindeordnung, aufteilung, erfüllung, auflösung, zusammenlegung, bevölkerung, trennung, klagebefugnis

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 2743/08
Datum:
23.01.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 2743/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Si-cherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Neueinteilung der Stadtbezirke der
Stadt N durch Beschluss des Beklagten vom 27. Februar 2008.
2
Seit Geltung des Gesetzes zur Neugliederung von Gemeinden und Kreisen des
Neugliederungsraumes N/E/X zum 1. Januar 1975 ist das Gebiet der Stadt N durch
entsprechende Regelung in der Hauptsatzung der Stadt in zehn Stadtbezirke eingeteilt.
Mit Genehmigung der 2. Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes vom 20.
November 1997 forderte die Kommunalaufsicht die Stadt N auf, die Zahl der
Stadtbezirke zu überdenken um weitere Einsparpotentiale zu nutzen. Dazu beauftragte
schließlich der Beklagte mit Beschluss vom 14. Juni 2006 die Stadtverwaltung,
Vorschläge zur Neustrukturierung des Stadtgebietes zu erarbeiten. Mit Berichtsvorlage
vom 12. September 2007 legte die Verwaltung neun Modelle mit zum Teil weiteren
Untergliederungen zu einer Neueinteilung des Stadtgebietes vor. Die einzelnen Modelle
orientierten sich an dem in § 35 Abs. 2 Gemeindeordnung NRW in der Fassung vom 09.
Oktober 2007 -GO NRW- aufgeführten Katalog von Beurteilungskriterien. In der
Ratsitzung vom 19. Dezember 2007 konnte sich der Beklagte weder auf eines dieser
Modelle noch auf einen von fünf weiter eingebrachten Vorschlägen der Ratsfraktionen
zur Neueinteilung des Stadtgebietes einigen und vertagte sich.
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In der Sitzung vom 27. Februar 2008 wurde nach Erörterung weiterer Alternativen
sodann der Vorschlag der CDU/FDP - Ratsfraktion mehrheitlich mit 39 zu 30
Gegenstimmen als 15. Nachtrag zur Hauptsatzung der Stadt N i.d.F. der
Bekanntmachung vom 28. Juni 1995 angenommen (DS VII3278) und am 15. März 2008
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im Amtsblatt der Stadt bekannt gemacht. Artikel 1 des Nachtrages sieht vor, dass das
Stadtgebiet gem. § 9 der Hauptsatzung in vier Stadtbezirke (Nord, Ost, West, Süd)
eingeteilt wird. Im streitgegenständlichen Bezirk "Ost" sind die bislang eigenständige
Bezirke bildenden Stadtteile "O", "H" und "W" zusammengefasst. Die grundlegende
Besonderheit des neuen Bezirkes besteht darin, dass er räumlich zweigeteilt ist. Der
Bezirk "H" wird von den aneinander angrenzenden Bezirken "O" und "W" durch einen
wenige Kilometer breiten Streifen des künftigen Bezirks "Süd" getrennt. Die rechtliche
Zulässigkeit einer räumlichen Teilung nach der GO NRW war Gegenstand einer kleinen
Anfrage des Abgeordneten L (SPD) an die Landesregierung, die am 3. Dezember 2007
antwortete, eine solche sei nicht zu beanstanden. Die Kriterien in § 35 Abs. 2 GO NRW
stünden gleichrangig nebeneinander und seien gegeneinander abzuwägen, wobei es
der Stadt überlassen bleibe, wie sie diese zum Ausgleich brächte. Wesentlich sei nicht
ein räumliches Aneinandergrenzen, sondern allein, dass die Bürger der gebildeten
Stadtbezirke möglichst gleiche Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Erfüllung der
gemeindlichen Aufgaben erhielten. Der 15. Nachtrag zur Hauptsatzung tritt gem. seinem
Artikel 2 mit Ablauf des letzten Tages der laufenden Wahlperiode in Kraft.
Die Klägerin beschloss in ihrer Bezirksvertreterversammlung am 11. März 2008 im
Wege des Dringlichkeitsbeschlusses, ohne auf diesen Tagesordnungspunkt in der
Einladung zur Versammlung hingewiesen zu haben, die Erhebung eines
Kommunalverfassungsstreits gegen den am 27. Februar 2008 gefassten Ratsbeschluss
zur Neueinteilung der Bezirke. Die Neustrukturierung des Stadtgebietes in vier Bezirke
sei rechtswidrig, da sie gegen die Vorgaben in § 35 Abs. 2 GO NRW verstoße. Eine
gemeinsame Siedlungsstruktur in den neuen Stadtbezirken fehle. Angesichts der
vorhandenen Bebauung sei auch nicht erkennbar, dass eine städteplanerische
gegenseitige Beeinflussung der jeweiligen Wohn- und Gewerbegebiete vorhanden sei
oder sinnvollerweise angestrebt werden könne. Durch die räumliche Trennung des "Ost-
"Bezirkes in "W"/"O" und "H" bestehe weder eine engere örtliche Gemeinschaft im
neuen Bezirk noch seien die Verkehrsflüsse der beiden Teile voneinander abhängig
oder würden sich wesentlich berühren. Der Zuschnitt des Bezirkes "Ost" erweise sich
als willkürlich. Auch die Bevölkerungszahl der einzelnen Gebiete sei nicht gleichmäßig
gewichtet worden.
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Die Klägerin hat daraufhin am 10. April 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie
im Wesentlichen vor, die Klage sei zulässig und begründet; die Einteilung des Bezirkes
"Ost" sei sachfremd. Soweit der Beklagte die fehlende Aktivlegitimation rüge, gehe er
fehl. Ob der Dringlichkeitsbeschluss vom 11. März 2008, ein
Kommunalverfassungsstreitverfahren einzuleiten, wegen zweifelhafter Dringlichkeit
gegen §§ 36 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 5 GO NRW verstoße, könne offen
bleiben, da sie -insoweit unstreitig- mit Beschluss vom 26. August 2008 die
Klageerhebung nochmals mehrheitlich gebilligt habe. Ein eventueller früherer Mangel
sei dadurch jedenfalls geheilt. Die Klagebefugnis begegne gleichfalls keinen Zweifeln.
Durch den Beschluss des Beklagten vom 27. Februar 2008 werde die Eigenständigkeit
des Bezirkes "W" und damit der Bezirksvertretung beendet. Dieser gehe in dem
künftigen Bezirk "Ost" auf. Diese existentielle Betroffenheit begründe eine wehrfähige
Innenrechtsposition, die durch § 35 Abs. 2 GO geschützt sei. Eine individuelle
Bestandsgarantie des Bezirks ergebe sich zudem aus § 35 Abs. 4 Satz 2 GO. Aus der
dort verbürgten Garantie der Stadtbezirksgrenzen folge der individuelle Bestand des
bisherigen Stadtbezirkes selbst. Auch sei die Klage begründet. Es mangele schon an
einer tauglichen Rechtsgrundlage einzelne Stadtbezirke aufzulösen und zu Neuen zu
vereinigen. § 35 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 GO NRW bezögen sich nicht auf eine
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Auflösung oder eine Vereinigung mit anderen Stadtbezirken. Selbst wenn dies der Fall
wäre, seien die in vollem Umfange einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegenden
Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 GO NRW nicht erfüllt. Die dortigen Kriterien zur
Bezirkseinteilung seien nicht gegeben. Vielmehr stünden die Stadtbezirksteile "W"/"O"
und "H" im neuen Bezirk "Ost" schon allein wegen der deutlichen räumlichen
Separierung beziehungslos nebeneinander. Eine enge örtliche Gemeinschaft, eine
Infrastruktur mit gemeinsamen Verkehrsflüssen, eine Siedlungsstruktur oder gar eine
Einwohnerzahl, die es im Vergleich mit den anderen Bezirken rechtfertige, von einer
gleichermaßen an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben existierenden Beteiligung des
Bezirks "Ost" zu sprechen, bestehe nicht. Eine ordnungsgemäße
Abwägungsentscheidung habe der Beklagte nicht getroffen; vielmehr hätten allein
parteipolitische Interessen beim Bezirkszuschnitt dominiert.
Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 27. Februar 2008 über
den fünfzehnten Nachtrag zur Hauptsatzung der Stadt N ("Einteilung des
Gebietes der Stadt N in Stadtbezirke"; DS VII3278) rechtswidrig ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Klage sei bereits unzulässig. Es
fehle insbesondere die Klagebefugnis. § 35 Abs. 2 GO NRW ordne dem Bezirk keine
organschaftlichen Befugnisse zu, denn die Norm diene nicht seinem Bestandsschutz.
Sie habe einen rein objektiven Schutzzweck. Ungeachtet dessen sei die Klage
unbegründet. § 35 Abs. 2 GO NRW nenne zwar einzelne Kriterien für die Einteilung von
Stadtbezirken, jedoch handele es sich um eine "soll"-Vorschrift, die nicht verlange, dass
sämtliche der auf einer Stufe nebeneinander stehenden Merkmale in gleichem Umfange
Berücksichtigung finden müssten. Die Kriterien hätten lediglich Empfehlungscharakter
und wären nicht voll justitiabel. Schließlich komme dem Rat ein erheblicher
Gestaltungsspielraum bei der Neueinteilung von Bezirken zu. Dieser sei gewahrt.
Insbesondere sei der Norm kein Verbot zu entnehmen, nicht aneinandergrenzende
Gebiete zu einem Bezirk zusammenzufassen; es komme allein auf die Gewährleistung
einer möglichst gleichmäßigen Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben durch die
neugebildeten Bezirke an, die hier gegeben sei. Die vom Rat beschlossene
Neueinteilung berücksichtige alle Kriterien des § 35 Abs. 2 GO NRW. Infrastruktur,
Verkehrsflüsse, Einkaufsverhalten, Freizeiteinrichtungen oder ein gemeinsames
Geschichts- und Traditionsbewusstsein präferierten nicht den Fortbestand des
Stadtbezirks "W". Im Rahmen der vorgenommenen Abwägung sei auch die
Bevölkerungsrelation zwischen dem daran orientierten größten künftigen Stadtbezirk
("Süd") und dem kleinsten ("West") von 1:2,1 noch vertretbar. Gerade vor dem
Hintergrund der mit dem deutlich schlechteren bisherigen Verhältnis von 1:3,6 seit 1975
insoweit gemachten positiven Erfahrungen, könne nicht davon ausgegangen werden,
bei einem günstigeren Verhältnis wäre die gleichmäßige Beteiligung aller Einwohner an
der Erfüllung gemeindlicher Aufgaben nicht mehr gewährleistet.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
12
Entscheidungsgründe:
13
I. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO- im Rahmen eines Organstreits (Kommunalverfassungsstreits) zulässig.
14
1. Die für eine Feststellungsklage entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO zu fordernde
Klagebefugnis,
15
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 m.w.N.,
16
gebietet hier, dass das geltend gemachte Recht dem klagenden Organ oder Organteil
als wehrfähiges subjektives Organrecht zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen
ist. Das ist durch Auslegung der jeweils einschlägigen innerorganisatorischen Norm zu
ermitteln,
17
vgl. OVG NRW, Urteil vom 05. Februar 2002 - 15 A 2604/99 m.w.N.; OVG NRW,
Beschluss vom 21. Mai 2002 - 15 B 238/02.
18
Das Erfordernis der Klagebegründung führt bei richtigem Verständnis nicht zur
Vorwegbeantwortung schwieriger materieller Rechtsfragen im Rahmen einer
vorverlagerten Schlüssigkeitsprüfung. Es dient vielmehr als Filter für Klagen, denen
wegen offenkundigen Fehlens der Rechtsbetroffenheit beim Kläger kein materieller
Überprüfungsanspruch beigemessen werden soll. Dass sich die für die Zulässigkeit
notwendige wehrfähige Innenrechtsposition der Bezirksvertretung aus einer
individuellen Subjektsgarantie des Stadtbezirkes selbst ergibt, wie die Klägerin gestützt
auf § 35 Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 GO NRW meint, liegt allerdings nicht etwa auf der Hand.
Die Bezirke sind als unselbstständige Bestandteile der Stadt keine
Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts und selbst für letztere gibt es keine
individuelle, sondern lediglich eine institutionelle Rechtssubjektsgarantie,
19
vgl. näher BVerfG, Urteil vom 12. Mai 1992 - 2 BvR 470/90, u.a.
20
Auch legt § 35 Abs. 4 Satz 2 GO NRW ein solches Verständnis eines -einfachrechtlich
ausgeprägten- Bestandsschutzes nicht nahe, da die Norm -wie schon aus dem Wortlaut
deutlich wird- allein den Zeitpunkt bestimmt, zu dem Stadtbezirksgrenzen geändert
werden können,
21
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. August 1999 - 15 A 2884/99; zu weitgehend van de
Loo, Schutz des Bestandes eines einzelnen Stadtbezirkes im Sinne einer
individuellen Garantie, VR 1999, 109, 111, der aus § 35 Abs. 4 Satz 2 GO NRW eine
individuelle Bestandsgarantie des Stadtbezirkes ableiten will.
22
Ausgehend von dem durch Beschluss des Rates vom 27. Februar 2008 zum Ende der
Wahlperiode erfolgenden Verlust der Existenz des Stadtbezirkes schlechthin und einer
damit einhergehenden Auflösung der Klägerin als beschließendem und mit
unentziehbaren -wehrfähigen- Rechten ausgestattetem Organ der Gebietskörperschaft
Stadt (vgl. §§ 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GO NRW),
23
vgl. zur Organstellung der Bezirksvertretung BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978
- 2 BvR 134/76, u.a. (noch zu den im wesentl. inhaltsgleichen Normen §§ 13b ff GO
i.d.F. v. 29.10.1974); OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 1992 - 15 A 990/91;
24
Held/Becker/u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. 1, Stand: Feb. 2008, § 37 GO
Ziff. 2; vgl. zur Wehrfähigkeit von Kompetenzen einer Bezirksvertretung OVG NRW,
Urteil vom 7. Juli 1992 - 15 A 990/91; vgl. zur Anhörung als wehrfähigem Recht OVG
Nds, Beschluss vom 27. April 1989 - 10 M 13/89; Held/Becker/u.a., a.a.O., § 37 GO
Ziff. 12,
kann ihr aber eine geschützte Rechtsposition gegen ihre Auflösung zustehen. Der
Gesetzgeber hat der Bezirksverfassung maßgeblich zugedacht, den in kreisfreien
Städten seinerzeit ausgemachten Abstand zwischen Bevölkerung und kommunalen
Entscheidungsträgern durch die Verpflichtung zur Einteilung des Stadtgebietes in
Bezirke und die damit verbundene Schaffung von Bezirksvertretungen zu verkürzen.
Dabei hat er der Bezirksvertretung unentziehbare Zuständigkeiten eingeräumt und so
neue Mitwirkungsmöglichkeiten am kommunalen Willensbildungsprozess eröffnet,
25
vgl. LT-Drs. 7/3799,S. 1, 11.
26
Angesichts dieser Bedeutung der Bezirksvertretung in der Kommunalverfassung ist es
jedenfalls nicht von vornherein und unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen,
dass § 35 Abs. 2 GO NRW der Klägerin für den Fall der Auflösung der Vertretung und
eines damit einhergehenden Verlustes der Teilhabemöglichkeiten als Organ am
kommunalen Willensbildungsprozess eine zu einem wehrfähigen Recht verdichtete
Position vermittelt. Diese Stellung würde -träfe die Rechtsauffassung der Klägerin zu-
durch die Neugliederung des Stadtbezirkes und Auflösung des bisherigen Bezirks "W"
durch den Beschluss des Beklagten möglicherweise rechtswidrig vereitelt.
27
2. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung des
Rechtsverhältnisses (§ 43 VwGO). Denn mit dem Inkrafttreten der von dem Beklagten
beschlossenen Änderung der Hauptsatzung mit Ablauf des letzten Tages der aktuellen
Wahlperiode des Rates der Stadt N (vgl. Ziff. 3.1. Buchst b) des Beschlusses vom 27.
Februar 2008 - DS VII3278), wird der Fortbestand der Klägerin als eigenständige
Bezirksvertretung beseitigt. Das Rechtsverhältnis ist insbesondere auch bereits
hinreichend konkretisiert um feststellungsfähig zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass
der vorzitierte Ratsbeschluss hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Regelungen
aufschiebend bedingt auf den Ablauf des letzten Tages der laufenden Wahlperiode ist
(7. Juni 2009). Denn liegen die wesentlichen und rechtsbegründenden Tatsachen
bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor und ist der Eintritt der
Rechtsfolgen nach dem Kalender befristet, ist ein der Feststellung zugänglicher
Sachverhalt gegeben,
28
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1971 - VI C 57.66.
29
Mit der am 27. Februar 2008 beschlossenen Novellierung des § 9 der städtischen
Hauptsatzung hat der Rat die Stadtbezirksgrenzen verbindlich und bestimmt unter
Beifügung einer die Grenzen der jeweiligen Bezirke enthaltenden Lagekarte neu
festgelegt. Zwar entfalten die Änderungen noch keine Rechtswirkungen, jedoch ist dafür
bereits Grund gelegt, da der Wegfall der Klägerin als eigenständige Bezirksvertretung
durch den Satzungsänderungsbeschluss des Beklagten allein noch vom Zeitablauf
abhängt (vgl. Art. 2 des 15. Nachtrages zur Hauptsatzung: Inkrafttreten des § 9 der
Satzung mit Ablauf des letzten Tages der laufenden Wahlzeit des Rates). Insoweit
liegen die wesentlichen und rechtsbegründenden Tatsachen für ein hinreichend
bestimmtes Rechtverhältnis schon jetzt vor.
30
3. Weitere Zulässigkeitsbedenken sind nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der
Bezirksvorsteher die Klägerin wirksam nach außen vertreten. Denn ihm ist jedenfalls
durch den von der Bezirksvertretung in ihrer Sitzung vom 26. August 2008 mehrheitlich
mit sieben zu sechs Stimmen gefassten Beschluss, den streitgegenständlichen
Kommunalverfassungsstreit fortzuführen, die -mangels entsprechender gesetzlicher
Regelung (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 GO NRW) notwendige- Befugnis zur Vertretung der
Klägerin in dieser Sache eingeräumt worden. Es bedarf daher nicht mehr einer Klärung
der ursprünglich zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob der von der
Bezirksvertretung am 11. März 2008 im Wege der Dringlichkeitsentscheidung ohne
vorherige Aufnahme des Beratungsgegenstandes in die Tagesordnung gefasste
Beschluss, den Bezirksvorsteher zu beauftragen, gegen die Neueinteilung der
Stadtbezirke gerichtlich im Namen der Bezirksvertretung vorzugehen bzw. die
erforderlichen Schritte einzuleiten, gegen die Vorschriften über die Zulässigkeit einer
solchen Entscheidung nach §§ 36 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 5 GO NRW
verstieß. Ein aus der seinerzeit möglicherweise fehlenden Vertretungsmacht
resultierender Mangel einer Bevollmächtigung wäre jedenfalls durch den nachgeholten
und insoweit ordnungsgemäßen Beschluss vom 26. August 2008 im Sinne einer
Genehmigung geheilt. Die Nachholung einer Sachurteilsvoraussetzung ist auch noch
bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zulässig,
31
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Vorb § 40 Rn. 17.
32
II. Die Klage ist unbegründet.
33
Der angegriffene Beschluss des Beklagten vom 27. Februar 2008 über die
Neueinteilung des Gebietes der Stadt N in vier Stadtbezirke ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren organschaftlichen Rechten. Die Zusammenlegung der bisher
selbstständigen Stadtbezirke "W", "O" und "H" zu einem gemeinsamen, räumlich
getrennten Bezirk "Ost" zum Ende der laufenden Wahlperiode des Rates ist mit der
Gemeindeordnung vereinbar.
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1. Rechtsgrundlage ist § 35 GO NRW. Diese Vorschrift betrifft nicht nur die
Verschiebung von Stadtbezirksgrenzen, sondern auch die Auflösung und Neubildung
von Stadtbezirken selbst. Abgesehen davon, dass sich schon begrifflich die
Zusammenlegung zweier Stadtbezirke zu einem Bezirk auch als Änderung von
Stadtbezirksgrenzen begreifen lässt, spricht die Systematik des § 35 GO NRW dafür,
ebenso die Neueinteilung von Stadtbezirken als durch die Bestimmung erfasst
anzusehen. § 35 Abs. 1 GO NRW verpflichtet kreisfreie Städte zur Einteilung des
gesamten Stadtgebietes in Bezirke. In Abs. 2 sind Kriterien genannt, auf die bei der
Einteilung Rücksicht genommen werden soll. Dabei handelt es sich um Elemente, die -
wie z.B. die Merkmale Siedlungsstruktur und Einwohnerzahl- im Laufe der Zeit
Schwankungen unterliegen und aufgrund dessen Neueinteilungen erforderlich werden
können. Abs. 3 bestimmt, in wie viele Stadtbezirke ein Stadtgebiet in der Regel
mindestens bzw. höchstens eingeteilt werden darf. Der Norm ist kein Sinn dahingehend
zu entnehmen, dass es dauerhaft bei der einmal festgelegten Zahl der Stadtbezirke zu
verbleiben habe. Vielmehr sind die Städte frei, sich im Laufe der Zeit für eine andere
Aufteilung des Stadtgebietes als ursprünglich erfolgt, d.h. auch für eine Erhöhung bzw.
Reduzierung der Anzahl der Stadtbezirke, zu entscheiden. Daraus, dass in § 35 Abs. 4
Satz 2 GO NRW nur die Änderung von Stadtbezirksgrenzen erwähnt ist, in § 17 Abs. 1
GO NRW, der Gebietsänderungen von Gemeinden betrifft, dagegen von Änderung der
35
Gemeindegrenzen, Auflösung und Neubildung von Gemeinden die Rede ist, lässt sich
nicht ableiten, § 35 GO NRW lasse nur eine - punktuelle - Veränderung von
Stadtbezirksgrenzen zu, nicht aber die Zusammenlegung ganzer Stadtbezirke. § 17
Abs. 1 GO NRW steht in einem völlig anderen Regelungszusammenhang. Hintergrund
ist die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz -GG- und Art. 78 Abs. 1, 2 Verfassung für das
Land Nordrhein-Westfalen -Verf NW- enthaltene institutionelle Garantie der
kommunalen Selbstverwaltung, die nicht die Änderung von Gemeindegrenzen oder die
Zusammenlegung bestehender Gemeinden verbietet, sondern nur die Einhaltung
bestimmter Regeln für die Änderung verlangt. Von daher erklärt sich die Aufzählung der
verschiedenen Arten der Gebietsänderung. Bezüglich der Bezirksverfassung gibt es
keinen vergleichbaren verfassungsrechtlichen Hintergrund. Auch die Funktion des § 35
Abs. 4 Satz 2 GO NRW ist eine andere als die, die die Klägerin ihr beimisst. Sie
erschöpft sich darin, nachträgliche Änderungen der Einteilung einer kreisfreien Stadt in
Stadtbezirke in zeitlicher Hinsicht einzuschränken. Solche Änderungen sollen nur zum
Ende der Wahlzeit des Rates erfolgen dürfen, da sonst Konsequenzen hinsichtlich der
Zusammensetzung der betroffenen Bezirksvertretungen unvermeidbar wären. Darüber
hinausgehende sachliche Einschränkungen für nachträgliche bezirkliche
Gebietsänderungen enthält die Vorschrift demgegenüber nicht,
vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 9. August 1999 - 15 A 2884/99; VG Düsseldorf,
Urteil vom 15. April 1999 - 1 K 8501/98; anders van de Loo, Schutz des Bestandes
eines einzelnen Stadtbezirkes im Sinne einer individuellen Garantie, VR 1999, 109,
111.
36
2. Die Entscheidung des Beklagten vom 27. Februar 2008, das Stadtgebiet unter
Schaffung eines räumlich zweigeteilten Bezirks "Ost" in vier neue Bezirke einzuteilen,
ist mit § 35 GO NRW vereinbar. Die Entscheidungsfindung stellt einen Vorgang dar, der
sich an den in § 35 Abs. 2 GO NRW genannten Kriterien auszurichten hat und wegen
seiner besonderen Art gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Danach soll bei der
Einteilung des Stadtgebiets in Stadtbezirke auf die Siedlungsstruktur, die
Bevölkerungsverteilung und die Ziele der Stadtentwicklung Rücksicht genommen
werden (Satz 1). Die einzelnen Stadtbezirke sollen eine engere örtliche Gemeinschaft
umfassen und nach der Fläche und der Einwohnerzahl so abgegrenzt werden, dass sie
gleichermaßen bei der Erfüllung gemeindlicher Aufgaben beteiligt werden können; zu
diesem Zweck können benachbarte Wohngebiete zu einem Stadtbezirk
zusammengefasst werden (Satz 2). Der Kernbereich des Stadtgebietes soll nicht auf
mehrere Stadtbezirke aufgeteilt werden (Satz 3). Der sich an diesen unbestimmten
Rechtsbegriffen orientierenden Entscheidung des Rates liegt ein komplexer
Wertungsvorgang zugrunde. Dabei kommt dem Rat als dem zur Entscheidung
berufenen Organ der Gemeinde eine Einschätzungsprärogative bei der Würdigung und
Gewichtung der Kriterien zu. Die Beurteilung, wie den verschiedenen, zum Teil
gegenläufigen Kriterien jeweils möglichst weitgehend im Sinne einer "praktischen
Konkordanz" Rechnung getragen werden kann und welchem Gesichtspunkt im
Ergebnis der Vorrang eingeräumt werden soll, setzt eine genaue Kenntnis der
Verhältnisse vor Ort voraus. Die dabei bestehenden komplexen Zusammenhänge und
vielschichtigen Erwägungen, die von den Mitgliedern des Rates zu berücksichtigen
sind, können von außen - auch durch ein Gericht - nur schwer vollständig ermittelt und
erfasst werden. Hinzu kommt, dass der Entscheidung in vielfältiger Weise
kommunalpolitische Wertungen zugrunde liegen, die einer objektiven rechtlichen
Beurteilung und Kontrolle nicht zugänglich sind. Aufgrund welcher Überlegungen oder
Entscheidungen dem einen oder dem anderen Gesichtspunkt der Vorrang gegeben
37
wird, stellt eine wertende Entscheidung dar, die zu treffen und zu verantworten
diejenigen haben, die durch ihre Wahl hierzu demokratisch legitimiert sind. Als
demokratisch gewählten Vertretern in dem zur Entscheidung berufenen Organ der
Gemeinde kommt den Ratsmitgliedern die Folgenverantwortung für die von ihnen
getroffene Entscheidung zu. Deshalb verbietet es sich, die kommunalpolitischen
Wertentscheidungen einer uneingeschränkten Rechtskontrolle durch ein Gericht zu
unterwerfen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. August 1999 - 15 A 2884/99; VG Düsseldorf, Urteil
vom 15. April 1999 - 1 K 8501/98; ähnl., aber zu weit Held/Becker/u.a.,
Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. 1, § 37 GO Ziff. 12, "nicht justitiable Kriterien,
die eher Empfehlungscharakter haben".
38
Rechtlich überprüfbar ist die Entscheidung des Rates deshalb, in Anlehnung an die zum
Beurteilungsspielraum entwickelte Judikatur,
39
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 10/88; BVerwG, Urteil vom 3. März
1987 - 1 C 16/86 jew. m.w.N.,
40
nur insoweit, ob ihr, ausgehend von den in § 35 Abs. 2 GO NRW genannten Kriterien,
sachlich vertretbare Gründe zugrunde liegen oder ob sie aufgrund sachfremder
Erwägungen, mithin willkürlich getroffen worden ist. Danach ist die Entscheidung des
Rates nicht zu beanstanden.
41
a. Die räumliche Zweiteilung des künftigen Stadtbezirks "Ost" in ein Gebiet "O/W" sowie
-unterteilt durch den neuen Bezirk "Süd"- ein Gebiet "H" ist rechtlich unbedenklich. Einer
solchen Teilung steht § 35 Abs. 2 GO NRW weder von seinem Wortlaut (aa.), der
Entstehungsgeschichte (bb.), der Systematik (cc.) noch dem Vorschriftenzweck (dd.)
entgegen.
42
aa. Die Vorschrift des § 35 Abs. 2 GO NRW weist räumliche Bezüge mit den
Formulierungen, die "einzelnen Stadtbezirke sollen eine engere örtliche Gemeinschaft
umfassen" (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Hs 1 1. Alt. GO NRW), "benachbarte Wohngebiete
[können] zusammengefasst werden" (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Hs 2 GO NRW) sowie "der
Kernbereich des Stadtgebiets soll nicht mehr auf mehrere Stadtbezirke aufgeteilt
werden" (§ 35 Abs. 2 Satz 3 GO NRW) auf.
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Keine dieser Wendungen gebietet ein Verständnis der Vorschrift im Sinne einer
zwingenden Unzulässigkeit der räumlichen Teilung eines Bezirkes. Dies gilt zunächst
für den Begriff der "engeren örtlichen Gemeinschaft", der in der Gemeindeordnung nicht
legaldefiniert wird. Unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff kann ein innerhalb des
Gesamtgebietes einer Stadt auf näher begrenztem Raum mehr oder weniger stark
entwickeltes Homogenitäts- und Verbindungsgefühl eines bestimmten Teils der
innerstädtischen Bevölkerung verstanden werden, dass auf gemeinsamen Grundlagen
fußt (z.B. bauliche oder sonstige wichtige Zusammenhänge verkehrsbedingter,
infrastruktureller, siedlungshistorischer, geographischer oder kultureller Art),
44
vgl. Held/Becker/u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. 1, Stand: Feb. 2008, § 35
Rn. 3.1.; zum Gemeinschaftsbegriff Brockhaus, Enzyklopädie, Band 10, 2006, S. 400f.
45
Zwar mag es vor diesem Hintergrund nahe liegen, eine solche Gemeinschaft
46
regelmäßig eher bei angrenzenden Wohn- und Siedlungsgebieten anzunehmen als bei
räumlich Getrennten. Vom Wortlaut zwingend ist dies jedoch nicht. Denn die vom
Gesetzgeber gewählte Formulierung lässt sich nicht derart reduzieren, dass allein
räumlich aneinandergrenzende Gebiete eine solche Gemeinschaft bilden könnten.
Weist der Gebietsbegriff vornehmlich geographische und damit räumliche
Anknüpfungspunkte auf (vgl. auch die in einem solchen Zusammenhang gebrauchte
Begrifflichkeit in § 35 Abs. 2 Satz 2 Hs 2 GO NRW: "benachbarte Wohngebiete"), ist der
Gemeinschaftsbegriff weiter und nicht auf ein solches Verständnis beschränkt. Er setzt
sich aus vielgestaltigen Grundlagen (s.o.) zusammen, die je nach den Gegebenheiten in
den kreisfreien Städten ganz unterschiedliches Gewicht zur Bestimmung einer "örtlichen
Gemeinschaft" erlangen können und erst in einer Gesamtschau den Begriff ausfüllen.
Aus der Formulierung in § 35 Abs. 2 Satz 2 Hs 2 GO NRW, "benachbarte Wohngebiete
[können] zu einem Stadtbezirk zusammengefasst werden", folgt begrifflich ebenso nicht
die Unzulässigkeit einer Teilung. Die Regelung bestimmt als Ermessensvorschrift
lediglich die positive Zulässigkeit einer solchen Verbindung ("zusammengefasst
werden") und begründet daher keine Sperrwirkung einen Bezirk räumlich zu unterteilen.
Ein darüber hinausgehender Bedeutungsgehalt kommt ihr nicht zu.
47
Schließlich legt der Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 3 GO NRW keine zwingende
Unzulässigkeit einer räumlichen Trennung nahe. Zum einen gilt die Vorschrift nur für
den -hier nicht in Rede stehenden- Sonderfall des Kernbereichs des Stadtgebietes und
weist begrifflich nicht darüber hinaus. Zum anderen ist die Regelung nicht als
gebundene Entscheidung, sondern durch die "soll-Formulierung" als intendierte
Ermessensentscheidung angelegt. Damit sind räumliche Trennungen selbst des
Kernbereichs einer Stadt nicht stets ausgeschlossen. Denn durch den Gebrauch des
Modalverbs räumt der Normgeber dem Normvollzieher eine administrative
Handlungsermächtigung ein, in bestimmten atypisch ausgeformten Fallkonstellationen
ergänzende Ermessenserwägungen vorzunehmen, die dann zu einem von dem als
typisch normierten Ergebnis abweichenden (d.h. Trennung eines Kernbereichs)
gelangen,
48
vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1992 - 1 C 31.89; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers,
AllgVerwG, 13. Aufl, § 10 Rn. 57; vgl. zu § 35 Abs. 2 Satz 3 GO NRW Rehn/Cronauge,
Gemeindeordnung NRW, Stand: März 2008, § 35 Ziff. II. 4.
49
bb. Die Gesetzesmaterialien zu § 35 Abs. 2 GO NRW legen ebenso kein Verständnis im
Sinne einer zwingenden räumlichen Einheit der Bezirke nahe. Mit dem Gesetz zur
Änderung der Gemeindeordnung und der Kreisordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 29. Oktober 1974 (GV. NRW., S. 1050 - GO NRW 1975 -) hat der
Gesetzgeber zunächst mit § 13 Abs. 2 GO NRW 1975 im Zusammenhang mit der
Einführung einer Verpflichtung der kreisfreien Städte zur Einteilung ihres Stadtgebietes
in Bezirke nähere Kriterien zu dieser Einteilung vorgegeben. Die Vorschrift entsprach
bereits seinerzeit dem geltenden § 35 Abs. 2 GO NRW, der nunmehr die maßgeblichen
Abgrenzungskriterien für die Einteilung der Stadtbezirke bestimmt (Siedlungsstruktur,
Bevölkerungsverteilung, Ziele der Stadtentwicklung, engere örtliche Gemeinschaft,
gleichmäßige Beteiligung, Kernbereichseinteilung). Die zuvor bestehende
Gesetzesfassung der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1969 in
der Änderungsfassung vom 11. Juli 1972 sprach in § 13 Abs. 1 Satz 2 GO NRW (GV.
NRW., S. 218) lediglich davon, bei der im Ermessen der Gemeinden bestehenden
Möglichkeit, das Gemeindegebiet in Bezirke einzuteilen, sollten die Bedürfnisse der
50
Gemeindeentwicklung, die Besonderheiten der Bevölkerungs- und
Wirtschaftsverhältnisse sowie die geschichtlichen Zusammenhänge Berücksichtigung
finden. Eine mit der Fassung des § 13 Abs. 2 GO NRW 1975 vergleichbare Normierung
zur "engeren örtlichen Gemeinschaft" fehlte. Zwar ist den Materialien zu der
Novellierung der GO NRW 1975 keine Begründung zum Verständnis des Merkmals der
"engeren örtlichen Gemeinschaft" zu entnehmen, jedoch findet die Auffassung einer
zulässigen räumlichen Teilung eines Bezirks in der Begründung zu § 13 GO NRW 1975
insgesamt, die aufgrund der inhaltlich unveränderten Fassung auf die geltende
Gesetzesfassung übertragbar ist, mittelbar ihre Bestätigung. Danach dienen die
Abgrenzungsmerkmale in ihrer Gesamtheit dazu, die Stadtbezirke gleichermaßen bei
der Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben zu beteiligen und insoweit weitere
Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der gemeindlichen Willensbildung zu
schaffen sowie zugleich den Rat von lokalen Angelegenheiten zu entlasten. Der
Bezirkszuschnitt hat so zu sein, dass nach Größe und Struktur in gleichem Maße
bestimmte Aufgabenbereiche übernommen werden können,
vgl. LT-Drs. 7/3799, S. 11f., 13f.
51
Der Gesetzgeber orientiert sich damit nicht an der räumlichen Aufteilung der Bezirke im
Einzelnen, sondern an der Leistungskraft der neugeschaffenen Gebilde im Hinblick auf
die ihnen in § 37 Abs. 1 Satz 1, 2 GO NRW übertragenen kommunalen
Aufgabenbereiche, der Verwirklichung einer stärkeren Mitwirkungsmöglichkeit der
Bevölkerung am innerkommunalen Willensbildungsprozess sowie einer
Entlastungsfunktion des Rates. Lediglich Größe (Fläche) und Struktur eines Bezirks
haben im Vergleich zu anderen Bezirken so zu sein, dass diese Aufgaben
ordnungsgemäß wahrgenommen werden können. Ist das gewährleistet, steht dem Rat
ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ein- und Aufteilung der Bezirke zu. Insoweit
erkennt der Gesetzgeber an, dass es wegen der unterschiedlichen Verhältnisse in den
einzelnen kreisfreien Städten nicht möglich ist, den Städten weitergehende normative
Vorgaben zu machen (z.B.: Mindesteinwohnerzahlen für Bezirke),
52
vgl. LT-Drs. 7/3799, S. 14.
53
Dies alles gilt umso mehr, als die Gebietsreform in vielen Fällen zu Regionalgemeinden
geführt hat, in denen selbstständig gewachsene historische Städte oder Dörfer mit einer
Großstadt juristisch zusammengeführt wurden, von deren Stadtkern sie nicht selten
durch größere unbebaute Flächen getrennt waren. Diese Gegebenheiten können aber
unausweislich machen, in einem Stadtbezirk Wohngebiete zusammenzufassen, die
untereinander nicht verwachsen sind. Hätte der Gesetzgeber eine Änderung in Richtung
der generellen Unzulässigkeit einer räumlichen Teilung eines Bezirks gewollt, hätte es
zudem nahegelegen, eine entsprechende Regelung in einer der seit 1975 erfolgten
Novellierungen der Gemeindeordnung vorzunehmen.
54
cc. Für diese Auffassung ergeben sich ferner aus der Systematik des § 35 Abs. 2 GO
NRW Anhaltspunkte. Die Norm legt Merkmale fest, die bei der Aufteilung des
Stadtgebiets berücksichtigt werden sollen. Anders als § 35 Abs. 1 GO NRW für die
Einteilung des Stadtgebietes in Bezirke überhaupt, enthält Abs. 2 keinerlei Verpflichtung
zu einer bestimmten Aufteilung. Die Kriterien in Abs. 2 bestimmen lediglich Maßstäbe
um dem Ziel einer Abgrenzung der Stadtbezirke unter dem Gesichtspunkt einer
gleichermaßen gewährleisteten kommunalen Aufgabenbeteiligung gerecht zu werden.
Soweit mit Abs. 2 Satz 3 eine Sonderregelung für den Kernbereich des Stadtgebietes
55
getroffen wurde, macht der äußere Normzusammenhang deutlich, dass es sich um eine
Ausnahme zu der für die Aufteilung der übrigen Bezirke zu berücksichtigenden
Regelungen in § 35 Abs. 2 Satz 1, 2 GO NRW handelt. Insoweit hat der Gesetzgeber
eine deutliche Trennung der beiden Fälle (Einteilung Kernbereich / Einteilung sonstige
Bereiche) vorgenommen. Hätte er eine solche Regelung auch für die übrigen Bereiche
außerhalb des Kernbereichs des Stadtgebietes treffen wollen, hätte es nahegelegen,
dies -ähnlich wie bei Abs. 2 Satz 3 geschehen- zum Ausdruck zu bringen. Trifft er aber
keine Bestimmung, ist damit im Regelungszusammenhang zugleich klargestellt, dass es
keinen Raum für eine Übertragung der ersteren Regelung auf alle Bezirke gibt. Wenn
der Gesetzgeber sich unter mehreren zur Verfügung stehenden Regelungsalternativen
nicht für eine Regelung zur grundsätzlichen räumlichen Unteilbarkeit der weiteren
Bezirke entscheidet, bestätigt dies das vom Wortlaut und der Normgeschichte getragene
Vorschriftenverständnis.
dd. Für die rechtlich zulässige Möglichkeit der räumlichen Teilung eines Bezirkes
spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 35 Abs. 2 GO NRW.
56
Mit der Einführung der Bezirksverfassung zum 1. Januar 1975 beabsichtigte der
Gesetzgeber über die Ratsmitgliedschaft hinaus, weitere Mitwirkungsmöglichkeiten an
der gemeindlichen Willensbildung zu eröffnen um so den Teilhabeprozess der
Bevölkerung an der kommunalen Willensbildung in kreisfreien Städten zu stärken und
den Bezirksvertretungen zugleich unentziehbare gesetzliche Zuständigkeiten zu
übertragen, die im Stadtbezirk erfüllt werden können ohne die Einheit der gesamten
Stadt zu gefährden,
57
vgl. LT-Drs. 7/3799, 1, 11f.
58
Zu diesem Zweck verpflichtete der Gesetzgeber die kreisfreien Städte, das gesamte
Stadtgebiet in Bezirke einzuteilen und normierte dazu des weiteren bestimmte Kriterien
zur Aufteilung. Der der Benennung dieser Merkmale innewohnende Grundgedanke
bestand darin, die einzelnen Stadtbezirke in etwa gleichermaßen bei der Erfüllung der
gemeindlichen Aufgaben zu beteiligen, dadurch die kommunale Selbstverwaltung zu
stärken und den Bürgern in etwa gleiche Mitwirkungsoptionen einzuräumen,
59
vgl. LT-Drs. 7/3799, S. 13f.; s.a. Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung NRW, Stand:
März 2008, § 35 Ziff. II. 2.; Dunkel/Theiß, Die Bezirksverfassung in der
Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 1975, S. 18.
60
Die Erreichung dieses Zwecks verbietet es dem Ortsrechtsgeber nicht, räumlich geteilte
Bezirke zu schaffen. Soweit es um die Auswirkungen einer solchen Trennung auf die
normativ umschriebenen Zielsetzungen der Einteilung in Stadtbezirke geht, ist zunächst
zu berücksichtigen, dass die Grenze zwischen Bezirken in der Wirklichkeit nicht
wahrnehmbar ist, eine zwischen zwei Teilen desselben Bezirks gelegene Fläche eines
anderen Bezirks die gemeinsame Aufgabenerfüllung mithin in keiner Weise hindert.
Maßgeblich ist die Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung des Bezirks, nicht aber sein äußerer
Zuschnitt. Auf diesen kommt es nicht allein an, da die Verwaltungskraft und die
Teilhabemöglichkeiten sich auch nach anderen Kriterien (etwa der Einwohnerzahl)
bemessen. In Anerkennung der verschiedenen Verhältnisse in den kreisfreien Städte in
Nordrhein-Westfalen und der daraus resultierenden Schwierigkeit alle Merkmale in § 35
Abs. 2 GO NRW in gleichem Umfange bei der Bezirkseinteilung zu berücksichtigen, hat
der Gesetzgeber daher auch keine zwingend zu beachtenden Vorgaben bei der
61
Bezirkseinteilung vorgenommen. Wie der Gebrauch des Modalverbs "sollen" in § 35
Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Hs 1 GO NRW belegt, haben die einzelnen Belange im Rahmen
der Abgrenzung zueinander lediglich möglichst weitgehend Berücksichtigung zu finden.
Den Abgrenzungskriterien in § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 GO NRW kommt dabei jedoch
keine Unüberwindbarkeit im Sinne eines Planungsleitsatzes zu. Vielmehr bedingt die
"soll" - Formulierung lediglich eine spezifische Gewichtigkeit der Merkmale bei der
wertenden Entscheidung und eine diesbezüglich beschränkte kommunale
Gestaltungsfreiheit. Dabei können einzelne Kriterien zugunsten innerstädtischer
Konstellationen bei der Bildung der einzelnen Bezirke zurückgestellt werden. Denn die
in normativ gleichrangiger Gewichtung stehenden Belange,
vgl. Held/Becker/u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. 1, Stand: Feb. 2008, § 35
Rn. 4; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung NRW, Stand: März 2008, § 35 Ziff. II. 2,
62
sind bei Kollision miteinander jedenfalls im Wege der "praktischen Konkordanz" in
Einklang zu bringen, wobei ein Zurückweichen des einen Belangs gegenüber dem
anderen die Folge sein kann;
63
dies gilt selbst dann, wenn es sich bei den Belangen in § 35 Abs. 2 Satz 1, 2 GO NRW
um sog. Optimierungsgebote, d.h. mit Gewichtungsvorrang in den Prozess der
Abwägung einzustellende Gebote handeln sollte, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März
1985 - 4 C 73.82; BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1991 - 4 NB 24/90; Hoppe, Die
Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, DVBl. 1992, 853, 860.
64
Insoweit bestätigt der Normzweck das zugrundegelegte Vorschriftenverständnis einer
grundsätzlichen Zulässigkeit der räumlichen Teilung eines Bezirks und damit auch der
Zweiteilung des künftigen Bezirkes "Ost" durch Ratsbeschluss vom 27. Februar 2008.
Sie findet ihre Grenze allein in sachfremden Erwägungen.
65
b. Für eine sachfremde, mithin willkürlich getroffene Bezirkseinteilung findet sich, auch
was die räumliche Aufteilung des Bezirkes "Ost" angeht, indes kein Anhaltspunkt.
66
Der Ortsrechtsgeber konnte zunächst im Rahmen des ihm zukommenden weiten
Gestaltungsspielraumes einen Bezirkszuschnitt vornehmen, bei dem die
Einwohnerzahlen der neugebildeten Stadtbezirke nicht gleichmäßig verteilt sind.
Ausweislich der demographischen Strukturdaten (Stand 31.12.2007, Bl. 18
Verwaltungsvorgang) entfallen auf die künftigen Stadtbezirke folgende
Bevölkerungsanteile: "Süd" 85.451, "Nord" 74.622, "Ost" 60.046 und "West" 44.987. Die
Annäherung des Einwohnerverhältnisses des heute größten Bezirks "Stadtmitte" (ca.
58.000 Einwohner) zu dem kleinsten Bezirk "H" (ca. 16.000 Einwohner) von 1 zu 3,6
durch die Neugliederung der Bezirke auf künftig 1 zu 1,9 Einwohner zwischen dem
dann größten Bezirk "Süd" (85.451 Einwohner) zu dem kleinsten "West" (44.987
Einwohner), ist sachlich vertretbar. Die in § 35 Abs. 2 Satz 2 GO NRW genannten
Kriterien stehen -wie unter II. 2. a. bb., dd. dargelegt- in besonderem Maße unter dem
Vorbehalt, dass die Stadtbezirke gleichermaßen bei der Erfüllung der gemeindlichen
Aufgaben beteiligt werden können. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Entlastung des
Rates einerseits und einer verstärkten Mitwirkung der Bürger an der kommunalen
Selbstverwaltung andererseits, ist es zwar erforderlich, die Bezirke nach ihrer Größe
und Struktur so zuzuschneiden, dass sie die vorgesehenen Aufgabenbereiche (vgl. § 37
Abs. 1 Satz 1, 2 GO NRW) auch übernehmen können. Darüber hinaus weist die
Formulierung in § 35 Abs. 2 Satz 2 GO NRW aber nicht. Insbesondere verbietet sie nicht
67
einen unter Umständen erheblichen Unterschied der Bezirke hinsichtlich ihrer
Einwohnerzahl. Dies belegt auch § 36 Abs. 2 Satz 4 GO NRW, nach dem die
Mitgliederzahlen der Bezirksvertretungen nach den Einwohnerzahlen der Stadtbezirke
gestaffelt werden können. Lässt das Gesetz eine derartige Differenzierung zu, erkennt
es an, dass es unterschiedliche Einwohnerzahlen in den Bezirken geben kann. Auch
bildet die Bevölkerungszahl in den einzelnen Bezirken stets nur eine Momentaufnahme.
So können bei einer Neueinteilung zu Lasten einer -ohnehin nur schwer erreichbaren-
annähernd gleichen Bezirkseinwohnerzahl etwa die Ziele der Stadtentwicklung im
Rahmen der Entscheidungsfindung stärker in den Blick genommen werden, die über
geplante Erschließungen oder vorgesehene stärkere Verdichtungen zu künftigen
Verschiebungen im Bevölkerungsgefüge führen können. Entscheidend bleibt, dass alle
Bezirke einheitlich in die Lage versetzt werden, die ihnen durch die Gemeindeordnung
in § 37 Abs.1 GO NRW zugewiesenen Aufgaben in etwa gleichermaßen erfüllen zu
können. Trotz differierender Einwohnerzahl bietet sich kein Anhaltspunkt, dass dem hier
nicht so wäre und ein nur schwer überbrückbares Spannungsverhältnis zwischen der
Leistungskraft der einzelnen Bezirke entstünde. Die Divergenzen der künftigen
Stadtbezirke sind mit Blick auf die Einwohnerzahl nicht derart gewichtig, dass die
Aufgabenerfüllung gefährdet wäre. Dies gilt insbesondere für den Bezirk der Klägerin
"W", der in dem neu gegründeten Bezirk "Ost" aufgeht. Denn der Bezirk weist mit über
60.000 Einwohnern im Verhältnis zu dem größten Bezirk "Süd" (ca. 85.000 Einwohner)
sogar nur ein Verhältnis von 1 zu 1,4 Einwohnern auf. Aus dieser -geringen- Divergenz
drängt sich ein sachfremder Zuschnitt nicht auf.
Schließlich ist es im Rahmen der Gestaltungshoheit des Rates liegend, den durch
vielfältige ländliche Freiräume gekennzeichneten Stadtbezirk "H" nicht dem neuen
Bezirk "Süd" (jetzt noch "S-West" und "-Mitte" sowie "P" mit insgesamt ca. 85.000
Einwohnern), sondern dem Bezirk "Ost" zuzuschlagen und so eine andere Gewichtung
zu schaffen. Zwar mag es engere geographische und siedlungsstrukturelle
Verbindungen zwischen "H" und "S-Mitte", zu deren Bezirksverwaltungsstelle der Bezirk
noch gehört, geben, die auch eine Zuteilung in den künftigen Bezirk "Süd" ermöglicht
oder -wie die Klägerin meint (vgl. Schriftsatz vom 9. April 2008, S. 5)- nahegelegt hätten.
Diesen Beziehungen kommt aber nicht so ausschlaggebendes Gewicht zu, dass nur
eine solche Zusammenfassung vom Rat rechtsfehlerfrei in Betracht hätte gezogen
werden können. Vielmehr lässt sich die vom Beklagten beschlossene Zusammenlegung
im Bezirk "Ost" ebenso sachlich begründen. Vor der Neueinteilung stand dem ländlich
geprägten Bezirk "H" mit nur 16.000 Einwohnern der städtisch ausgeformte Bezirk "S-
Mitte" mit der zweithöchsten Bevölkerungsdichte von 41.000 Einwohnern hauptsächlich
angrenzend gegenüber. Bei einer Zusammenlegung mit dem Bezirk "S-Mitte" könnte
der Bezirk "H" in noch größerem Maße an Bedeutung verlieren als bei einer
Zusammenlegung mit den zwar räumlich getrennten, aber ebenfalls eher zumindest
teilweise ländliche Strukturen aufweisenden Bezirken "W" (23.000 Einwohner) und "O"
(21.000 Einwohner). Denn allein schon mit Blick auf die Einwohnerzahl würde sich die
Größenrelation noch weiter zum Nachteil von "H" verschieben. Der Stadtteil "S" mit
seiner dichten und kompakten Bebauung weist derart eigene Strukturen auf, dass es
sachlich nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist, dass dazu ein ländlich
geprägter Randbereich nicht ohne weiteres passen würde. Zudem ist es
nachvollziehbar, wenn der Beklagte sich bei seiner Entscheidung der Neueinteilung der
Bezirke u.a. von der Erwägung hat leiten lassen, keine bestehenden Stadtbezirke zu
zerschneiden, sondern die bisherigen Bezirke in vier neue zusammenzufassen, deren
Außengrenzen sich mit den noch bestehenden Bezirksgrenzen decken (vgl. Schriftsatz
vom 25. November 2008, S. 2). Insoweit kommt es nicht darauf an, was aus Sicht der
68
Klägerin nahegelegen hätte, sondern nur was sachlich die Grenze des Vertretbaren
überschreitet. Die Bildung des Stadtbezirkes "Ost" bewegt sich aber -wie dargelegt- im
Rahmen des von § 35 Abs. 2 GO NRW vorgegebenen Modells.
Ob sich die Rechtslage anders darstellte, wenn geographisch -ohne dass es sich um
Exklaven handelte- deutlich voneinander getrennt liegende Gebiete zu einem Bezirk
zusammengefasst würden oder über das Stadtgebiet verteilt kleine offenkundig
beziehungslos nebeneinander stehende "Briefmarken"-Bezirke geschaffen würden,
brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Denn so liegt der Fall nicht. Der künftige
Bezirk "Ost", wird lediglich durch einen kleinen 2-3 Kilometer breiten, ersichtlich
überwiegend durch landwirtschaftliche Flächen geprägten, Bereich des Bezirks "S-
Mitte" (neu "Süd") von dem restlichen Bezirk "Ost" abgegrenzt. Auch macht der Bezirk
"H" von seiner Fläche etwa 1/3 der Gesamtfläche des Bezirks "Ost" aus, so dass nicht
von einem "Annex" zu dem übrigen räumlichen Teilbereich des Bezirks "Ost"
gesprochen werden kann.
69
Ferner weist die Kammer darauf hin, dass ein sich im Zuge der Neugliederung der
Bezirke und der damit einhergehenden Reduzierung der Zahl der Mitglieder der
Bezirksvertretungen möglicherweise änderndes politisches Kräfteverhältnis in den
Bezirken durch die Kommunalwahl 2009 -entgegen der von der Klägerin in ihrem
Schriftsatz vom 5. Januar 2009 geäußerten Einwände- nicht der Unbedenklichkeit des
beschlossenen Neuzuschnitts entgegenstünde. Insbesondere kommt es auch nicht
darauf an, ob bestimmte vermeintlich mit einer parteipolitischen Ausrichtung
verwachsene Bevölkerungsteile eines Stadtbezirkes künftig mit politisch
möglicherweise gleichgerichteten Teilen eines anderen Bezirks zu einem einheitlichen
zusammengeschlossen werden und sich dadurch verfestigte Mehrheitsverhältnisse in
der neuen Bezirksvertretung bilden könnten. Eine solche prognostisch ohnehin
unsichere Veränderung hat der Gesetzgeber in Kauf genommen und gegen
missbräuchliche Gestaltungen Vorsorge getroffen. Dies zeigt die Regelung des § 35
Abs. 4 Satz 2 GO NRW. Danach sollen Stadtbezirksgrenzen nur zum Ende der Wahlzeit
des Rates geändert werden können,
70
vgl. zum Normzweck OVG NRW, Beschluss vom 9. August 1999 - 15 A 2884/99,
Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung NRW, Stand: März 2008, § 35 Ziff. III. 2.
71
Die Änderung von Bezirksgrenzen kann daher nicht etwa als Instrument zur "Korrektur"
eines bereits ausgesprochenen Wählervotums dienen, sondern wirkt sich erst in der
Zusammensetzung der künftigen Vertretungskörperschaft aus, die von der nicht sicher
voraussagbaren Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger abhängt. Geht der
Gesetzgeber davon aus, dass die Änderung von Bezirksgrenzen regelmäßig
Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bezirksvertretung hat (vgl. § 4 Abs. 2 Satz
2 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen in der
Fassung des Änderungsgesetzes vom 9. Oktober 2007 [GV. NRW., S. 374] -KWahlG
NRW-) und begrenzt in Ansehung dessen die Wirksamkeit solcher Änderungen in
zeitlicher Hinsicht auf das Ende der Wahlperiode des Rates, gibt er zu erkennen, dass
er sich solcher Verschiebungen durch eine Neubildung und einen etwaig anders
ausfallenden Wählerwillen bewusst ist und sie als notwendige Folge von
Umstrukturierungsprozessen akzeptiert.
72
Der vorgenommenen Neueinteilung der Bezirke steht schließlich nicht die Vorschrift des
§ 4 Abs. 2 Satz 2, 3 KWahlG NRW entgegen. Danach soll -sofern Bezirke nach der
73
Gemeindeordnung vorhanden sind- bei der Einteilung des Wahlgebietes in Wahlbezirke
die Bezirkseinteilung nach Möglichkeit eingehalten werden. Dabei darf die Abweichung
von der durchschnittlichen Einwohnerzahl der Wahlbezirke nicht mehr als 25 Prozent
nach oben oder unten betragen. Würden die Stadtbezirke mit den Wahlbezirken
gleichgesetzt, wäre dies hier zwar geringfügig der Fall. Denn bei einer Einwohnerzahl
von 265.106 Einwohnern des Wahlgebietes (Stand: 31.12.2007) dividiert durch vier
Stadtbezirke, ergäbe sich ein Durchschnitt von etwa 66.276 Einwohnern pro Bezirk, von
dem um 25 Prozent nach oben (82.845 Einwohner) sowie nach unten (49.707
Einwohner) abgewichen werden dürfte. Der größte Bezirk "Süd" hat jedoch 85.451, der
kleinste Bezirk "West" nur 44.987 Einwohner. Indes ist die Regelung des
Kommunalwahlgesetzes für die Einteilung der Stadtbezirke unbeachtlich, da diese sich
allein nach den Vorschriften der Gemeindeordnung bemisst. Wie bereits der Wortlaut
des § 4 Abs. 2 Satz 2 Hs 1 KWahlG belegt ("Sind Bezirke nach der Gemeindeordnung
vorhanden...), setzt die Norm die Einteilung des Stadtgebietes in Bezirke voraus. Im
Übrigen legt das KWahlG auch allein die Modalitäten zur Wahl von Gremien fest, trifft
aber keine darüber hinausgehenden weiteren Bestimmungen (vgl. §§ 1 Abs. 1, 46a
KWahlG; § 36 Abs. 1 Satz 3 GO NRW). Insoweit gehen auch die Quoren in § 4 Abs. 2
Satz 3 KWahlG der Bezirkseinteilung nach und sind daher nicht bindend für die Bildung
der Stadtbezirke,
vgl. Held/Becker/u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Bd. 1, Stand: Feb. 2008, § 35
GO Ziff. 6; v. Loebell/Henrichs, Bezirksverfassung, 3. Aufl. 1980, S. 11, bereits zu der
Vorgängervorschrift § 13 GO NRW 1975.
74
Schließlich ist der Zweck der Vorschrift völlig unterschiedlich. Während es § 4 KWahlG
um die Repräsentativität der Wahl geht, will § 35 GO NRW die Funktionalität der
Bezirkseinteilung wahren.
75
Eine sachfremde Bezirkseinteilung folgt ebenso nicht aus den mit der Neustrukturierung
für die Bürger des Stadtbezirks "W" möglicherweise verbundenen sonstigen Nachteilen
(z.B. weitere Wege zur Bezirksverwaltungsstelle). Diese zählen -ungeachtet der Frage,
ob sich die Klägerin auf sie überhaupt berufen könnte- zu den mit der wertenden
Entscheidung des Rates verbundenen etwaigen Folgen, die in der Verantwortung der
Entscheidungsträger stehen. Solche Veränderungen können mit jeder
Neustrukturierung verbunden sein und wären prinzipiell auch bei einem anderen
Zuschnitt der Stadtbezirke möglich. Denn keiner der von der Verwaltung in der
Berichtsvorlage vom 12. September 2007 gemachten neun Vorschläge oder der von
den Ratsfraktionen in den Sitzungen vom 19. Dezember 2007 sowie 27. Februar 2008
gemachten vielfältigen Alternativvorschläge zur Neueinteilung ist kritiklos geblieben.
76
Ist damit nicht ersichtlich, dass der Beklagte von sachfremden Erwägungen Gebrauch
gemacht hat, wendet sich die Klägerin allein gegen das inhaltliche Ergebnis der
Entscheidung, das jedoch nicht allein deshalb rechtswidrig ist, weil es nicht ihren
Vorstellungen entsprochen hat.
77
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709
Satz 2 Zivilprozessordnung.
78
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4
VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 VwGO).
79