Urteil des VG Düsseldorf vom 14.11.2002

VG Düsseldorf: private krankenversicherung, krankenkasse, beihilfe, fürsorgepflicht, sachleistung, vollstreckung, ersatzkasse, versorgung, besoldung, einzelrichter

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 3540/00
Datum:
14.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 3540/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das
beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der am 1. November 1925 geborene Kläger stand als Oberamtsrat im Dienst des
beklagten Landes. Er trat am 31. Oktober 1990 in den Ruhestand.
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Mit Beihilfeantrag vom 4. November 1999 reichte der Kläger beim Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen - LBV - fünf Rezepte über von ihm
gekaufte Arzneimittel ein und zwar in Höhe von insgesamt 1000,06 DM (317,31 DM +
17,48 DM + 30.65 DM + 317,31 DM + 317,31 DM). Auf diesen Betrag hat der Kläger
insgesamt von seiner Krankenversicherung, der I-Ersatzkasse, Leistungen in Höhe von
735,99 DM (236,91 DM + 7,45 DM + 17,81 DM + 236,91 DM + 236,91 DM) erhalten, so
dass er einen Betrag in Höhe von 264,07 DM selbst zu tragen hatte. Das LBV lehnte mit
Bescheid vom 10. November 1999 die Gewährung einer Beihilfe mit der Begründung
ab, dass Zuzahlungen (Eigenanteile) bei Arzneimitteln nicht beihilfefähig seien.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 1999. Mit
Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2000 wies das LBV den Widerspruch des Klägers
zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei der Erstattung der
Krankenkasse des Klägers zu den Kosten der Medikamente um ein
Sachleistungssurrogat nach § 13 Abs. 2 SGB V handele, da der Kläger als freiwilliges
Mitglied einer Ersatzkasse an Stelle der Sach- oder Dienstleistung das
Kostenerstattungsverfahren gewählt habe. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 der
Beihilfenverordnung könne zu Aufwendungen, für die der Beihilfeberechtigte
Sachleistungssurrogate erhalten habe, keine Beihilfe gewährt werden.
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Der Kläger hat am 9. Juni 2000 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt
und vertieft. Ergänzend trägt er zur Begründung vor: Er habe bei seinem Eintritt in die
gesetzliche Krankenkasse im Jahre 1952 an Stelle von Sachleistungen
Kostenerstattung vereinbart. Seine Krankenkasse nehme bei dem Kauf von
Medikamenten eine Kostenerstattung vor, sie gewähre keine Sachleistung. Er habe als
Kriegsbeschädigter eine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung nicht
wählen können. Ihm habe wegen seiner gesundheitlichen Vorschäden nur der Weg in
die gesetzliche Versicherung offen gestanden, habe also keine freie Wahl gehabt, für
welches Leistungssystem er sich entscheiden solle. Er sei mit dem Eigenanteil für
Medikamente nur deshalb belastet, weil er als Kriegsbeschädigter nicht in die private
Versicherung habe eintreten können.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das beklagte Land unter entsprechend teilweiser Aufhebung des
Beihilfefestsetzungsbescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 22. Mai 2000 zu verpflichten, ihm
Beihilfe zu den mit Antrag vom 4. November 1999 eingereichten Belegen 1 bis 5 zu
bewilligen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen der Verwaltungsentscheidungen.
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Mit Beschluss vom 6. Mai 2002 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als
Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des beklagten Landes
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann der Berichterstatter als Einzelrichter und gemäß §
101 Abs. 2 VwGO kann der Einzelrichter mit Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheiden.
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Die Klage ist abzuweisen.
15
Die Beihilfeentscheidung des beklagten Landes in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu
den Aufwendungen für die Medikamente.
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Rechtliche Grundlage ist § 3 Abs. 3 der Beihilfenverordnung - BVO - vom 27. März 1975
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(GV NRW S. 332), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. April 2001 (GV NRW S.
219). Erhält der Beihilfeberechtigte Sachleistungen (z. B. Heilmittel), werden keine
Beihilfen gewährt (Satz 1). Erhält der Beihilfeberechtigte Sachleistungssurrogate
(Kostenerstattung bei Medikamenten - ggf. unter Abzug eines Mengenrabatts der
Krankenkasse und dergleichen - ), werden ebenfalls keine Beihilfen gewährt (Satz 2).
Der Kläger hat von seiner gesetzlichen Krankenkasse Kostenerstattung auf die
Aufwendungen für die Medikamente erhalten und zwar in Höhe der Vergütung, die die
Krankenkasse bei Erbringung der Sachleistung zu tragen hätte (§ 13 Abs. 2 Satz 3 SGB
V). Der Grund für diese Regelung ist im Widerspruchsbescheid des beklagten Landes
vom 22. Mai 2000 ausführlich dargelegt worden. Auf diese Ausführungen, denen das
Gericht folgt, wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen.
Die Ausführungen des Klägers, er habe wegen seiner Kriegsbeschädigung nicht die
Wahl gehabt, in eine private Krankenversicherung aufgenommen zu werden, vermögen
keinen Beihilfeanspruch - entgegen der gesetzlichen Regelung - zu begründen. Es geht
vorliegend nicht um die Wahl einerseits „private Krankenversicherung und damit Beihilfe
zu den Kosten der Medikamente" oder andererseits „gesetzliche Krankenkasse und
damit keine Beihilfe zu den Kosten der Medikamente" - diese Wahlmöglichkeit hatte der
Kläger unstreitig nicht -, sondern um die Wahl einerseits „Medikamentenbezug als
Sachleistung" oder „Medikamentenbezug mit (teilweiser) Kostenerstattung". Diese Wahl
hatte der Kläger, wie er selbst in seiner Klageschrift ausführt: „Dabei wurde generell an
Stelle von Sachleistungen Kostenerstattung vereinbart". Eine Vermischung der
Leistungssysteme, wie sie der Kläger begehrt, erfordert der
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht.
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Die Fürsorgepflicht des beklagten Landes (§ 85 des Landesbeamtengesetzes - LBG -),
die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums rechnet (Art. 33 Abs. 5
GG), verpflichtet den Beklagten nicht zu der vom Kläger erstrebten Leistung. § 88 LBG
und die auf dieser Vorschrift beruhende Beihilfenverordnung vom 27. März 1975 (GV
NRW S. 332) enthalten in diesem Zusammenhang die speziellen Regelungen. Weiter
gehende Beihilfeansprüche können allenfalls dann begründet sein, wenn die
Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 C 36.81 -, DVBl. 1984, 429 f.; OVG NW,
Beschluss vom 7. Juli 1998 - 12 A 5885/96 - m. w. N..
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Eine bloße Beseitigung oder Milderung von Folgen und Auswirkungen einer
Behinderung in den verschiedenen Lebensbereichen, etwa auf beruflichem,
wirtschaftlichem oder privatem Gebiet, verpflichtet jedoch noch nicht zur
Beihilfegewährung unter Rückgriff auf die Fürsorgepflicht,
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vgl. OVG NW, a. a. O.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung.
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