Urteil des VG Düsseldorf vom 15.06.1999

VG Düsseldorf: stadt, behörde, planwidrige unvollständigkeit, juristische person, zahnärztliche behandlung, stationäre behandlung, sozialhilfe, unterrichtung, kreis, ausländer

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 22 K 1580/96
Datum:
15.06.1999
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 K 1580/96
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand:
1
Die srilankische Staatsangehörige xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx wurde am 26. Februar
1995 zur stationären Behandlung in das xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
(xxxxxxxxxxxxxx), das vom Kläger getragen wird, aufgenommen. Frau xxxxxxxxxxxxxx
hatte am 23. September 1994 einen Asylantrag gestellt und war durch Bescheid der
xxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxx vom 26. Oktober 1994 der Stadt xxxxxxxxxxx im Kreis
xxxxxxxxx zugewiesen worden. Der Oberkreisdirektor des Kreises xxxxxxxxx hatte ihr
am 10. Januar 1995 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens
erteilt, der zufolge der Aufenthalt auf den Regierungsbezirk xxxxxxx und der Wohnsitz
auf die Stadt xxxxxxxxxxx beschränkt war. Bis Ende Februar 1995 gewährte der
Stadtdirektor der Stadt xxxxxxxxxxx Frau xxxxxxxxxxxxxx Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
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Mit Schreiben vom 27. Februar 1995, das auch die Unterschrift der Frau xxxxxxxxxxxxxx
enthält, beantragte der Kläger beim Stadtdirektor der Stadt xxxxxxxxxxx die Übernahme
der Kosten der stationären Behandlung der Frau xxxxxxxxxxxxxx. In dem
Antragsformular gab der Krankenhausarzt an, daß die stationäre Behandlung wegen
Exacerbation einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erforderlich sei, daß
sie voraussichtlich sechs Wochen dauern werde und daß ein Eilfall in dem Sinne
vorliege, daß die Behandlung sofort notwendig und unaufschiebbar sei, so daß es dem
Patienten vor Aufnahme nicht mehr möglich gewesen sei, sich an den Sozialhilfeträger
zu wenden.
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Auf diesen Antrag hin teilte der Stadtdirektor der Stadt xxxxxxxxxxx dem Kläger mit
Schreiben vom 13. März 1995 mit, daß nach § 11 Abs. 2 AsylbLG Leistungsberechtigten
nach § 1 dieses Gesetzes in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie
sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhielten,
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die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde nur die nach den
Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten dürfe. Da es sich bei der
Krankenhausaufnahme der Frau xxxxxxxxxxxxxx um einen Notfall gehandelt habe,
möge der Kläger unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 AsylbLG die Kosten der stationären
Behandlung beim Sozialamt der Stadt xxxxxxxx geltend machen.
Daraufhin stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten
der stationären Behandlung der Frau xxxxxxxx xxxxx, der dem an den Stadtdirektor der
Stadt xxxxxxxxxxx gerichteten Antrag vom 27. Februar 1995 inhaltlich entsprach und bei
der Beklagten am 20. März 1995 einging.
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Ausweislich eines in den Ausländerakten der Frau xxxxxxxxxxxxxx enthaltenen
Vermerks vom 7. März 1995 hatte an diesem Tag der in xxxx xxx lebende Bruder der
Frau xxxxxxxxxxxxxx beim Ausländeramt des Kreises xxxxxxxxx vorgesprochen und
erklärt, daß er seine Schwester am Wochenende nach xxxxxxxx geholt habe, da sie
nervenkrank sei. Er sei von einem Bekannten seiner Schwester angerufen worden; da
er im Kreis xxxxxxxxx kein Krankenhaus für Psychiatrie gekannt habe, habe er seine
Schwester in xxxxxxxx untergebracht, um sie auch zu betreuen.
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Mit Bescheid vom 30. März 1995 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge Frau xxxxxxxxxxxxxx als Asylberechtigte an.
7
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 1995 mit, daß die
Entscheidung über die Übernahme der seit dem 26. Februar 1995 entstandenen
Krankenhauskosten dem Ort der Zuweisung, d.h im Falle der Frau xxxxxxxxxxxxxx der
Stadt xxxxxxxxxxx, obliege.
8
Am 13. Juni 1995 wurde Frau xxxxxxxxxxxxxx aus dem xxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxx verlegt.
9
Mit Schreiben vom 27. Juli 1995 teilte der Stadtdirektor der Stadt xxxxxxxxxxx der
Beklagten mit, daß Frau xxxxxxxxxxxxxx sich am Tage der Krankenhausaufnahme, dem
26. Februar 1995, widerrechtlich in xxxxxxxx aufgehalten habe, da eine
Besuchserlaubnis vom Ausländeramt des Kreises xxxxxxxxx nicht erteilt worden sei.
Das Gesundheitsamt des Kreises xxxxxxxxx habe ihm mitgeteilt, daß Frau
xxxxxxxxxxxxxx als Notfall in das Krankenhaus aufgenommen worden sei, da sie seit
einigen Tagen nicht mehr gegessen, mehrere Nächte nicht geschlafen und kaum mehr
Kontakt zu ihrer Umgebung aufgenommen habe. Auch während der stationären
Behandlung habe eine schwere psychiatrische Erkrankung vorgelegen, so daß sie
dauernder Überwachung bedurft habe und bis zum 29. Mai 1995 auf der geschlossenen
Abteilung habe behandelt werden müssen. Somit habe bei der Aufnahme von Frau
xxxxxxxx xxxxx in das Krankenhaus ein Eilfall vorgelegen, so daß gemäß § 11 Abs. 2
AsylbLG von der Stadt xxxxxxxx die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe -
hier Übernahme der Krankenhauskosten - zu leisten sei. Er, der Stadtdirektor der Stadt
xxxxxxxxxxx, bitte nunmehr um Kostenübernahme während des Zeitraumes vom 26.
Februar 1995 bis einschließlich 29. März 1995. Da Frau xxxxxxxxxxxxxx durch
Bescheid vom 30. März 1995 als Asylberechtigte anerkannt worden sei, habe sie ab
diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz,
für die der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxx zuständig sei.
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Mit Schreiben vom 18. September 1995 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx die Kosten der stationären Behandlung der Frau
xxxxxxxxxxxxxx für die Zeit vom 1. April 1995 bis 12. Juni 1995 übernehme und daß für
die Übernahme der Pflegekosten für den Zeitraum vom 26. Februar 1995 bis 31. März
1995 sie, die Beklagte, zuständig sei. Insoweit bat der Kläger um Ausstellung einer
Kostenzusage.
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Diesen Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 1995 ab.
Zur Begründung führte sie aus, sie sei für die Erbringung von Leistungen nach dem
AsylbLG an Frau xxxxxxxxxxxxxx nicht zuständig, da diese der Stadt xxxxxxxxxxx
zugewiesen worden sei und es sich bei der stationären Krankenhausbehandlung auch
nicht um eine "nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe" im Sinne des § 11
Abs. 2 AsylbLG gehandelt habe.
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Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 1995 Widerspruch ein, zu
dessen Begründung er sich die Auffassung der Stadt xxxxxxxxxxx zu eigen machte, es
habe ein Fall des § 11 Abs. 2 AsylbLG vorgelegen. Die Beklagte wies den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1996 unter Wiederholung und Vertiefung der
im Ausgangsbescheid gegebenen Begründung zurück. Ergänzend führte sie aus, daß
dem Kläger selbst dann kein Anspruch auf Kostenübernahme zustünde, wenn die Stadt
xxxxxxxx für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständig wäre. Denn
leistungsberechtigt nach dem AsylbLG seien lediglich die in § 1 dieses Gesetzes
genannten Personen, nicht jedoch Dritte, wie z.B. Krankenhäuser, die ihrerseits
Leistungen an solche Personen erbracht hätten. Das AsylbLG enthalte - anders als das
BSHG - keine Regelung darüber, inwieweit die Behörde jemandem Kosten zu erstatten
habe, der in einem Eilfall Hilfe geleistet habe.
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Der Kläger hat am 16. Februar 1996 Klage erhoben, zu deren Begründung er seine
bereits im Verwaltungsverfahren vertretene Ansicht wiederholt, bei der stationären
Behandlung der Frau xxxxxxxxxxxxxx in dem von ihm getragenen Krankenhaus habe es
sich um eine nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfeleistung gehandelt, so
daß die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AsylbLG zur Kostenübernahme verpflichtet sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 1995 und des
Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1996 zu verpflichten, die Kosten der
Behandlung der Patientin xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx im
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx für die Zeit vom 26. Februar 1995 bis 31.
März 1995 in Höhe von 13.467,06 DM zu übernehmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid vom
16. Januar 1996 und trägt ergänzend vor, ein Fall des § 11 Abs. 2 AsylbLG läge hier
schon deshalb nicht vor, weil es nicht um eine tatsächliche Hilfe, ohne deren Leistung
die Hilfeempfängerin in ihren existentiellen Rechten betroffen gewesen wäre, sondern
ausschließlich um die verwaltungstechnisch zu treffende Entscheidung über die
Übernahme von Kosten für eine vom Kläger bereits geleistete medizinische Versorgung
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gegangen sei. Es sei dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, sich zwecks
Erteilung einer Kostenübernahmezusage an den Sozialhilfeträger xxxxxxxxxxx zu
wenden, ohne damit die Existenz der Hilfeempfängerin zu gefährden. Die Stadt
xxxxxxxxxxx hätte die Kostenzusage auch ohne Gefährdung der Hilfeempfängerin
erteilen können. Es sei daher nicht zwingend erforderlich, daß die Beklagte eine solche
Erklärung abgebe und die Kosten für die Behandlung der Hilfeempfängerin im
nachhinein übernehme.
Das Gericht hat den Antrag des Klägers auf Beiladung der Stadt xxxx xxxxxx bzw. des
Kreises xxxxxxxxx sowie der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxx und des
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx durch in der mündlichen Verhandlung verkündeten
Beschluß abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der
ebenfalls beigezogenen Ausländerakten des Kreises xxxxxxxxx betreffend Frau
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ergänzend Bezug genommen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22
Die Verpflichtungsklage ist zulässig, aber nicht begründet.
23
Die Ablehnung der Erstattung der im Klageantrag näher bezeichneten
Krankenhausbehandlungskosten durch den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1996 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnug - VwGO -). Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen
Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme dieser Kosten.
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Ein derartiger Anspruch kann zunächst nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 des
Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074) in der
bis zum 31. Mai 1997 geltenden Fassung hergeleitet werden.
25
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und
Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung
einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur
Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen
erforderlichen Leistungen zu gewähren. Ob es sich bei der stationären Behandlung der
Frau xxxxxxxxxxxxxx im xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx im Zeitraum vom
26. Februar 1995 bis 31. März 1995 um eine erforderliche ärztliche Behandlung einer
akuten (psychischen) Erkrankung der Frau xxxxxxxxxxxxxx gehandelt hat, kann
dahinstehen, weil ein etwaiger Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 4 Abs.
1 Satz 1 AsylbLG jedenfalls nicht dem Kläger, sondern Frau xxxxxxxxxxxxxx selbst
zusteht.
26
§ 1 Abs. 1 AsylbLG bestimmt, daß leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer
sind, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und eine der weiteren in den
Nummern 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen. Das trifft zwar auf die Patientin
xxxxxxxxxxxxxx zu, die im streitbefangenen Zeitraum eine Aufenthaltsgestattung nach
dem Asylverfahrensgesetz besessen hat (Nr. 1), jedoch ersichtlich nicht auf den Kläger,
bei dem es sich um eine inländische juristische Person handelt. Auch aus § 4 Abs. 3
27
Satz 2 AsylbLG ergibt sich kein Anspruch gegen den nach § 10 AsylbLG in Verbindung
mit § 2 des Gesetzes zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AG AsylbLG)
vom 29. November 1994 (GV NW S. 1087) zuständigen Kostenträger. Nach § 4 Abs. 3
Satz 2 AsylbLG haben niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte, soweit die Leistungen
durch sie erfolgen, Anspruch auf Vergütung, welche die Ortskrankenkasse, in deren
Bereich der Arzt oder Zahnarzt niedergelassen ist, für ihre Mitglieder zahlt. Abgesehen
davon, daß der Kläger kein Arzt, sondern ein Krankenhausträger ist, begründet die
genannte Vorschrift keinen Vergütungsanspruch des Arztes gegenüber dem
Kostenträger nach dem AsylbLG; vielmehr besteht - und erschöpft sich - der Zweck
dieser Vorschrift darin, die Leistungen der Ärzte bzw. Zahnärzte und die Höhe der ihnen
hierfür zustehenden Vergütung zu regeln.
So Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluß vom 2. Februar 1998 - 5 B 99.97 -,
Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (FEVS), Band
48, S. 246 (248), zu der mit § 4 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG übereinstimmenden Regelung
des § 37 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz.
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Eine Abtretung des Anspruches aus § 4 Abs. 1 AsylbLG ist ausgeschlossen, da diese
Bestimmung einen Anspruch auf Sachleistungen gewährt und Ansprüche auf
Sachleistungen nicht übertragen werden können (vgl. auch § 53 Abs. 1 des Ersten
Buches Sozialgesetzbuch). Im übrigen ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich,
daß Frau xx xxxxxxxxxxx einen etwaigen Anspruch aus § 4 Abs. 1 AsylbLG an den
Kläger abgetreten hat.
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Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf § 121 des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März
1994 (BGBl. I S. 646) gestützt werden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind jemandem, der
in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt hat, die der Träger der Sozialhilfe bei
rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde, auf Antrag die
Aufwendungen in gebotenem Umfange zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund
rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat.
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Eine unmittelbare Anwendung des § 121 BSHG scheidet aus, weil diese Bestimmung
voraussetzt, daß dem Empfänger der Hilfe bei rechtzeitiger Kenntnis des
Sozialhilfeträgers Hilfe "nach diesem Gesetz", d.h. Sozialhilfe, gewährt worden wäre.
Der Patientin xxxxxxxxxxxxxx hätten jedoch, wenn die nach § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 AG
AsylbLG zuständige Behörde rechtzeitig von der Notwendigkeit einer
Krankenhausbehandlung in Kenntnis gesetzt worden wäre, allenfalls Leistungen nach §
4 Abs. 1 AsylbLG gewährt werden müssen. Einen Anspruch auf Leistungen der
Sozialhilfe hatte Frau xxxxxxxxxxxxxx im streitbefangenen Zeitraum nicht, da sie - wie
oben dargelegt - leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG war und
Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten (§ 120
Abs. 2 BSHG, § 9 Abs. 1 AsylbLG).
31
Auch bei einer analogen Anwendung des § 121 BSHG ergibt sich kein Anspruch des
Klägers auf Erstattung der im Klageantrag näher bezeichneten
Krankenhausbehandlungskosten. Zwar ist § 121 BSHG nach Auffassung der
erkennenden Kammer auf Fälle wie den vorliegenden, in denen der Empfänger der Hilfe
leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG ist, analog anzuwenden,
32
ebenso Deibel, Praktische Probleme bei der Bewilligung von Leistungen an
33
Asylbewerber, in: Städte- und Gemeinderat 1995, S. 263 (267).
Ein Anspruch des Klägers scheitert aber daran, daß kein Eilfall im Sinne dieser
Vorschrift vorgelegen hat.
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Eine analoge Anwendung des § 121 BSHG ist hier möglich und geboten. Die analoge
Anwendung eines Gesetzes setzt zweierlei voraus: Erstens muß festgestellt werden,
daß die normative Regelung eine Lücke enthält, daß der Gesetzgeber also in Wahrheit
für den zu entscheidenden Fall keine Regelung getroffen hat. Die Schließung einer
solchen Lücke im Wege der Analogie ist - zweitens - nur möglich, wenn das Gesetz für
einen dem nicht geregelten Sachverhalt ähnlichen Sachverhalt eine Regelung enthält,
die auf den nicht geregelten Sachverhalt übertragen werden kann, weil beide
Tatbestände in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten gleich zu
bewerten sind.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1995 - 3 C 11.94 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE), Band 99, S. 362 (366, 368) mit weiteren
Nachweisen.
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Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zunächst liegt eine Gesetzeslücke vor, weil das
AsylbLG keine Bestimmung darüber enthält, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen ein Dritter, der einem Leistungsberechtigten Hilfe gewährt hat, von
dem nach § 10 AsylbLG zuständigen Kostenträger Ersatz seiner Aufwendungen
verlangen kann. Daß der Gesetzgeber keine derartige Regelung getroffen hat, kann
auch nicht als beredtes Schweigen in dem Sinne aufgefaßt werden, daß er Ansprüche
hilfeleistender Dritter in jedem Falle ausschließen wollte. Denn das AsylbLG stellt
lediglich hinsichtlich der an den in § 1 genannten Personenkreis zu gewährenden
Leistungen eine abschließende, die Anwendung des BSHG hindernde Regelung dar,
37
vgl. Birk, in: Bundessozialhilfegesetz, Lehr- und Praxiskommentar, 5. Aufl. 1998,
Anhang II (AsylbLG), Vorbemerkung, Rn. 4, 6.
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Soweit es um Leistungen an Dritte geht, kommt den Bestimmungen des AsylbLG jedoch
kein abschließender Charakter zu, weil der mit der Schaffung dieses Gesetzes verfolgte
Zweck, die Leistungen an Asylbewerber gegenüber den Sozialhilfeleistungen deutlich
abzusenken und damit den finanziellen Anreiz für Ausländer, nach Deutschland
einzureisen und hier ein Asylverfahren zu betreiben, zu verringern, es nicht erfordert,
Dritten, die einem Leistungsberechtigten (Not-)Hilfe gewährt haben, einen Anspruch auf
Erstattung ihrer Aufwendungen zu versagen.
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Die danach bestehende planwidrige Unvollständigkeit des AsylbLG kann durch eine
entsprechende Anwendung des § 121 BSHG beseitigt werden. Denn der durch das
AsylbLG nicht geregelte Sachverhalt des Aufwendungsersatzes eines hilfeleistenden
Dritten ist ebenso zu bewerten wie der in § 121 BSHG für den Fall, daß der
Hilfeempfänger dem Grunde nach Anspruch auf Sozialhilfe hat, geregelte Sachverhalt.
Für die Zuerkennung eines Aufwendungsersatzanspruches macht es keinen
Unterschied, ob die zuständige Behörde demjenigen, zu dessen Gunsten die
Aufwendungen erbracht worden sind, bei rechtzeitiger Kenntnis Leistungen nach dem
BSHG oder nach dem AsylbLG hätte gewähren müssen. In beiden Fällen besteht ein
berechtigtes Interesse desjenigen, der an Stelle der Behörde Hilfe leistet, am Ersatz
seiner Aufwendungen.
40
Bei Aufnahme der Frau xxxxxxxxxxxxxx in das xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxx am 26. Februar 1995 hat jedoch kein Eilfall vorgelegen. Ein Eilfall im
Sinne des § 121 Satz 1 BSHG liegt bei einem stationären Krankenhausaufenthalt nur
vor, wenn und solange dieser zur Genesung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen
erforderlich und eine Unterrichtung des Sozialhilfeträgers über den Hilfefall nicht
möglich oder nicht zumutbar ist.
41
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 1997
- 8 A 5887/95 -, FEVS 48, S. 272 (Leitsatz 1 und S. 273) mit weiteren Nachweisen.
42
Das zweite Erfordernis (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Unterrichtung des
Sozialhilfeträgers) rechtfertigt sich daraus, daß für die Anerkennung eines
Aufwendungsersatzanspruches des Hilfeleistenden keine Notwendigkeit besteht, wenn
der Hilfebedürftige vor der Hilfeleistung den Sozialhilfeträger von dem Hilfebedarf hätte
in Kenntnis setzen können. Denn nach § 5 Abs. 1 BSHG setzt ab dem Zeitpunkt der
Kenntnis des Sozialhilfeträgers die Sozialhilfe ein, so daß - bei Vorliegen der weiteren
Voraussetzungen - ein Anspruch des Hilfebedürftigen selbst gegeben ist, der einen
Anspruch Dritter gegen den Sozialhilfeträger ausschließt.
43
Ob am 26. Februar 1995 die Aufnahme der Frau xxxxxxxxxxxxxx in das vom Kläger
getragene Krankenhaus zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung erforderlich und
unaufschiebbar war, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls vor der
Krankenhausaufnahme bzw. vor Beginn der Behandlung die für die Erbringung von
Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Behörde hätte unterrichtet werden können.
Wenn Frau xxxxxxxxxxxxxx ausweislich des in den Ausländerakten enthaltenen
Vermerks vom 7. März 1995 in der Lage war, unmittelbar vor der Krankenhausaufnahme
von xxxxxxxxxxx nach xxxxxxxx zu reisen, und wenn sie am 26. oder 27. Februar 1995
das vom Kläger ausgefüllte Antragsformular unterschreiben konnte, dann hätte sie -
gegebenenfalls mit Hilfe ihres in xxxxxxxx lebenden Bruders - auch die zuständige
Behörde von der Notwendigkeit einer stationären Behandlung in Kenntnis setzen
können. Sofern sie sich bei der Erfüllung dieser Obliegenheit der Hilfe des Klägers
bedienen wollte, hätte sie sich nicht damit begnügen dürfen, das von diesem
vorbereitete Formular - Antrag auf Kostenübernahme - zu unterschreiben, sondern hätte
sie bzw. ihr Bruder, der die Krankenhausaufnahme offenbar veranlaßt hat, darauf
hinwirken müssen, daß das Formular noch am gleichen Tag an die Behörde
weitergeleitet oder diese telefonisch unterrichtet wird. Die sofortige Unterrichtung der für
die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zuständigen Behörde war der
Patientin auch zumutbar, weil sie selbst die Kosten der Behandlung nicht tragen und
deshalb die Notwendigkeit erkennen konnte, die Behörde, die die Kosten
möglicherweise übernehmen würde, von der Krankenhausaufnahme in Kenntnis zu
setzen.
44
Für den Zeitraum ab dem 6. März 1995 scheidet ein Anspruch des Klägers analog § 121
BSHG auch aus einem anderen Grunde aus. Ab dem Zeitpunkt, in dem der
Sozialhilfeträger - auch ein örtlich unzuständiger - Kenntnis von dem Sozialhilfefall
erlangt, kann nämlich ein Aufwendungserstattungsanspruch des Nothelfers nach § 121
BSHG nicht mehr begründet werden,
45
vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992
46
- 5 C 32.89 -, BVerwGE 91, S. 245 (248 f.) = FEVS 44, S. 89 (92) m.w.N., sowie
Beschluß vom 2. Februar 1998 - 5 B 99.97 -, a.a.O., S. 247 f..
47
Ausweislich einer auf dem vom Kläger gestellten Kostenübernahmeantrag vom 27.
Februar 1995 befindlichen Datumsangabe ist dieser Antrag offensichtlich am 6. März
1995 beim Stadtdirektor der Stadt xxxxxxxxxxx eingegangen. Wenn diese Behörde, mag
sie für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG an Frau xxxxxxxxxxxxxx auch
örtlich nicht zuständig gewesen sein, am 6. März 1995 Kenntnis von deren Behandlung
im Krankenhaus des Klägers erlangt hat, ist ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch nach §
121 BSHG ausgeschlossen.
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Liegen somit die Voraussetzungen der hier entsprechend anzuwendenden Bestimmung
des § 121 BSHG nicht vor, so kommt es auf die Frage, ob die Beklagte für die
Gewährung von Leistungen an Frau xxxxxxxxxxxxxx nach § 4 i.V.m. § 11 Abs. 2
AsylbLG zuständig war und sich daher auch ein Anspruch aus § 121 BSHG gegen die
Beklagte richtete, nicht an.
49
Sonstige Rechtsgrundlagen, aus denen sich der mit der Klage geltend gemachte
Anspruch ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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