Urteil des VG Düsseldorf vom 07.08.2008

VG Düsseldorf: schutz der familie, öffentliche sicherheit, wohnung, genfer flüchtlingskonvention, anhörung, ermittlungsverfahren, inhaftierung, zelle, bewährung, herkunft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 L 1177/08
Datum:
07.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 1177/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag des Antragstellers,
2
den Antragsgegner anzuweisen, von seiner geplanten Abschiebung am 8. August 2008
abzusehen,
3
ist nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet, weil der Antragsteller einen
Anordnungsanspruch, gerichtet auf Untersagung der Abschiebung, nicht glaubhaft
gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).
4
Eine Abschiebung ist nach § 60 a Abs. 2 AufenthG auszusetzen, solange sie aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis
erteilt wird. Ein Duldungsanspruch folgt für den Antragsteller, der Vater zweier deutscher
Kinder (S, geboren am 00.00.2000 in N, und S1, geboren am 00.00.2003 in N) ist, im
Ergebnis jedoch nicht - wie geltend gemacht - aus Art. 6 GG unter dem Gesichtspunkt
des Schutzes des Familienlebens.
5
Zu den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG hat das
Bundesverfassungsgericht zuletzt mit Beschluss vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -
, NVwZ 2006, 682 f., ausgeführt:
6
Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende
Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat,
verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende
Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden
7
Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten,
pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren
Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates
zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6
GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das
Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende
Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>).
Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen
Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber
auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles.
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der
Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher
Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen
der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates,
die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies
kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden
Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat
(Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30.
Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, NVwZ 2002, S. 849 <850> m.w.N.; Beschluss der 1.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 1999 - 2
BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, S. 59). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf
an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von
anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt
hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch
Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern
eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. zuletzt
Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8.
Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 - m.w.N.).
8
Bei der Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften ist auch
angemessen zu berücksichtigen, dass durch das Gesetz zur Reform des
Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Rechtspositionen des
Kindes und seiner Eltern sowohl hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts als auch
hinsichtlich des Umgangsrechts gestärkt worden sind. Seither ist maßgeblich auch auf
die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine
persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem
Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall
umfassend zu berücksichtigen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -;
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Februar 2003 - 1 C 13/02 -, BVerwGE 117,
380 <390 f.>).
9
Auch gewichtige familiäre Belange setzen sich (aber) nicht stets gegenüber
gegenläufigen öffentlichen Interessen durch. Insbesondere dann, wenn die Geburt eines
Kindes nicht (...) eine "Zäsur" in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstellt,
die in Anbetracht aller Umstände erwarten lässt, dass er bei legalisiertem Aufenthalt
keine Straftaten mehr begehen wird, kommt ein Vorrang der gegen einen weiteren
Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Gründe in Betracht.
10
Unter Anlegung dieses Maßstabes muss der Schutz der Familie vorliegend hinter dem
11
öffentlichen Vollzugsinteresse zurückstehen. Dem liegt folgende Würdigung der
Einzelfallumstände zugrunde:
Zunächst ist nach Auswertung der beigezogenen Akten von einer familiären Beziehung
im Sinne einer tatsächlichen Verbundenheit zwischen dem Antragsteller und seinen
deutschen Kindern auszugehen.
12
Zwar befindet sich der Antragsteller, der wegen Urkundsdelikten und (versuchten und
vollendeten) Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde,
13
vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. Februar 2006 - XX - 13/05 -,
14
seit dem 12. Januar 2005 ununterbrochen in Haft und in den Sachverhaltsfeststellungen
des Strafurteils heißt es auf Grund entsprechender Einlassung des Antragstellers, dass
die Familie (d.h. der Antragsteller, seine Söhne und deren Mutter) nicht in einem
gemeinsamen Haushalt gelebt habe,
15
Seite 10 des amtlichen Umdrucks; Beiakte Heft 2, Bl. 219.
16
Auch hat der Antragsteller in der Vergangenheit keine behördlich registrierten
freiwilligen Unterhaltszahlungen für seine Kinder geleistet,
17
vgl. Beiakte Heft 1 zu 8 K 5952/07, Bl. 71; Beiakte Heft 2 zu 8 K 5952/07, Bl. 295.
18
Diese Umstände schließen jedoch den (früheren und jetzigen) Bestand von familiären
Beziehungen nicht aus. Für die von dem Antragsteller geltend gemachte und durch die
Kindesmutter in einer an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gerichteten E-
Mail vom 25. Februar 2008 bestätigte familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller
und seinen Kindern sprechen vielmehr folgende gewichtige (objektive) Anhaltspunkte
im Zusammenhang mit dem gegen den Antragsteller gerichteten Ermittlungsverfahren
wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (Al Tawhid): Im
Zuge von Oberservationsmaßnahmen im Oktober 2004 wurde festgestellt, dass der
Antragsteller regelmäßig Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin und
Kindesmutter unterhielt und auch in deren Wohnung übernachtete. Bei der am 12.
Januar 2005 erfolgten Durchsuchung der Wohnung der Kindesmutter wurden laut
Asservatenliste zahlreiche persönliche Gegenstände des Antragstellers sichergestellt.
Die Kindesmutter erklärte hierbei, dass der Antragsteller sie regelmäßig besuche und
auch bei ihr übernachte, da sie zwei gemeinsame Söhne hätten. Auffällig war zudem
der Wandschmuck in der Wohnung, den der zugezogene Dolmetscher als Indiz für eine
fanatische islamische Glaubenseinstellung bezeichnete.
19
Vgl. Beiakte Heft 11 zu 8 K 5952/07, Bl. 51, 55-58, 60, 67.
20
Die Präsenz des Antragstellers in der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin,
einer gebürtigen Polin, vor seiner Inhaftierung ist damit unzweifelhaft.
21
Die - auch geistige und emotionale - Bindung zwischen dem Antragsteller und
zumindest seinem Sohn S wurde bei der vorgenannten Durchsuchung deutlich, indem
der damals vierjährige S den Beamten auf Nachfrage, was er später einmal werden
wolle, laut Aktenvermerk antwortete, er wolle einmal "Mudjahed" wie sein Vater werden.
22
Hierunter verstehe er Männer mit Schwertern und Pistolen, die Ungläubige töten.
Vgl. Beiakte Heft 11 zu 8 K 5952/07, Bl. 66.
23
Während der Haftzeit ist der Kontakt durch regelmäßige Besuche der Kindesmutter,
teilweise in Begleitung der beiden Kinder, und Telefonate aufrecht erhalten worden. Es
ist anzunehmen, dass bei den Besuchen die Erziehung der gemeinsamen Kinder
Gesprächsgegenstand ist. Der Antragsteller sieht sich schon auf Grund seiner religiösen
Wertvorstellungen in der Vaterrolle und versucht auch aus der Haft heraus, auf das
Leben seiner Kinder Einfluss zu nehmen und familiäre Unterstützung sicherzustellen,
24
Vgl. Beiakte Heft 12 zu 8 K 5952/07, Bl. 86 (Besuchsüberwachung im März 2005);
Beiakte Heft 29 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band I), Bl. 83 f.
25
Gegenüber dem von der Strafvollstreckungskammer mit der Erstellung eines
Fachpsychologischen Gutachtens beauftragten Diplom-Psychologen hat der
Antragsteller mehrfach herausgestellt, wie wichtig ihm seine Kinder seien.
26
Vgl. Beiakte Heft 29 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band I), Bl. 127, 135 f.
27
Ist nach alledem von bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu
berücksichtigenden familiären Bindungen des Antragstellers im Sinne von Art. 6 GG
auszugehen, haben jedoch vorliegend die gegen einen Verbleib des Antragstellers im
Bundesgebiet sprechenden Gründe stärkeres Gewicht:
28
Der Antragsteller ist während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet in erheblichem
Umfang und in sich steigernder Weise straffällig geworden. Nach seiner Einreise Ende
1995 und der auf Grund unrichtiger Angaben zu seiner Herkunft erwirkten Zuerkennung
der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention,
29
vgl. hierzu das den Widerruf der Feststellung bestätigende Urteil des VG Düsseldorf
vom 4. Januar 2007 - 11 K 3704/06.A -,
30
ist der Antragsteller zunächst wegen Diebstählen auffällig geworden, für die er
Geldstrafen erhalten hat. Sodann erhärtete sich im Zuge strafrechtlicher
Ermittlungsverfahren der Verdacht, dass der Antragsteller im Zeitraum von März bis April
2002 als Aussteller und Lieferant von gefälschten Ausweisdokumenten in die
Passfälschungs- und Passverbringungsaktivitäten der deutschen Zelle der "Al Tawhid"
eingebunden war, für die Organisation eine CD mit der Anleitung zur Herstellung von
Sprengstoff aufbewahrte und im Besitz einer Waffe war, die er der "Al Tawhid"-Zelle
verkaufen wollte und die bei einem geplanten Anschlag auf jüdische oder israelische
Einrichtungen in Deutschland zum Einsatz kommen sollte. Zwar ist das entsprechende
Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die nachstehende rechtskräftige Verurteilung des
Antragstellers wegen Urkundsdelikten nach §§ 154 Abs. 1 Nr. 1, 154a Abs. 1 Nr. 1 StPO
eingestellt worden. Dies ändert jedoch nichts an dem vom Generalbundesanwalt im
Einstellungsvermerk festgestellten hinreichenden Tatverdacht, den das beschließende
Gericht auf Grund der in den Ermittlungsakten enthaltenen Erkenntnisse (Ergebnisse
von Telekommunikationsüberwachungen und Durchsuchungen, Zeugenaussagen)
ohne Weiteres nachvollziehen kann. Der Antragsteller stand damit im durch Tatsachen
gestützten Verdacht, eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben.
31
Vgl. Beiakte Heft 3 zu 8 K 5952/07, Bl. 375 ff.
32
Von der Zerschlagung der inländischen "Al Tawhid"-Zelle und bundesweiten
Festnahmen der Mitglieder im April 2002 unbeeindruckt, stellte der Antragsteller im
Zeitraum von 2002 bis 2005 in ausschließlich als "Fälscherwerkstatt" genutzten
Wohnungen in E1 falsche Papiere her, die unter anderem dazu dienen sollten, die
Einreise in die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Schengen-Staat bzw.
den Aufenthalt dort zu ermöglichen. Deswegen wurde der Antragsteller zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt,
33
vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. Februar 2006 - XX - 13/05 -, Beiakte Heft 2 zu
8 K 5952/07, Bl. 210 ff.
34
Die Haftzeit des Antragstellers endet am 11. Juli 2009. Im Hinblick auf die nicht gering
geschätzte Gefahr der Begehung erneuter Straftaten ist die Aussetzung der
Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung zum Zweidrittelzeitpunkt abgelehnt
worden.
35
Vgl. Landgericht Düsseldorf, Beschluss 31. März 2008 - StVKK 579/07-, Beiakte Heft 28
zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band II), Bl. 236 ff.
36
Die Strafvollstreckungskammer hat auf Grund des in einer Anhörung von dem
Antragsteller gewonnenen persönlichen Eindrucks hierzu mit - noch nicht
rechtskräftigem - Beschluss vom 31. März 2008 ausgeführt:
37
Die Justizvollzugsanstalt hat das Verhalten im Vollzug hinsichtlich Ordnung und
Sauberkeit als nicht zu beanstanden bezeichnet. Subkulturelle Aktivitäten sind nicht
beobachtet worden. Allerdings wurde bei dem Verurteilten, der früher im Verdacht stand,
in ein Islamistennetzwerk eingebunden zu sein, ein strenger Glaube mit auch
missionarischen Zügen beobachtet. Hierbei wurde auch im weiteren Sinne das
Tatgeschehen einbezogen in dem Sinne, dass er das Gesetz hier nicht anerkenne, sich
nur vom Koran leiten lasse und nur durch Gottes Hand richten lasse. Die
Justizvollzugsanstalt sieht eine sehr bedenkliche Grundeinstellung zur Rechtsordnung
hier. (...)
38
Es kann zur Zeit auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der
Allgemeinheit nicht verantwortet werden zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des
Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. (...)
39
Der hochintelligente Verurteilte (...) zeigte bei den Taten eine hohe Professionalität, zum
einen was die Qualität seiner Fälschungsprodukte angeht, mit der er sich einen Ruf
erwarb, der bis Freiburg drang. Weiter zeigte er professionelles Vorgehen in seinem
fälschergeschäftlichen Umgang. So hatte er nicht nur eine rein als Fälscherwerkstatt
genutzte zweite Wohnung, er wechselte auch nach einiger Zeit die Adresse der für
Fälschungszwecke genutzten Wohnung. Er ging - erkennbar geübt - konspirativ in
seinem geschäftlichen Umgang vor, etwas, was sich auch in den Aliasnamen
widerspiegelt. (...)
40
Es finden sich keine tragfähigen Hinweise auf eine Neuorientierung gegenüber der
früher gezeigten Ablehnung der Rechtsordnung hier. Wie auch in der Anhörung ist nur
ein seiner hohen Intelligenz geschuldetes, höchst geschicktes Ausweich- und
41
Beschönigungsverhalten erkennbar geworden, auch dann, wenn ihm innere
Selbstwidersprüchlichkeiten vorgehalten wurden. Auf die Nachfrage, was es mit
Sprengstoff- und Waffenbauanleitungen auf sich habe, die auf seinem Computer
aufgefunden wurden, wich er darauf aus, dass er gar nicht wisse, welcher Computer
konkret gemeint sein solle. Auf den Vorhalt der Sorge, er könne islamistischer
Ausrichtung sein, wich er aus, dass ein Missverständnis vorliege, welches im Rahmen
lebendiger Diskussionen in einem religiösen Gesprächskreis in der
Justizvollzugsanstalt F entstanden sein möge. Er übergeht die Elemente, die deutlich
auf fundamentalistische Ausrichtung hinweisen, insbesondere im Umgang mit seinem
Sohn, der schon im Januar 2005 erklärte, er wolle "Mudjahed wie sein Vater" werden.
Erklärungen zu angeblich erheblicher sexueller Libertinage erscheinen als Ablenkungs-
und Verleugnungsmanöver strengerer religiöser Einstellung. (...) Seine Wortwahl ist hier
erkennbar nachträglich, um sich als nicht streng muslemischer Libertin darzustellen,
einem Knastjargon abgesehen, der nichts mit seiner Welt zu tun hat. (...)
Die gesamten Einlassungen des Verurteilten in der Anhörung sind nicht nur zu glatt, sie
sind durchweg zu poliert gewesen, als dass ihnen eine Glaubwürdigkeit zukäme,
dahingehend, dass er eine Entwicklung vollzogen hätte, in der er nicht wieder - wie
gehabt - straffällig werden würde. Die alten aufgefallenen religiös ideologisierten
Selbstrechtfertigungen sind demgegenüber in sich deutlich authentischer.
42
Gewerbliche Professionalität hat der Verurteilte nicht im normalen Berufsleben, sondern
nur bei seinen abgeurteilten Taten bewiesen. Im Falle einer Entlassung zur Bewährung
muss auch mit einem Abtauchen in die Illegalität gerechnet werden. Notwendige
Kontakte sind für ihn aufgrund seiner Berufserfahrung als Fälscher leicht zu knüpfen,
notwendige Mittel leicht zu beschaffen.
43
So kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit eine
Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung derzeit nicht
verantwortet werden.
44
Diese Feststellungen und Wertungen werden durch den Inhalt der im vorliegenden
Verfahren beigezogenen Akten gestützt.
45
Auch der mit der fachpsychologischen Begutachtung zur Frage einer weiterhin von dem
Antragsteller ausgehenden Gefährdung betraute Diplom-Psychologe sieht es als relativ
sicher an, dass der weiterhin in Haft befindliche Antragsteller im Falle einer Entlassung
kaum eine andere Möglichkeit hat, als seine Lebensgestaltung in Freiheit an seine alten
Verhaltensmöglichkeiten anzupassen. Die zukünftige Bereitschaft des Antragstellers,
sich den hier geltenden gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen, müsse dadurch, dass
er andere Autoritäten als Gott kaum zu akzeptieren vermöge und sich von den
deutschen Behörden ungerecht behandelt fühle, als eher zweifelhaft angesehen
werden. Auch im Übrigen sei von einer ungünstigen Sozialprognose auszugehen. Der
Antragsteller habe - außer in seinen Kindern - keine wesentlichen haltgebenden
sozialen Bindungen, keine Wohnung und nur äußerst diffuse berufliche Perspektiven.
Eine erneute - ggfs. auch einschlägige - strafrechtliche Auffälligkeit könne nicht mit
ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, und sei es auch nur, um überhaupt
seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
46
Vgl. Beiakte Heft 29 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band I), Bl. 134, 136, 137.
47
Der Antragsteller verfügt weder über eine Berufsausbildung noch hat er in der
Vergangenheit - abgesehen von einer zweijährigen Tätigkeit im EDV-Bereich der
Jugendberufshilfe - durch legale Erwerbstätigkeit Einkommen erzielt. Soweit die
ehemalige Lebensgefährtin und Kindesmutter in ihrer per E-Mail übermittelten
Darstellung vom 25. Februar 2008 den Wunsch geäußert hat, dass der Antragsteller
nach seiner Haftentlassung wieder bei ihr und den Kindern einziehe, findet sich diese
Vorstellung bei dem Antragsteller offenbar selbst nicht wieder. Denn er hat Derartiges
weder am 24. Januar 2008 bei seiner psychologischen Begutachtung noch am 17. März
2008 bei der Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer mitgeteilt. Vielmehr hat er
auf Vorhalt in der vorbenannten Anhörung, es gebe keinen konkreten haltgebenden
Rahmen in freiheitlicher Situation - zumal sich die früher bestehenden förderlichen
Beziehungen durch die "Ehe" jetzt noch deutlich schwächer darstellten als vor der
Inhaftierung - lediglich entgegnet: Er sehe heute keinen Druck mehr so wie früher. Er
habe seine Kinder und meine, sich gut zurechtfinden zu können.
48
Festigende soziale Strukturen sind hierdurch jedoch nicht ersichtlich. Fest steht
lediglich, dass die dem Antragsteller nach islamischem Recht angetraute ehemalige
Lebensgefährtin und Kindesmutter während seiner Haftzeit einen anderen Mann
geheiratet hat, von dem sie bereits wieder geschieden ist,
49
vgl. Beiakte Heft 28 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band II), Bl. 216, 214,
50
während der Antragsteller selbst geäußert hat, eine neue Freundin zu haben, ohne dies
jedoch weiter zu erläutern.
51
Auch die Beziehung zu seinen Kindern kann nicht als haltgebender Faktor angesehen
werden. Diese hat den Antragsteller schon nicht von der Begehung der vorgenannten
Straftaten abhalten können. Vielmehr hat er - soweit bekannt - erst nach der Geburt
seines ältesten Sohnes die über einen langen Tatzeitraum verwirklichte erhöhte
kriminelle Energie gezeigt, dabei professionelles konspiratives Vorgehen entwickelt und
sich den Ruf eines qualifizierten Fälschers erworben. Seine Einlassung im Rahmen der
psychologischen Begutachtung, sein konspiratives Verhalten habe er vor allem zum
Schutz seiner Kinder, und zwar in erster Linie vor den Leuten um ihn herum, kultiviert,
vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass er seine kriminellen Aktivitäten
angesichts der in der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin sichergestellten
Gegenstände nicht von dort ferngehalten hat. Auf einem Computertisch im
Kinderzimmer wurde beispielsweise ein PC vorgefunden, auf dem Dateien mit der
Anleitung zur Herstellung von Sprengstoffen, Beschreibungen von Schusswaffen und
Handgranaten sowie eine Anleitung zur Herstellung einer Einschusswaffe
abgespeichert waren.
52
Vgl. Beiakte Heft 15 zu 8 K 5952/07, Bl. 137/25.
53
Von einer "Zäsur" in der Lebensführung des Antragstellers durch die Geburt seiner
Kinder kann hiernach keine Rede sein. Vielmehr hat er seinerseits seiner streng vom
islamischen Glauben mit fundamentalistischer Ausrichtung geprägten Überzeugung
auch im Lebensbereich seiner Familie Ausdruck und Geltung verschafft, auch wenn er -
wie er meint - in seinem Sohn (S) nicht nur einen "Kämpfer für die gerechte Sache"
sehe.
54
Vgl. hierzu Beiakte Heft 29 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band I), Bl. 127.
55
Einen glaubhaften Einstellungswandel hat der Antragsteller zu keiner Zeit - auch nicht
durch die erstmals erlebte Haft - erkennen lassen.
56
Vgl. insoweit auch Landgericht Düsseldorf, Beschluss 31. März 2008 - StVKK 579/07-,
Beiakte Heft 28 zu 8 K 5952/07 (Vollstreckungsheft Band II), Bl. 236 ff.
57
Bei der gegebenen Sachlage einer von dem Antragsteller weiterhin ausgehenden
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung muss dieser unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass seinen Kindern im Hinblick auf die Beziehung zur deutschen
Mutter ein Verlassen des Bundesgebietes nicht zumutbar ist, hinnehmen, eine
Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern in Deutschland zukünftig nicht aufnehmen zu
können. Insoweit ist zu bemerken, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag
schon vor der Haft nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Kindern gelebt hat
und - wie ausgeführt - auch zukünftig nicht die Absicht hätte, seinen dauerhaften
Aufenthalt bei der Kindesmutter zu nehmen. Die intensiven Besuchskontakte vor der
Inhaftierung waren schon in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren auf Grund der
Haftsituation bereits deutlich eingeschränkt. Bei alldem wird nicht das mutmaßliche
Interesse auch der Kinder verkannt, die ihren Vater als Vorbild ansehen und regelmäßig
mit ihrer Mutter in der Haftanstalt besuchen. Insoweit wird eine weitergehende
Beschränkung des Umgangs auf - auch schon während der Haft gepflegte - telefonische
und schriftliche Kontakte erfolgen müssen, die unterdessen durch Inanspruchnahme der
sich ständig fortentwickelnden elektronischen Medien wiederum zu einer
vergleichsweisen Erweiterung des aktuellen Umgangs führen können.
58
Anderweitige Gründe für eine Duldung sind weder dargetan noch ersichtlich.
Insbesondere lässt sich keine dem Antragsteller günstigere Rechtsfolge aus Art. 8
EMRK unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privatlebens herleiten. Wie
ausgeführt, ist der Antragsteller trotz seines mittlerweile fast dreizehnjährigen
Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. Zu
seiner Herkunft hat er bislang selbst keine überzeugenden Angaben gemacht. Insoweit
ist zu berücksichtigen, dass er einen Einstellungs- und Persönlichkeitswandel nicht
vollzogen hat, sondern vielmehr versucht, seine eigenen stark vom islamischen
Glauben geprägten Wertvorstellungen und Anschauungen in einer Weise, die auch als
missionarisch bezeichnet wird, anderen zu vermitteln. Für eine Entwurzelung von dem
Land seiner Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft gibt es demnach keine Anhaltspunkte.
59
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Kammer an die gerichtlich bestätigte
Entscheidung des Bundesamtes vom 2. Juni 2006, dass Abschiebungsverbote nach §
60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich des Herkunftlands Algerien nicht vorliegen,
gebunden ist (§ 42 AsylVfG).
60
Vgl. VG Düsseldorf vom 4. Januar 2007 - 11 K 3704/06.A -.
61
Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom heutigen Tage hat vortragen lassen, er sei
nicht der algerische Staatsangehörige T, ist auf die dem vorstehenden rechtskräftigen
Asylurteil zugrunde liegenden Ermittlungen und Feststellungen zur Person zu
verweisen. Aus dem Vorbringen des Antragstellers gehen keinerlei über die bereits
bestehenden Erkenntnisse hinausgehenden Anhaltspunkte hervor, die zu einer
erneuten Befassung mit der Frage seiner Identität Veranlassung geben könnten.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt
aus §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
63
64