Urteil des VG Düsseldorf vom 10.01.2005

VG Düsseldorf: serbien und montenegro, aufenthaltserlaubnis, altes recht, bundesamt für migration, schutz der familie, abschiebung, reaktive depression, privates interesse, mazedonien, ausreise

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 5434/03
10.01.2005
Verwaltungsgericht Düsseldorf
24. Kammer
Urteil
24 K 5434/03
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist am 00.00.0000 in T geboren, serbokroatischsprachig und muslimischer
Religionszugehörigkeit. Als er im zweiten Schuljahr war, verzog die Familie nach O im
Sandzak. Er hat ein am 00.00.0000 geborenes Kind, für das er die Vaterschaft anerkannt
hat, mit der in Q in Serbien geborenen serbisch- montenegrinischen Staatsangehörigen F.
Der Kläger reiste im Februar 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 16. März 1994 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigten ab, stellte fest, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
nicht vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Jugoslawien (Rest) an,
verbunden mit dem Hinweis, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben
werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.
Das anschließende Klageverfahren endete mit klageabweisendem Urteil der 1. Kammer
des Hauses vom 23. Januar 1998 (1 K 5467/94.A), rechtskräftig seit dem 17. April 1998.
Nachfolgend erhielt der Kläger Duldungen. Unter dem 05. November 2001 beantragte er
die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG. Er sei in der Bundesrepublik
integriert und habe eine Arbeitsstelle als Erntehelfer gefunden, während er in seinem
Heimatland keine Existenz mehr habe.
Der Beklagte lehnte den Antrag nach Anhörung des Klägers mit der angefochtenen
Ordnungsverfügung vom 18. Februar 2002 ab. Der Widerspruch des Klägers, mit dem
dieser unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie und
Psychiatrie I1 aus H vom 13. März 2002 geltend gemacht hatte, an einer reaktiven
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Depression zu leiden, bei der auch eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen sei, wurde mit
Bescheid der Bezirksregierung E vom 17. Juli 2003 zurückgewiesen.
Ein zwischenzeitlich gestellter Asylfolgeantrag einschließlich Wiederaufgreifensantrag zu §
53 AuslG blieb erfolglos. Es wurde ferner erneut die Abschiebung in die Bundesrepublik
Jugoslawien (Belgrad) angedroht und darauf hingewiesen, dass der Kläger auch in einen
anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner
Rückübernahme verpflichtet sei (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 02. Mai 2002; Klagerücknahme im anschließenden
gerichtlichen Verfahren 15 K 3116/02.A am 25. April 2003).
Der Kläger hat am 15. August 2003 Klage erhoben. Er wiederholt das Vorbringen aus der
Begründung des Aufenthaltsbefugnisantrages und trägt weiter vor, sein Arbeitgeber, bei
dem er einen unbefristeten Arbeitsvertrag habe, sei sehr an seiner Weiterbeschäftigung
gelegen. Allein könne dieser seinen Betrieb nicht bewältigen und arbeitswillige Erntehelfer
seien kaum zu finden. Er sei zudem seit 1998 geduldet. Der Abschiebung hätten
tatsächliche Gründe entgegengestanden, die er nicht zu vertreten gehabt habe. In der
mündlichen Verhandlung hat der Kläger ferner geltend gemacht, seine Lebensgefährtin
gehöre der Volksgruppe der Roma an und ein Zusammenleben als gemischt-ethnische
Familie sei in Serbien und Montenegro nicht möglich.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seiner Ordnungsverfügung vom 18. Februar 2002 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 17. Juli 2003 zu verpflichten, dem
Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Verfügungen,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger wurde im August 2002 zur Rückführung in die Bundesrepublik Jugoslawien
angemeldet. Dem Rückübernahmeersuchen wurde von den jugoslawischen Behörden
jedoch nicht entsprochen, weil der Kläger nicht jugoslawischer Staatsangehöriger sei.
Unter dem 29. November 2004 stellte der Beklagte nunmehr einen Antrag auf Rückführung
nach Mazedonien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
Bezirksregierung E Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist unbegründet.
Die Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis bzw. Aufenthaltserlaubnis ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels sind
nicht erfüllt.
Prüfungsmaßstab ist insoweit das seit dem 01. Januar 2005 geltende Aufenthaltsgesetz
(AufenthG). Denn bei Verpflichtungsklagen, die auf die Erteilung oder Verlängerung einer
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Aufenthaltsgenehmigung gerichtet sind, ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage
zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen,
soweit es darum geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt
oder versagt werden muss,
st. Rspr. des BVerwG, s. nur Urteil vom 15. Februar 2001, 1 C 23/00, BVerwGE 114, 9,
unter 3. a) der Entscheidungsgründe m.w.N.
Dafür, dass hier ausnahmsweise ein früherer Zeitpunkt maßgeblich ist, namentlich noch
das bis zum 31. Dezember 2004 gültige Ausländergesetz 1990 (AuslG) Anwendung findet,
ist nichts ersichtlich. Insbesondere enthält das AufenthG keine dahingehende
Übergangsbestimmung. In den Übergangsregelungen des § 104 AufenthG, die bestimmen,
in welchen Fällen noch altes Recht anzuwenden ist, findet sich zu den bisherigen
Bestimmungen über die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen keine Regelung. Die dort
geregelten Fälle betreffen lediglich unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen (§ 104 Abs. 1,
2 AufenthG), den Kindernachzug nach § 20 AuslG (§ 104 Abs. 3 AufenthG) sowie
volljährige ledige Kinder von Ausländern, bei denen Abschiebungshindernisse nach § 51
Abs. 1 AuslG festgestellt wurden (§ 104 Abs. 4 AufenthG).
1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem sog. Härtefallerlass 2001,
Anordnung nach § 32 des AuslG zur Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an
Arbeitnehmer aus der Republik Bosnien und Herzegowina und der Bundesrepublik
Jugoslawien, Erlass des IM NRW vom 21. Juni 2001, I B 3/44.386-B 2/I 14 - Kosovo.
Dieser Erlass gilt auch nach Inkrafttreten des AufenthG fort. Zwar ist die Ermächtigung zum
Erlass solcher Anordnungen in § 32 AuslG mit Ablauf des 31. Dezembers 2004 entfallen.
Dies berührt die bestehenden Erlasse aber jedenfalls deshalb nicht, weil auch das
AufenthG mit § 23 eine entsprechende Ermächtigung vorsieht. In Nordrhein-Westfalen
beabsichtigt das Innenministerium als oberste Landesbehörde aus Anlaß des Inkrafttretens
des Zuwanderungsgesetzes zwar eine Erlassbereinigung, bisher sind aber alle Erlasse
lediglich befristet worden bis zum 31. Dezember 2005 mit der Maßgabe, dass sie, soweit
sie sich auf altes Recht beziehen, sinngemäß angewendet werden sollen,
Erlass des IM NRW vom 28. Dezember 2004, 15-39.01.10; nach Ablauf der Befristung
sollen nur die Erlasse fortgelten, deren weitere Gültigkeit ausdrücklich durch einen
allgemeinen Runderlass festgelegt wird.
Dem Kläger kommt ein auf den Erlass gestützer Anspruch jedoch nicht zu. Unabhängig von
der Frage, ob sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vom 5. November 2001,
der sich ausdrücklich auf § 30 AuslG bezog, auch als Antrag nach dem Härtefallerlass zu
verstehen ist, ergibt sich dies jedenfalls daraus, dass dessen Voraussetzungen nicht erfüllt
sind. Es fehlt schon an der Einhaltung der Antragsfrist nach Ziffer 2 der Anordnung (30.
September 2001). Im Übrigen ist auch weder eine mehr als zweijährige Beschäftigung bis
zum Ablauf der Antragsfrist vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich (Ziffer 1.1.2 der
Anordnung) noch die Sicherung des Lebensunterhalts ohne zusätzliche Mittel der
Sozialhilfe am 10. Mai 2001 (Ziffer 1.3 der Anordnung).
2. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder
ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber nach den Vorschriften der § 25 Abs. 3 oder
Abs. 5 AufenthG. Diese Vorschriften haben (i.V.m. der Vorschrift des § 5 Abs. 3 AufenthG
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betreffend das Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen) die Vorschriften
des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG abgelöst.
a. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt
werden, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2,
3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies sind die Fälle der bisher in § 53 Abs. 1, 2, 4 und 6
AuslG geregelten sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse (nunmehr vom
Gesetz als ​Verbot(e) der Abschiebung" bezeichnet).
Eine Erteilung nach dieser Vorschrift kommt vorliegend nicht in Betracht, denn es fehlt an
einer positiven Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60
Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG. Zuständig für die Entscheidung über das Vorliegen solcher
Abschiebungsverbote ist bei Asylsuchenden nicht die Ausländerbehörde, sondern das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (das bisherige Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge), das gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG mit Bindungswirkung für die
Ausländerbehörde entscheidet,
s. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997, 9 C 58/96 , BVerwGE 105, 383 = InfAuslR
1998, 189 = NVwZ 1998, 524.
Das Bundesamt hat vorliegend im Hinblick auf (das damalige) Rest-Jugoslawien mit dem
Asylerstbescheid vom 16. März 1994 festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG (jetzt: Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) nicht vorliegen. Hieran
ist der Beklagte gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden.
Hinsichtlich Mazedoniens ist eine Entscheidung vom Bundesamt bisher allerdings nicht
getroffen worden. Zwar ist der Tenor des genannten Asylerstbescheides allgemein
formuliert (​Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen nicht vor"), aus der
Begründung und der Bezeichnung des Zielstaates ​Jugoslawien (Rest)" in der
Abschiebungsandrohung ergibt sich jedoch, dass auch nur insoweit eine Entscheidung
getroffen worden ist. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der nach § 50 Abs. 2
AuslG (jetzt § 59 Abs. 2 AufenthG) erforderliche Hinweis aufgenommen ist, die
Abschiebung könne auch in einen anderen Staat erfolgen, in den der Kläger einreisen
dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei,
vgl. zur Reichweite von Entscheidungen des Bundesamtes zu § 53 AuslG BVerwG, Urteil
vom 04. Dezember 2001, 1 C 11/01, BVerwGE 115, 267= InfAuslR 2002, 284 = NVwZ
2002, 855.
Dasselbe gilt hinsichtlich des Asylfolgebescheides vom 02. Mai 2002. Gleichwohl scheidet
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auch im Hinblick
auf etwaige Abschiebungsverbote bezüglich Mazedonien von vornherein aus, ohne dass
solche
- hier allerdings auch nicht konkret ersichtliche -
Abschiebungsverbote von der Ausländerbehörde und damit im vorliegenden Verfahren
vom Gericht zu prüfen wären. Denn hierfür ist im Falle des Klägers als (ehemals)
Asylsuchendem allein das Bundesamt zuständig. Erst wenn dieses eine entsprechende
positive Feststellung getroffen hat, könnte eine hierauf gestützte Aufenthaltserlaubnis erteilt
werden.
Dabei sei dahingestellt, ob ein entsprechender Antrag beim Bundesamt, weil auf einen
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Staat bezogen, hinsichtlich dessen bisher keine Prüfung erfolgt ist, ohne weiteres zulässig
wäre, oder ob seine Zulässigkeit sich nach § 51 VwVfG beurteilen würde
(Wiederaufgreifensantrag); vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000, 9 C 42/99, BVerwGE
111, 343 = NJW 2000, 3798 = InfAuslR 2001, 46.
b. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar
ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 (Sperrwirkung von Ausweisung,
Zurückschiebung und Abschiebung) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine
Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der
Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach § 25 Abs. 5 Satz 2
AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18
Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der
Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (§ 25 Abs. 5 Satz 3, 4 AufenthG).
Diese Voraussetzungen sind hier schon mangels eines rechtlichen oder tatsächlichen
Ausreisehindernisses nicht erfüllt.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe im Heimatland (gemeint ist wohl Serbien und
Montenegro; für Mazedonien würde aber dasselbe gelten) keine Existenz, geht es um
zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. Insoweit ist § 25 Abs. 3 AufenthG als
Spezialvorschrift zu § 25 Abs. 5 AufenthG
- im Gegensatz zu § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG mit der Rechtsfolge ​Soll" statt ​Kann" sowie
mit zwingender, nicht nur ins Ermessen der Behörde gestellter Befreiung von den
allgemeinen Erteilungvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2, siehe § 5 Abs. 3 AufenthG -
einschlägig, deren Voraussetzungen, wie dargelegt, nicht erfüllt sind.
Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers, er sei in Deutschland integriert, insbesondere
hier erwerbstätig und sein Arbeitgeber wolle ihn nicht verlieren, folgt kein rechtliches oder
tatsächliches Ausreisehindernis. Insoweit hat sich auch durch das neue Recht keine
Änderung ergeben. Eine lange Aufenthaltsdauer und eine faktisch erfolgte Integration
stellen ein Ausreisehindernis i.S.d. § 25 Abs. 5 AufenthG nicht dar.
Ein (hier zu berücksichtigendes inlandsbezogenes) Ausreisehindernis folgt auch nicht aus
einer Erkrankung des Klägers. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die im
Widerspruchsverfahren geltend gemachte Erkrankung (laut dem vorgelegten
privatärztlichen Attest vom 13. März 2002 eine reaktive Depression; laut amtsärztlichem
Attest vom 23. Juli 2002 ein chronifiziertes posttraumatisches Belastungssyndrom)
überhaupt noch besteht. Das diesbezügliche Vorbringen hat der Kläger im Klageverfahren
nicht wiederholt und keine Atteste mehr vorgelegt. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich,
weshalb aus der in dem vorgelegten Attest bescheinigten reaktiven Depression eine
Reiseunfähigkeit folgen sollte. Die insbesondere ohne nähere Konkretisierung geltend
gemachte Suizidgefahr ist in dem Attest überhaupt nicht erwähnt. Bei der amtsärztlichen
Untersuchung am 22. Juli 2002 wiederum, bei der ein chronifiziertes posttraumatisches
Belastungssyndrom attestiert wurde, wurde Reisefähigkeit ausdrücklich bejaht.
Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass eine Ausreise dem Kläger mangels eines
aufnahmebereiten Staates unmöglich ist. Angesichts dessen, dass die jugoslawischen
Behörden das für den Kläger gestellte Rückübernahmeersuchen im November 2002
abgelehnt haben, weil dieser nicht jugoslawischer Staatsangehöriger sei, ist zwar
zweifelhaft, ob der Kläger nach Serbien und Montenegro ausreisen könnte. Fest steht dies
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jedoch nicht, zumal der Kläger inzwischen ein Kind mit einer Staatsangehörigen von
Serbien und Montenegro hat, so dass auch ein hieraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht
gegeben sein könnte,
zur familiären Lebensgemeinschaft noch sogleich.
Ferner kommt in Betracht, dass der Kläger die mazedonische Staatsangehörigkeit besitzt
und daher nach Mazedonien zurückkehren könnte, wo er geboren ist.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine dieser Möglichkeiten gegeben ist, liegt
beim Kläger, weil es sich um eine aus seiner Sphäre stammende, ihm günstige Tatsache
handelt,
vgl. OVG NW, Beschluss vom 24. Mai 2004, 18 A 1246/04 (dort zur Unmöglichkeit der
Ausreise wegen Unmöglichkeit der Passbeschaffung).
Der Kläger hat jedoch bisher ausweislich seines Vortrags und des Akteninhalts nichts
unternommen, um die Möglichkeit der (freiwilligen) Ausreise nach Serbien und Montenegro
oder Mazedonien zu klären, insbesondere keine entsprechenden Anträge bei den
zuständigen Behörden gestellt. Er hat auch weder vorgetragen noch ist dies sonst
ersichtlich, dass dies von vornherein aussichtslos wäre.
Auch ein Ausreisehindernis nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 8 EMRK im Hinblick auf die
familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Kind und der Lebensgefährtin, die die Mutter des
Kindes ist, kann nicht festgestellt werden. Denn aus dem Schutz der Familie folgt
grundsätzlich nicht, dass die Möglichkeit zur Führung der Lebensgemeinschaft gerade im
Bundesgebiet gewährt werden muss. Etwas anderes gilt regelmäßig (nur) dann,
jedenfalls wenn kein Fall vorliegt, in dem der Zuzug zu einem Familienmitglied begehrt
wird, dessen Verbleib in Deutschland aufenthaltsrechtlich auf Dauer gesichert ist oder für
den ein Anspruch auf Einräumung eines Daueraufenthaltsrechts besteht, vgl. BVerfG,
Beschluss vom 12. Mai 1987, 2 BvR 1226/83 u.a., BVerfGE 76, 1 = NJW 1988, 626, unter
C. I. 5. b) bb) (4) der Gründe,
wenn die Lebensgemeinschaft auf Grund besonderer Umstände zumutbarerweise nur im
Bundesgebiet geführt werden kann,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2000, 18 B 1074/00, InfAuslR 2001, 157;
ferner BVerfG, Beschluss vom 31. August 1999, 2 BvR 1523/99 m.w.N., InfAuslR 2000, 67;
speziell zur Konstellation unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten von Familienmitgliedern
VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Juli 1995, 13 S 3358/94, NVwZ-RR 1996, 533.
Es kommt hier mithin darauf an, ob die Lebensgemeinschaft zumutbarerweise auch in
einem anderen Staat - in Betracht kommen Serbien und Montenegro und Mazedonien -
geführt werden könnte. Dass dies nicht der Fall ist, namentlich, weil der Fall gegeben ist,
dass der Kläger, seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind unterschiedliche
Staatsangehörigkeiten haben und keiner der Staaten ein Aufenthaltsrecht für die jeweils
anderen Familienmitglieder vorsieht, kann nicht festgestellt werden. Insoweit liegt die
Darlegungs- und Beweislast wiederum beim Kläger, der bisher jedoch weder versucht hat,
die Möglichkeit seiner eigenen, noch die einer gemeinsamen Ausreise zu klären.
Die weitere Frage, ob das Zusammenleben in Serbien und Montenegro als gemischt-
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ethnische Familie unzumutbar wäre, würde sich erst dann stellen, wenn feststünde, dass
ein gemeinsames Aufenthaltsrecht nur in Serbien und Montenegro möglich wäre. Darüber
hinaus liegen für Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) entsprechende Erkenntnisse
nicht vor, ebenso wenig für Mazedonien.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich schließlich auch nicht
daraus, dass nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll,
wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Diese Voraussetzung ist hier zwar
erfüllt, denn der Kläger ist bereits seit 1998 geduldet. Erforderlich bleibt aber auch hier das
Vorliegen eines Ausreisehindernisses. Denn die Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2
AufenthG ist nicht so zu verstehen, dass nach 18monatiger Duldung generell keine weitere
Duldung, sondern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll (​Abschaffung der
Kettenduldungen"). Ihr Regelungsgehalt ist vielmehr der, dass, wenn die Voraussetzungen
für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenth gemäß Satz 1, 3 und
4 vorliegen, aus dem einfachen Ermessen (​kann") in Satz 1 ein ​Soll" wird, d.h. die
Verpflichtung zur Erteilung, wenn kein atypischer Fall vorliegt. Von den
Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1, 2 und 4 AufenthG dispensiert die
Vorschrift des Satz 2 nicht. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang: Satz
2 steht im Anschluss an Satz 1 und modifiziert diesen lediglich im Hinblick auf das ​Kann".
Die nachfolgenden Sätze 3 und 4 bestimmen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
- sei es nach der ​Kann"-Bestimmung des Satzes 1, sei es nach der ​Soll"-Bestimmung des
Satzes 2 - nur zulässig ist, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert
ist, ergänzen also die in Satz 1 aufgestellte Tatbestandsvoraussetzung des
Ausreisehindernisses.
3. Weitere Vorschriften, aus denen sich ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber ergeben könnte,
sind nicht ersichtlich. Insbesondere gilt dies auch insoweit, als der Kläger sich auf seine
Erwerbstätigkeit und darauf beruft, dass sein Arbeitgeber auf ihn angewiesen sei.
Anspruchsgrundlage könnte insoweit nur § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 AufenthG sein.
Nach § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, der den bisherigen § 8 Arbeitsaufenthalteverordnung
(AAV) ersetzt, kann eine Aufenthaltserlaubnis im begründeten Einzelfall für eine
Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere
regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Unabhängig von
der Frage, ob sich aus der systematischen Stellung des Abs. 4 Satz 2 nicht ergibt, dass die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nur bei Beschäftigungen in
Betracht kommt, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen, fehlt es jedenfalls
am öffentlichen Interesse an der Beschäftigung. Das Interesse des Arbeitgebers, den
Kläger als Arbeitnehmer zu behalten, stellt ein privates Interesse dar und genügt daher
nicht. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn von der Beschäftigung weitere
Arbeitsplätze abhängen, sei dahingestellt, denn dergleichen ist hier nicht ersichtlich;
vielmehr hat der Arbeitgeber neben dem Kläger offenbar keine weiteren Beschäftigten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.