Urteil des VG Düsseldorf vom 03.07.2008

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 L 1099/08
Datum:
03.07.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 L 1099/08
Tenor:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 16 K 4768/08 gegen
die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 1. Juli 2008
wiederherzustellen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 16 K 4768/08 gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 1. Juli 2008 wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg.
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Die Vollziehungsanordnung ist nicht schon aufgrund mangelhafter Begründung gemäß
§ 80 Abs. 3 VwGO aufzuheben. Der Antragsgegner hat zur Begründung der Anordnung
ausgeführt, das Vorhandensein zahlloser nicht bestellter blauer Mülltonnen im
öffentlichen Straßenraum der Stadt stelle sowohl wegen ihrer Anzahl als auch wegen
des unkontrollierten (auch nächtlichen) Verbleibs auf den Straßen eine erhebliche
Gefahr für den Straßenverkehr einschließlich des Verkehrs auf den Gehwegen dar, die
unter verkehrssicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar sei. Zudem
handele es sich bei dem Verbleib nicht bestellter blauer Tonnen auf den öffentlichen
Straßen um eine nicht erlaubte rechtswidrige Sondernutzung, deren formelle Illegalität
ein sofortiges Einschreiten rechtfertige. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels
(hier der Klage) führe zu dem unerträglichen Ergebnis, dass dieser illegale Zustand
längerfristig fortgesetzt werde. Damit hat der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht,
dass er die genannten straßenverkehrsrechtlichen und straßenrechtlichen Belange für
hinreichend gewichtig hält, um das weitere Belassen der blauen Tonnen der
Antragstellerin im öffentlichen Straßenraum auch schon im Zeitraum vor der
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Bestandskraft der Verfügung zu unterbinden. Den formalen Anforderungen des § 80
Abs. 3 VwGO ist damit Genüge getan. Ob auch tatsächlich ein öffentliches
Vollzugsinteresse besteht, ist für die Annahme einer hinreichenden Begründung im
Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich.
Auch die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der angefochtenen
Verfügung einerseits und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der
aufschiebenden Wirkung der Klage andererseits fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 1. Juli 2008 ist weder offensichtlich
rechtswidrig noch überwiegt das Interesse der Betroffenen das Vollziehungsinteresse
aus sonstigen Gründen.
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Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage spricht zunächst alles für die Rechtmäßigkeit der Verfügung.
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Die in der Ordnungsverfügung vom 1. Juli 2008 getroffenen Regelungen sind
hinreichend bestimmt. Dies gilt insbesondere für die in Ziffer 1. enthaltene Aufforderung,
die blauen Tonnen einzusammeln und zu entfernen. Mit dem Hinweis auf die
Sammelbezirke ist für die Antragstellerin ohne weiteres ersichtlich, dass sich die
Verpflichtung zur Abholung auf sämtliche dort im öffentlichen Straßenraum befindlichen
blauen Tonnen der Antragstellerin bezieht und nur die bei ihr bestellten blauen Tonnen
hiervon ausgenommen sind. Da die blauen Tonnen der Antragstellerin sich optisch von
den durch die Stadt verteilten unterscheiden und die Antragstellerin diejenige ist, die
Kenntnis davon hat, welcher Grundstückseigentümer bei ihr eine blaue Tonne bestellt
hat, ist es für sie ohne weiteres möglich, der Aufforderung des Antragsgegners
nachzukommen.
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Auch im Übrigen bestehen gegen die Verfügung keine rechtlichen Bedenken.
Rechtsgrundlage der an die Antragstellerin in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung
ergangenen Aufforderung, ihre in den Stadtbezirken 1A/B, 2A/B, 3A/B, 4A/B und 5A/B
der Stadt S1 (Bezeichnung nach Abfallkalender) auf öffentlichen Straßen und Plätzen
nebst zugehörigen Gehwegen stehenden nicht bestellten blauen Tonnen einzusammeln
und zu entfernen, ist § 22 Satz 1 StrWG NRW. Danach kann im Falle einer unerlaubten
Sondernutzung öffentlicher Straßen die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis
zuständige Behörde - hier der Antragsgegner nach §§ 18 Abs. 1, 56 Abs. 2 Nr. 3 StrWG
NRW - die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen.
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Die Antragstellerin hat die in ihrem Eigentum stehenden blauen Mülltonnen in der Stadt
S1 nach Auslaufen des mit dieser als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger
abgeschlossenen Entsorgungsvertrages zum 30. Juni 2008 nicht eingesammelt,
sondern beschlossen, diese bei den bisherigen Nutzern zu belassen. Soweit die Bürger
jedoch nach der letzten durch die Antragstellerin durchgeführten Leerung die blauen
Tonnen nicht wieder auf ihre Grundstücke zurückgebracht haben, sondern - einer
Anregung des Antragsgegners folgend - diese auf der Straße haben stehen lassen,
haben sie für die Antragstellerin unmissverständlich erkennbar zum Ausdruck gebracht,
dass sie die blauen Tonnen der Antragstellerin künftig nicht mehr nutzen wollen und sie
diese daher zur Abholung durch die Antragstellerin bereitstellen. Dadurch, dass die
Antragstellerin die Abholung nicht zeitnah durchgeführt hat, nimmt sie den öffentlichen
Straßenraum für ihre Tonnen nunmehr zu vom Anliegergebrauch nicht gedeckten,
verkehrsfremden Zwecken in Anspruch.
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Vgl. zur Abgrenzung Sondernutzung - Anliegergebrauch: VG Aachen, Beschluss vom
17. Juni 2008 - 6 L 252/08 - mit ausführlicher Begründung und w.N.
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Diese Sondernutzung erfolgt auch nicht mit Billigung des Antragsgegners. Vielmehr
hatte dieser die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 5. Juni 2008 darauf
hingewiesen, dass die nunmehr beabsichtigte gewerbliche Sammlung der
Antragstellerin als Sondernutzung der Erlaubnis der Stadt S1 bedürfe und erst nach
Erteilung einer solchen Erlaubnis zulässig sei. Er hat zudem durch sein
Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2008 zum Ausdruck gebracht, dass er den die
Abholung der Behälter durch die Antragstellerin ermöglichenden Zustand des
Verbleibens der blauen Tonnen im öffentlichen Straßenraum nicht länger dulden werde.
Auch sind die Grundstücks-eigentümer, die keine blauen Tonnen bei der Antragstellerin
bestellt haben, nicht für die Beseitigung der vor ihren Grundstücken zur Abholung
bereitstehenden, der Antragstellerin gehörenden blauen Tonnen verantwortlich zu
machen. Es liegt daher eine erlaubnispflichtige Sondernutzung öffentlicher Straßen
gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW durch die Antragstellerin vor, die derzeit nicht im
Besitz einer solchen Erlaubnis ist.
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Die somit rechtswidrige Straßensondernutzung konnte der Antragsgegner untersagen
und der Antragstellerin die Entfernung der Behälter aus dem öffentlichen Straßenraum
aufgeben. Der Antragsgegner war hieran auch nicht aus Ermessensgründen gehindert.
Allein die formelle Illegalität der Sondernutzung berechtigt die Behörde im Regelfall zu
Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 StrWG NRW.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 1999 - 23 B 334/99 -, vom 30. Oktober 1996 -
23 B 2398/96 - und vom 21. Oktober 1996 - 23 B 2966/95 -.
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Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Antragstellerin einen offensichtlichen
Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis hätte. Dies ist bei summarischer
Prüfung jedoch nicht der Fall. Dass es sich bei dem Verbleib nicht bestellter
Papiersammeltonnen im öffentlichen Straßenraum für gewerbliche Zwecke um eine
erlaubnispflichtige Sondernutzung handelt, steht außer Zweifel (s.o.). Auf die Erteilung
einer Sondernutzungserlaubnis besteht kein Rechtsanspruch, sondern lediglich ein
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde. Umstände dafür, dass
dieses Ermessen auf Null reduziert sein könnte, so dass keine andere Entscheidung als
die Erteilung der Erlaubnis in Betracht käme, sind weder von der Antragstellerin
vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
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Das in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung enthaltene Beseitigungsverlangen stellt sich
somit als rechtmäßig dar. Angesichts dessen ist das allgemeine Interesse an der
sofortigen Beendigung der unerlaubten Sondernutzung höher zu bewerten als das
privatwirtschaftliche Interesse der Antragstellerin am Verbleib der Tonnen, zumal die
Möglichkeit der Durchführung der gewerblichen Papiermüllsammlung durch die
Ordnungsverfügung nicht unterbunden wird.
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Aus denselben Gründen ist auch Ziffer 2. der Verfügung nicht zu beanstanden, wonach
es der Antragstellerin ab sofort untersagt wird, nicht bestellte blaue Tonnen auf den
öffentlichen Straßen und Plätzen nebst zugehörigen Gehwegen im gesamten
Stadtgebiet der Stadt S1 aufzustellen.
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Gründe für die Annahme, die Verfügung sei unverhältnismäßig, sind nicht ersichtlich.
Die nach §§ 55 Abs. 1, 59, 63 VwVG NRW zulässige Androhung der Ersatzvornahme ist
ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist die ursprünglich in Ziffer 1. der Verfügung
angeordnete Frist bis zum 5. Juli 2008 24.00 Uhr relativ kurz; hierzu hat der
Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners in der Antragserwiderung vom 3. Juli
2008 jedoch erklärt, dass aus Ziffer 1. der Verfügung nicht vor dem 10. Juli 2008
vollstreckt werde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Antragsstellerin durch die
vorangegangenen Schreiben des Antragsgegners vom 5. und 13. Juni 2008 über
dessen Absichten in Kenntnis gesetzt war, so dass die Frist als angemessen anzusehen
ist.
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Die Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall des Zuwiderhandelns gegen Ziffer 2.
der Verfügung ist gemäß §§ 60, 63 VwVG NRW ebenfalls rechtmäßig. Die
Zwangsgeldhöhe ist mit 100,- Euro für jeden Verstoß gegen die
Unterlassungsverfügung angemessen.
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Der zugleich von der Antragstellerin gestellte Antrag,
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bis zu einer endgültigen Entscheidung im Eilverfahren durch Zwischenverfügung die
aufschiebende Wirkung wiederherzustellen und dem Antragsgegner die Vollstreckung
der angekündigten Ordnungsverfügung im Wege der Ersatzvornahme zu untersagen,
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hat sich durch die Entscheidung der Kammer vom heutigen Tage erübrigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der mangels Angaben der Antragstellerin zur
wirtschaftlichen Bedeutung der Sache anzunehmende Auffangstreitwert mindert sich im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren wegen des vorläufigen Charakters der begehrten
Entscheidung um die Hälfte.
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