Urteil des VG Düsseldorf vom 28.06.2004

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 19 L 1924/04
Datum:
28.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
19 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 L 1924/04
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Gründe:
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Der Antragsteller ist der Vater der am 26. November 1990 geborenen S1. S lebt im
Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter, Frau Dr. med. S2, und ihres Stiefvaters,
Herrn Dr. med. S3.
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Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt der Antragsteller
eine Verpflichtung des Antragsgegners, ihm in den Räumen der Behörde ein Gespräch
mit seiner Tochter ohne ein vorausgegangenes Elterngespräch zu ermöglichen.
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Der Antragsteller und die Kindesmutter hatten bis etwa 1995 zeitweise
zusammengelebt. Nach der Trennung der Eltern entstanden Differenzen hinsichtlich des
Umgangsrechts. In dem diesbezüglichen zivilgerichtlichen Verfahren (53 X 206/96
Amtsgericht O) kam es am 10. Dezember 1996 zu einem Vergleich. In der
Sitzungsniederschrift heißt es insoweit (Bl. 34/35 der Verwaltungsakten):
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"Die Parteien sind sich darüber einig, dass
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1. der Antragsteller ein Umgangsrecht alle vier Wochen sonntags in der Zeit von 14.00
bis 18.00 Uhr beginnend am 29.12.1996 hat.
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2.
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3. Für den Fall, dass ein Termin wegen Verhinderung des Antragstellers oder der
Antragsgegnerin ausfallen muss, wird dieser am folgenden Sonntag nachgeholt. Eine
sich abzeichnende Verhinderung ist drei Tage vor dem Termin mitzuteilen.
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4.
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5. Die Antragsgegnerin erklärt, dass sie gegen Telefonate und Briefe im üblichen
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Rahmen keine Einwendungen habe.
6.
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7. An den christlichen Doppelfeiertagen finden zusätzliche Besuche am 2. Feiertag statt
- zu der gleichen Zeit wie sonntags.
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8.
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Für das Jahr 96 findet der Weihnachtsbesuch am Montag den 23.12. statt.
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v.u.g.
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Herr S betont, dass er diesen Vergleich nur widerwillig schließe, weil er seiner Meinung
nach nicht weit genug gehe. Er stimme gleichwohl zu, weil ihm erklärt worden sei, dass
sein Umgangsrecht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens kaum weiter
gehend ausfallen werde."
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Nach Angaben des Antragstellers konnte der Vergleich in der Folgezeit nicht
durchgeführt werden, weil die Kindesmutter und ihr Ehemann dazu nicht bereit gewesen
seien; auch der Versuch einer Zwangsvollstreckung habe nicht zum Erfolg geführt.
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Ebenfalls nach eigenen Angaben versuchte der Antragsteller sodann über einen
längeren Zeitraum, mit der Tochter S1 täglich telefonisch in Kontakt zu treten, was
gleichfalls auf Hindernisse durch die Kindsmutter und ihren Ehemann gestoßen sei.
Anschließend schickte er der Tochter mindestens einen Brief pro Woche.
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Etwa im Jahre 1998 zog die Familie der Kindesmutter von O nach L - in den
Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners - um. Seit November 1999 wandte sich der
Antragsteller - teilweise in erheblichen zeitlichen Abständen - an den Antragsgegner,
weil er durch das Verhalten der Kindesmutter und ihres Ehemannes seine Beziehung zu
der Tochter Anita und das Kindeswohl für gefährdet erachtete.
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Der Antragsgegner kam bei einem Hausbesuch nach Gesprächen mit der Kindesmutter
und der Tochter S1 am 19. Januar 2000 zu dem Ergebnis, dass die Verhältnisse dort
Anlass zur Besorgnis oder zu einem Eingreifen nicht böten (Bl. 36/37 der
Verwaltungsakten). Gleiches gilt für ein weiteres Gespräch mit der Tochter S1, der
Kindesmutter und ihrem Ehemann im Mai 2003 in den Räumen der Behörde (Bl. 66-68
der Verwaltungsakten). Auch gewann der Antragsgegner den Eindruck, dass Kontakte
der Tochter zu ihrem Vater nicht von vornherein hintertrieben würden.
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Anlässlich der Einladung des Antragsgegners zu dem Gespräch im Mai 2003 teilte die
Tochter dem Antragsteller mündlich über seine Mailbox und auch brieflich mit, dass sie
"im Augenblick" keinen Kontakt zu dem Vater wünsche (Bl. 60-61, 62 und 65 der
Verwaltungsakten). Der Antragsteller beantragte daraufhin bei dem Antragsgegner, die
Behörde solle ihm ein Gespräch mit seiner Tochter in den Räumen des Jugendamtes
ermöglichen. Das Angebot des Antragsgegners, zunächst einmal ein Elterngespräch
unter Vermittlung des Jugendamtes zu führen, lehnte der Antragsteller mehrfach und
eindeutig ab. Andererseits war der Antragsgegner aus fachlichen Gründen und im
Hinblick auf das alleinige Sorgerecht der Mutter nicht bereit, dem Anliegen des
Antragstellers ohne das vorgeschaltete Elterngespräch näher zu treten.
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Nachdem der Antragsgegner das Begehren des Antragstellers durch Schreiben vom 6.
Januar 2004 - endgültig - abgelehnt hatte, hat der Antragsteller am 19. Juni 2004 das
Verwaltungsgericht mit einer Klage, gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners,
die Umstände in der Familie der Kindesmutter bezüglich einer Kindeswohlgefährdung
der Tochter S1 zu prüfen und zu würdigen (19 K 4062/04), und mit dem vorliegenden
Eilantrag angerufen.
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Zur Begründung seines Antrags hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung
ausgeführt:
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Die Mutter habe Zusagen in der Vergangenheit nicht eingehalten. Das habe eine
grundsätzliche Ablehnung seinerseits zur Folge gehabt, mit ihr vorab noch in das von
der Behörde für erforderlich gehaltene Gespräch einzutreten.
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Ausgangspunkt für sein Begehren sei der im Tatbestand genannte Brief seiner Tochter.
Er möchte dem Mädchen das ganze Geschehen einmal darlegen können, insbesondere
seine Bemühungen, in der Vergangenheit mit ihr Kontakt zu halten.
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Das von der Behörde so in den Vordergrund gestellte Elterngespräch würde nur zu
Verzögerungen führen, nicht aber zu irgendeinem sinnvollen Ergebnis. Im Übrigen
befürchte er dann im Umfeld dieses Elterngesprächs eine falsche Darstellung durch die
Kindsmutter. Er möchte in die Angelegenheit endlich eine klare Linie bringen. Das ginge
nur durch ein Gespräch mit der Tochter so wie er das beantragt habe.
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Noch in O hätten - unter Mitwirkung des Jugendamtes - mehrere Versuche von
Elterngesprächen stattgefunden, die aber zu nichts geführt hätten. Auf Grund dieser
Erfahrungen könne er sich mit einem neuen Versuch dieser Art nicht einverstanden
erklären, zumal im Laufe der Zeit eine Änderung der Einstellung und Haltung der
Kindsmutter nicht zu erkennen sei.
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Der Antragsteller beantragt ausdrücklich,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm im
Kreisjugendamt ein Gespräch mit seiner Tochter S1 zu ermöglichen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Nach seiner Auffassung ist ein vorangehendes Elterngespräch aus fachlichen Gründen
zwingend erforderlich.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (19 L 1924/04
und 19 K 4062/04) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners
ergänzend Bezug genommen.
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Das zu Protokoll erklärte Begehren des Antragstellers ist nach seinem zum Teil in die
Niederschrift aufgenommenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung
einschränkend dahingehend zu verstehen, dass es ihm ausschließlich um ein Gespräch
mit der Tochter in den Amtsräumen des Jugendamtes ohne voraufgegangenes
Elterngespräch geht. Denn das von ihm abgelehnte Verfahren hat der Antragsgegner -
unter Zurückweisung der weitergehenden Wünsche des Antragstellers - ausdrücklich
angeboten. Einer gerichtlichen Entscheidung bedürfte es insoweit nicht.
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Der so ausgelegte Antrag erweist sich bereits als unzulässig.
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Bei zutreffender Würdigung seines Begehrens erstrebt der Antragsteller nämlich eine
Regelung seines Umgangsrechts. Insoweit kommt es nicht auf die äußere "Einkleidung"
des Antrags in die Bitte um Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des
Umgangsrechts an, wofür der Antragsgegner nach der öffentlich- rechtlichen Vorschrift
des § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII zuständig ist. Maßgeblich ist vielmehr das
tatsächliche Ziel des Verfahrens. Danach geht es dem Antragsteller aber darum, ein
Gespräch mit seiner Tochter durchzusetzen, ohne zuvor mit der Kindesmutter eine
diesbezügliche - persönliche - Absprache getroffen zu haben, d.h. eine konkrete
Ausgestaltung seines Umgangsrechts zu Lasten des Personensorgeberechtigten.
Hierfür ist die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht gegeben, sondern vielmehr
ausschließlich die der Zivilgerichte. Das Jugendamt ist an solchen familien- und
vormundschaftsgerichtlichen Verfahren nur beteiligt, insbesondere wegen der
besonderen Sachkunde. Eine Einflussnahme auf das Vorgehen der Behörde in
Verfahren der letztgenannten Art durch das Verwaltungsgericht wäre ein unzulässiger
Eingriff in den Bereich einer anderen Gerichtsbarkeit. Im Übrigen kann der Kläger
jederzeit selbst das zuständige Zivilgericht anrufen, für den "Umweg" über das
Jugendamt fehlt ihm das Rechtsschutzinteresse.
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Unabhängig davon ist der Antrag auch unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur getroffen werden,
wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123
Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass das Bestehen eines zu
sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden.
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Das Gericht lässt die Frage des Anordnungsgrundes ausdrücklich offen. Denn dem
Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
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Als Anspruchsgrundlage kommt ausschließlich die bereits genannte Regelung in § 18
Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII in Betracht, wonach Eltern, andere Umgangsberechtigte
sowie Personen, in deren Obhut sich das Kind befindet, Anspruch auf Beratung und
Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts haben. Danach kann der
Antragsteller ein Gespräch mit seiner Tochter in den Amtsräumen ohne
voraufgegangenes Elterngespräch nicht verlangen.
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Durch den Wunsch des Antragstellers wird die Personensorge der Mutter in
erheblichem Umfang berührt. Sie bestimmt zunächst einmal, wie Kontakte zu dem Vater
des Kindes geknüpft werden, soweit nicht verbindliche Vereinbarungen vorliegen. Damit
wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Antragsgegners versuchen würde, ein Vater-
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Tochter-Gespräch ohne fachlich einwandfreie Einbeziehung der Mutter herbeizuführen.
Das Ansinnen des Vaters ist fachlich nicht zu rechtfertigen. Bei der gesetzlich
vorgesehenen Vermittlung durch das Jugendamt ("behördliche Mediation") müssen alle
Beteiligten in geeigneter Weise einbezogen werden. Das geschieht regelmäßig durch
Gespräche mit abschließenden Vereinbarungen, deren Einhaltung sodann von dem
Jugendamt auch nachdrücklich eingefordert werden kann, bevor - in hartnäckigen
Fällen - ggf. eine Entscheidung des Zivilgerichts herbeizuführen wäre, die zudem in der
Regel ebenfalls nach einem "Gespräch" mit allen Beteiligten in einer Sitzung ergeht.
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Vorliegend kommt noch Folgendes hinzu:
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Zwar mag die Kindesmutter in der Vergangenheit Absprachen nicht eingehalten haben
(objektive Feststellungen liegen dem Gericht hierzu nicht vor, lediglich Angaben des
Antragstellers). Der Antragsteller scheint aber die Grenzen seines Umgangsrechts
insbesondere in Bezug auf Umfang und Intensität nicht zu akzeptieren. Schon mit der -
üblichen - Regelung in dem gerichtlichen Vergleich war er nicht einverstanden, weil er
weiter gehende, intensivere Kontakte wünschte. Außerdem hat er damals beanstandet,
nicht über - kürzere - Abwesenheitszeiten seiner Tochter unterrichtet worden zu sein.
Auch hat er zeitweise täglich während der frühen Abendstunden im Haushalt der
Kindesmutter angerufen, um mit seiner Tochter zu sprechen. Wie die Reaktionen der
Kindsmutter und ihres Ehemannes zeigen, ist dieses unter Berufung auf das
Umgangsrecht nicht zu rechtfertigende Verhalten als Eindringen in den familiären
Schutzraum und wie eine unerwünschte ständige Anwesenheit eines Dritten im
Familienkreis empfunden worden. Zudem scheint die übermäßige Zahl der später
versandten Briefe (mehr als einer pro Woche) von der Tochter als eher lästig, wenn nicht
sogar - in Verbindung mit der Schreibung des Namens S2-3 in Anführungszeichen - als
belastend gewertet worden zu sein.
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Der Antragsgegner müsste im Wege der "behördlichen Mediation" zunächst einmal
versuchen können, die weit auseinanderliegenden Positionen der Eltern anzunähern,
um eine gemeinsame Plattform zu finden. Dazu gehört insbesondere, dass sich der
Antragsteller von seinen bisher viel zu weit gehenden Vorstellungen abbringen lässt
und sich in der Zukunft - in Anerkennung der mütterlichen Personensorge - auf ein
echtes Umgangsrecht beschränkt, das dann durch die unterstützende Hilfe des
Jugendamtes abzusichern wäre und wohl auch abgesichert werden könnte.
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Das von dem Antragsteller gewünschte Gespräch mit der Tochter S1 kann jedenfalls
nicht am Anfang des skizzierten Geschehens stehen, sondern müsste - dann mit
ausdrücklicher Billigung der Mutter und mit vollem Einverständnis des Kindes - in einer
späteren Phase der Entwicklung stattfinden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.
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